Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Artikel des Tages – Archiv

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[] Habseligkeit, die

eines der Dinge, die jmdm. gehören, vor allem etw. Kleines, das man tragen kann

Die Frage, welches das schönste Wort der deutschen Sprache sei, wird häufig mit „Habseligkeiten“ beantwortet. Der Beweggrund scheint – da der Klang hier wohl eher keine Rolle spielt – die Vorstellung zu sein, dass das Wort ausdrücke, dass man den (kleinen) Besitz, den man mit sich herumtragen kann, „selig hat“, also in seinem Herzen einen besonderen Platz dafür vorhält. Mal ganz davon abgesehen, dass so ziemlich alle Philosophen nah und fern der Meinung sind, man solle sich von Besitztümern frei machen, ist diese Herleitung auch sprachlich unsinnig. Denn „-selig“, das wir z. B. auch in „armselig“ und „redselig“ finden, hat nichts mit „Seele“ oder dem damit nicht verwandten „selig“ zu tun, sondern gehört zum Suffix „-sal, -sel“, das ursprünglich abstrakte Substantive bildet („Trübsal“).

[] Kuppelei, die

Recht, veraltet: (strafbare) Begünstigung fremder sexueller Handlungen

Noch bis in die 1970er Jahre hinein machten sich Eltern in der Bundesrepublik Deutschland strafbar, wenn sie ihren Kindern – auch volljährigen – im eigenen Haus den außerehelichen Kontakt mit Sexualpartnern, der zu dieser Zeit noch als Unzucht galt, gestatteten. Bei Minderjährigen (damals unter 21 Jahren) genügte auch die Vernachlässigung der Aufsichtspflicht zur Erfüllung des Straftatbestandes der Kuppelei: Erziehungsberechtigte, die beispielsweise unwissentlich ihrem unverheirateten 20-jährigen Kind den Beischlaf ermöglichten, weil sie schliefen, konnten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden. Mit Inkrafttreten der Reform des Sexualstrafrechts am 28. November 1973 wurde die Strafbarkeit der Kuppelei in der BRD stark eingeschränkt, um veränderten gesellschaftlichen Moralvorstellungen Rechnung zu tragen. Der Ausdruck selbst ist im StGB nicht mehr zu finden.

[] Kantersieg, der

leicht errungener, klarer und meist hoher Sieg

Auch wenn die deutsche Nationalelf von einem solchen derzeit nur träumen kann – von einer Herkunftsgeschichte soll uns das nicht abhalten: Englisch „canter“ für leichten Galopp geht wohl auf jene frommen Wallfahrer zurück, die in einem solchen Tempo zu Pferde nach Canterbury pilgerten. Ins Deutsche gelangte der Ausdruck im 19. Jh., wo er, wie eine Enzyklopädie von 1888 beschreibt, auch auf das Pferderennen bezogen wurde: „Im Kanter gewinnt ein Pferd das Rennen, wenn es seinem Gegner so überlegen ist, dass es nicht seine größte Geschwindigkeit zu entfalten braucht.“ Aus „im Kanter gewinnen“ wurde schließlich der „Kantersieg“, der dann auf andere Sportarten, insbesondere auf den (wenn auch nicht unbedingt deutschen) Fußball, übertragen wurde.

[] Totensonntag, der

zwischen dem 20. und 26. November liegender letzter Sonntag vor den Adventssonntagen, an dem evangelische Christen der Verstorbenen bzw. des Jüngsten Tages gedenken

Im Kino feiert Ridley Scotts „Napoleon“ Premiere, Protestanten begehen hierzulande den Totensonntag. Zwischen beidem besteht ein historischer Zusammenhang – nämlich die bittere Realität hinter den cineastischen Schlachtengemälden. Allein in der Völkerschlacht bei Leipzig fielen 100.000 Soldaten, im Russlandfeldzug weit über 400.000. Man geht heute von 1,5 bis 2 Millionen Menschen aus, die im Zuge der Napoleonischen Kriege im Gefecht umkamen, verhungerten, durch Krankheit starben oder erfroren. Es war wohl nicht zuletzt jene unvorstellbar hohe Zahl von Opfern, die den preußischen König Friedrich Wilhelm III. dazu bewog, am 25. November 1816 per Kabinettsorder für den letzten Sonntag vor dem 1. Advent ein „allgemeines Kirchenfest zur Erinnerung an die Verstorbenen“, den Totensonntag, auszurufen.

[] Kasper, der

bezeichnet die traditionelle männliche Hauptfigur des Puppentheaters mit roter Zipfelmütze, die schlau und witzig ist

Grinsend, mit langer Nase und einer Zipfelmütze, eine Klatsche in der Hand – so kennen wir den Kasper. Er erscheint auf der Bühne des Theaters, für das er auch der Namensgeber ist: das Kaspertheater. Die Stücke dort sind simpel gestrickt, sie erfreuen und begeistern mit ihrer Situationskomik vor allem Kinder. In Bayern nennt man ihn „Kasperl“ oder „Kaschberl“, in Schwaben „Kaschberle“, in der Schweiz „Kasperli“ oder „Chaschperli“. Die Vielfalt der Namen zeigt, wie tief diese Figur in der Volkskultur verankert ist. Und auch, wenn sich die Leute wieder einmal (in den Augen anderer) unwürdig verhalten haben, sagt man gern: „Was für ein Kaspertheater, Kaschbertheater!“

[] transkribieren, Verb

von Texten, sprachlichen Elementen: in eine (besser) lesbare schriftliche Form umwandeln

Am 24. November 2003 wurde Wikisource gegründet. Zunächst noch unter dem Namen „Project Sourceberg“ firmierend, war die zugrunde liegende Idee, Artikel für die Wikipedia mit historischen Quellen und Originaldokumenten anzureichern und entsprechende Primärquellen als Nachweise digital anzubieten. Mittlerweile ist „die freie Quellensammlung“ ein eigenständiges Projekt in über 50 Sprachen mit sympathischer Community – jede und jeder kann mitmachen – innerhalb des Wikiversums. Die Hauptarbeit liegt seither auch in der Erschließung und dem fleißigen Transkribieren von historischen Dokumenten – mit wissenschaftlich fundierten Standards und in offener, freier Publikationsform. Danke, Wikisource, Eure Arbeit ist auch für das DWDS unerlässlich, und alles Gute zum 20.!

[] Kitsch, der

abwertend: vorgeblich stilvolles, kultiviertes, gehobenes o. ä., dabei jedoch süßlich-sentimentales (und künstlerisch wertloses) Produkt schlechten Geschmacks

Kommt das Thema Lehnwörter auf, denken viele wahrscheinlich zuerst an die zahlreichen Anglizismen, die in den vergangenen Jahrzehnten Einzug in die deutsche und andere Sprachen gehalten haben. Bis ins 19. Jahrhundert war es noch das Französische, das unseren Wortschatz besonders bereichert hat. Was wir uns seltener vergegenwärtigen: Auch der deutsche Wortschatz hat einige Exportschlager zu bieten, die sich in gleich mehreren Sprachen bewährt haben. Viele davon sind Abstrakta wie „Zeitgeist“, „Schadenfreude“ oder etwa „Leitmotiv“ – jede dieser Entlehnungen transportiert auch eine Idee, ein Konzept aus dem deutschsprachigen Raum in die Welt. Auch das Wort „Kitsch“ hat sich in den verschiedensten Sprachen verbreitet: poln. „kicz“, russ. „kитч“, engl., nl., span., ital. „kitsch“, estn. „kitš“, griech. „κιτς“, japan. „キッチュ (kitchu)“ etc. Woher das Wort im Deutschen genau kommt, ist übrigens ungewiss.

[] auf offener Straße, Mehrwortausdruck

häufig bezogen auf Verbrechen: in aller Öffentlichkeit; draußen auf der Straße; vor anderen Leuten

Am 22. November 1963 ist der damalige US-Präsident John F. Kennedy zu Gast in Dallas, vor allem in Vorbereitung auf den anstehenden Wahlkampf. Während der Fahrt in einer Autokolonne durch die mit Publikum gefüllten Straßen der texanischen Metropole fallen plötzlich Schüsse. Nur kurze Zeit später wird Kennedy im nahegelegenen Parkland Memorial Hospital für tot erklärt. Seine Ermordung erschüttert Politik und Gesellschaft. Denn Kennedy war für viele in seinem Land und darüber hinaus ein Symbol des Wandels und des Fortschritts. Als charismatisches Staatsoberhaupt hatte er eine inspirierende Vision, die er in seiner „New Frontier“-Politik verkörperte. Er setzte sich für die Bürgerrechte ein, für die Gleichberechtigung der afroamerikanischen Bevölkerung, trieb die Raumfahrt voran und förderte das Friedenskorps. Sein gewaltsamer Tod ist auch heute noch Gegenstand von Verschwörungsmythen.

[] hinterfragen, Verb

die Gültigkeit, Richtigkeit von Informationen, Normen, Verhaltensweisen, Hintergründen, Voraussetzungen o. Ä. kritisch überprüfen, beurteilen

„Ceci n’est pas une pipe.“ – zu Deutsch „Dies ist keine Pfeife.“ – ist auf einem der bekanntesten Gemälde von René Magritte zu lesen. Über dem Schriftzug abgebildet: eine Pfeife. Das Werk mit dem Titel „La trahison des images“ („Der Verrat der Bilder“) spielt mit der beinahe trivial wirkenden Beobachtung, dass ein Gegenstand und dessen Abbild nicht identisch sind oder wie Magritte sagte: „Können Sie meine Pfeife stopfen? Natürlich nicht! Sie ist nur eine Darstellung.“ Der heute vor 125 Jahren geborene Künstler zählt zu den bekanntesten Vertretern des Surrealismus. Das Anliegen dieser Bewegung ist es, gewohnte Wahrnehmungs- und Denkmuster zu erschüttern. In der Malerei irritieren z. B. unerwartete, oft traumhaft wirkende Nebeneinanderstellungen von Bildelementen und zwingen so zur Reflexion über die Realität. Die Kunst des Surrealismus soll dazu anregen, die Welt neu zu sehen.

[] Apartheid, die

historisch: politische Praxis der staatlich organisierten Rassentrennung in Südafrika und Südwestafrika (bis 1994), die auf einer Doktrin von der angeblichen Überlegenheit und darauf basierenden Vorherrschaft des weißen Bevölkerungsteils beruhte

Sie wolle die Wirklichkeit ehrlich darstellen und verborgene Aspekte beleuchten, erklärte die südafrikanische Schriftstellerin Nadine Gordimer, die heute vor 100 Jahren geboren wurde. Die Wirklichkeit, das war in ihrer Heimat Südafrika für einen bedeutenden Teil ihres Lebens die Politik der Apartheid, deren Zustand und Wandlungen sie in ihren Romanen, Erzählungen und Essays ausleuchtete. Dabei war sie zeitweise doppelt ausgegrenzt: von der weißen Umwelt aufgrund ihrer offen geäußerten politischen Meinung, von der schwarzen Umwelt aufgrund ihrer Hautfarbe. Anerkennung erfuhr sie im Ausland: Sie erhielt 1974 den Booker Prize und 1991 den Nobelpreis. Unbequem und kritisch gegenüber ihrer Gesellschaft blieb sie auch nach dem Ende der Apartheid, etwa in dem Roman mit dem sprechenden Titel „Die Hauswaffe“. Gordimer verstarb 90-jährig im Juli 2014.

[] ein Dorn im Auge, Mehrwortausdruck

Person oder Tatsache, die in hohem Maße als lästig, störend, als ständiges Ärgernis empfunden wird

Die international vertriebene sowjetische Monatszeitschrift „Sputnik“ stach Mitte der 1980er Jahre dank offener Berichterstattung über die Reformen Gorbatschows und historische Tabuthemen (wie die Stalinschen Repressionen) aus der sozialistischen Medienlandschaft hervor, auch in der DDR. Als in der Novemberausgabe des Jahres 1988 u. a. das geheime Zusatzprotokoll des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts thematisiert werden sollte, reagierte der Staatsapparat: Am 19.11.1988 wurde der „Sputnik“ aus dem Postzeitungsvertrieb genommen, die Ausgabe eingezogen und eingestampft. Die öffentliche Reaktion blieb nicht aus – insbesondere Angehörige der Intelligenz sowie Studentinnen und Studenten taten sich in ihrer Kritik hervor, wie aus den Auswertungsdokumenten der Sicherheitsorgane zur „Reaktion der Bevölkerung“ zu erfahren ist. Den Lauf der Geschichte konnte das Verbot jedoch nicht mehr aufhalten.

[] Massel, der oder das

umgangssprachlich: (unverdientes, unerwartetes) Glück

Es liegt wohl in der menschlichen Natur, dass wir unsere Aufmerksamkeit allzu oft auf das Negative richten. Daher kennen wir uns sehr gut damit aus, etwas zu vermasseln oder dick im Schlamassel zu stecken. Sprachlich und außersprachlich weniger vertraut sind wir wahrscheinlich mit dem zugrundeliegenden „Massel“, dem Glück, das uns geschenkt wird, ohne dass wir es erwartet haben. Entlehnt ist es aus dem Jiddischen bzw. Hebräischen „mazzal, masol (מזל)“ ‚(Glücks-)Stern, Gestirn‘. Warum wir Sie gerade heute darauf hinweisen? Warum nicht; die Chance auf unerhörten Massel haben Sie jeden Tag. Und auch heute gilt es, dieses Glück zu feiern – oder einen Menschen, dem Sie reichlich davon wünschen.

[] Modewelle, die

Phänomen, bei dem etw. für meist kurze Zeit in Mode kommt (um danach wieder aus der damit verbundenen allgemeinen Aufmerksamkeit zu verschwinden)

Als am 17.11.1923 Oscar Straus’ Operette „Die Perlen der Cleopatra“ in Wien ihre Uraufführung erlebt, herrscht um Ägypten ein regelrechter Hype. Nicht nur gedeihen die politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Verbindungen von Kairo aus bis nach Berlin, auch im Unterhaltungssektor liefert das Reich am Nil als Sehnsuchtsort eine exotische Projektionsfläche, quasi als Spiegel der Gegenwart. Der musikalische Spaß trumpft auf mit flotter Story, frivolen Dialogen und natürlich hinreißenden Melodien. In der Erstbesetzung begeistern 1923 Stars wie Fritzi Massary, Max Pallenberg und Richard Tauber. Von den Nazis verfolgt, emigrieren sie wenige Jahre später ebenso wie der Komponist und die Librettisten Julius Brammer und Alfred Grünwald. In Berlin erlebt das Werk 2016 eine glamouröse, vielbeachtete Wiederaufführung.

[] strub, Adj.

zerzaust, kraus oder struppig, nicht glatt (gekämmt) oder gepflegt

Im zerzausten Struwwelpeter, dem berühmten Sinnbild schwarzer Pädagogik, steckt eine dialektale Entsprechung zu „strubbelig“, das liegt sprachlich wie bildlich nahe. Auch nicht weit weg liegt „struppig“. Die Wörter gehören zu der Wurzel, die wir in „sträuben“ finden, bezeichnen also alle den Zustand aufgestellter Haare. Die direkte Ableitungsbasis der Adjektive – gleichbedeutendes mittelhochdeutsches „strup, strûbe“ – ist in Deutschland und Österreich seit Langem ausgestorben. In der Schweiz, in einer für Randgebiete von Sprachgemeinschaften typischen Mischung aus Archaismus und Innovation, hat sie sich als normales Adjektiv „strub“ gehalten, zugleich aber auch zusätzliche bildliche Bedeutungen wie ‚unangenehm, widrig‘ angenommen.

[] jmdn. mundtot machen, Mehrwortausdruck

jmdn. (auch auf unlautere, brutale Weise) zum Verstummen bringen; jmdn. daran hindern, eine (abweichende, unerwünschte) Meinung zu äußern

Menschen, die mit all ihrer Überzeugung für den Mut und die Zuversicht einstehen, dass die Wahrheit stärker ist als Lüge, Schweigen und Unterdrückung, haben es selten leicht. Denn seit jeher wissen autoritäre Machthaber um diese unliebsame, für sie mitunter unberechenbare Bedrohung. 2022 etwa sind weltweit 115 Übergriffe auf Autorinnen und Autoren registriert worden. Das Writers-in-Prison-Committee des Internationalen PEN setzt sich seit 1960 für verfolgte und inhaftierte Autorinnen, Journalisten, Verlegerinnen u. a. ein, veröffentlicht jährlich einen internationalen Lagebericht. Außerdem unterhält das Komitee ein internationales Netzwerk, das in dringenden Fällen weitreichende Kampagnen für akut bedrohte Autoren organisiert. Seit 1981 wird am 15. November der „Writers-in-Prison-Day“ begangen.

[] Adelsgeschlecht, das

Gesamtheit der Angehörigen einer adligen Familie über sämtliche Generationen hinweg

Der Jubilar, dem wir heute unsere Reverenz erweisen, ist durch und durch adelig. Über zahlreiche Verwandtschaftsbeziehungen ist Seine Majestät König Charles III., ehem. Prince of Wales, mit vielen einst einflussreichen Adelshäusern verbandelt. Sachsen-Coburg und Gotha sind hier zu nennen, das Haus Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, eine Nebenlinie des Hauses Oldenburg. Zu dem Adelsgeschlecht Hessen-Darmstadt, das 1968 erlosch, bestehen entferntere Beziehungen, vor allem über das Haus Battenberg. Charles und der ehemalige griechische König Konstantin II. waren Cousins zweiten Grades, Markgraf Max von Baden und Prinz Rainer von Hessen waren bzw. sind Cousins Seiner Majestät. Der heute 75-jährige Charles III. kam erst jüngst zu königlichen Ehren: Seit dem 8. September 2022 ist er König des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland sowie von 14 weiteren souveränen Staaten einschließlich ihrer Territorien und abhängigen Gebiete. Wenn man das Beispiel seiner Mutter und Großmutter betrachtet, hat Charles III. ein langes Leben vor sich und vermutlich eine lange Regentschaft.

[] Blog, das oder der

auf einer Webseite geführtes Tagebuch, für das ein oder mehrere Autoren regelmäßig Texte und die Leser Kommentare verfassen

Der 13. November 1990 ist ein Meilenstein für die moderne Kommunikation. An diesem Tag stellt Tim Berners-Lee, Physiker und Informatiker am CERN, die erste Website überhaupt online, um den weltweiten Informationsaustausch innerhalb seines Fachs zu erleichtern. Es ist zugleich die Geburtsstunde des Blogs (Kurzform des englischen Kompositums „weblog“, also eine Art ‚Online-Tagebuch‘), der sich inzwischen zu einer zentralen Kommunikationsform für die digitale Wissensvermittlung und den Austausch über unterschiedlichste Themen entwickelt hat. Auch auf dem Blog des DWDS (der übrigens vor wenigen Tagen ein Jahr alt wurde) gibt es heute wieder Neuigkeiten: Wir stellen eine praktische Funktion vor, die unseren Nutzerinnen und Nutzern im DWDS ab sofort zur Verfügung steht.

[] Auslegeware, die

meist textiler, als Meterware angebotener Bodenbelag

„Wenn ich noch e i n m a l ‚Birne Helene‘ höre, werf ich mich hier auf den Boden und b e i ß e in die Auslegeware!“ – „Ach was?!“ Von wem, wenn nicht von Vicco von Bülow, alias Loriot, könnten Sätze wie diese stammen? Wohl nur wenige Humoristen besaßen wie er dieses einmalige Gespür für die Mikrodramen des Alltags, verbunden mit dem absoluten Gehör für die schrägen Neben- und Untertöne scheinbar gewöhnlicher Dialoge. Eines seiner zahlreichen Stilmittel waren sicher auch die herrlich pedantischen Komposita wie Auslegeware, Münzeinwurfbehälter, Herrenbutike oder Kosakenzipfel, die seinen Cartoons oder Sketchen eine absurde Tiefe gaben. Im kollektiven Humorgedächtnis der Deutschen hat er seinen festen Platz. Heute vor 100 Jahren wurde er geboren.

[] olle Kamelle, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, meist abwertend: altbekanntes Thema, immer wiederkehrendes Motiv

Auch wenn’s in der fünften Jahreszeit auf Rosenmontagszügen „Kamelle, Kamelle!“ schallt: Unter die 150 Tonnen Wurfmaterial, die so ein Rosenmontagszug unters Volk bringt, mischen sich Schokoriegel, Mäusespeck, Chipstüten, aber immer seltener die klassischen Karamellbonbons – und „olle Kamellen“ schon mal gar nicht. Die Wendung bezog sich im Norddeutschen ursprünglich auf „alte, nicht mehr duftende und damit wertlose Kamillen(blüten)“. („Dat sünd olle Kamellen – de rükt nich mehr.“) Der Mundartdichter Fritz Reuter titulierte mit „Olle Kamellen“ selbstironisch seine autobiografisch gefärbten Erzählungen, in denen er das Niederdeutsche zu literarischer Hochform führte.

[] sprachgewaltig, Adj.

die sprachlichen Ausdrucksmittel sehr gut beherrschend und sie wirkungsvoll einsetzend; von großer sprachlicher Ausdruckskraft

Muss man es nicht vermessen nennen, über Dich, Martin Luther, der Du heute vor 540 Jahren geboren wurdest, und Dein so sprachgewaltiges und wortschöpferisches Werk in den engen Grenzen dieser Kolumne Kunde zu geben? Würdest Du selbst dieses Unterfangen nicht verwegen nennen, mich dafür gar einen „Madensack“ schelten? Mit Dir bekenne ich: „Ich bin mehr als töricht, wenn ich mit einer Sache, die klarer ist als die Sonne, Worte und Zeit verliere“ (aus einem Brief an Erasmus von Rotterdam). Und dennoch möchte ich mich vor der Wirkmacht Deiner Sprache und Schriften verneigen und Dir den einen oder anderen Fehltritt wenigstens heute nachsehen. „Inzwischen mahne ich Dich, dass Du Zunge und Feder besserst.“ – Ich will versuchen, Deinen Rat, der nicht mir galt, sondern Erasmus von Rotterdam, zu beherzigen.

[] Dach der Welt, Mehrwortausdruck

bildlich: Himalaja

Elizabeth Hawley sah sich als Chronistin der Berge, obwohl sie selbst nie einen Berg bestiegen hatte. Als die amerikanische Journalistin 1960 als Korrespondentin nach Kathmandu zog, entwickelte sie schnell ein Interesse für das aufkeimende Expeditionsgeschehen im Himalaja. Sie begann, Gipfelbesteigungen und Rekordversuche penibel zu dokumentieren, knüpfte Kontakte zu Alpinisten und unterzog sie intensiven Interviews vor und nach ihren Expeditionen – nicht zuletzt, um Hochstapler zu entlarven. Aus ihren handschriftlichen Daten entstand eine fast lückenlose Chronik des Bergsteigens auf dem Dach der Welt, die als „Himalayan Database“ seit 2004 digital zugänglich ist. Nachdem sie sich 2016 zur Ruhe gesetzt hat, wird ihre Arbeit von ihrer Nachfolgerin Billi Bierling und einem kleinen Team weitergeführt. Heute wäre Elizabeth Hawley 100 Jahre alt geworden.

[] Semantik, die

Lehre von der Bedeutung von Wörtern, Wortgruppen und sprachlichen Äußerungen

Heute feiert eine Person ihren 175. Geburtstag, deren Werk entscheidenden Einfluss auf verschiedene Wissenschaftszweige und deren praktische Anwendung hatte: Gottlob Frege, 1848 in Wismar geboren, gilt als einer der großen Logiker des 19. Jahrhunderts, durch dessen formale Sprache nach langer Zeit der Stagnation neue Entwicklungen möglich wurden – bis hin zur Anwendung in der modernen Informatik. Das Hauptanwendungsgebiet sah Frege aber in Bezug auf die theoretischen Grundlagen der Mathematik, wodurch er auch auf diesem Gebiet innovativ war. Nicht zuletzt beschäftigte er sich auch mit Sprachphilosophie und stellte das bis heute diskutierte „Frege-Prinzip“ auf, wonach sich die Bedeutung einer Äußerung aus der Summe ihrer Bestandteile ergebe.

[] Rettungsweg, der

Weg, auf dem man aus einer Gefahrensituation entkommen oder in einer Notsituation evakuiert werden kann

Die Liste der Opfer war bereits ausgehängt, die Trauerfeier für die 40 umgekommenen Kumpel vorbereitet worden: Rund zehn Tage, nachdem sich Wasser und Schlamm aus einem unzureichend gesicherten Teich in die Erzgrube von Lengede ergossen hatten, rechnete niemand mehr mit Überlebenden, obwohl inzwischen an zwei Stellen insgesamt zehn Bergleute gerettet werden konnten. Doch eine letzte Suchbohrung fand Lebenszeichen von elf Männern, die sich in einen lang aufgegebenen Bergwerksteil hatten retten können. Heute vor 50 Jahren, zwei Wochen nach dem Grubenunglück, wurden sie unter größter Anteilnahme der Öffentlichkeit, die vom „Wunder von Lengede“ sprach, mittels einer nur 40 cm breiten Kapsel durch einen eilig gebohrten Rettungsschacht geborgen.

[] Salsa, der oder die

in den USA aus der Mischung verschiedener karibischer Musikstile entstandene Form populärer, rhythmusbetonter Musik; ursprünglich aus der Karibik stammender Tanz, der paarweise oder in einer größeren Gruppe getanzt wird

Es ist beim Essen so wie im Leben allgemein: Es braucht ein wenig Würze, um es sich schmackhaft zu machen. Da bietet sich eine Salsa an, eine pikante Zusammenstellung aus Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch – oder eben eine zum Tanzen animierende Mischung verschiedener Musikstile aus dem karibischen Raum – eine einleuchtende Metaphorik. Wie aber Musik und Tanz genau zu ihrem kulinarisch geprägten Namen kamen, ist eine längere Geschichte. Wie dem auch sei, kaum ein Musik-/Tanzstil ist lebensbejahender als die Salsa; so tanzt es sich mit Bass, Piano, Blechbläsern, Trommeln und Chören im 4/4-Takt mal schneller, mal langsamer, aber stets beschwingt durch die Nöte des Lebens: „Y si se cae el cielo, bailo bajo la tormenta“ (‚Und wenn der Himmel herabstürzt, tanze ich unter dem Sturm‘). Einer der Pioniere der Salsa-Musik, Rolando Valdés, wäre heute 100 Jahre alt geworden.

[] Chefredakteur, der

journalistische Fachkraft, die den Mitarbeitern einer Redaktion (Zeitschrift, Format in Funk, Fernsehen oder Internet) vorsteht

Unabhängige Medien sind ein kritischer Bestandteil einer liberalen Demokratie. So verwundert es nicht, dass es nach den Schreckensjahren der Nazis mit ihrer gleichgeschalteten Presse Ende der 1940er in Westdeutschland zu einem Gründungsboom von Medienhäusern kam. Eines der auf Dauer erfolgreichsten kommt dabei aus Hamburg: Seit 1947 ist das Nachrichtenmagazin SPIEGEL einer der großen Namen der deutschen Printlandschaft. Das Wochenblatt legte immer wieder den Finger in Wunden, die die Politik gerne verborgen hätte, und wurde dabei auch selbst Zentrum von Skandalen und Anfeindungen. Treibende Kraft hinter dem SPIEGEL war sein Gründer, Chefredakteur und Herausgeber: Rudolf Augstein. Heute vor genau hundert Jahren wurde der streitbare Publizist in Hannover geboren.

[] Boykott, der

massenhafte (und öffentlich kundgetane) Vermeidung bestimmter Produkte, Produktarten oder Dienstleistungen eines Herstellers (Firma, Herstellergruppe, Land o. Ä.), um diesen durch den wirtschaftlichen Schaden zu einem bestimmten (sozial erwünschten) Verhalten zu zwingen

Was haben die Wörter „Draisine“, „Derby“ und „Boykott“ gemeinsam? – Richtig, es handelt sich um sogenannte Eponyme, also Bezeichnungen, die ursprünglich auf Eigennamen zurückgehen. Das Wort „Boykott“ verdanken wir dem im 19. Jahrhundert als Gutsverwalter tätigen Charles Cunningham Boycott. Auf die Raffgier und Schikane des Engländers reagierten im Jahr 1880 Bauern der irischen Insel Achill, auf der Boycott eingesetzt war, indem sie sich weigerten, den Pachtzins zu bezahlen und grundsätzlich jede Zusammenarbeit mit ihm ablehnten. Aufgrund dieses Misserfolgs war Boycott schnell gezwungen, nach England zurückzukehren. Dass der gewaltfreie Protest noch heute als „Boykott“ (ursprünglich engl. „to boycott“ ‚in Verruf erklären‘) bezeichnet wird, bleibt wohl seine bedeutendste Hinterlassenschaft.

[] Raumsonde, die

unbemannter Flugkörper (mit Messinstrumenten) zur Erforschung des Weltraums jenseits des Schwerefelds der Erde, insbesondere der Himmelskörper darin

„Per aspera ad astra“ – über raue Pfade, mit großer Mühsal gelangt man zu den Sternen. Das wussten schon die alten Römer. Eine Mission, die heute vor 50 Jahren in Cape Canaveral startete, zielte nicht auf die Sterne, sondern auf einen Planeten. Man kann davon ausgehen, dass die Vorbereitungen von großer Mühsal waren, sicherlich aber glitt die Sonde „Mariner 10“ nicht über raue Pfade, sondern sanft durch das All, bis sie am 29. März 1974 den Planeten Merkur passierte und in mehreren Anflügen ca. 9.000 Bilder von dessen Oberfläche auf die Erde funkte. Damals war dies sicher eines der teuersten Fotoshootings der Geschichte. Die Fotos zeigen eine Oberfläche voller Krater, eine Atmosphäre hingegen konnte die Sonde nicht finden, dafür ein schwaches Magnetfeld. Eine spätere Mission zur Erkundung des Merkur sorgte dafür, dass das galaktische Fotoalbum auf über 200.000 Aufnahmen anschwoll.

[] Wahlbetrug, der

bewusste Manipulation des formalen Ablaufs einer Abstimmung oder von deren Ergebnis

Es war der Beginn kritischer Wochen in Georgien: Heute vor 20 Jahren fanden Parlamentswahlen statt, zu deren Sieger sich der langjährige Präsident Eduard Schewardnadse erklärte. Es war aber klar, dass die korrupten Eliten die Abstimmungsergebnisse gefälscht hatten. Die Opposition wollte sich nicht um den Wahlsieg bringen lassen und organisierte Massenproteste. Mit Rosen statt Waffen in Händen stürmte sie schließlich das Parlament. Als die Sicherheitskräfte ein Eingreifen verweigerten, musste Schewardnadse aufgeben. Die Wahlen wurden aufgrund dieser Rosenrevolution wiederholt und Georgien bekam die Chance eines demokratischen Aufbruchs, wodurch auch andere ehemalige Sowjetrepubliken (Orange Revolution in der Ukraine 2004 und die Tulpenrevolution in Kirgisien 2005) inspiriert wurden.

[] Freskomalerei, die

künstlerische Maltechnik, bei der ein Bild, ein Fresko, in den noch frischen, feuchten Putz einer Wand oder Decke gemalt wird

Ein opulentes Deckenfresko für die Sixtinische Kapelle – so der Wunsch von Papst Julius II. Diese ehrwürdige Aufgabe wurde dem schon damals hoch angesehenen Künstler Michelangelo zuteil, der den Auftrag jedoch nur widerwillig annahm, da er sich primär als Bildhauer und nicht als Maler verstand. Die Arbeit an dem Fresko erstreckte sich über vier Jahre. Bei Kerzenschein, auf einem Gerüst auf dem Rücken liegend, gestaltete er im Alleingang die gewaltige Gewölbedecke in der anspruchsvollen Technik der Freskomalerei. Die Fresken erzählen eindrucksvoll die Schöpfungsgeschichte – von der Scheidung von Licht und Finsternis über die Erschaffung Adams bis hin zur Sintflut. Am 1. November 1512 erfolgte die feierliche Enthüllung des Meisterwerks von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle in Rom.

[] Stadt, die

geschlossene dauerhafte Siedlung mit größerer und sozial differenzierter Einwohnerschaft, eigenen Rechten und eigener Verwaltung

„Die Städte aber wollen nur das Ihre / und reißen alles mit in ihren Lauf. / Wie hohles Holz zerbrechen sie die Tiere / und brauchen viele Völker brennend auf.“, dichtete einst Rainer Maria Rilke. Gewiss, die negativen Folgen der Urbanisierung für Mensch und Umwelt lassen sich nicht leugnen. Klar ist aber auch, dass sich dieser Prozess nicht aufhalten lässt: Prognosen zufolge werden bis 2050 fast 70 Prozent der Menschen in Städten leben. Aus diesem Grund haben die Vereinten Nationen vor 10 Jahren den 31. Oktober zum Welttag der Städte erklärt. Jedes Jahr tauschen sich die Mitgliedsstaaten an diesem Tag unter dem Motto „Better City, Better Life“ über die Herausforderungen, aber auch Chancen der Stadtentwicklung aus, mit dem Ziel, nachhaltigere und lebenswertere Städte zu schaffen.

[] harsch, Adj.

rau, eisig

„Wie dunkel sind deine Schläfen. / Und deine Hände so schwer. / Bist du schon weit von dannen, / Und hörst mich nicht mehr.“ Tod, Verfall und Krieg – harsch waren die Themen in den Gedichten von Georg Heym, einem der wichtigsten Vertreter des frühen literarischen Expressionismus, der am 30.10.1887 in Hirschberg (Jelenia Góra) geboren wurde. Ähnlich rau wie seine Gedichte war auch der Tod des jungen Schriftstellers: Eines Wintertages trifft sich der erst 24-Jährige mit seinem Freund Ernst Balcke zum Schlittschuhlaufen auf der Havel. Wenig später bricht Heym im Eis ein – vermutlich beim Versuch, seinem ebenfalls verunfallten Freund zu Hilfe zu kommen. Wie später berichtet wird, kämpft er noch lange gegen die eisige Kälte und gegen das Ertrinken, bis er schließlich von dannen gehen muss.

[] Rundfunk, der

drahtlose Bereitstellung und Übertragung von Sendungen (Informationen, Nachrichten, Musik, Hörspielen o. Ä.) des Hörfunks und des Fernsehens

Politische Unruhen und Hyperinflation prägen das Jahr 1923 in der Weimarer Republik. Auch geistig verarme die Bevölkerung, konstatiert Hans Bredow, Staatssekretär für das Telegrafen-, Fernsprech- und Funkwesen, in der ersten Ausgabe der Zeitschrift „Der Deutsche Rundfunk“ vom 14. Oktober. „Erholung, Unterhaltung und Abwechslung lenken den Geist von den schweren Sorgen des Alltags ab, erfrischen und steigern die Arbeitsfreude […].“ Darin sieht er die Aufgabe des Rundfunks. Am 29. Oktober 1923 um 20 Uhr startet dann das erste deutsche Rundfunkprogramm. Als erstes Stück schickt die Funk-Stunde Berlin das „Andantino“ von Fritz Kreisler als live gespieltes Cello-Solo mit Klavierbegleitung in den Äther. Ob überhaupt jemand dieser Übertragung lauschte, ist jedoch ungewiss: Als der Sender den Betrieb aufnahm, besaß nämlich noch keiner der potenziellen Hörer eine offizielle Genehmigung für den Empfang.

[] Polio

von Polioviren ausgelöste, besonders im Kindesalter auftretende Infektionskrankheit, die besonders das Rückenmark befällt und schwere bleibende Lähmungen verursachen kann

Im Jahr 1960 wurde in der DDR, zwei Jahre später in der BRD, die Impfung gegen das Poliovirus eingeführt. Nur wenige Jahre später war es hierzulande nahezu ausgerottet und mit ihm eine teils schwer verlaufende Krankheit, von der meist Kinder betroffen sind: Poliomyelitis, zu griech. „poliós (πολιός)“ ‚grau‘ und „myelós (μυελός)“ ‚Mark‘. Bei einem geringen Prozentsatz der Infizierten befällt das Virus die graue Substanz des zentralen Nervensystems; bei ca. einem Prozent kommt es zu einer schweren sog. paralytischen Poliomyelitis (Kinderlähmung). Schmerzhafte, zum Teil lebensgefährliche Lähmungen können auftreten, irreparable Schäden sind möglich. Eine Kampagne zur weltweiten Ausrottung von Polio startete die WHO 1988 und rief in diesem Zuge auch den Weltpoliotag ins Leben, der ursprünglich jährlich am 28. Oktober stattfand, dem Geburtstag des Entwicklers des ersten Impfstoffs gegen Polio, Jonas Salk.

[] Chronist, der

Person, die historische oder z. B. für eine Firma oder einen Verein bedeutsame Ereignisse in ihrer zeitlichen Abfolge schriftlich festhält, beschreibt (und interpretiert), eine oder mehrere Chroniken verfasst

„Hier ist die Geschichte der vergangenen Jahre, wie das russische Land zum Entstehen kam, wer zuerst in Kiew Fürst war und wie das russische Land geordnet ist.“: So beginnt die berühmte Nestorchronik, benannt nach dem Mönch Nestor von Kiew, der sie in seinen beiden letzten Lebensjahren verfasst haben soll – was heute aber bezweifelt wird. Wie auch immer, die Chronik, die in altostslawischer Sprache die Entstehung der ostslawischen Staatlichkeit zwischen ca. 860 und 1110 beschreibt, ist eine der wichtigsten Quellen für die Geschichte der Region in dieser Zeit, auch wenn sie an manchen Stellen sichtbare Ungenauigkeiten enthält. Zudem war sie wichtiger Quell für die Legitimation späterer Herrscher in Russland und der Ukraine und wurde entsprechend umgedeutet und nachbearbeitet.

[] Saubär, der

mundartlich, veraltend: männliches Schwein

Umgangssprachlich wird jemand, der sich hygienisch oder moralisch wie ein Schwein verhält, auch schon mal als „Saubär“ beschimpft. Dem liegt aber nicht irgendeine Vorstellung eines Bären zugrunde, sondern regional kann das Wort auch einfach das männliche (Haus-)Schwein bezeichnen. Es handelt sich hierbei um ein verdeutlichendes Kompositum, damit man das alte Wort „Ber/Bär“ nicht mit Meister Petz verwechselt. Natürlich klingt hier das gleichbedeutende und heute überall verbreitete „Eber“ an. Doch während Letzteres sprachvergleichend gut bezeugt ist (vgl. lat. „caper“, altkirchenslaw. „veprь“), ist „Ber/Bär“ auf das Germanische beschränkt (vgl. engl. „boar“). Im Übrigen ist der Gebrauch als Schimpfwort eine falsche Übertragung, denn Schweine sind reinliche und soziale Tiere.

[] Nudel, die

meist aus einem Teig aus Getreidemehl hergestellte (Eier-)‍Teigware von verschiedenartiger Form (und Füllung), die getrocknet oder frisch zubereitet in siedendem Wasser gekocht wird

Die Welt der Pasta ist erstaunlich vielfältig: Hunderte verschiedener Sorten existieren, darunter auch die weniger bekannten ringförmigen Anelli oder die gewellten Mafalde. In Deutschland isst man am liebsten Spaghetti – vielleicht manchmal so viel davon, dass man sich „wie genudelt“ (also übersatt) fühlt. Der Ausdruck hat einen unappetitlichen Ursprung: Das Nudeln ist eine Form der Zwangsernährung, die in der Geflügelmast zur Anwendung kommt. Enten oder Gänsen wird dabei einige Tage oder Wochen vor der Schlachtung mehrmals täglich ein gehaltvoller Maisbrei (früher noch dicke Teigröllchen) in die Speiseröhre gepumpt. Dieses bedenkliche Verfahren ist Grundlage von Delikatessen wie Stopfleber, in vielen Ländern allerdings bereits verboten. Am heutigen Weltnudeltag sollten wir vielleicht weniger stopfen, vielmehr genießen.

[] Leuchtturmprojekt, das

(häufig mit Fördergeldern finanziertes) herausragendes, innovatives Projekt oder Vorhaben, das wegweisend sein könnte für weitere, sich daraus ergebende Projekte oder Vorhaben

Heute vor genau 20 Jahren ging eine Ära zu Ende: Das Überschallpassagierflugzeug Concorde, auch „Königin der Lüfte“ genannt, hob zu ihrem letzten Flug über den Atlantik ab. Seit 1976 hatten British Airways und Air France besonders die Route nach New York mit mehr als zweifacher Schallgeschwindigkeit bedient. Diese staatlichen Fluglinien der Entwicklerländer Großbritannien und Frankreich blieben allerdings auch die einzigen Kunden des technischen Wunderwerks, das seit den 1950ern mit horrenden Kosten (aus öffentlicher Hand) entwickelt worden war. Statt wie erhofft 200 wurden nur 16 Serienmaschinen gebaut; das ganze Projekt war ein finanzieller Misserfolg. Technisch beeinflusste die Concorde aber die weitere Entwicklung der zivilen Luftfahrt maßgeblich.

[] Schöpfer, der

Religion: Synonym zu Gott

Nach aktueller wissenschaftlicher Berechnung entstand die Erde vor 4,6 Milliarden Jahren gemeinsam mit der Sonne, das Universum vor vielleicht 13,8 Milliarden Jahren. Vor den Entdeckungen durch die Astronomie mussten sich Menschen, wollten sie das Alter der Welt wissen, auf mythologische Quellen stützen, sprich für Europa: die Bibel. So berechnete 1650 der Bischof James Ussher in bemerkenswerter Detailarbeit durch Verknüpfung biblischer Zeitraum-Angaben und historischer Daten die Erschaffung der Welt durch den Schöpfer auf heute vor 6.027 Jahren, den 23. Oktober 4004 vor Christi Geburt (mit dem Zusatz durch John Lightfoot: 9 Uhr morgens). In einem stimmen Astrophysiker und Bibel übrigens tatsächlich überein: Vor der Entstehung des Weltalls herrschte „Irrnis und Wirrnis“.

[] stottern, Verb

aufgrund einer Sprachstörung mit krampfartigen und mehrmals rasch aufeinanderfolgenden Wiederholungen von Lauten und Silben sprechen

Am 22. Oktober findet jährlich der Welttag des Stotterns statt. Dieses Jahr steht er unter dem Motto „One Size Does NOT Fit All“ (‚Eines passt nicht für alle‘); aufgrund der Heterogenität der Betroffenen und ihrer Umstände braucht es verschiedene Ansätze im Umgang mit der Redeflussstörung. Beim Verb „stottern“ handelt es sich übrigens um eine sogenannte Intensivbildung. Während Diminutive (auch) unter den Verben recht bekannt sind („husten“ → „hüsteln“, „lachen“ → „lächeln“), fallen die Intensiva weniger auf, zumal Ihre Form sie nicht so eindeutig verrät. Greifbar wird sie aber sowohl phonetisch bzw. graphematisch als auch semantisch. So wird aus „stoßen“ „stottern“, aus „schlagen“ „schlachten“ und aus „sehen“ „suchen“.

[] nomen est omen, Mehrwortausdruck

bildungssprachlich: schon die Bezeichnung, der Name deuten auf etw. hin

Am 21. Oktober 2003 wurden am Palomar-Observatorium Bilder des Kuipergürtels aufgenommen. Später entdeckten Astronomen darauf ein transneptunisches Objekt, das zunächst als „zehnter Planet“ bezeichnet wurde. Die Entdeckung löste eine Debatte über die Planetendefinition aus, die schließlich 2006 zur Einführung der Klasse der Zwergplaneten führte. Im Zuge dessen wurde auch Pluto, der bis dahin als neunter Planet galt, sein Planetenstatus abgesprochen. Der Himmelskörper, der die Kontroverse entfacht hatte, erhielt den Namen (136199) Eris – nach der griechischen Göttin der Zwietracht und des Streits. Diese verursachte dem Mythos nach durch eine Intrige, die einen goldenen Apfel (auch: Apfel der Zwietracht, Erisapfel oder Zankapfel) beinhaltete, einen Streit, der letztendlich im Trojanischen Krieg mündete.

[] Flop, der

(kommerzieller) Misserfolg; gescheiterte Unternehmung; ein schlechtes, ungenügendes, unbrauchbares Produkt o. Ä.

Mit dem Wort „Flop“ assoziiert man im Deutschen heute einen Misserfolg, eine gescheiterte Unternehmung, schlechte Produkte oder gescheiterte Existenzen. Das ist erstaunlich, denn heute vor 55 Jahren wurde dieses Wort als Bezeichnung für eine Sprungtechnik im Hochsprung populär. Der sportliche Flop wird deshalb auch meist mit seinem Erfinder assoziiert und „Fosbury-Flop“ genannt. Dick Fosbury, dem wir hiermit unsere Reverenz erweisen wollen, war ein außerordentlich erfolgreicher Mensch. Er setzte seinen Stil gegen den Widerstand des Trainers durch („Besser wäre es, wenn du zum Zirkus gehen würdest“), gewann am 20. Oktober 1968 eine Vorausscheidung für die Olympischen Spiele, war für den Hochsprung stilbildend, überwand später eine Krebserkrankung, führte ein Bauunternehmen, reüssierte in der Lokalpolitik. Die Latte konnte wohl nie hoch genug für ihn liegen. Im März dieses Jahres verschied er im Alter von 76 Jahren. Mach’s gut, mach’s besser, Dick!

[] Bakterium, das

einzelliger, in besonderen Fällen mehrzellige Aggregate bildender Mikroorganismus, der keinen Zellkern besitzt, sich durch Teilung vermehrt und durch seinen Stoffwechsel bestimmte Substanzen produziert bzw. zersetzt oder auch Krankheiten verursachen kann

Es klingt wie der Anfang eines Science-Fiction-Dramas: In New Mexico wird bei Bohrungen in ca. 600 Metern Tiefe ein Salzkristall entdeckt, in dem ein 250 Millionen Jahre altes Bakterium eingeschlossen ist. Forschern gelingt es, den Mikroorganismus im Labor zu isolieren und zum Wachsen anzuregen. Im Film würde sich der Bazillus aus der Tiefe nun als tödlicher Krankheitserreger herausstellen und eine verheerende Epidemie auslösen. Im Fall des von einem Forscherteam der West Chester University befreiten, harmlosen Bacillus permians* blieb die Menschheit von solch einer dramatischen Entwicklung verschont. Eine Sensation war der Fund, der am 19. Oktober 2000 im Wissenschaftsjournal „Nature“ veröffentlicht wurde, dennoch: Der Einzeller ist das langlebigste uns bekannte Lebewesen; bei einer so langen Lebensdauer wäre theoretisch sogar intergalaktisches Reisen möglich.

[] Monumentalismus, der

Stilrichtung in der Kunst (besonders in der Architektur), für die gewaltige, überdimensionale Bau- oder Kunstwerke charakteristisch sind

Heute vor 210 Jahren kulminierte die Völkerschlacht bei Leipzig, und genau 100 Jahre später, am 18.10.1913, wurde auf der Walstatt das Völkerschlachtdenkmal eingeweiht. War die viertägige Schlacht, in der eine Koalition um Russland, Preußen und Österreich Napoleons Frankreich und seine Verbündeten entscheidend besiegte, die bis dahin größte Schlacht der Weltgeschichte gewesen, so sprengte auch ihr Denkmal alle Dimensionen, was im Deutschen Kaiserreich mit seinen zahlreichen Monumenten durchaus bemerkenswert ist. Mit über 90 Metern Höhe ist der von Bruno Schmitz (auch Architekt des Kyffhäuserdenkmals) entworfene und in 15 Jahren errichtete spendenfinanzierte Klotz bis heute das höchste Denkmal Europas und Touristenattraktion.

[] Energiekrise, die

durch die mangelnde Verfügbarkeit bestimmter Energieträger bedrohte Sicherheit der Energieversorgung, die meist mit stark steigenden Energiepreisen einhergeht

Am 17. Oktober 1973 beschloss die Organisation der erdölexportierenden Länder (OPEC), die Ölförderung zu reduzieren und den Rohölpreis von drei auf fünf US-Dollar pro Barrel zu erhöhen. Die daraus resultierende Ölkrise brachte die Weltwirtschaft ins Wanken. Schnell wurden auch in Deutschland Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs ergriffen. Das Bild von leeren Autobahnen infolge des Sonntagsfahrverbots ist sicherlich vielen in Erinnerung geblieben. Heute stehen wir erneut vor einer Energiekrise, da die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen bei begrenzten Vorräten weiter steigt. Vor dem Hintergrund der Klimakrise und wachsender politischer Spannungen ist es daher wichtiger denn je, auf erneuerbare Energien zu setzen, um die Abhängigkeit vom Öl zu verringern.

[] in Stein gemeißelt, Mehrwortausdruck

unveränderlich, fest, abschließend entschieden

Am 16. Oktober 1843 spazierte der irische Mathematiker William Rowan Hamilton durch Dublin, als ihm plötzlich die zündende Idee zu einem Problem kam, an dem er schon jahrelang gearbeitet hatte. Besorgt, dass ihm die Idee gleich wieder entfleuchen würde, ritzte er seine Erkenntnis – eine Formel für die Multiplikation von „Quaternionen“ – in Ermangelung von Stift und Papier kurzerhand in die steinerne Broom Bridge. Auch wenn diese Formel das mathematische Verständnis des gemeinen Lexikografen übersteigt, spielte die Entdeckung der Quaternionen bei der weiteren Entwicklung der modernen Algebra eine große Rolle. Quaternionen finden bis heute Anwendung bei der Berechnung der Rotation fester Körper und werden daher z. B. bei der Satellitensteuerung, aber auch bei der Programmierung von Computerspielen eingesetzt.

[] Taikonaut, der

Raumfahrer einer chinesischen Weltraummission

Am 15. Oktober 2003 startete die erste bemannte Raumfahrtmission der Volksrepublik China. An Bord befand sich der Taikonaut Yang Liwei. Doch was hat es eigentlich mit dem Begriff „Taikonaut“ auf sich? Astro- und Kosmonauten haben zumindest sprachlich griechische Wurzeln: „ástron (ἄστρον)“ ‚Gestirn, Stern‘ bzw. „kósmos (κόσμος)“ ‚Kosmos‘ + „nautēs (ναύτης)“ ‚Schiffer, Seefahrer‘. Das Kunstwort „Taikonaut“ verbindet das chinesische „tàikōng (太空)“ ‚Weltraum, Kosmos‘, wörtlich ‚große Leere‘, mit dem bereits erwähnten griechischen „nautēs“. Entgegen landläufiger Annahmen wird der Begriff jedoch hauptsächlich von westlichen Medien gebraucht, in China selbst ist er kaum gebräuchlich, stattdessen wird das offiziellere „yǔhángyuán (宇航员)“ ‚Raumfahrer‘ verwendet. In China ansässige englischsprachige Medien bezeichnen chinesische Raumfahrer als „astronauts“.

[] Aufarbeitung, die

gründliche, systematische Untersuchung, Erforschung (von etw. Vergangenem), um Klarheit darüber zu gewinnen; das geistige und seelische Verarbeiten eines zurückliegenden Geschehens; das Aufgearbeitetwerden (eines vergangenen Geschehens)

Die aus jüdischen Häftlingen der Arbeitskommandos bestehende Widerstandsorganisation im Mordlager Sobibor hatte unter Einsatz ihres Lebens diesen Tag vorbereitet, Waffen besorgt, Abläufe koordiniert: Am 14.10.1943 um 16 Uhr brach der Aufstand los. Zehn SS-Angehörige und zwei Volksdeutsche der Wachmannschaft wurden getötet, die Absperrung des Lagers wurde durchbrochen. Über 300 Frauen und Männern gelang die Flucht, zahlreiche Flüchtende wurden jedoch von Kräften der Schutzpolizei, Wehrmacht und des Zollgrenzschutzes aufgegriffen und ermordet. Wenigen gelang es, sich zu verstecken, sich den Partisanen oder der Roten Armee anzuschließen. Die genaue Zahl der Aufständischen, die das Kriegsende erlebten, ist nicht abschließend festzustellen. Doch viele legten Zeugnis ab, um dieses wichtige Kapitel des mutigen jüdischen Widerstands nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

[] ankurbeln, Verb

übertragen: beleben, beschleunigen; in Schwung bringen

Mit der propagandistisch verbreiteten Mitteilung darüber, dass der Hauer Adolf Hennecke am 13.10.1948 seine Tagesnorm um über 380 Prozent übertroffen hatte, begann die Ära der sogenannten Aktivistenbewegung in der Sowjetischen Besatzungszone. Um die realsozialistische Planwirtschaft anzukurbeln, wurden mit dieser Masseninitiative Betriebsleitungen angehalten, gegen sogenanntes Bummelantentum vorzugehen, die Werktätigen zum sozialistischen Wettbewerb, zur Übererfüllung der vorgegebenen Arbeitsnormen zu motivieren, kurz: zur Verbesserung der Lebensverhältnisse im Land beizutragen. Im Rahmen der angestrebten Planerfüllung wurden später auch Aktivistenbrigaden, und -kollektive als Vorbilder propagiert sowie weitere Kampagnen, z. B. die Neuerer-Bewegung oder die Rationalisatoren- und Erfinderbewegung, ins Leben gerufen.

[] Emigrantenkreis, der

Gruppe von aus der Heimat ausgewanderten oder geflohenen Personen, die meist derselben Nationalität angehören

Die heute vor 85 Jahren in Frankreich erschienene Erstausgabe der deutschsprachigen Wochenzeitung „Die Zukunft“ erfuhr in Emigrantenkreisen großen Zuspruch. Die Redaktion (wohlgemerkt: nicht „Schriftleitung“) stützte sich auf ein Netzwerk international renommierter antifaschistischer Autoren, die aus Deutschland emigriert waren, u. a. Franz Werfel, Joseph Roth, Erika und Klaus sowie Heinrich Mann, Alfred Döblin und Stefan Zweig. Als Presseorgan für „Ein Neues Deutschland: Ein neues Europa“ und als „Journal Anti-Hitlérien“ vertrat „Die Zukunft“ die gesamte Bandbreite der Anti-Hitler-Opposition und zeichnete sich mehrheitlich durch ihre antistalinistische Haltung aus. Ein zentraler Themenschwerpunkt der Zeitschrift war die Diskussion über ein vereintes Europa und das befreite freiheitlich-sozialistische Deutschland nach Hitlers Sturz. Angesichts der Offensive der Wehrmacht gegen Frankreich und die Benelux-Staaten im Mai 1940 stellte die Zeitschrift ihr Erscheinen ein.

[] Reformation, die

historisch: Erneuerungsbewegung innerhalb des westlichen Christentums im 16. Jahrhundert, die zur Abspaltung von der katholischen Konfession und zur Bildung der protestantischen Kirchen führte sowie umfassende und weitreichende Auswirkungen in den verschiedensten Lebensbereichen nach sich zog

„Ein Christ syn ist nit schwätzen von Christo, sundern wandlen, wie er gewandlet hat.“ Mit diesen Worten prangert der Schweizer Reformator Ulrich Zwingli den moralischen Verfall innerhalb der katholischen Kirche an. Parallel zu Martin Luther in Wittenberg treibt er in Zürich reformatorische Ideen voran und fordert eine Rückkehr zu den biblischen Wurzeln des Christentums sowie eine Reform der Kirche und der Gesellschaft. Seine Überzeugung breitet sich schnell auf andere Kantone aus, was jedoch zu Feindseligkeiten und Bürgerkriegen zwischen katholischen und protestantischen Kantonen führt, denen auch Zwingli zum Opfer fällt. Sein Tod am 11. Oktober 1531 markierte das Ende seines Kampfes für die Reformation, seine Bemühungen hatten jedoch weitreichende Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der evangelisch-reformierten Konfession in der Schweiz.

[] kontrovers, Adj.

bildungssprachlich: umstritten, gegensätzliche Meinungen hervorrufend

Seit 2003 wird am 10.10. der Internationale und Europäische Tag gegen die Todesstrafe begangen. Der von der Weltkoalition gegen die Todesstrafe initiierte Aktionstag setzt sich die weltweite Abschaffung der Todesstrafe zum Ziel. Trotz großer Erfolge der Organisation vollstreckten 2022 immer noch 20 Staaten Todesurteile und auch die Zahl der Hinrichtungen stieg in den letzten Jahren wieder an. Gleichzeitig ist die Todesstrafe aber in 112 Staaten bereits für alle Straftaten abgeschafft, Tendenz steigend. Die Todesstrafe ist nach wie vor ein kontroverses Thema, das aufgrund von Justizirrtümern, bewusstem Missbrauch und der Verletzung der unantastbaren Menschenwürde – nicht nur heute – scharf kritisiert wird.

[] Tausendsassa, der

vielseitig begabter, geschickter, tüchtiger, mitunter auch eigenwilliger, unkonventioneller Mensch

Heute vor 130 Jahren wurde einer der prägendsten deutschen Charakterdarsteller des 20. Jahrhunderts geboren. Bodenständig und facettenreich, so lässt sich das Spiel des großen Mimen von wuchtiger Statur, Kraft und Stimme umreißen. Heinrich George prägte das Kino der Weimarer Zeit, z. B. als Wächter der Herzmaschine im Stummfilm „Metropolis“. Unvergessen sein Franz Biberkopf in der Romanverfilmung „Berlin Alexanderplatz“. Auch am Theater hinterließ George Spuren – in Stücken von Gorki und Brecht, bei Erwin Piscator im „proletarischen Theater“, nicht zu vergessen in der Rolle des goetheschen Götz von Berlichingen. Dass er sich ab 1933 mit dem NS-Regime nicht nur arrangierte, sondern als „Staatsschauspieler“ und „Gottbegnadeter“ an mehreren, heute u. a. zu den sogenannten Tendenz- und Vorbehaltsfilmen zählenden Propagandastreifen mitwirkte und 1946 im Speziallager Sachsenhausen starb, ist die andere, traurig stimmende Seite der Medaille.

[] umwidmen, Verb

einer anderen (öffentlichen) Nutzung, Bestimmung zuführen

Auf den Tag genau 100 Jahre ist es her, dass der „Flughafen Tempelhofer Feld“ eröffnet wurde. An diesem Ort spiegeln sich auf einzigartige Weise die Ereignisse und Brüche des 20. Jahrhunderts wider. In den 1930er Jahren trieben die Nationalsozialisten den Ausbau des Flughafens voran, Tempelhof wurde Schauplatz propagandistischer Großveranstaltungen – in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Gestapo-Gefängnis und einem Konzentrationslager. Wurden hier während des Krieges Menschen zur Zwangsarbeit genötigt, avancierte der Flughafen 1948–1949 zum Freiheitssymbol – die Berliner Luftbrücke wäre ohne den Flughafen mit der IATA-Kennung THF nicht denkbar. Einer Hochphase als Verkehrsflughafen folgte ein allmählicher Bedeutungsverlust, 2008 wurde der Flugbetrieb endgültig eingestellt. Seit 2010 steht das Tempelhofer Feld als öffentliche Freizeitfläche Einwohnern und Gästen Berlins von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang offen.

[] Aberglaube, der

Glaube an die Wahrnehmung und Wirkung übernatürlicher Kräfte, Irrglaube

Verlassen Sie am 13. des Monats lieber nicht das Haus, wenn er auf einen Freitag fällt? Haben Sie ein ungutes Gefühl, wenn Sie einer schwarzen Katze begegnen? Klopfen Sie auf Holz, um drohendes Unglück abzuwenden? Der Glaube an Magisches und Dämonisches ist alt und universell; Talismane und Amulette finden sich schon weit vor unserer Zeitrechnung in verschiedenen Kulturen. Das Wort „Aberglaube“ ist erst seit dem Spätmittelalter geläufig. „Aber“ als erster Bestandteil des Kompositums bewirkt durch seine wiederholende Wirkung (zu sehen z. B. in „abertausend“ und „abermals“) eine Bedeutungsverkehrung des Grundworts. Deshalb können wir „Aberglaube“ auch als ‚Irrglaube‘ (wie auch „Abersinn/Aberwitz“ als ‚Widersinn/Irrsinn‘) verstehen. Aus psychologischer Sicht ist die menschliche Neigung zum Aberglauben jedoch nachvollziehbar; gibt er doch manchen ein Gefühl von Kontrolle und tieferer Bedeutung.

[] Empathie, die

Fähigkeit, die Gefühle, Gedanken und Motive eines anderen Wesens zu erkennen; Fähigkeit, die Gefühle eines anderen Wesens nachzuempfinden

Stellen Sie sich vor, es steht eine wichtige politische Wahl an. Im Vorfeld sprechen Sie mit Menschen in Ihrem Umfeld, unter anderem darüber, welche Partei man wohl wählen sollte. Nun geraten Sie mit einem Freund in einen hartnäckigen Streit, da er eine Partei bevorzugt, mit deren Programm Sie nicht übereinstimmen. Die Frage nach der Strategie (Partei und Programm) führt zu Konflikten; die Frage nach den zugrunde liegenden Bedürfnissen (Sicherheit, Selbstbestimmung, Zugehörigkeit) verbindet wiederum, sie kann die Empathie unseres Gegenübers entfachen. Empathie ist ein grundlegender Baustein der Gewaltfreien Kommunikation. Dieses Handlungskonzept für wertschätzende Kommunikation und friedliche Konfliktlösung entwickelte der Psychologe Marshall B. Rosenberg, der am 6.10.1934 in Ohio geboren wurde. Ihm zu Ehren findet zu diesem Datum der Tag der Gewaltfreien Kommunikation statt.

[] aus der Traum, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: es besteht keine Hoffnung mehr, ein früher gesetztes Ziel zu erreichen

Die Geschichte ist voll von Mächten, die ihre Ausdehnung der Zerstrittenheit ihrer Nachbarn verdanken, gegen die vereint sie eigentlich keine Chance gehabt hätten. So eroberte Rom z. B. nacheinander die etruskischen Stadtstaaten, und so nahmen die weißen Siedler der jungen USA um 1800 stetig mehr Indianergebiet ein. Der charismatische, strategisch und rhetorisch brillante Stammesführer Tecumseh erkannte die Gefahr und versuchte, die Stämme gegen den gemeinsamen Gegner zu vereinen. Doch trotz zahlreicher nicht nur kleinerer Erfolge blieb ihm der große Durchbruch verwehrt. Heute vor 210 Jahren starb er, von seinen britischen Alliierten im Stich gelassen, im Kampf und mit ihm die letzte Gelegenheit auf erfolgreichen Widerstand gegen die Landnahme.

[] gleichschalten, Verb

(alle Ebenen des öffentlichen Lebens) durch Zwangsmaßnahmen der nationalsozialistischen Ideologie, deren Weltanschauung, Führerprinzip usw. unterordnen, unterwerfen

Als heute vor 90 Jahren in Deutschland das sogenannte Schriftleitergesetz verabschiedet wurde, waren bereits seit Februar 1933 die Presseorgane linker Parteien verboten. Das neue Gesetz sollte ab dem 1. Januar 1934 zu einem Instrument der Medienkontrolle gegen die bürgerliche Presse werden und die Presselandschaft in Deutschland einschneidend verändern. Bereits in der Wortwahl war der Gesinnungswandel ablesbar – aus „Redakteuren“ wurden „Schriftleiter“, „Chefredakteure“ waren von nun an „Hauptschriftleiter“. Fürderhin durften in Deutschland nur noch linientreue Reichsdeutsche mit sog. „Ariernachweis“ als Journalisten tätig sein, Berufsgerichte sprachen Berufsverbote aus – das Pressewesen war auf Linie gebracht. Heute legt Artikel 5 des Grundgesetzes fest, dass die Freiheit der Berichterstattung keiner staatlichen Kontrolle unterliegt.

[] Oktober, der

zehnter Monat des Jahres

Septem, octō, novem, decem: Wenn man die lateinischen Zahlen von sieben bis zehn mit den Monatsnamen September bis Dezember vergleicht, erkennt man sofort den Zusammenhang – und wundert sich, dass zum Beispiel im gerade begonnenen zehnten Monat unseres Jahres die Acht steckt. Viele wissen, dass dies auf die Verlegung des Jahresanfangs im römischen Mondkalender vom 1. März auf den 1. Januar zurückgeht. Viele glauben zu wissen, dass diese Initiative von Cäsar ausging; tatsächlich fand jene Kalenderreform jedoch schon im 2. Jahrhundert v. Chr., etwa 50 Jahre vor seiner Geburt, statt. Julius (wieder ein Monat!) verdanken wir aber die Monatslängen nach dem Sonnenjahr.

[] Sturm läuten, Mehrwortausdruck

wiederholt oder langandauernd an einer Wohnungs- oder Haustür klingeln; oft übertragen: laut und lange Zeit erklingen, um andere zu warnen oder große Aufmerksamkeit zu erregen

Wer heutzutage „Sturm läutet“ (oder klingelt), hat mit Sicherheit ein drängendes Anliegen. Der historische Ursprung dieser Wendung allerdings ist weit dramatischer, steht diese doch verkürzt für: „die Sturmglocke läuten“. Wie in moderner Zeit die Sirenen, so warnten früher Sturmglocken vor Feuer und feindlichen Angriffen, nachzulesen auch in einer erschütternden Passage in Friedrich Schillers Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, der verzweifelten Verteidigung von Magdeburg, Mai 1631: „Das heftige Musketenfeuer, das Läuten der Sturmglocken, das überhand nehmende Getöse machen endlich den erwachenden Bürgern die drohende Gefahr bekannt. Eilfertig werfen sie sich in ihre Kleider, greifen zum Gewehr, stürzen in blinder Betäubung dem Feind entgegen.“

[] ungefähr, Adj.

annähernd, schätzungsweise

Vor genau einem Jahr erhöhte die Bundesregierung den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro pro Stunde, also der EU-Richtlinie entsprechend auf „ungefähr 60 Prozent des Medianlohns in Deutschland“. „Ungefähr“: Der Ausdruck wirft – mehr als seine Synonyme „annähernd“ und „schätzungsweise“ – Fragen nach seiner Herkunft auf. Tatsächlich geht er zurück auf mittelhochdeutsch „āne gevære“ (‚ohne Hinterlist, ohne böse Absicht‘); es existiert eine Verwandtschaft mit „ungefährlich“. Ausgangspunkt für die heute geläufige Bedeutung von „ungefähr“ waren entsprechende Anmerkungen bei Zahlen- und Maßangaben im Rechtsverkehr des 15. Jahrhunderts; mögliche kleine Abweichungen sollten damit als ‚nicht vorsätzlich‘ gekennzeichnet werden. Wie genau (oder ungefähr) der Mindestlohn nach seiner nächsten Erhöhung noch der EU-Richtlinie entsprechen wird, können wir im Januar 2024 nachrechnen.

[] Dragoman, der

(oft einheimischer) Übersetzer oder Dolmetscher

Heute ist der Internationale Übersetzertag. Auch wenn Mehrsprachigkeit weltweit ziemlich verbreitet ist und manche Polyglotten gar dutzende Sprachen beherrschen, macht die schiere Anzahl verschiedener Idiome es dennoch nötig, zwischen ihnen zu vermitteln – mündlich, schriftlich, neuerdings auch per Computer. Wie uralt dieser Job ist, zeigt ein wundervolles, heute fast vergessenes Wort: „Dragoman“, ein Dolmetscher, zugleich oft Fremdenführer im Nahen Osten. Das über das Arabische und viele Zwischenstationen nach Europa gekommene Wort ist womöglich das letzte Überbleibsel der altanatolischen Sprachen: Hethitisch „tarkummāe-“ (vielleicht eine Zusammensetzung aus den Verben ‚sagen‘ und ‚verkünden‘) bedeutet ‚übersetzen‘.

[] Gewerkschaftschef, der

umgangssprachlich: Vorsitzender einer Gewerkschaft

Heute feiert Lech Wałęsa seinen 80. Geburtstag. Zehn Jahre, nachdem er bei blutig niedergeschlagenen Streiks erstmals in Konflikt mit der Staatsmacht des sozialistischen Polen geraten war, wurde der Elektriker auf einer Danziger Werft 1980 zu einem der Anführer erneuter Streiks. Diese führten als Zugeständnis der Regierung zur Gründung der ersten unabhängigen Gewerkschaft „Solidarität“ (Solidarność), deren Vorsitzender Wałęsa wurde. Damit begann die Erosion des exklusiven Machtanspruchs der Kommunistischen Partei, die zehn Jahre später zur Wende in Osteuropa beitrug. 1990 wurde Wałęsa zum ersten Präsidenten des neuen Polen. Unter anderem weil er sich für einen friedlichen Übergang mit Amnestien eingesetzt hatte, wurde der Friedensnobelpreisträger (1983) aber auch zu einem Hassobjekt der politischen Rechten, die ihn als „Geheimdienst-IM“ verleumdet.

[] Transparenz, die

übertragen: Durchschaubarkeit, Nachvollziehbarkeit

Im Jahr 2015 erklärte die UNESCO den 28. September durch eine Resolution zum Internationalen Tag des allgemeinen Informationszugangs. Damit soll an Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte erinnert werden: Alle Menschen haben das generelle Recht auf freien Zugang zu amtlichen Informationen. Die Realität ist häufig eine andere – neben der Beschneidung der Medienfreiheit steht vor allem mangelnde Transparenz der öffentlichen Verwaltung im Fokus des heutigen Tages. Im Jahr 2006 trat in der Schweiz das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung in Kraft. In Deutschland ist der Zugang zu Informationen auf Bundesebene durch das Informationsfreiheitsgesetz gewährleistet, auf Landesebene gibt es vergleichbare Regelungen. Ein entsprechendes Gesetz für Österreich ist bislang nicht verabschiedet worden.

[] Matthäi am Letzten, Mehrwortausdruck

(wirtschaftlich) am Ende, kaum mehr zu retten; kurz vor dem Aus, vor dem (finanziellen) Ruin; kurz vor dem (Lebens-)Ende, (nahezu) zu spät

„… dann ist Matthäi am Letzen!“ Diese Warnung erscheint uns heute rätselhaft, bedrohlich, geradezu apokalyptisch und ist doch ein großes Missverständnis. Zieht man Luther zurate, dem die Wendung zugeschrieben wird, liest sich alles ungleich harmloser: „Auffs erste / mus man fur allen dingen / die wort wol wissen ... Nemlich / da der Herr Christus spricht Math. am letzten.“ Tatsächlich steht „XY am letzten (Kapitel)“ eben nur verkürzt für das jeweilige letzte Kapitel eines Evangeliums. Luther selbst bezog sich in der bekannten Stelle nur auf das Taufsakrament. Vielleicht geht die moderne Deutung auf das Jesuswort zurück, mit dem das Matthäusevangelium schließt. Doch auch dieses ist eher tröstlich „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“.

[] Großstadtatmosphäre, die

(empfundene) Urbanität bzw. das Besondere, das eine Großstadt ausmacht, sie von kleineren Städten oder dem ländlichen Raum unterscheidet

Mit seinem unverkennbaren Stil vermag der amerikanische Komponist George Gershwin das aufstrebende Amerika der 1920er-Jahre und die kulturelle Schmelztiegel-Atmosphäre dieser Ära wie kein anderer einzufangen – so auch in seinem wohl berühmtesten Werk, „Rhapsody in Blue“, in dem er mühelos Jazz, Blues sowie klassische Elemente miteinander verflicht. Das Stück beginnt mit einem sirenenartigen Klarinetten-Glissando, das einen sofort in das lebendige, pulsierende New York dieser Zeit versetzt. Der sich daraufhin entfaltende Klangteppich fängt die Energie und Vielfalt der Metropole durch die mit klassischen Klavierpassagen verwobenen jazzigen Rhythmen ein. Heute vor 125 Jahren wurde Gershwin in New York geboren.

[] Spionage, die

Beschaffung geheimer oder vertraulicher Informationen aus nicht offengelegten Quellen sowie Weitergabe derselben mit dem Ziel, einen militärischen, politischen, wirtschaftlichen o. ä. Vorteil zu erlangen

Als entschiedenem Gegner des Nationalsozialismus eröffnete sich dem am 25. September 1900 geborenen Fritz Kolbe durch seine Position im Auswärtigen Amt eine einmalige Gelegenheit. Überzeugt davon, dass die Befreiung Deutschlands nur von außen erfolgen könne, übermittelte er im Alleingang, angetrieben nur von seinem Gewissen, unter dem Decknamen George Woods mehr als 1.600 geheime militärische und außenpolitische Dokumente an die Amerikaner. Für diese erschienen die Informationen jedoch zu gut, um wahr zu sein; man vermutete einen Doppelagenten. Nach dem Krieg als Verräter gebrandmarkt, wurde Fritz Kolbe zu einem Paradebeispiel für die oft übersehenen Helden, die die ihnen gebührende Anerkennung erst viel zu spät erhalten – in Fritz Kolbes Fall erst 2004.

[] Pfifferling, der

blassgelber bis dottergelber, essbarer Speisepilz mit anfangs gewölbtem, später welligem Hut, der von Juni bis November im Laubwald und Nadelwald vorkommt

Nun, da der Herbst begonnen hat, macht man sich vielerorts auf, um in die Pilze zu gehen; im September beginnt die eigentliche Pilzsaison. Allerdings sind neben Morcheln und Steinpilzen auch die gelb leuchtenden Pfifferlinge schon Monate zuvor in den Wäldern zu finden. Dass der beliebte und kulinarisch vielseitig einsetzbare Pfifferling (seinen Namen hat er übrigens wegen seines leicht pfeffrigen Geschmacks) einst in rauen Mengen verfügbar war, spiegelt sich auch im Ausdruck „keinen Pfifferling wert sein“ wider. Das Überangebot machte ihn nahezu wertlos. Inzwischen hat sich das Bild in den heimischen Wäldern gewandelt. Unter anderem wegen zunehmender Bodentrockenheit ist bereits ein deutlicher Bestandsrückgang zu verzeichnen; in Österreich und Deutschland steht der Pfifferling daher unter Naturschutz.

[] gebärden, Verb

in Gebärdensprache kommunizieren, etw. ausdrücken

Am 23. September wird der Internationale Tag der Gebärdensprachen gefeiert. Ob Deutsche (DGS), Deutschschweizerische (DSGS) oder Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) – weltweit gibt es mehr als 300 verschiedene natürliche Gebärdensprachen. Das Motto des diesjährigen Aktionstags lautet „Eine Welt, in der gehörlose Menschen überall gebärden können!“ Es liegt also an uns, eine Welt zu schaffen, in der gehörlose Menschen als Teil der natürlichen (linguistischen, kulturellen, menschlichen) Vielfalt betrachtet werden und (nationale) Gebärdensprachen überall als Teil (nationaler) Gemeinschaften gefeiert und verwendet werden. Der Initiator des Aktionstages, die World Federation of the Deaf (WFD), setzt sich seit 1951 für die Rechte der mehr als 70 Millionen gehörlosen Menschen weltweit ein und fördert den Erhalt der Gehörlosenkultur und Gebärdensprachen.

[] autofrei, Adj.

durch freiwilligen oder auf Selbstverpflichtung beruhenden Verzicht auf individuellen Besitz bzw. private Nutzung von Personenkraftfahrzeugen gekennzeichnet

Kamen Ihnen die Straßen heute Morgen leerer vor als sonst? Das könnte am „Internationalen Autofreien Tag“ liegen, der jedes Jahr am 22. September stattfindet. Der Aktionstag hat seine Wurzeln in den autofreien Sonntagen der 1970er-Jahre, als Ölkrisen und Umweltbewegungen die Welt aufrüttelten. Heute soll er die Menschen ermutigen, umweltfreundliche(re) Verkehrsmittel auszuprobieren und aktiv zum Klimaschutz beizutragen. Ob Fahrrad, Bus, Bahn oder der Gang zu Fuß – weniger Autos auf den Straßen bedeuten weniger Lärm, Unfälle und geringere Abgasemissionen. Im Fall muskelbetriebener Fortbewegungsmittel fördern sie zudem die eigene Gesundheit. Als Teil der Europäischen Mobilitätswoche beteiligen sich einige Städte in Deutschland, indem sie heute kostenlosen Nahverkehr anbieten.

[] das wahre Gesicht zeigen, Mehrwortausdruck

jmdn. demaskieren, entlarven; die Wahrheit über jmdn. aufzeigen

Am 21.9.1933 begann unter großer internationaler Aufmerksamkeit vor dem Reichsgericht in Leipzig der Reichstagsbrandprozess gegen den Hauptangeklagten Marinus van der Lubbe und vier weitere kommunistische Angeklagte, u. a. Georgi Dimitroff. In den Monaten vor Prozessbeginn waren auf Grundlage der Notverordnung „zum Schutz von Volk und Staat“ durch die SA provisorische Konzentrationslager zur Inhaftierung zehntausender politischer Gegner eingerichtet worden, sehenden Auges schritt das Land in die Diktatur. Im Laufe des Prozesses entlarvte Georgi Dimitroff als ausgezeichneter Rhetoriker Widersprüche in den Zeugenaussagen der Anklage. So sah sich das Gericht gezwungen, die Angeklagten im Dezember 1933 bis auf van der Lubbe aus Mangel an Beweisen freizusprechen. Im Dezember 2007 wurde Marinus van der Lubbe posthum durch den Generalbundesanwalt rehabilitiert und das Todesurteil als nationalsozialistisches Unrechtsurteil in der Strafrechtspflege aufgehoben.

[] vor einem Rätsel stehen, Mehrwortausdruck

mit etwas Unerklärbarem, Unfassbarem, einem (meist mysteriösen, unerklärlichen) Problem konfrontiert sein; etw. nicht begreifen, lösen können

Vor 60 Jahren boten sich dem deutschen Kinopublikum apokalyptische Bilder auf der Leinwand: Im malerischen Küstenstädtchen Bodega Bay scharen sich plötzlich die Vögel. Sie belagern die örtliche Schule, stürzen auf Menschen herab, hacken auf ihre Köpfe ein, töten. Wer einmal versucht hat, am von Möwen besiedelten Strand von Brighton Pommes zu essen, wird diese Angriffe in Alfred Hitchcocks Klassiker „Die Vögel“ gar nicht so unrealistisch finden. Hitchcock gab jedoch keine Erklärung, was die gefiederten Tiere in seinem Film artenübergreifend so wild macht. Pommes sind es jedenfalls nicht. Dieses Moment des Unbekannten lässt das Szenario umso bedrohlicher wirken. Der „Master of Suspense“ rührt damit an eine Art menschliche Urangst – die Angst vor der unkontrollierbaren Natur. Das Ende bleibt offen.

[] Flibustier, der

vor den Westindischen Inseln agierender Freibeuter

Ahoi! Pirat, Seeräuber, Freibeuter, Bukanier oder eben Flibustier: Es gibt viele (Spezial-)Ausdrücke für die Männer und nicht wenigen Frauen, die das an und für sich überhaupt nicht sympathische, in Bezug auf die Vergangenheit aber romantisch verklärte „Gewerbe“ des Raubüberfalls auf hoher See betrieben. Ein Baustein dieser kulturellen Sicht ist auch der heute begangene internationale Sprich-wie-ein-Pirat-Tag. Anders als zahlreiche andere seltsame internationale Tage begann dieser aber immerhin nicht als Werbegag, sondern als nur zufällig bekannt gewordener Witz zwischen zwei Freunden. Der Autor dieser Zeilen sieht sich als süddeutscher Trockenschwimmer nicht in der Lage, dem Motto glaubhaft zu folgen, vielleicht haben Sie mit Zugriff auf unseren norddeutschen Wortschatz ja mehr Erfolg.

[] Knoten, der

zu einem festen Ganzen verschlungener Teil eines meist dünnen, biegsamen Körpers; Verschlingung mehrerer meist dünner, biegsamer Körper, z. B. Fäden, Bänder, Seile, Tücher

Vor fünf Jahren rief die Internationale Gilde der Knotenmacher den Weltknotentag ins Leben, der inzwischen jährlich am 18. September stattfindet. In wie vielen Bereichen des Lebens Knoten im Einsatz sind, zeigt schon die personelle Zusammensetzung der Gilde; ihre Mitglieder kommen aus der Seefahrt, der Kunst, der Medizin, dem Sport, der Landwirtschaft, … Schon seit etwa 500.000 Jahren nutzt der Mensch Knoten. Für die verschiedenen Zwecke kann in hunderten Varianten geschlungen, geschnürt und geschürzt werden; gut möglich, dass noch weitere, bisher nicht dokumentierte Techniken existier(t)en. Und apropos (um)schlingen und schürzen: Der „Knoten“ ist etymologisch verwandt mit dem Verb „knutschen“.

[] sein Wort brechen, Mehrwortausdruck

ein (mündlich gegebenes) Versprechen nicht erfüllen, eine Zusage nicht einhalten; wortbrüchig werden

Im Herbst 1923 wurde das industriell geprägte Lörrach zum Schauplatz eines dramatischen Arbeiteraufstands. Eine Verdreifachung ihres Stundenlohns fordernd, zogen am 14.9. etwa 2000 Arbeiter vor die Werktore. Immer mehr Werktätige schlossen sich ihnen an und erzwangen durch einen Generalstreik Verhandlungen mit den Unternehmern. Auf die zäh errungene Einigung folgte kurz darauf der Wortbruch: In der Nacht zum 17.9. kündigte die Arbeitgeberseite förmlich sämtliche Vereinbarungen auf, die Schutzpolizei besetzte den Ort, denn laut Befehlslage seien „Lohndifferenzen zu erwarten“. Vom 18. bis 25.9. folgte der Ausnahmezustand, in den gewaltsamen Ausschreitungen starben drei Menschen, zahlreiche wurden verletzt sowie Geiseln genommen und misshandelt. Erst nach erneutem Verhandeln wurde der anfängliche Kompromiss unter der Bedingung angenommen, die Schutzpolizei solle bei Wiederaufnahme der Arbeit abziehen.

[] proper, Adj.

äußerlich ordentlich, sauber (und so das Wohlgefallen anderer bewirkend)

Wer kennt ihn nicht: jenen Kahlkopf mit Ohrring auf der Flasche für Haushaltsreiniger, der dafür sorgen soll, dass man sich nicht nur in dessen Glatze, sondern angeblich auch in der Küche spiegeln kann. Diese Werbefigur hat, was weniger bekannt ist, nebenbei unseren Wortschatz (etwas) aufpoliert. Als Procter & Gamble ihren Flüssigreiniger Anfang der 1960er Jahre in der BRD einführten, griffen die Werbestrategen anstelle von „Mr. Clean“ auf das eher wenig verbreitete „proper“ zurück, eine in Berlin geläufige Verballhornung von frz. „propre“. Unzählige Werbespots und -slogans später hatte sich das Adjektiv endgültig im Allgemeinwortschatz festgesetzt. Übrigens: Falls Sie „proper“ (wie so viele) regelwidrig mit Doppel-p geschrieben haben sollten, befinden Sie sich in bester Gesellschaft. Auch in Döblins „Berlin Alexanderplatz“ liest man’s so.

[] Schlüsselmoment, der

für eine bestimmte Entwicklung (im Rückblick darauf) entscheidender Augenblick

Heute vor 150 Jahren wurde Otto Wels geboren. Das Leben dieses SPD-Politikers war geprägt von den politischen Wirren der Zwischenkriegszeit. Wels positionierte sich Anfang der 1930er Jahre vehement gegen den Vormarsch der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. Ein beeindruckendes Zeitzeugnis aus jenen Tagen ist seine letzte Rede vor dem Reichstag am 23. März 1933, in der er dem Nationalsozialismus im Namen der gesamten SPD-Fraktion eine Absage erteilt. Seine Worte „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“ markieren das Ende der parlamentarischen Demokratie in Deutschland. Einen Tag später wurde mit der Inkraftsetzung des Ermächtigungsgesetzes die Gewaltenteilung aufgehoben und damit die demokratische Staatsordnung abgeschafft. Wels wird in die Emigration gezwungen, im August 1933 ausgebürgert und stirbt 1939 im Pariser Exil.

[] Probealarm, der

Gefahrenwarnung, die nicht aus Anlass einer akuten Gefahr, sondern zum Testen des Warnsystems erfolgt

„Ad arma!“ – ‚Zu den Waffen!‘, riefen die Römer, wenn sich der Feind näherte, „all'arme!“ die Italiener und „al’arme!“ die Franzosen. Im Deutschen wurde daraus spätestens im Frühneuhochdeutschen der „Allarm“ bzw. „Alarm“. Doch spielte bei der Entlehnung – durchaus passend – auch das Wort „Lärm“ mit hinein, entsprechend sind auch Formen wie „allerm“ überliefert. Daher behielt das Wort die Bedeutung ‚großer Krach‘ (eben nicht zwangsläufig als Warnung) noch eine Zeitlang bei. Später kamen für den „Fehlalarm“ der „blinde Alarm“ und seitdem auf nicht immer funktionierende technische Mittel zurückgegriffen wird, der „Probealarm“. Ein solcher findet heute bundesweit ab 11:00 Uhr statt.

[] überleben, Verb

etw. (Schweres, Gefahrvolles) lebend überstehen

Der Eisenbahnarbeiter Phineas Gage ist während einer Sprengung bei Cavendish, Vermont, für einen kurzen Augenblick abgelenkt. In dem Moment schießt ihm eine Eisenstange von unten durch den Schädel und durchbohrt dabei den präfrontalen Kortex. Noch heute ist von dem Unfall, der sich am 13. September 1848 ereignete, in Lehrbüchern der Medizin, Psychologie und Neurowissenschaften zu lesen. Warum? Gage überlebte. Mehr noch: Er war nach kurzer Zeit (abgesehen von einem zerstörten Auge) körperlich regeneriert; seine motorischen und intellektuellen Fähigkeiten wurden durch die Verletzung erstaunlicherweise nicht beeinträchtigt. Er legte jedoch plötzlich ein für ihn untypisches Verhalten an den Tag, war ungehemmt, impulsiv, kindisch. Phineas Gage schien nicht mehr derselbe zu sein. Der bemerkenswerte Fall sollte die Hirnforschung, insbesondere die Hirnkartierung, nachhaltig beeinflussen.

[] über den Jordan gehen, Mehrwortausdruck

salopp: sterben

„I'm just going over Jordan / I'm just going over home“, sang Country-Legende Johnny Cash im Jahre 2000. Es war die Neuinterpretation des alten amerikanischen Volksliedes „(The) Wayfaring Stranger“, die er für den dritten Teil seiner legendären Albenreihe „American Recordings“ aufnahm – mit gebrochener, alter Stimme und voller Weltschmerz. Über den Jordan gehen, heimkehren, sterben: Die Redewendung mit heutzutage eher salopper Färbung ist christlich-jüdischen Ursprungs. Die alten Israeliten überquerten den Jordan von der Wüste aus, um in das Gelobte Land einzuziehen. In der späteren geistlichen Literatur wurde dieser Übergang als Eintritt in das Reich Gottes ausgedeutet, das Leben nach dem Tod. Heute vor 20 Jahren starb Johnny Cash, nur wenige Monate nach seiner Frau, mit der er 35 Jahre verheiratet war.

[] behost, part. Adj.

Hosen tragend

Für die Septemberausgabe der US-amerikanischen Vogue ließ Marlene Dietrich sich 1933 als eine der ersten Frauen im Hosenanzug ablichten. Heute – zumindest in unseren Breiten – kaum vorstellbar, dass das einst skandalös war. Der Anzug war lange dem arbeitenden Mann vorbehalten; dass Frauen nun den Zweiteiler trugen, galt als geradezu vermessen. Wenngleich die Dietrich und andere Vorreiterinnen mit ihrer Kleiderwahl schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorherrschende Geschlechternormen durchbrachen, sollte es noch eine ganze Weile dauern, bis das emanzipatorische Outfit gesellschaftsfähig wurde. „Die erste Hose am Pult!“, ertönte es 1970 im Bundestag, als Liselotte von Bothmer als erste Abgeordnete im Hosenanzug ans Rednerpult trat. Andere Politikerinnen wie Angela Merkel oder Hillary Clinton präsentierten sich später ebenfalls demonstrativ in der ursprünglichen Männerkleidung.

[] mitten ins Herz treffen, Mehrwortausdruck

emotional tief berühren; kränken, verletzten; tief erschüttern; demoralisieren, entmutigen

„Ich wollte, meine Seele entflöge zum Himmel durch eine ganz kleine Öffnung des Herzens“, schrieb Kaiserin Elisabeth von Österreich einst. Ohne es zu wissen, erfüllte ein italienischer Anarchist der lebensmüden Sisi diesen Wunsch. Am 10. September 1898 lauert Luigi Lucheni der Monarchin während eines Aufenthalts am Genfersee vor einer Schiffsanlegestelle auf und sticht ihr mit einer scharf geschliffenen Feile in die Brust. Die zu Boden gegangene Elisabeth – im Glauben, der Angreifer hätte ihr lediglich einen Schlag mit der Faust versetzt – erhebt sich wieder und begibt sich an Bord der „Genève“. Kurz nach dem Ablegen bricht sie zusammen, eine Stunde später ist sie tot. Lucheni hatte mit der Tatwaffe die linke Herzkammer durchbohrt. Ganz Europa war entsetzt und Kaiser Franz Joseph vom Tod seiner Sisi zutiefst erschüttert.

[] Floskel, die

formelhafte Redensart, Äußerung; nichtssagende oder inhaltsarme Äußerung, leere Worte

Nützt ja nix. Wird schon. So sieht’s aus. Floskeln begegnen uns ständig. Eigentlich inhaltsleer, erfüllen sie doch einen kommunikativen Zweck, drücken z. B. Höflichkeit oder Mitgefühl aus, mehr oder weniger gelungen. Neben solchen Redewendungen existieren auch weniger auffällige Varianten: Denken Sie nur an die „gegebenen Umstände“ (Umstände sind immer gegeben), die „aufgestellten Regeln“ (es wären keine Regeln, hätte sie nicht jemand aufgestellt) oder die „schwere Verwüstung“ (leichte Verwüstungen gibt es nicht). Maximal als Stilmittel zur Betonung können sich die Adjektive und Adverbien in diesen Fällen legitimieren. Das stilisierende Element, die Zierde, trägt die „Floskel“ schon im Namen; ihr Ursprung liegt im lat. „flōsculus“ (‚Blümchen, Zierde, exzerpierter Sinnspruch‘), dem Diminutiv von „flōs“ (‚Blume, Blüte‘).

[] Peilung, die

das Bestimmen einer Richtung, der Entfernung, Höhe oder Tiefe oder eines Standorts mit Hilfe von Funk, Radar, Sicht, Kompass o. Ä.

Kriegsschiffe müssen Gefechte aushalten, doch darüber hinaus haben sie auch einen allen gemeinsamen Feind: die Elemente. So gingen immer wieder auch Marineeinheiten ohne einen Schuss verloren; besonders in Kriegszeiten, wo Hast, Dunkelheit, militärisch gebotene Funkstille z. B. zur sarkastisch „Schlacht bei der Insel May“ genannten Kollision zahlreicher britischer U-Boote und Kreuzer Anfang 1918 führten. Aber auch im Frieden konnten solche tragischen Vorfälle geschehen, so heute vor genau 100 Jahren beim Kap Honda Point vor Kalifornien, als ein Verband US-amerikanischer Zerstörer durch einen Navigationsfehler zu früh Richtung Küste eindrehte. In dichtem Nebel liefen 9 Zerstörer auf Grund und sanken teilweise, 23 Seeleute kamen ums Leben.

[] Diskokugel, die

mit vielen kleinen Spiegeln beklebte und in der Regel an der Decke aufgehängte Kugel, die beim Drehen durch die Reflexion von Licht ein sich bewegendes Muster von Lichtpunkten an die Decke, die Wand oder auf den Boden wirft

Heute können wir Gloria Gaynor zum 80. Geburtstag gratulieren. Die US-Amerikanerin wurde als Disco-Sängerin bekannt, und das nicht nur in Bezug auf ihren Musikstil, sondern auch wörtlich: Gaynor kann nur relativ wenige Hits in den Charts vorweisen. Ihre Songs wurden dennoch populär, denn sie wurden vor allem auf den Tanzflächen gespielt, wo sie ihre volle Wirkung entfalten. So geschah es auch mit ihrem größten Single-Erfolg „I will survive“, der eigentlich nur die B-Seite einer anderen Single war, aber von den DJs bevorzugt wurde. Mit ihrem zweiten wohlbekannten Lied, der Disco-Adaption des Musicallieds „I am what I am“, wurde die gläubige Christin mehr oder weniger unfreiwillig zu einer Ikone der Schwulen- bzw. Travestie-Bewegung.

[] wer zuerst kommt, mahlt zuerst, Mehrwortausdruck

sprichwörtlich: der zuerst Kommende hat das Vorrecht; wer als Erster, wer früh da ist, wird zuerst berücksichtigt

Wohl nur wenige stehen heutzutage mit einem Sack Weizen auf den Schultern vor der Mühle. Gleichwohl wird das beliebte Rechtssprichwort von jenem, der zuerst mahlen darf, kreativ auf alle möglichen Streitfälle angewandt. Weniger bekannt ist, dass es im Sachsenspiegel (um 1220–1235), dem wir den Spruch verdanken, schon damals um etwas anderes ging: den auch zu jener Zeit von Dränglern, Rechthabern und Prozesshanseln beherrschten Straßenverkehr. „Welcher Wagen zuerst auf die Brücke kommt, der soll zuerst darüber fahren, er sei leer oder beladen. (Denn) wer zuerst zur Mühle kommt, der soll zuerst mahlen.“ Das Prinzip gilt in Teilen bis heute, wie man in der StVO § 12 in etwas prosaischer Form nachlesen kann: „An einer Parklücke hat Vorrang, wer sie zuerst unmittelbar erreicht (...)“.

[] Sorbisch, das

in der Lausitz beheimatete Sprache aus dem westslawischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie

Neben den Dänen, den Sinti und Roma sowie den Friesen gibt es eine weitere autochthone Minderheit in Deutschland: die Sorben in Brandenburg und Sachsen. Ihre Sprachen Niedersorbisch um Cottbus und Obersorbisch um Bautzen sind die letzten Überbleibsel des früher überall zwischen Elbe und Oder gesprochenen Slawisch. Sie stehen unter starkem Druck des Deutschen, heute aus wirtschaftlichen Gründen, im Zweiten und Dritten Reich gab es aber darüber hinaus staatliche Maßnahmen zur Assimilation der Sorben. Dem stellte sich neben vielen anderen der evangelische Pfarrer Bogumił Šwjela, geboren heute vor 150 Jahren, entgegen. Er war Mitbegründer des Dachverbands Domowina und knickte auch vor den Repressalien der Nazis nicht ein. Das Wiedererstehen des sorbischen Kulturlebens nach 1945 konnte er noch erleben.

[] googeln, Verb

einen Namen oder Begriff mit einer Suchmaschine im Internet suchen

Hand aufs Herz: Als Sie zuletzt etwas mit einer Suchmaschine im Internet gesucht (und hoffentlich gefunden) haben, haben Sie das dann „mit einer Suchmaschine im Internet suchen“ genannt oder eher „googeln“? Als das Unternehmen Google Inc. heute vor 25 Jahren in einer Garage gegründet gegründet wurde, hätte man nicht gedacht, dass seine gleichnamige Suchmaschine, benannt nach der der Mathematik entlehnten Urschöpfung Googol (10¹⁰⁰), nicht nur die damaligen Platzhirsche des Marktes verdrängen, sondern auch Basis und Kern eines Multimilliarden-Konzerns werden würde. Doch es geschah so, und die Suche per Google wurde so dominant, dass „googeln“ zum generischen Ausdruck für die Tätigkeit an sich wurde – obwohl es heute wieder zahlreiche andere, oft auf besondere Vorlieben zugeschnittene Suchmaschinen gibt.

[] Müßiggang ist aller Laster Anfang, Mehrwortausdruck

Faulheit, Nichtstun führt zu Übel, verleitet zu verwerflichem Verhalten

„Die ihr die Niedern so verachtet, / Vornehme Müßiggänger! … Wißt, daß Euer Vorzug (= Wohlstand) … auf ihrem Fleiß gegründet ist.“ So schimpfte einst Gellert. Müßiggänger haben damals wie heute keinen guten Ruf, steht doch der Müßiggang sprichwörtlich am Anfang aller Laster. Und doch bezog sich der Ausdruck, wie das Zitat zeigt, ursprünglich nicht zwangsläufig auf den Faulpelz. Verwandt ist „müßig“ mit „müssen“. Und das zugrundeliegende althochdeutsche „muoʒan“ bedeutete nicht ‚gezwungen sein‘, sondern ‚können, mögen, dürfen‘ (bzw. ‚über Besitz, Raum, Zeit, Gelegenheit verfügen‘). Ein Müßiggänger war also vor allem so begütert, dass er für seinen Lebensunterhalt nicht arbeiten musste.

[] Philippika, die

veraltend: heftige, leidenschaftliche Strafrede

Die Philippika hat – oft als Schimpftirade oder Kapuzinerpredigt geschmäht – heute keinen besonders guten Ruf. Dabei gerät leicht aus dem Blickfeld, dass die historischen „Philippiken“ aus einer existenziellen Notlage heraus entstanden, dass sie einst den letzten Versuch darstellten, die Demokratie zu retten. Am 2. September 44 v. Chr. stemmte sich Marcus Tullius Cicero mit der ersten von 14 Reden gegen die drohende Gewaltherrschaft Antonius’. Mit der Bezeichnung „Philippische Reden“ bezog er sich auf Demosthenes, der drei Jahrhunderte zuvor mit seinen Reden gegen Philipp II. von Makedonien die Athener Demokratie retten wollte. Beide, Cicero wie Demosthenes, scheiterten am Ende. Beide starben sie eines gewaltsamen Todes: durch Mord der eine, Selbstmord der andere.

[] ein Eigentor schießen, Mehrwortausdruck

sich durch unbedachtes Handeln selbst schaden; (aus Versehen) gegen die eigenen Interessen handeln

„Meistens hat, wenn zwei sich scheiden, einer etwas mehr zu leiden“ (W. Busch), könnte man in diesem Fall mit Recht sagen: Vor 100 Jahren reichte die Deutsche Turnerschaft ultimativ die sogenannte „Reinliche Scheidung“ ein. Den Funktionären, die Wert auf Gemeinschaftserlebnis und Freude an der Bewegung legten (ja, sogar Medaillen ablehnten), war besonders der aus England importierte, stark wettbewerbsorientierte Fußball ein Dorn im Auge. Kicken galt fortan nicht mehr als Leibesübung, die Verbände wurden vor die Tür gesetzt, Doppelmitgliedschaften der Sportler verboten. Was folgte, war eine Abstimmung mit den Füßen und bei den Turnern ein dramatischer Mitgliederschwund. Die Gründung vieler Fußball-Traditionsvereine wie des FC St. Pauli geht auf diese Zeit zurück.

[] Radioteleskop, das

Physik, Astronomie: aus einer oder mehreren großen Parabolantennen sowie Messeinrichtungen bestehende astronomische Anlage zum Empfang und zur Auswertung elektromagnetischer Strahlung aus dem Weltraum im Radiofrequenzbereich

Bei Teleskopen, selbst den allergrößten (die fantasievolle Namen wie „Very Large Telescope“ haben), darf doch eines nicht fehlen: Die Linse! Doch gibt es eine Sorte von Teleskopen, mit denen man viel mehr vom Kosmos „sehen“ kann als mit dem verstärkten Auge: Die Radioteleskope, die meist aussehen wie riesige Satellitenschüsseln, nehmen elektromagnetische Wellen aller Längen aus den Tiefen des Alls auf und verwandeln sie in Bildpunkte ferner Objekte. Maßgeblich mitentwickelt wurde die Technik von Bernard Lovell, der kurz zuvor im Zweiten Weltkrieg an der entscheidenden militärischen Anwendung des Radars geforscht hatte. Heute vor 110 Jahren wurde der Pionier der Radioteleskopie in England geboren.

[] heißer Draht, Mehrwortausdruck

Politik: eine direkte telefonische (oder schriftliche) Kommunikationsverbindung zweier oder mehrerer Staatsregierungen für den Austausch von Informationen in Krisensituationen

Im Kalten Krieg konnte es mitunter ganz schön heiß werden. So auch während der Kubakrise, in der Missverständnisse zwischen den USA und der Sowjetunion aufgrund von Kommunikationsverzögerungen beinahe zum Atomkrieg geführt hätten. Um solche Situationen künftig zu vermeiden, beschloss man, einen direkten Kommunikationskanal für Krisenfälle via Fernschreiber einzurichten. Die Nachrichtenübertragung sollte mittels aufwändiger Einmalverschlüsselung geschützt werden. Der „heiße Draht“ (engl. „hotline“) zwischen Washington und Moskau wurde am 30. August 1963 in Betrieb genommen. Häufig wird er auch als „Rotes Telefon“ bezeichnet und in Filmen, Serien, Werbung etc. als solches dargestellt; tatsächlich handelte es sich bei der Verbindung zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml nie um eine telefonische. Die Verbindung via Fernschreiber wurde zwar mehrfach modernisiert, inzwischen wird jedoch E-Mail verwendet.

[] Brombeere, die

zur Familie der Rosengewächse gehörende strauchartige Pflanze der Gattung Rubus mit schwarzen bis schwarzroten, aromatischen Sammelfrüchten

Wir befinden uns Ende August wohl auf dem Höhepunkt der Brombeer-Erntezeit. Die zu den Rosengewächsen zählende Pflanze hat viele Vorzüge: Ihre Blätter werden zu medizinischen Zwecken schon seit dem Mittelalter zu Tees und Tinkturen verarbeitet; die Früchte sind vitaminreich und lassen sich prima zu Kuchen, Marmeladen, Likören etc. verarbeiten. Doch Vorsicht: „Every rose has its thorn“ (das trifft übrigens nicht auf alle Rosengewächse zu). So haben sich die meisten sicherlich schon an den Dornen der Brombeersträucher wehgetan. Die Stacheln dienen der Pflanze als Rankhilfe und als Schutz gegen Fressfeinde. Und tatsächlich trägt sie diese Eigenschaft sogar im Namen: „Brombeere“ ist eine Zusammensetzung aus ahd. „brāmo“ bzw. „brāma“ (‚Dornstrauch‘) und „beri“ (‚Beere‘).

[] Traumziel, das

sehnlichst angestrebtes, erwünschtes Ziel

Lang war die Liste der Redner am 28.8.1963, als sich zum „March on Washington“ vor dem Lincoln Memorial über 200 000 Menschen zusammenfanden, sehr lang war sie. Der Beitrag Nr. 16 auf der Rednerliste ging als eine der bedeutendsten politischen Reden in die US-Geschichte ein: Martin Luther Kings Aufruf zur Überwindung der Rassentrennung rüttelte auf, vermittelte Zuversicht und die Hoffnung auf eine bessere Welt. „I have a dream“ – ein Lehrstück der Redekunst. Kings inhaltlich und stilistisch ausgefeilte, sprachrhythmisch beeindruckende, dabei religiöse Elemente einsetzende Rede – eine Predigt für Freiheit, die in Ton und Bild für die Nachwelt dokumentiert wurde. Wer Kings im freien Vortrag formulierten Aufruf „Let freedom ring“ einmal im Ohr hatte, wird den Traum von der Gleichberechtigung aller Menschen nicht mehr vergessen.

[] Vulkanausbruch, der

meist kurz anhaltender, mehr oder weniger heftiger Ausstoß flüssigen oder festen Materials (z. B. Lava, pyroklastisches Sediment) aus einem Vulkan

Als am Morgen des 27. August 1883 die Vulkankegel der kleinen Krakatau-Inselgruppe, gelegen zwischen Sumatra und Java in Indonesien (damals Niederländisch-Indien), Lava spien, war man nicht überrascht, denn nach über 200-jähriger Ruhe war der Krakatau bereits im Mai des Jahres wieder aktiv geworden. Doch seine fünfte Explosion um 8:20 übertraf alles damals Bekannte: In einer Eruption, die heute Stufe 6 von 8 auf dem Vulkanexplosivitätsindex erhält, wurde ein Großteil der Hauptinsel weggesprengt, rund 20 Kubikkilometer Material wurden dabei ausgeworfen und verheerende Tsunamis ausgelöst. Mindestens 36 000 Menschen starben durch den Ausbruch und seine Folgen, Flutwelle, Explosionsknall und Atmosphärenpartikel konnten noch in vielen tausend Kilometern Entfernung registriert werden.

[] Kosmonaut, der

Raumfahrer, besonders als Teilnehmer einer sowjetischen bzw. russischen Weltraummission

Im Rahmen des Programms Interkosmos brach vor exakt 45 Jahren, am 26.8.1978, eine internationale Besatzung zur Raumstation Saljut 6 auf. An Bord des Raumschiffs Sojus 31: Kommandant Oberst Waleri Bykowski und Oberstleutnant Sigmund Jähn – der erste (ost)deutsche Kosmonaut im All. Nach insgesamt 124 Erdumkreisungen kehrten beide Kosmonauten zur Erde zurück. Jähn, gelernter Buchdrucker, erfahrener und mehrfach ausgezeichneter Militärflieger, widmete den Flug dem bevorstehenden 30. Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik. Der gebürtige Vogtländer wurde Namenspatron nicht nur von Straßen und Schulen, auch Sternwarten, Planetarien und gar ein Asteroid wurden nach ihm benannt. Dass man in einem Beruf, bei dem man oft schwebe, auf dem Boden bleiben könne, habe er von Sigmund Jähn gelernt, meint Astronaut Alexander Gerst, ein Berufskollege aus der nachfolgenden Generation.

[] Abschiedsgruß, der

beim Scheiden, Verabschieden ausgesprochene, niedergeschriebene oder nonverbale Höflichkeitsbezeigung

Bekannt wurde er durch seine Musicals, allen voran die moderne Romeo-und-Julia-Bearbeitung „West Side Story“, doch Leonard Bernstein, heute vor 105 Jahren in Massachusetts geboren, war nicht nur als Komponist von Orchester-, Kammer-, Film-, Klavier- und Bühnenmusik vielseitig, sondern trat auch als Pianist und gefeierter Dirigent auf. Im Sommer 1990, kurz vor seinem 72. Geburtstag, erlitt Bernstein in den USA beim Dirigieren von Beethovens 7. Sinfonie einen Schwächeanfall, schloss die Aufführung aber mit eiserner Disziplin ab, um sich mit „It’s over“ zu verabschieden. Er wollte und sollte nie wieder dirigieren: Am 14. Oktober 1990 starb Bernstein. Begraben wurde er mit einem Taktstock und einer Partitur im Sarg.

[] Figurine, die

Statuette meist eines Menschen, besonders einer Frau

Sie ist nicht so bekannt und, offen gesagt, auch nicht so ansehnlich wie die berühmte Venus von Willendorf, aber dennoch ein hochinteressanter archäologischer Fund: die Venus von Mauern. Heute vor 75 Jahren wurde sie bei Grabungsarbeiten bei dem bayerischen Städtchen gefunden. Ihr Alter wird auf 27 000 Jahre geschätzt, damit gehört sie noch in die Altsteinzeit. Die Interpretation des rot bemalten Kalksteins ist nicht sicher: Ist es eine stark stilisierte Frau mit üppigem Gesäß oder ein männliches Gemächt, oder beides? Für alles gibt es Parallelen. Da wir auch nicht wissen, was der Beweggrund für die Erschaffung der anderen paläolithischen sog. Venusfigurinen war (es waren jedenfalls keine praktischen Gegenstände), wird das wohl weiter der Fantasie der Betrachtenden überlassen bleiben.

[] Coping, das

Psychologie: Verhaltensweise oder Strategie, die der Auseinandersetzung mit schwierigen Lebensereignissen, belastenden Situationen, Stressoren bzw. Stress auslösenden Erlebnissen und deren Bewältigung dient

„Die Party hat begonnen“, ruft Jan-Erik Olsson, nachdem er am Morgen des 23. August 1973 während seines Freigangs aus dem Gefängnis einen Schuss in der Kreditbanken-Filiale am Stockholmer Norrmalmstorg abgefeuert hat. Er nimmt daraufhin vier junge Menschen als Geiseln und verlangt neben Geld, Waffen und einem Fluchtwagen, dass man seinen ebenfalls inhaftierten Freund Clark Olofsson zu ihm bringt. Das fast sechs Tage andauernde Geiseldrama sorgte besonders wegen des verblüffenden Verhaltens der Geiseln für Aufmerksamkeit: Sie schienen mit ihrem Peiniger und dessen Kumpan zu sympathisieren. Vor allem die damals 23-jährige Kristin Enmark entwickelte eine Bindung zu Olofsson, zu dem sie auch nach dem Überfall noch Kontakt hielt, woraus sogar eine kurze Beziehung entstand. Das Ereignis war namensgebend für das „Stockholm-Syndrom“, das als eigenständiges Syndrom in der Wissenschaft jedoch umstritten ist.

[] munter wie ein Fisch im Wasser, Mehrwortausdruck

in bester körperlicher, gesundheitlicher Verfassung; wohlauf

Fische sind die wohl ältesten Wirbeltiere. Seit ca. 450 Millionen Jahren bevölkern sie unsere Meere, Flüsse, Seen, nunmehr auch Gartenteiche und Aquarien – sofern sie (noch) ausreichend gute Lebensbedingungen vorfinden. Über 20.000 Fischarten gibt es. Auch unsere Sprache bevölkern sie. Der Fisch ist Bestandteil verschiedenster Wendungen: „kalt wie ein Fisch“, „weder Fisch noch Fleisch“ oder eben „munter wie ein Fisch im Wasser“. Auch bestimmte Arten nutzen wir als Metaphern und Vergleiche: Wir können „aalglatt“, „ein toller Hecht“ oder „platt wie eine Flunder“ sein, uns in einem „Haifischbecken“ befinden oder dicht an dicht stehen „wie die Ölsardinen“. Vielleicht fallen Ihnen heute, am Tag der Fische, ja noch viele weitere Redensarten ein?

[] Schallmauer, die

Flugwesen, Physik: starke Luftstauung vor einem bewegten Körper (meist Flugkörper), der nahezu Schallgeschwindigkeit erreicht hat, und deren Überwindung einen lauten Knall erzeugt

Fliegen schneller als der Schall – dies wurde lange Zeit für unmöglich gehalten. Die Schallmauer galt als unüberwindbare Barriere, bis sie der amerikanische Testpilot Chuck Yeager 1947 mit einem Raketenflugzeug nachweislich durchbrach. Mit zunehmendem Verständnis für die physikalischen Prozesse rund um die Schallmauer entwickelten sich auch die technischen Möglichkeiten, diese zu durchbrechen. So überschritt am 21. August 1961 mit der Douglas DC-8 auch erstmals ein Verkehrsflugzeug die Schallgeschwindigkeit, wenn auch nur im Sinkflug und eher zufällig. Bei −50 °C beträgt die Schallgeschwindigkeit etwa 300 m/s, also 1080 km/h. Der charakteristische Knall, der beim Erreichen der Schallgeschwindigkeit zu hören ist, entsteht durch die Druckwellen, die von dem Objekt erzeugt werden und sich von diesem kegelförmig ausbreiten.

[] Luftschlösser bauen, Mehrwortausdruck

undurchführbare, unrealistische, phantastische Pläne entwerfen; Wunschträume hegen

Schon im 17. Jh. war die Wendung beliebte Metapher für die zutiefst menschliche Schrulle, sich in unrealistischen Wunschvorstellungen zu ergehen. Und stets wurde das „Luftschloss“ von Predigern, Aufklärern und dergleichen mit Warnhinweisen versehen: Im Roman „Wunderliche Fata einiger See-Fahrer“ (1737) berichtet etwa ein Protagonist von seiner traurigen Familiengeschichte, wie „[mein Onkel], ein alter Vagabond von seinen 15-jährigen Reisen zu Hause kömmt, und meiner Mutter allerhand verzweifelte Lufft-Schlösser ins Gehirne bauet“, genauer: über die Mutter den Vater dazu verleitet, sich mittels Alchemie auf die Goldherstellung zu verlegen. Die Familie verliert am Ende alles und hat, um es mit einem Sprichwort auszudrücken, „kein Haus auf Erden, aber ein Schloss in die Luft gebaut“.

[] sportiv, Adj.

besonders von Mode, Design: von sportlichem, schnittigem Aussehen; lässig und praktisch

Coco Chanel revolutionierte die Mode. Inspiriert vom Reiten, Jagen und Segeln kreierte die Designerin funktionale und zugleich elegante Kleidung für die moderne Frau. Ein zentrales Element: Jersey – ein weicher Stoff, aus dem sie unter anderem lockere Kleider und weite Hosen fertigte, die viel Bewegungsfreiheit garantierten. Schließlich waren Frauen seit dem Ersten Weltkrieg mobiler und oft berufstätig. Auch beim berühmten Chanel-Kostüm setzte die Modeschöpferin auf Alltagstauglichkeit. So verzichtete sie auf das Versteifen des Materials und brachte praktische Taschen an. Es wurde minutiös Maß genommen und getestet: Models und Kundinnen mussten die Arme verschränken, sich bücken und auf Podeste steigen. Wenn Coco Chanel auf eines Wert legte, dann auf Komfort. Sie machte sportive Kleidung salonfähig, wofür wir ihr auch heute, an ihrem 140. Geburtstag, äußerst dankbar sind.

[] Entdeckung, die

das Auffinden von etw. (Neuem) in Wissenschaft und Forschung, das bis dahin unbekannt war

Es ist – nach Wasserstoff – das zweithäufigste Element im All und essentieller Baustein von Sternen und Gasriesen: das Helium. Es kommt zum Einsatz beim Fliegen, Tauchen und in der Medizin. Durch seine geringe Dichte verändert es die Klangfarbe unserer Stimme und lässt Luftballons in den Himmel steigen. Am 18. August 1868 entdeckte der französische Astronom Jules Janssen bei der Untersuchung der chemischen Zusammensetzung der Sonne ein gelbes Licht (die gelbe Spektrallinie), das er als neues Element identifizierte – ähnlich wie etwa zur selben Zeit sein britischer Fachkollege Norman Lockyer. So kam das Edelgas auch zu seinem Namen, abgeleitet von griech. hḗlios (ἥλιος), ‚Sonne‘. Erst Jahre später konnte Helium auch auf der Erde nachgewiesen werden, seine Entdeckung wurde dadurch in breiteren Wissenschaftskreisen akzeptiert.

[] großer Wurf, Mehrwortausdruck

besonders bedeutendes, erfolgreiches (alles andere überragendes) Projekt, Werk, Konzept o. Ä.

Kind of Blue, zu Deutsch so viel wie ‚Irgendwie traurig‘, lautet der Titel des am 17. August 1959 erschienenen Studioalbums von Miles Davis. Und genau diese Stimmung transportiert es auch: irgendwie melancholisch, aber irgendwie auch nicht. Alles andere als traurig dürfte der Jazztrompeter, Komponist und Bandleader über dessen Rezeption gewesen sein. Es ist nicht nur das kommerziell erfolgreichste Album der Jazzgeschichte, sondern wurde bereits bei Veröffentlichung von Kritikern gefeiert. Mit seinen bisweilen fast schon meditativ wirkenden Stücken gilt es als Meilenstein des Modalen Jazz. Von vielen wird die Platte, der es trotz ihrer Zurückhaltung nicht an Spannung fehlt, sogar als das Jazzalbum schlechthin betrachtet. Der immense Erfolg ist wohl nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass es sich als unaufdringliche Hintergrundmusik im Café ebenso eignet wie für den aufmerksamen, intensiven Hörgenuss.

[] Flop, der

(kommerzieller) Misserfolg; gescheiterte Unternehmung; ein schlechtes, ungenügendes, unbrauchbares Produkt o. Ä.

Wer zu Beginn des 19. Jh. Nachrichten über den Atlantik verschicken wollte, brauchte vor allem eins: Geduld. Zwei Wochen war eine Nachricht im besten Fall mit dem Dampfschiff unterwegs. Gespannt sah man daher der Verlegung eines Unterwassertelegrafenkabels entgegen, das Irland mit Neufundland verbinden sollte. Am 16. August 1858 entsandte die britische Königin Victoria darüber ein Glückwunschtelegramm an den US-Präsidenten James Buchanan. Die Übertragung der 98 Grußworte dauerte „nur“ 17 Stunden! Doch der Erfolg war von kurzer Dauer. Das Kabel fiel bereits nach wenigen Wochen aus. Erst 1866 wurde ein neues, zuverlässigeres Kabel verlegt. Dennoch war das erste transatlantische Telegrafenkabel ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der globalen Telekommunikationsinfrastruktur.

[] Gesamtkunstwerk, das

[Kunst, Kunstgeschichte] von Künstlern geschaffenes Werk, das verschiedene, einander ergänzende Kunstformen und künstlerische Tätigkeitsfelder vereint und idealerweise alle Sinne anspricht

Schlicht, rational und funktional – diese Attribute verbindet man mit dem Bauhaus, einer Kunstschule des frühen 20. Jahrhunderts. Ihr Begründer Walter Gropius sowie seine Kolleg- und Schülerschaft waren in vielerlei Hinsicht kühne Vorreiter: Sie sahen die Architektur als Gesamtkunstwerk in Verbindung mit den anderen Künsten, entwarfen neuartige Material- und Farbkonzepte und prägten das Prinzip „Form follows function“. Ebenfalls innovativ: Die Aufnahme in die Schule war unabhängig von Alter und Geschlecht, für den Meisterrat zählten lediglich Talent und Vorkenntnisse. Heute vor 100 Jahren wurde die erste Bauhaus-Ausstellung eröffnet. Das damals ausgestellte Musterhaus („Haus am Horn“) kann noch heute in Weimar besichtigt werden.

[] Führerschein, der

Ausweis, der zum Lenken von Kraftfahrzeugen, Flugzeugen berechtigt, Fahrerlaubnis

Bis man heute den begehrten Lappen, die Pappe, die Fleppe, also die Fahrerlaubnis, in Händen hält, braucht es viel Mühe, Zeit und Geld. Vor allem will die gefürchtete Fahrprüfung bestanden sein. Der erste deutsche Automobilist Carl Benz hatte seine Zulassung von der badischen Regierung 1888 noch ohne jeden Eignungsnachweis erhalten. In Frankreich dagegen fand fünf Jahre später, heute vor 130 Jahren, die erste, nach heutigen Begriffen etwas ungewöhnliche Führerscheinprüfung statt: Der Beamte, der die Prüfung abnahm, arbeitete im Bergamt. Und der Prüfling musste beweisen, dass er Reparaturen wie Reifenflicken selbst übernehmen konnte. Ansonsten: starten, lenken, bremsen – „et voilà“. Heute sind die Prüfungen zwar anspruchsvoller, die Hände schmutzig machen muss man sich aber nicht mehr.

[] binnen kurzem, Mehrwortausdruck

innerhalb kürzester Zeit

Heute vor 100 Jahren begann die nur 100 Tage andauernde Reichskanzlerschaft von Gustav Stresemann. Er bildete eine Koalition aus Zentrum, DDP, DVP (deren Vorsitzender er war) und SPD – eine wilde Parteienmischung in einer höchst krisenreichen Zeit: Das Ruhrgebiet war von französischen Truppen besetzt und der Wert der Mark in unvorstellbare Tiefen gesunken. Diese Geschichten, dass man mit Wäschekörben voll Geld zum Bäcker ging, um ein Brot zu kaufen, haben sicherlich viele von uns noch gehört. Rauer Gegenwind kam auch aus der Politik selbst, von ganz links und ganz rechts. An diesen Konflikten zerbrach die Koalition schnell, zunächst durch den Austritt der SPD, wenige Wochen später besiegelt durch ein Misstrauensvotum. Doch allein in gut 14 Wochen hatte Stresemann mit seiner Regierung Großes geleistet – für die wirtschaftliche Stabilisierung und die Verständigung mit Frankreich, für die er sich auch später als Außenminister noch engagierte.

[] Hochrüstung, die

Intensivierung der militärischen Rüstung

Erst vor wenigen Tagen hat die Welt der Opfer von Hiroshima und Nagasaki gedacht, schon gibt es ein weiteres Datum aus der Geschichte der zerstörerischen Kernwaffentechnik: Heute vor 70 Jahren zündete die Sowjetunion ihre erste Wasserstoffbombe. Hatten die Sowjets vier Jahre gebraucht, um beim militärischen Gebrauch der Kernspaltung mit den USA gleichzuziehen, waren es bei der Kernfusion damit nur zwei. Der Rüstungswettlauf verschärfte sich: 1954 zündeten die USA ihre stärkste Bombe (15 Megatonnen TNT-Äquivalent), 1961 die Sowjetunion (über 50 Megatonnen). Die Vernichtung der Welt im Kriegsfall war garantiert. Trotz aller Abrüstungsbemühungen rasseln auch heute noch einige Atommächte mit dem nuklearen Säbel.

[] Musiktheoretiker, der

im Bereich der Musiktheorie tätiger Musikwissenschaftler

Der heute vor 80 Jahren geborene Krzysztof Meyer blickt auf ein bewegtes Musikerleben zurück. Ausgebildet u. a. bei Krzysztof Penderecki an der Musikakademie Krakau und Witold Lutosławski in Warschau, schuf der Komponist ein überaus vielseitiges Œuvre – darunter mehrere Opern, Orchesterwerke und Kammermusik, Ballette. Darüber hinaus vollendete Meyer mehrere unabgeschlossene Werke anderer Musiker. Mit Deutschland verbindet den polnischen Komponisten seine über zwanzigjährige Professur für Komposition an der Hochschule für Musik in Köln. In seinem Schaffen besonders geprägt worden sei er, so Meyer, durch die Komponisten Dmitri Schostakowitsch und Witold Lutosławski. Meyers lesenswerte Biografien dieser Komponisten sind heute wichtige Quellen zur Erschließung deren zentraler Werke. Im Juni 2023, bei den Internationalen Schostakowitsch-Tagen, ist Krzysztof Meyer für seine Verdienste um dessen musikalisches Erbe ausgezeichnet worden.

[] Pyramide, die

Mathematik: spitz zulaufender Körper mit einem Vieleck als Grundfläche; monumentaler Grabbau der altägyptischen Könige, der über einer quadratischen Grundfläche spitz zuläuft

Am 10. August 1793, inmitten der Französischen Revolution, öffnete in Paris das mittlerweile wohl größte und meistbesuchte Kunstmuseum der Welt seine Pforten: das Musée du Louvre. Seinen Ursprung nahm das Museum bereits im 14. Jh. und wurde im Laufe der Zeit durch verschiedene königliche und private Sammlungen erweitert. Die berühmte Glaspyramide, die heute als Haupteingang des Museums dient, wurde erst 1989 nach den Entwürfen des chinesisch-amerikanischen Architekten I. M. Pei fertiggestellt. Sie hat die gleichen Proportionen wie die Große Pyramide von Gizeh und erinnert an die Bedeutung der ägyptischen Antiquitätensammlung im Museum. Zunächst umstritten, ist sie heute eine architektonische Hauptattraktion von Paris und das Symbol für den Louvre schlechthin.

[] Initiative, die

Fähigkeit, aus eigener Motivation und Kraft aktiv zu werden zu handeln; Gesetzentwurf Gesetzesvorlage

„Nun komm aus dem Quark – zeig doch mal etwas Initiative!“ Das oft durch den verdeutlichenden, wenngleich überflüssigen Zusatz „Eigen-“ verstärkte „Zauberwort“ genervter Eltern gehört zu den Kernforderungen einer jeden Leistungsgesellschaft. Man denke an Verbindungen wie „Privatinitiative“ oder „unternehmerische Initiative“. Tatsächlich aber ist das Wort ursprünglich ein Kernbegriff der parlamentarischen Demokratie, der wie so viele andere aus dem Englischen oder wie in diesem Fall aus dem Französischen entlehnt (und in Lautung und Schreibung an den lateinischen Fremdwortschatz angepasst) wurde. In der Französischen Revolution stand die Forderung nach „initiative legislative“ für das Recht des Parlaments, Gesetze nicht nur passiv abnicken, sondern aktiv am Gesetzgebungsprozess mitwirken zu können.

[] Witz, der

geschickt, kunstvoll auf eine Überraschung hin formulierter Scherz, Spaß, der Fehler, Schwächen, Absonderlichkeiten von Menschen oder Sachverhalten anprangert, entlarvt, dem Gelächter preisgibt; Gabe, etw. lustig, treffend, schlagfertig und geistreich zu erzählen

„Der Weise ist ohne Humor undenkbar“, heißt es. Tatsächlich haben Witz und Wissen die gleiche Wurzel: Das althochdt. „wizzi“ (Wissen, Verstand), das altengl. „wit(t)“, das gotische „unwiti“ (Unwissenheit) und einige nordische Varianten gehören wie altindisch „vidyā́“ (Wissen, Weisheit, Gelehrsamkeit) zu der indoeuropäischen Wurzel *u̯eid- (erblicken, sehen). Franzosen und Briten brachten vor gut 300 Jahren den „geistreichen Einfall“ („esprit“, „wit“) ins Deutsche, die Wendung zum Scherzhaften war gemeistert. Seit Ende des 19. Jh. gibt es den Witz auch als (zugegeben mal mehr, mal weniger geistreiche) Anekdote.

[] fahrbarer Untersatz, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, scherzhaft: (meist motorisiertes) Gefährt, das der Fortbewegung dient

Auf den Pariser Boulevards des 17. Jahrhunderts präsentierten sich die vornehmen Damen in kleinen, flinken Kutschen, die sie darüber hinaus selbst steuerten, der Gesellschaft. Was anfangs als Spielerei des Adels erschien, war verkehrstechnisch eine kleine Sensation. Die zweirädrigen Cabriolets mit dem offenen Verdeck eroberten den Kontinent. Dass die positiven Fahreigenschaften auf den holprigen Straßen dieser Zeit allerdings mit einigen Unbequemlichkeiten erkauft waren, zeigt schon der Name, der sich von französisch „cabrioler“ (‚Sprünge machen‘, von ital. „capriolare“) ableitet. Im Deutschen bezeichnet das Wort, besonders in der Kurzform „Cabrio“, heute ausschließlich das Automobil mit offenem Verdeck, im Englischen blieb dagegen der Bezug zur Kutsche erhalten.

[] Kanalschwimmerin, die

weibliche Person, die den Ärmelkanal (die Meerenge zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich) durchschwimmt bzw. in ihm schwimmt

Am 6. August 1926 gelang Gertrud Ederle ein bemerkenswerter sportlicher und historischer Erfolg: Sie durchschwamm als erste Frau den Ärmelkanal. Dick mit isolierendem Fett eingeschmiert, startete die US-amerikanische Schwimmerin im für die damalige Zeit unerhörten Zweiteiler in Cap Gris-Nez an der Küste Frankreichs und kämpfte sich 14 Stunden und 31 Minuten lang durch die eisigen Gewässer. Damit erreichte sie nicht nur das gegenüberliegende Ufer im englischen Dover, sondern war sogar noch zwei Stunden schneller als der bis dato männliche Rekordhalter. Ihre Leistung inspirierte eine ganze Generation von Frauen dazu, sich in verschiedenen Sportarten auszuprobieren und trug dazu bei, Geschlechtergrenzen im Sport zu überwinden.

[] Standardsprache, die

Sprachwissenschaft: gewöhnliche, durch Sprachplanung und Sprachpflege entstandene Ausprägung einer Sprache, die die Dialekte, die Umgangssprache und anderen Varietäten überdacht

Norwegisch ist die Erstsprache von etwa 4,5 Millionen Menschen. Die nordgermanische Sprache teilt sich in zwei Standardvarietäten auf: Bokmål (‚Buchsprache‘) ist vor allem vom Dänischen geprägt, das während der dänisch dominierten Personalunion zwischen beiden Ländern 1380–1814 als Verwaltungssprache genutzt wurde. Als Gegenkonzept entwickelte Mitte des 19. Jahrhunderts der heute vor 210 Jahren geborene Sprachforscher Ivar Aasen das Nynorsk (‚Neunorwegisch‘), das vor allem auf traditionellen einheimischen Dialekten basiert. Nynorsk ist als zweite Standardvarietät anerkannt und wird von ca. 10–15 % der Bevölkerung genutzt – allerdings (wie auch Bokmål) vorwiegend als Schriftsprache. Im mündlichen Sprachgebrauch begegnen wir wiederum einer Vielzahl an Dialekten und Regiolekten.

[] Bierschwemme, die

große Menge Bier

Menschen auf aller Welt trinken Bier. Es ist nicht nur das beliebteste, sondern vermutlich auch das älteste alkoholische Getränk. Es gibt Hinweise darauf, dass man Bier (oder zumindest Bierähnliches) schon 10.000 v. Chr. kannte. Für den Bau der Pyramiden von Gizeh war der Trank sogar, so scheint es, essenziell: Jeder Arbeiter erhielt täglich vier bis fünf Liter zur Stärkung und Erfrischung. Auch die alten Babylonier nahmen die Herstellung und den Konsum von Bier sehr ernst. In einer der ältesten Gesetzessammlungen überhaupt, dem „Codex Hammurapi“ aus dem 18. Jh. v. Chr., widmen sich gleich mehrere Paragrafen dem flüssigen Gold. Unter anderem ist darin festgelegt, dass eine Wirtin, die minderwertiges Bier ausschenkt, zur Strafe ertränkt werden soll.

[] Petrichor, das oder der

Geruch, der aufsteigt, wenn warmer, trockener Erdboden durch Regen oder Besprengung nass wird

Er zählt zu den schönsten Sinneserfahrungen des Sommers: Wenn nach heißer, trockener Zeit Regen (oder Wasser aus dem Gartenschlauch) auf warme Steine und trockene Erde fällt, steigt ein Geruch auf, den wir den Winter über vergessen hatten und der uns sogleich in Wonne wiegt. Er geht übrigens nicht vom Wasser aus, sondern von in der Hitze von Pflanzen ausgedünsteten Ölen. Und er hat einen großartigen Namen: „Petrichor“, griechisch wörtlich ‚Steinblut‘, wobei „ichṓr“ nicht gewöhnliches Blut bezeichnet (das ist „haĩma“), sondern das schwarze Blut der Götter (das auf die Erde tropfte, als Kronos seinen Vater Uranos entmannte). „Petrichor“ selbst finden wir aber nicht bei Homer oder Hesiod, sondern erst 1964 in der Beschreibung des Phänomens durch zwei von der Muse geküsste Wissenschaftler.

[] Augenzeugenbericht, der

Aussage, Bericht eines Augenzeugen über einen Vorfall, einen Unfall, bestimmte Zustände o. Ä.

Als der 2. August 1943 endete, hatte in Treblinka das kaum Vorstellbare, ein Häftlingsaufstand in einem Vernichtungslager, tatsächlich stattgefunden. Unter extremen und äußerst gefährlichen Bedingungen hatten die jüdischen Häftlinge in einem geheimen Organisationskomitee einen großangelegten Ausbruch geplant und vorbereitet. Als kurz vor 16 Uhr der Aufstand losbrach, gelang es den völlig unzureichend bewaffneten Häftlingen, mehrere Wachleute und Funktionshäftlinge zu überwältigen und zu töten, mehrere Gebäude wurden in Brand gesetzt. Sehr viele der Aufständischen wurden getötet, doch etwa 200 Personen gelang die Flucht, sie wurden verfolgt und gejagt, und nur wenige der Flüchtenden erlebten das Ende des Krieges. In ihren Berichten legten die Überlebenden Zeugnis ab über diesen Akt der Selbstbestimmung, über den Mut, selbst in höchst auswegloser Lage den Weg des Widerstands gegen die Barbarei zu gehen.

[] Stinkefinger, der

salopp: Geste in der Form eines hochgestreckten Mittelfingers, mit der Abneigung oder Verachtung gegenüber einer Person oder Personengruppe zum Ausdruck gebracht wird

Für Stefan Effenberg führte er 1994 zum Ausschluss aus dem Kader der deutschen Fußballnationalmannschaft, ein Jahr später war er die Antwort Johnny Cashs auf die Grammy-Auszeichnung seiner „American Recordings“, und für den ehemaligen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück war er eine der größten Pannen im Bundestagswahlkampf 2013: Der ausgestreckte Mittelfinger (oder sogenannte „Stinkefinger“) hat schon für einige Aufreger gesorgt. Und doch gebührt ihm bei all seiner Schamlosigkeit einige Ehre, ist er doch eine kultur- und sprachenübergreifende Geste des Protests und Missfallens. Und so wird diese Universalie der nonverbalen Kommunikation jährlich am 1. August mit dem Weltmittelfingertag geehrt.

[] auf dem Trockenen sitzen, Mehrwortausdruck

meist scherzhaft: nichts Alkoholisches (mehr) zu trinken, ein leeres Glas vor sich haben

Der 31. Juli 1970 war ein dunkler Tag in der Geschichte der Royal Navy. Weltweit konnte man auf britischen Kriegsschiffen mit schwarzen Trauerfloren geschmückte Seeleute beobachten, die schwermütige Trauerlieder anstimmten, Ehrensalven abfeuerten und sogar Särge aufbahrten. Anlass für das große Betrübnis war jedoch weder der Tod eines hohen Marineoffiziers noch Schiffbruch oder Meuterei, sondern die Entscheidung der Royal Navy, die tägliche Rumration – die sogenannte „Tot“ – abzuschaffen. Die mehr als 300 Jahre alte Tradition war ursprünglich der längeren Haltbarkeit von Rum gegenüber Wasser geschuldet. Da die Kombination aus betrunkenen Matrosen und komplizierter Schiffstechnologie jedoch nicht erfolgversprechend war, wurde die Tradition mit dem „Black Tot Day“ endgültig symbolisch bestattet.

[] Lotse, der

kundiger Seemann, der Wasserfahrzeuge durch schwieriges Fahrwasser (besonders im Küstenbereich) führt

Der heutige 125. Todestag Ottos von Bismarck – Ministerpräsident, Bundeskanzler, Reichskanzler und wichtigste politische Figur seiner Zeit – gibt Anlass zu Gedanken. Nun reichen 800 Zeichen nicht für eine Behandlung der positiven und negativen Facetten des umstrittenen und später verklärten „Eisernen Kanzlers“. Darum konzentrieren wir uns darauf, was Bismarck außerhalb der Politik hinterlassen hat, abgesehen von zahlreichen Denkmälern unkritischer Verehrung: Zum einen wurde er eines der ersten Opfer von Paparazzi, die ihn auf seinem Totenbett heimlich fotografierten, zum anderen ist er Protagonist einer bis heute bekannten englischen Karikatur: Als er 1890 von Wilhelm II. entlassen wurde, hieß es dort, „Der Lotse geht von Bord“. Das geflügelte Wort wird noch heute verwendet.

[] Raumfahrtbehörde, die

Einrichtung, die meist in Form einer staatlichen bzw. öffentlichen Dienststelle ein Raumfahrtprogramm leitet

Mit Unterzeichnung des „National Aeronautics and Space Act“ durch US-Präsident Eisenhower begann am 29. Juli 1958 eine neue Ära der Weltraumforschung in den USA. Im sogenannten Wettlauf ins All genoss die zivile Raumfahrtbehörde NASA einen ganz besonderen Status, sie erhielt in ihren Anfangsjahren eine rekordverdächtige Finanzierung von bis zu 4,4 Prozent des gesamten US-Haushalts. Schon kurz darauf, im Mai 1961, startete Alan Shepard im Rahmen des Mercury-Programms als erster US-Amerikaner zu einem suborbitalen Weltraumflug. Zahlreiche weitere legendäre bemannte Weltraumflüge und andere Weltraummissionen sollten folgen.

[] jmdm. spanisch vorkommen, Mehrwortausdruck

jmdm. seltsam, merkwürdig, verdächtig erscheinen; jmdm. unverständlich sein

Es ist Urlaubszeit und viele Deutsche zieht es auch diesen Sommer nach Spanien. Die Spanier dürften so manche Sitte der deutschen Touristen – man denke nur an den „Ballermann“ – ungewöhnlich finden. Ähnlich ging es wahrscheinlich umgekehrt den Deutschen im 16. Jahrhundert, als ein spanischer König auf dem Thron des Heiligen Römischen Reiches saß und sich mit dem Hofstaat Karls des V. spanische Gepflogenheiten und die spanische Sprache ausbreiteten. Diese empfanden die Deutschen als fremdartig, wodurch sich wohl die Redensart „Das kommt mir spanisch vor“ einbürgerte, die man im Deutschen noch heute verwendet, wenn einem etwas sonderbar erscheint.

[] Album, das

Veröffentlichung mit mehreren, thematisch zusammengehörigen Musikstücken eines Interpreten, einer Band, eines Orchesters o. Ä.

Bildungsbürgerinnen und -bürger denken bei dem Wort „Madonna“ wahrscheinlich an die zahlreichen Marienbildnisse oder -figuren. Andere Menschen (und Suchmaschinen) scheinen unter diesem Namen fast ausschließlich eine Popmusikerin mit dem vollen Namen Madonna Louise Ciccone zu kennen. Dass Frau Ciccone als „Madonna“ zu einem der Leitsterne der Popkultur und nebenbei zur erfolgreichsten Künstlerin aller Zeiten (im Billboard-Hot-100-Ranking) wurde, hat sie vermutlich auch einem Album zu verdanken, das heute vor 40 Jahren, am 27. Juli 1983, unter genau diesem Namen in den USA erschien. Ursprünglich sollte das Album „Lucky Star“ heißen, doch ein glücklicher Stern verhinderte dies gerade noch rechtzeitig.

[] Stein des Anstoßes, Mehrwortausdruck

Ursache eines Ärgernisses, des Missfallens; Anlass für (wiederkehrende) Diskussionen, Auseinandersetzungen o. Ä.

Sein Name ist einer der ersten, der einem in den Sinn kommt, wenn man an „Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll“ denkt: Mick Jagger. Mit seiner 1962 gegründeten Band „The Rolling Stones“ erlangte der Frontmann mit der markanten Stimme weltweiten Ruhm. Die Stones wurden als ungewaschener Gegenentwurf zu den Beatles inszeniert und gerierten sich als nonkonformistische Provokateure. Bei Auftritten erregte besonders Mick Jagger mit seinem eigenwilligen und lasziven Tanzstil Aufsehen. Heute wird das Urgestein des Rock 80 Jahre alt – und scheint noch nicht ans Aufhören zu denken. Die Bewegungen mögen ein wenig langsamer und steifer geworden sein, der (inzwischen zum Ritter geschlagene) Performer hüpft, zappelt, stolziert nach über sechzigjähriger Karriere jedoch immer noch unglaublich energetisch über die Bühne.

[] ab die Post!, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: los geht’s!; auf geht’s!; weg damit!

Sagt Ihnen der Werbeslogan „Fünf ist Trümpf“ noch etwas? Vorgetragen wurde er 1993 von der gelben Hiphop-Hand Rolf, dem damaligen Maskottchen der Deutschen Post. Rolfs „moderne“ Performance sollte der Bevölkerung das neue, fünfstellige Postleitzahlensystem schmackhaft machen. 80 Millionen Mark nahm die Post für diese Kampagne in die (fünffingerige) Hand; die meisten Leute lassen sich bekanntlich nicht leicht überzeugen, wenn etwas anders werden soll, als es früher war. Die Umstellung war unvermeidbar, da im vierstelligen System seit der Wiedervereinigung hunderte Ziffernfolgen doppelt vergeben waren. Ihren Anfang nahm die Geschichte der Postleitzahlen in Deutschland am 25. Juli 1941 mit der Einführung von zweistellig nummerierten Päckchenleitgebieten zur effizienteren Gestaltung des Zustellsystems.

[] Friesisch, das

an der niederländischen und deutschen Nordseeküste beheimatete Gruppe von Sprachen aus dem westgermanischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie

Wenn Sie bei „Ostfriesisch“ an Plattdeutsch (Niederdeutsch) denken, ist das verständlich. Aber das eigentliche Ostfriesische ist eine der drei eigenständigen friesischen Sprachen: Während das Nordfriesische in Nordfriesland vom Aussterben bedroht ist, ist das Westfriesische an der niederländischen Nordküste noch sehr lebendig. Das an der niedersächsischen Küste gesprochene Ostfriesische wurde in der Neuzeit vollständig vom Niederdeutschen verdrängt – fast: Südlich, in der Gemeinde Saterland, hält sich als letzter Rest seit Jahrhunderten das Saterfriesische, gesprochen von 1.000–2.000 Menschen. Seine erste wissenschaftliche Beschreibung verdanken wir Johann Friedrich Minssen, der 1846 einige Monate in der abgelegenen Gegend verbrachte. Heute vor 200 Jahren wurde der sprachbegabte Theologe in Jever geboren.

[] Pilgerweg, der

Strecke, die traditionell von Pilgern (oder Wanderern) genutzt wird, um an einen Wallfahrtsort zu gelangen

Sie boten im Mittelalter einen vertrauten Anblick: Menschen in langen Mänteln, mit Schlapphut, Wanderstab und Kürbisflasche, die auf dem langen Weg nach Santiago de Compostela zum Grab des Jakobus pilgerten. Unter ihnen befand sich 1341 auch die Schwedin Birgitta Birgersdotter, heute besser bekannt als die heilige Birgitta von Schweden. Es war nicht die einzige Reise der vor 650 Jahren gestorbenen Mystikerin, die sich auch als Beraterin von Fürsten und Päpsten einen Namen gemacht hat. Die unermüdlichen Wanderungen zu heiligen Stätten von Rom bis Jerusalem waren ebenso wie ihre zahlreichen Visionen Ausdruck einer ständigen Suche nach Gott. Ein kleiner Abschnitt ihres Weges, der von Sassnitz auf Rügen über Schwerin quer durch Mecklenburg-Vorpommern verlaufende Birgittenweg, ist ihr gewidmet.

[] Gesundheitsförderung, die

fachsprachlich: (institutionelle) Maßnahmen zur Stärkung und Erhaltung des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens

Das menschliche Gehirn ist ein Wunderwerk der Natur: komplex wie kein anderes Organ und mit Fähigkeiten ausgestattet, die noch kein Computer nachahmen kann. Erkrankungen des Gehirns bzw. Nervensystems können unsere Lebensqualität erheblich reduzieren. Die World Federation of Neurology hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, weltweit den medizinischen Standard in der Neurologie zu verbessern und Hirngesundheit zu fördern. 2013 hat der Verband den jährlich am 22. Juli stattfindenden „World Brain Day“ ins Leben gerufen. Das diesjährige Motto lautet „Brain Health and Disability: Leave No One Behind“: In Zusammenarbeit mit der World Federation for Neurorehabilitation will die Organisation über neurologische Störungen informieren. Insbesondere soll dabei auf die ungleichen Gesundheitschancen für Menschen mit Behinderung aufmerksam gemacht und ein inklusiverer Zugang zur Gesundheitsfürsorge geschaffen werden.

[] Überfallkommando, das

überfallartig, überraschend vorgehende Gruppe Krimineller

Die Brüder Jesse und Frank James und ihre Bande waren hundsgemeine, skrupellos und brutal vorgehende Verbrecher, die in den 1860ern und 1870ern den Mittleren Westen der USA unsicher machten. Und dennoch umgab besonders Jesse schnell die Aura eines modernen Robin Hood, der ohne objektiven Grund Zuspruch bei Teilen der Bevölkerung fand. Dazu beigetragen haben zum einen Sympathien von Anhängern der Südstaaten, denn die James-Brüder waren im Bürgerkrieg Guerilleros in Missouri, zum anderen die teils gewagten Überfälle. So brachte die Bande am 21.07.1873 einen Zug zum Entgleisen, um ihn auszurauben. Es war der erste Zugüberfall im Westen der USA. Der letztlich geläuterte Frank James war das einzige Mitglied der Bande, das einen ruhigen Lebensabend verbringen konnte.

[] jmdm. das Geld aus der Tasche ziehen, Mehrwortausdruck

jmdn. auf eine listige oder betrügerische Art und Weise zu einer Geldausgabe bewegen, von der man selbst profitiert; jmdn. übervorteilen

Zehn Prozent Zinsen, bar auf die Hand versprach Adele Spitzeder den Kunden ihrer „Spitzederschen Privatbank“. Was mit der Einlage einer Zimmermannsfrau begann, wurde dank Mundpropaganda innerhalb kürzester Zeit zum Münchner Großunternehmen – bis alles zusammenbrach: Gegner, die das dubiose Geschäft schon länger misstrauisch beäugten, brachten Dutzende Gläubiger dazu, sich gleichzeitig ihr Geld auszahlen zu lassen. Spitzeder, die mit ihrer Masche ihren luxuriösen Lebensstil finanziert hatte, war nicht solvent. Man stellte eine Überschuldung von acht Millionen Gulden fest. Am 20. Juli 1873 wurde sie wegen „betrüglichen Bankrotts“ zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. In ihren Memoiren beteuerte sie: „Mein Gewissen war rein, ich war mir keiner Verschleppung bewusst, die mir ebenfalls zur Last gelegte mangelhafte Buchführung konnte mir, als einem Weibe, doch auch nicht als Verbrechen angerechnet werden […].“

[] Wende, die

einschneidende Veränderung gegenüber dem bisherigen Verlauf (besonders eines gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses); Segelmanöver, bei dem das Boot mit dem Bug gegen den Wind einen Bogen beschreibt

Die Seefahrt mit ihren Gefahren, ihren technischen und intellektuellen Herausforderungen hat schon immer ihren festen Platz in der Sprache, wie die zahlreichen nautischen Ausdrücke und Wendungen in übertragener Bedeutung zeigen: So gehen alle Verbindungen mit „cyber-“ auf griechisch κυβερνητική τέχνη ‚Steuermannskunst‘ zurück. Wer in der Politik am Ruder (in der Regierung) sitzt, kann den Kurs festlegen. Auch die „Wende“ als Begriff für eine einschneidende Veränderung hat hier ihren Ursprung. Dass eine solche auf See nicht immer harmlos ist, musste die Besatzung des englischen Kriegsschiffs Mary Rose erfahren. Nach einem unglücklichen Wendemanöver ging diese am 19. Juli 1545 sang- und klanglos unter. Ursache war wohl eine konstruktionsbedingte Schlagseite – auch dies eine unter Landratten beliebte Metapher.

[] etw. gegen den Strich bürsten, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: etw. ganz anders als üblich betrachten; etw. genau entgegengesetzt der bisherigen Sichtweise darstellen, interpretieren

Christa Päffgen kommt 1938 in Köln zur Welt, wird schon als Teenagerin zum gefragten Model und zieht wenig später nach Paris. Auch als Schauspielerin und Sängerin mit tiefer, melancholischer Stimme ist sie erfolgreich und heute vor allem unter dem Namen Nico bekannt. In New York und London ist Nico seit den 60ern in engem Kontakt mit den Größen der männerdominierten Kulturszene: Lou Reed, Jim Morrison, Bob Dylan, Andy Warhol. Immer wieder bürstet sie ihr Image der kühlen, blonden Schönheit gegen den Strich; Affären, Drogen, Skandale prägen ihre Karriere; sie ist düster und (selbst-)zerstörerisch: „Der einzige Grund, warum ich mich nicht erschieße, ist, dass ich wirklich einzigartig bin.“ Schließlich stirbt sie am 18.07.1988 mit nur 49 Jahren an den Folgen eines Fahrradunfalls.

[] Emoji, das oder der

Emoticon oder andere kleine Grafik, die eine elektronische Nachricht oder Äußerung kommentiert

Emojis sind in der digitalen Kommunikation heutzutage allgegenwärtig: Die kleinen Bildzeichen (Smileys, Piktogramme, Flaggen etc.) sind dort nicht nur buntes Beiwerk, sondern bringen eine ganze Reihe vorteilhafter Funktionen mit sich: Zum einen sind sie universell verständlich und ökonomisch; oft sagt ein gut gewähltes Emoji mehr als ein langer Satz. Zum anderen lassen sich mit ihrer Hilfe Doppeldeutigkeiten auflösen; indem z. B. mit einem zwinkernden Smiley Ironie markiert wird. Dazu kommen Relativierung, Akzentuierung und Spezifizierung von Aussagen. Das Wort „Emoji“ kommt übrigens aus dem Japanischen und setzt sich aus den Wörtern „e“ (‚Bild‘) und „moji“ (‚Zeichen‘) zusammen. Emoji-Fans können sich auf eine größere Auswahl ab Herbst 2023 freuen: Hinzukommen sollen u. a. neue Gesichtsausdrücke, ein Phönix und eine Limette.

[] Nukleartechnologie, die

Gesamtheit der auf (neuesten) Erkenntnissen der Wissenschaft und Technik beruhenden Verfahren für die Nutzung der Kernenergie

Der Ort: White Sands, New Mexico. Der Tag: 16. Juli 1945. Die Zeit: kurz vor 5:30 Uhr. Streng abgeschirmt von der Öffentlichkeit startet hier ein geschichtsträchtiger Feldversuch. Unter dem Codenamen „Trinity“ zünden US-amerikanische Wissenschaftler und Militärs die erste Atombombe der Menschheitsgeschichte. Durch die Wirkung der Implosionsbombe schmilzt in der unmittelbaren Umgebung des Ground Zero der Wüstensand, umliegende Bauten lösen sich in Luft auf, der aufsteigende Feuerball formt einen Atompilz, der eine Höhe von 12.000 Metern erreicht – der Test ist erfolgreich verlaufen. Nur wenige Wochen später, am 9. August 1945, wird ohne Vorwarnung „Fat Man“, eine Plutoniumbombe des gleichen Typs, über der japanischen Stadt Nagasaki abgeworfen. Bei dieser Explosion und an deren Folgen sterben Zehntausende Menschen.

[] Feuersbrunst, die

Schadenfeuer von großem Ausmaß

Das Wort „Flamme“ gehört zu den faszinierenden Wörtern im deutschen Wortschatz: Im Singular kann das Wort für eine winzig kleine Streichholzflamme stehen, im Plural, besonders in Verbindung mit der Präposition „in“, für die verheerende Feuersbrunst: „in Flammen stehen/aufgehen“. Auch im realen Leben kann sich ein unbedeutendes Ereignis zur Katastrophe auswachsen: Heute vor 200 Jahren setzten unvorsichtige Arbeiter die Papstbasilika St. Paul vor den Mauern in Brand. Beim Versuch, das Dach zu teeren, zerstörten sie die letzte aus dem 4. Jh. stammende Großkirche Roms. Im Zuge einer Spendenkampagne konnte sie prächtig wiederaufgebaut werden. Doch die beeindruckende antike Ausstrahlung, die sich auf dem berühmten Stich Piranesis erahnen lässt, war dahin.

[] Karriereende, das

durch Aufgabe eines Amtes, die Entlassung aus einem Amt, das Erreichen der Leistungsgrenze o. Ä. stattfindendes Ende, Beenden der aktiven Laufbahn (vor allem als Politiker oder Sportler)

Rücktritte sind an der Spitze der Vereinigten Staaten von Amerika ein äußerst seltenes Phänomen. Bisherige Präsidentschaften endeten bereits acht Mal mit dem Tod (die Hälfte davon durch Mord), doch nur ein einziger Präsident musste bisher zurücktreten: Richard Nixon scheiterte im Sommer 1974 aufgrund der Watergate-Affäre. Sein Vizepräsident, der Republikaner Gerald Ford, beendete für ihn die Amtszeit und wurde damit zum 38. Präsidenten der USA. Interessanterweise war Fords politischer Karriere etwa ein Jahr zuvor schon ein anderer Rücktritt zupassgekommen: Nixons damaliger Vizepräsident Spiro Agnew hatte sein Amt aufgrund von Korruptionsvorwürfen niederlegen müssen. Heute wäre Gerald Ford 110 Jahre alt geworden.

[] Fußballspiel, das

meist auf einem Spielfeld im Freien betriebenes Ballspiel, bei dem zwei Mannschaften nach bestimmten Regeln versuchen, einen Ball mit dem Fuß, Bein oder Kopf in das jeweils gegnerische Tor zu schießen

Der Fußballsport ist seit 1908 eine olympische Disziplin. Die olympischen Turniere wurden dabei zunächst beherrscht von europäischen Mannschaften. In den zwanziger Jahren allerdings dominierten Mannschaften südamerikanischer Länder, in denen das Fußballspiel schon damals professionell organisiert war. Die Reaktion war eine gewisse Arroganz europäischer Mannschaften, die den olympischen Gedanken von geldgierigen Profis missachtet sahen. Diese Entwicklung voraussehend, beschäftigte sich Jules Rimet mit einer Alternative – einem von den Olympischen Spielen unabhängigen Weltturnier. Dieses konnte erstmals 1930 realisiert werden. Am 13. Juli dieses Jahres begann das erste dieser Turniere, die bis heute in vierjährigem Rhythmus ausgetragen werden. Der erste, erwartbare Sieger wurde die Mannschaft von Uruguay. Auf den verständlichen Wunsch des Schiedsrichters wurde es den Zuschauern des Finals gegen Argentinien untersagt, Revolver zu tragen.

[] auf den Hund kommen, Mehrwortausdruck

sich wirtschaftlich, gesellschaftlich, gesundheitlich, moralisch im Niedergang, Verfall befinden

„Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos“ – dieses berühmte Zitat ist sinnbildlich für die große Liebe, die Vicco von Bülow alias Loriot Hunden gegenüber empfand. Da verwundert es nicht, dass der Humorist Anfang der 1950er-Jahre seine Karriere als satirischer Zeichner in einer einschlägigen Comicserie im „Stern“ begann. Nach einem ersten Anlauf 1951 folgten 1953 weitere Comicstrips, in denen die Rollen von Mensch und Hund ironisch verkehrt waren – und eine solch heftige negative Reaktion seitens der Leserschaft, dass heute vor 70 Jahren die neunte Folge als tatsächlich letzte erschien. Loriots Karriere hat das frühe Ende dieser Serie mit dem Namen „Auf den Hund gekommen“ nicht geschadet. Übrigens, woher die Redensart kommt, ist unklar, wie die gleich fünf verschiedenen Erklärungsansätze zeigen.

[] Bevölkerungswachstum, das

Zunahme der Einwohnerzahl

Der Weltbevölkerungstag wird jährlich am 11. Juli begangen, um auf die Herausforderungen aufmerksam zu machen, die mit der stetig wachsenden Weltbevölkerung einhergehen. Dazu gehören vor allem eine höhere Nachfrage nach allen lebensnotwendigen Ressourcen und das damit verbundene Potential für soziale und politische Konflikte sowie Gefahren für Umwelt und Biodiversität. Seit November 2022 leben über acht Milliarden Menschen auf der Erde – etwa doppelt so viele wie vor 50 Jahren. Es wird vermutet, dass sich das Bevölkerungswachstum noch fortsetzen wird, wenn auch weniger stark als zuletzt. Um dieser Entwicklung begegnen zu können, braucht es weltweit mehr Bildung und nachhaltige Lösungen in allen Bereichen.

[] Trümmerfrau, die

Frau, die nach dem 2. Weltkrieg mithalf, die Trümmer zu beseitigen

Dass Deutschland in den Jahren nach 1945 „aus Ruinen auferstand“, wie es in der Nationalhymne der DDR hieß, haben wir vor allem den Frauen zu verdanken. Am 10. Juli 1946 verpflichtete der Alliierte Kontrollrat Frauen zwischen 15 und 50 Jahren zur Mithilfe bei der Trümmerbeseitigung. Viele Männer waren im Krieg gefallen, in Kriegsgefangenschaft oder „Invaliden“. Schaut man sich zeitgenössische Filmaufnahmen an, dann sieht man Frauen auf Schuttbergen stehen und Eimerketten bilden. Einige rauchen, andere schauen gelangweilt in die Kamera. Alle aber sind sich sicher nicht bewusst, dass ihr Typ als die „Trümmerfrau“ eines Tages ikonisch für die frühe Phase des Wiederaufbaus stehen würde. „Fort mit den Trümmern und was Neues hingebaut!“ dichtete Bertolt Brecht in einem „Aufbaulied“ von 1948 passend dazu.

[] Währung, die

von einem Staat auf seinem Territorium (oder von mehreren Staaten in einem größeren Währungsraum) offiziell eingeführtes und überall gültiges Geldsystem

Groschen, Gulden, Heller, Kreuzer, Taler – diese Münzbezeichnungen kennt man noch heute. Weniger bekannt sind der Konventionsgulden und der Bremer Goldtaler. Münzen mit diesen und noch weiteren Namen prägten wie ein Flickenteppich das Deutsche Reich zum Zeitpunkt seiner Gründung 1871. Der materielle Wert dieser Münzen, ihr Goldgehalt, war ganz verschieden, und zusammen behinderten sie die Entwicklung des Handels in dem neuen Staatsgebilde. Dem begegnete man schnell: Durch ein Gesetz wurde schon im Jahr 1871 der Goldgehalt der Münzen einer einheitlichen Währung, „Mark“ genannt, festgelegt. Heute vor 150 Jahren, am 9. Juli 1873, wurde dies durch ein Münzgesetz auf die bunte Vielfalt der Landeswährungen angewendet. Diese verschwanden dann aber erst zum 1. Januar 1876, als die Mark im gesamten Reichsgebiet eingeführt wurde. Man kann diesen Schritt als eine frühe Währungsunion ansehen. Und die Älteren unter uns werden sich noch an eine Währung dieses Namens erinnern.

[] General, der

Angehöriger der höchsten Dienstgradgruppe der Offiziere in Streitkräften oder auch polizeilichen oder paramilitärischen Organisationen

Adjektiv, Substantiv, zivile und militärische Gattungs- und Einzelbezeichnung – mit dem „General“ hat man es nicht leicht. Das lateinische Adjektiv „generālis“ bedeutete eigentlich nur „zur Gattung (genus) gehörig“. Im Kirchenlatein bezeichnete es als Beiwort dann eine allgemeine, höhergestellte Amtsperson (gegenüber „specialis“, der besonderen, untergeordneten Person) und verselbständigte sich schließlich im späten Mittelalter zur Bezeichnung eines Vorstehers (so gibt es heute noch die Generale der Franziskaner). Zugleich wurde es in Frankreich auch für militärische Ränge übernommen und benennt heute sowohl die ganze Klasse der höchsten Führungsoffiziere als auch in manchen Armeen, z. B. der Bundeswehr, den heute faktisch höchsten Rang des Vier-Sterne-Generals. Die Ursprungsbedeutung blieb in Zusammensetzungen wie „Generalabsolution“ erhalten.

[] Lügen haben kurze Beine, Mehrwortausdruck

sprichwörtlich: Unwahrheiten bleiben nicht lange unentdeckt

Am 7. Juli 1881 erschien in einer italienischen Kinderzeitschrift die erste Folge der sukzessive veröffentlichten Abenteuer von Pinocchio. Die von Carlo Collodi konzipierte Erzählung handelt von Pinocchio, einem hölzernen, zum Leben erweckten Marionettenjungen und seinen meist leichtsinnigen Eskapaden. Doch auch der pädagogische Anspruch kommt in dem Kinderbuch nicht zu kurz: Nur durch Ehrlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und Fleiß wird Pinocchio schließlich zu einem echten Jungen. Dass man ihm jede Lüge buchstäblich im Gesicht ablesen konnte – nach einer Begegnung mit einer Fee wuchs seine Nase bei jeder Lüge merklich – half dem moralischen Reifeprozess sicherlich auch.

[] Nationalpreis, der

Auszeichnung, die von einer Nation bzw. ihren Repräsentanten an Personen verliehen wird, die sich um die Nation verdient gemacht haben

Einen Kunstbegriff politischer, ja ideologischer Prägung vertrat der heute vor 125 Jahren geborene österreichische Komponist Hanns Eisler: Bereits im Alter von 18 Jahren verfasste er unter den Eindrücken seines Kriegseinsatzes erste Entwürfe für sein Chorwerk „Gegen den Krieg“. Mit der Arbeiterbewegung verband ihn zeitlebens eine enge Beziehung, die Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht ab 1930 prägte sein Schaffen. Als KPD-Mitglied 1933 ins Exil getrieben, erreichte er nach fünfjähriger Odyssee schließlich die USA. Dort entstanden unter anderem Filmmusiken für Hollywood. Nach seiner Ausweisung wegen „unamerikanischer Umtriebe“ kehrte Eisler 1947 nach Europa zurück. Für die Vertonung der Nationalhymne der DDR mit dem Nationalpreis ausgezeichnet, erhielt Eisler 1950 eine Professur für Komposition an der Hochschule für Musik, die seit 1964 seinen Namen trägt.

[] Absinth, der

aus Wermut, Anis, Fenchel und weiteren Kräutern hergestelltes, stark alkoholisches Getränk (das meist mit Wasser verdünnt genossen wird)

Der Genuss „geistiger Getränke“ ist, das sei vorausgeschickt, immer der geistigen und körperlichen Verfassung abträglich – je geistiger, umso gefährlicher. Dass das Verbot eines solchen Getränkes aber Verfassungsrang erhält, wie in der Schweiz geschehen, dürfte einmalig sein. Das Verbot von höchster Stelle geht auf eine Abstimmung zurück, bei der das Schweizer Volk sich heute vor 115 Jahren, am 5. Juli 1908, für ein ebensolches aussprach. Auslöser für die Initiative wiederum war eine blutrünstige Geschichte über einen Weinbergarbeiter, der angeblich unter dem Einfluss des Getränks seine Familie ermordete. Wie so oft bei solchen Geschichten weiß man eigentlich nichts Genaues über Ursache und Wirkung. Und so sind die Schweizer im Jahre 2005 auch wieder zur Unvernunft gekommen und haben das Verbot aufgehoben – bisher, so viel man weiß, ohne schwerwiegende Folgen für die Volksgesundheit in der Alpenrepublik.

[] jmdm. Rätsel aufgeben, Mehrwortausdruck

für jmdn. unerklärbar, nicht begreiflich sein; für jmdn. ein Problem, eine unlösbare Aufgabe darstellen

Was tun Sie an einem langweiligen Nachmittag: einen Spaziergang machen, einen Kuchen backen, ein Kreuzworträtsel lösen? Und wenn Ihnen stattdessen ein sprechendes weißes Kaninchen erschiene, würden Sie ihm in seinen Bau folgen? So tat es Alice, die Hauptfigur in Lewis Carrolls Kinderbuch „Alice im Wunderland“. Exzentrische Wesen, verzauberte Objekte und viel Unsinn – all den Rätseln und Skurrilitäten dieses Wunderlandes stellt sich das auf sich gestellte Mädchen kühn und klug. Falls Ihnen das nächste Mal langweilig sein sollte, lassen Sie sich doch von Alices Abenteuern inspirieren, die erstmals am 4. Juli 1865 in Großbritannien veröffentlicht wurden.

[] Erdmännchen, das

im südlichen Afrika beheimatetes kleines Säugetier aus der Familie der Mangusten mit braungrauem Fell, das in kleinen Kolonien in Erdbauten lebt

Fragen Sie uns nicht, warum es einen Welterdmännchtag gibt, die possierlichen Tiere können ihn heute jedenfalls feiern. Die Mini-Mangusten aus dem südlichen Afrika gehören zu den Stars in Zoos und Tier-Dokumentationen, was man gut verstehen kann angesichts ihres niedlichen Aussehens, des Wachestehens auf den Hinterfüßen und des liebevollen sozialen Umgangs der matriarchal organisierten Kolonien untereinander (wir drücken mal ein Auge zu bei der Tatsache, dass das dominierende Weibchen möglichem Nachwuchs der anderen nach dem Leben trachtet). Während sich im Deutschen der sprechende Name gegen das ältere französische „Surikate“ durchgesetzt hat, hat das Englische mit „meerkat“ ein Wort aus dem Afrikaans übernommen, das ohne Zusätze eigentlich die Meerkatze, eine Primatenart, bezeichnet.

[] UFO, das

(für ein außerirdisches Raumfahrzeug gehaltenes) unbekanntes und nicht identifiziertes Flugobjekt

Ein Flugkörper am Himmel – er leuchtet in verschiedenen Farben, schwebt, lässt technische Geräte in seiner Umgebung verrücktspielen, bewegt sich dann ungewöhnlich schnell, verschwindet gar und taucht plötzlich an anderer Stelle wieder auf. Über Sichtungen sogenannter UFOs („unidentified flying objects“) wird schon seit dem 19. Jahrhundert berichtet. Die Initialzündung für die fantastische Furore um fremdartige Fluggeräte lieferte jedoch der Sommer 1947, als eine Reihe solcher Beobachtungen von US-Bürgern in verschiedenen Bundesstaaten gemeldet wurden – unter anderem am am 2. Juli in der Kleinstadt Roswell in New Mexico. An diesem Tag wird nun jährlich der Welt-UFO-Tag begangen, um gemeinsam nach geheimnisvollen Luftraumphänomenen Ausschau zu halten und sie aufzuklären.

[] Armenisch, das

unter anderem in Armenien beheimatete indogermanische Sprache

hayr (հայր) ‚Vater‘, erkow (երկու, sprich etwa järkú) ‚zwei‘, merk (մերկ) ‚nackt‘ – diese drei (alt-)armenischen Wörter sehen so gar nicht aus wie ihre deutschen Entsprechungen. Und doch sind sie urverwandt, gehen auf dieselben urindogermanischen Wurzeln zurück. Das Armenische, schon vor Beginn der Überlieferung in der Spätantike im Kaukasus beheimatet, hat eben vorgeschichtlich starke lautgesetzliche Veränderungen erfahren. Zudem hat es so viele Lehnwörter aus iranischen Sprachen übernommen, dass die frühe Indogermanistik es daher für ebenso iranisch hielt. Erst der Orientalist Heinrich Hübschmann, heute vor 175 Jahren in Erfurt geboren, zeigte durch Konzentration auf den nicht entlehnten Kernwortschatz, dass Armenisch einen eigenen indogermanischen Zweig darstellt.

[] Blümchentapete, die

Tapete mit Blumenmuster

​​Na, was schmückt Ihre Wand zuhause? Raufaser, Baumwollputz oder doch die Fototapete? Falls Sie mal wieder über einen Tapetenwechsel nachgedacht haben, oder Spaß an kuriosen Museen haben, kommen Sie in Kassel ganz auf Ihre Kosten. Dort öffnete heute vor hundert Jahren das Deutsche Tapetenmuseum seine Tore. Gegründet auf Initiative des Tapetenfabrikanten Gustav Iven und seiner Kollegen, sollte das Museum die Tradition ihrer Branche dokumentieren und Tapeten als Kunst- und Kulturobjekte ausstellen. Die Sammlung ist bis heute auf etwa 23 000 Exponate aus fünf Jahrhunderten gewachsen: von der opulenten barocken Goldledertapete über die französischen Panoramatapeten des 19. Jahrhunderts bis hin zu den Blümchentapeten der 70er-Jahre ist für jeden Tapetenliebhaber etwas dabei.

[] Spiel mit dem Feuer, Mehrwortausdruck

riskantes, leichtsinniges Verhalten mit ungewissem Ausgang

Man ließ eine Kanonenkugel über den Boden des Raums oberhalb der Bühne rollen, warf ein aus Harz hergestelltes Pulver in die Flamme einer Kerze und schon war im Theater des vortechnischen Zeitalters die Illusion von Gewitter hergestellt. Ob Rauch, fliegende Schauspieler oder Blitz und Donner – bereits im elisabethanischen England wurden Spezialeffekte eingesetzt, um das Publikum zu beeindrucken. Dass das nicht ganz ungefährlich war, zeigte der 29. Juni 1613: Bei einer Aufführung von Shakespeares „Henry VIII“ im Londoner Globe Theatre wurde eine mit Schießpulver und Watte geladene Kanone abgefeuert, wobei das Dachstroh Feuer fing. Innerhalb einer Stunde brannte das hauptsächlich aus Holz gebaute Gebäude nieder. Verletzt wurde dabei erstaunlicherweise niemand. Die in Flammen stehende Hose eines Mannes konnte wohl noch rechtzeitig mit Ale gelöscht werden.

[] Eigeninitiative, die

Fähigkeit, aus eigenem Antrieb zu handeln bzw. in eigener Verantwortung selbst in die Wege geleitete Aktivität

„Die brandenburgische Sonne (…) war hinter dicken Wolken verborgen, die Massen um Massen Wasser herabschütteten. Nebel zog über das Moor.“ So malerisch beginnt Herbert Rosendorfer seine Beschreibung der schicksalhaften Schlacht von Fehrbellin am 28. Juni 1675 (greg.). Als sich die Nebel schließlich verzogen, hatte Brandenburg über die als unbesiegbar geltenden Schweden triumphiert. Doch der Tag markiert mehr als nur einen Wendepunkt europäischer Geschichte; er steht auch für ein Dilemma: Was steht höher, herrschaftliche Befehlsgewalt oder wohlbegründete Eigeninitiative? Ein gewisser Prinz von Homburg hatte durch sein eigenmächtiges Vorpreschen zum Ausgang der Schlacht beigetragen und damit keinen Geringeren als Heinrich von Kleist zu seinem gleichnamigen Drama inspiriert.

[] Zugriff, der

das Dingfestmachen eines Verdächtigen im Rahmen der Strafverfolgung

Für Aufsehen sorgte vor 30 Jahren der GSG-9-Einsatz zur Festnahme zweier RAF-Mitglieder. Beim Treffen mit einem V-Mann werden Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld am 27.6.1993 im Bahnhof von Bad Kleinen Ziel eines Zugriffs. Hogefeld wird von mehreren Beamten in der Bahnunterführung verhaftet, Grams flieht auf den Bahnsteig und zückt seine Pistole. Der Polizist Michael Newrzella wird beim nun folgenden Schusswechsel tödlich verletzt. Danach stürzt Grams ins Gleis, den Kopfschuss aus der eigenen Waffe fügt er sich nach Einschätzung mehrerer Gutachten aller Wahrscheinlichkeit nach selbst zu. Wiewohl der Abschlussbericht der Bundesregierung eine Fremdtötung kategorisch ausschließt, konnte die Auslegung, dass der Verletzte sich nicht selbst getötet habe, auch aufgrund einer unzulänglichen Spurensicherung nicht restlos ausgeräumt werden.

[] Nachleben, das

in der Erinnerung der Lebenden haftende Nachwirkung eines Menschen, der gestorben ist oder einer Sache, Idee, die vergangen, nicht mehr wirkmächtig ist

1483 erklimmt, o Schurke, der Duke von Gloucester den englischen Thron. Shakespeares Drama über einen, der „gewillt, ein Bösewicht zu werden / Und feind den eitlen Freuden dieser Tage“, prägt seit Generationen das Bild des ruchlosen letzten Königs aus dem Hause York, besser bekannt als Richard III. Dessen Regentschaft währte nur gut zwei Jahre; 1485 fiel er in der Schlacht von Bosworth. 2012 wurden seine sterblichen Überreste entdeckt und wissenschaftlich analysiert; dabei stellte sich heraus, dass selbst die Statur des Herrschers nicht der populären Vorstellung von dem Buckligen entsprach. Doch wohl noch lange wird uns sein verzerrtes Konterfei einflüstern: „Ich tu das Bös’ und schreie selbst zuerst. / Das Unheil, das ich heimlich angestiftet, / Leg ich den andern dann zur schweren Last.“

[] Fünfprozenthürde, die

Klausel im Wahlrecht, die bestimmt, dass Parteien mit weniger als 5 Prozent der abgegebenen Stimmen keinen Sitz im Parlament erhalten

Heute vor 70 Jahren beschloss der Bundestag eine Änderung zum Wahlgesetz, wonach die sog. Fünfprozentklausel, umgangssprachlich besser bekannt als Fünfprozenthürde, einheitlich auf Bundesebene und nicht mehr wie bei der ersten Bundestagswahl 1949 getrennt nach Ländern gezählt wird. Doch was verbirgt sich genau dahinter? Manche wissen es sicher noch aus dem Gemeinschaftskunde-Unterricht: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der BRD für Wahlen diese Sperrklausel eingeführt, so dass es nicht mehr wie in der Weimarer Republik reichte, genug Stimmen für ein Mandat zu erhalten, sondern es mussten gleich mehrere direkte oder anteilige Mandate erlangt werden. Das wirkt einer Zersplitterung des Parlaments in Fraktionen mit Partikularinteressen entgegen und hat sich im Großen und Ganzen bewährt.

[] Berliner, der

Person, die in Berlin geboren und aufgewachsen ist; Person, die in Berlin wohnt

Am Morgen des 24. Juni 1948 müssen die Einwohner der Westsektoren Berlins feststellen, dass ihnen der Strom abgedreht wurde. Mehr noch: Das als Enklave in der sowjetischen Besatzungszone eingeschlossene Westberlin war abgeriegelt. Als Reaktion auf die Währungsreform der westlichen Besatzungsmächte in der Trizone, die die UdSSR als Provokation empfand, hatten die sowjetischen Besatzer die Energieversorgung der von den USA, Großbritannien und Frankreich besetzten Teile Berlins eingestellt sowie Zufahrtswege in die bzw. aus den Westzonen gesperrt. Diese Blockade, die fast ein Jahr lang andauern sollte, gilt als erster Höhepunkt des Kalten Kriegs. Dank der Bemühungen der Westalliierten und der Standhaftigkeit der Westberliner Bevölkerung, die sich lieber in Verzicht übte, als von propagandistischen Angeboten der sowjetischen Militäradministration Gebrauch zu machen, blieb dieser Einschüchterungsversuch jedoch erfolglos.

[] steiniger Weg, Mehrwortausdruck

schwieriger, durch zahlreiche Hindernisse oder Rückschläge geprägter Weg zu einem bestimmten Ziel; ein Vorhaben, Projekt o. Ä., dessen Realisierung viel Mühe, Anstrengung und Opferbereitschaft erfordert

Wilma Rudolph musste bis zu ihrem Erfolg als Leichtathletin einen steinigen Weg beschreiten. Am 23. Juni 1940 kam sie als zwanzigstes von zweiundzwanzig Kindern auf die Welt. Eine Polio-Erkrankung im Kindesalter ließ ihr linkes Bein gelähmt zurück. Doch sie kämpfte gegen alle Widrigkeiten an – auch gegen die, mit denen sie sich als Afroamerikanerin im Amerika ihrer Zeit konfrontiert sah –, konnte mit 12 wieder gehen und begann kurz darauf mit dem Lauftraining. 1956, mit 16 Jahren, gewann sie Bronze bei den Olympischen Spielen. 1960 brach sie in Rom den Weltrekord in der 4-mal-100-Meter-Staffel und gewann dreifaches Gold. Zufrieden mit dem, was sie erreicht hatte, beendete sie ihre Sportkarriere zwei Jahre später und engagierte sich fortan für soziale Projekte und die Rechte schwarzer Menschen.

[] Texterin, die

weibliche Person, die einen Text verfasst (hat)

„Girls just want to have fun”, rief Cyndi Lauper 1983 in die Welt hinaus. Was viele vermutlich nicht wissen: Der Song stammt ursprünglich aus der Feder eines Mannes. Lauper war zunächst skeptisch, da sie die Zeilen so gar nicht als „fun“, sondern eher als misogyn empfand. Also schrieb sie Teile des Textes von Robert Hazard aus weiblicher Perspektive um, sang das Lied mit ihrer unverwechselbaren Stimme ein und schuf damit eine feministische Hymne, die lautstark kundtut, dass junge Frauen in der Lage sein wollen, dieselben Erfahrungen zu machen wie Männer. Mit zahlreichen weiteren Hits wie „True Colors“ oder „Time After Time“ sowie ihrem verspielten und zugleich punkigen Erscheinungsbild avancierte Cyndi Lauper zur unangepassten Popikone der 80er Jahre. Heute feiert die Sängerin, Songschreiberin, Schauspielerin und Aktivistin mit den ständig wechselnden Haarfarben ihren 70. Geburtstag.

[] Morpheus' Arme, Mehrwortausdruck

ruhiger, erholsamer Schlaf

Ausreichender und gesunder Schlaf ist unverzichtbar für unsere Leistungsfähigkeit, unser Wohlbefinden, unsere Gesundheit. Ein großer Teil der Bevölkerung leidet jedoch an Schlafstörungen oder Schlaferkrankungen. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) sieht ihre Aufgabe darin, auf die Wichtigkeit von erholsamem Schlaf aufmerksam zu machen und wissenschaftlich fundiert über dieses Thema zu informieren. Dazu findet jährlich am 21. Juni der Aktionstag „Erholsamer Schlaf“ statt. Unter dem diesjährigen Motto „Einfach schlafen!“ möchte die DGSM unter anderem mit Erkenntnissen aus der Schlafforschung über populäre Irrtümer und die (nicht belegte) Wirksamkeit angepriesener Gadgets und Wundermittel aufklären.

[] Hirsebrei, der

Brei aus in Milch oder Wasser gekochter Hirse

Schützenfeste sind dafür bekannt, verrückte Ideen hervorzubringen. So auch bei einem gemeinsamen Fest der befreundeten Städte Straßburg und Zürich. Um den Elsässern zu beweisen, dass sie im Ernstfall sofort zur Hilfe eilen könnten, kündigten die Eidgenossen an, die Strecke von Zürich nach Straßburg innerhalb von nur 24 Stunden auf dem Flussweg zurücklegen zu wollen – so schnell, dass ein in Zürich gekochter Hirsebrei noch warm in Straßburg ankäme. Gesagt, getan: Die erste Hirsebreifahrt fand 1456 statt. Zu einer besser dokumentierten Wiederholung der historischen Wette kam es am 20.06.1576. Auch heute finden noch regelmäßig Hirsebreifahrten statt, jedoch dauern sie aufgrund der vielen Schleusen und Wehre mittlerweile zweieinhalb Tage. Der Hirsebrei wird daher erst in Kehl an Bord gebracht.

[] Rechenmaschine, die

meist historisch: Maschine zur automatisierten Ausführung arithmetischer Operationen (z. B. Addition, Subtraktion)

Heute jährt sich der Geburtstag des französischen Universalgelehrten Blaise Pascal zum 400. Mal. Sein Interessens- und Wirkungsfeld erstreckte sich von naturwissenschaftlichen Phänomenen bis hin zu philosophischen und theologischen Fragestellungen. Eine seiner bedeutendsten Erfindungen war eine mechanische Rechenmaschine, die seinem Vater, einem Steuereinnehmer, die lästige Kopfrechenarbeit abnehmen sollte: Die „Pascaline“ beherrschte Addition und später auch Subtraktion mit bis zu sechsstelligen Zahlen. Die einzelnen Ziffern konnten mittels eines Speichenrads wie bei einer Telefonwählscheibe eingestellt werden. Ein filigraner Zahnrad- und Hebelmechanismus ließ das Ergebnis dann in einem Anzeigefenster erscheinen.

[] Autismus, der

Entwicklungsabweichung, die sich vor allem in Schwierigkeiten im sozialen Umgang, in der Kommunikation und in wiederkehrenden, stereotypen Verhaltensweisen äußert

Moment, ein Aktionstag für die Akzeptanz von Menschen mit Autismus, war der nicht neulich? Richtig, das war der Welt-Autismus-Tag der Vereinten Nationen, der seit 2007 am 2. April begangen wird. Heute hingegen ist der „Autistic Pride Day“, der sich nicht nur in Name und Flagge an die „Gay Pride“-Bewegung für Homosexuellenrechte anlehnt, sondern auch in der Kernforderung, Autismus als natürliche Andersartigkeit statt als zu heilende Krankheit anzusehen. Da das Autismus-Spektrum sehr verschiedene Ausprägungen hat, findet sich aber auch Kritik an der zu großen Pauschalität dieser Ablehnung jeglicher Behandlung. Zum Glück sind sich aber in der Buntheit der Positionen alle einig: Menschen mit Autismus verdienen Anerkennung ihrer Besonderheit und Respekt.

[] Kunstfreiheit, die

das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht auf Freiheit der Kunst, insbesondere auf die Freiheit der künstlerischen Arbeit und die Freiheit, den Inhalt eines Kunstwerks einem Publikum zugänglich zu machen

Aufruf zu Revolution und Blutvergießen? Die Worte des Gedichts „Die Todten an die Lebenden“ schienen unmissverständlich: „Sie [die rote Fahne] fliegt voran der Bürgerwehr, sie fliegt voran dem Heere / Die Throne gehen in Flammen auf, die Fürsten fliehn zum Meere!“ Der Dichter Ferdinand Freiligrath (geb. 17. Juni 1810), der sich seine Verbitterung über die gescheiterte Revolution von 1848 von der Seele geschrieben hatte, stand im selben Jahr in Düsseldorf vor Gericht. Doch er hatte kluge Verteidiger – und noch klügere Zeugen. Auf die Frage des Richters, ob das Gedicht beim Zeugen nicht den Wunsch geweckt habe, zur Gewalt zu schreiten? „Oh, es hat mir sehr gefallen. Es hat den Eindruck auf mich gemacht, den ein schönes Gedicht immer macht … es hat mich nur aufgemuntert, ihm meinen Beifall zu zollen.“ Freiligrath wurde freigesprochen.

[] Rollator, der

von gehbehinderten, häufig älteren Personen benutzte Gehhilfe, die mit vier Rollen, einer Sitzfläche und einem Einkaufskorb ausgestattet ist

Am 16. Juni 1983 verstarb die Schwedin Aina Wifalk, die mit ihrer Erfindung des Rollators Millionen Menschen auf der ganzen Welt neue Bewegungsfreiheit geschenkt hat. Während der Ausbildung zur Krankenschwester erkrankte Wifalk an Polio und war fortan auf Gehhilfen angewiesen. Die permanente Belastung ihrer Schultern durch Krücken setzte ihr schwer zu, daher ließ sie sich von einem Bücherwagen, wie er in Bibliotheken verwendet wird, inspirieren und entwickelte kurzerhand den Vorläufer des modernen Rollators. Ihr innovatives Design mit vier Rädern, Handbremsen und einer Sitzfläche zum Ausruhen revolutionierte die Mobilität von Menschen jeden Alters. Um ihre Erfindung möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen, verzichtete sie auf eine Anmeldung zum Patent.

[] frischer Wind, Mehrwortausdruck

neuer Antrieb, Elan; unkonventionelle, moderne Ideen; Innovationen, positive Veränderungen

Bei der Erzeugung von Windkraft liegt Deutschland im internationalen Vergleich auf Platz 3 – mit etwa 30.000 Windkraftanlagen und einer installierten Gesamtleistung von über 60.000 Megawatt. Die meisten Windkraftanlagen befinden sich in Norddeutschland, insbesondere in den Küstenregionen. Und es sollen bis 2030 noch wesentlich mehr gebaut werden; die Ziele der Bundesregierung sind ambitioniert. Nach aktuellem Stand werden sie jedoch weit verfehlt, etwa durch begrenzte Flächen und Transportschwierigkeiten. Vor allem eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren könnte frischen Wind in den Ausbau der Windenergie bringen.

[] Alzheimerkrankheit, die

hirnorganische Demenzerkrankung, die mit Störungen bis zum fast vollständigen Verlust des Gedächtnisses und der Orientierung sowie starker Persönlichkeitsveränderung einhergeht

Mit ihm hielt etwas Menschlichkeit Einzug in die Psychiatrie. In einer Zeit, in der psychisch Kranke und geistig Behinderte verschämt weggesperrt, angebunden und mit zweifelhaften Methoden mehr gequält als therapiert wurden, vermied er Zwang, setzte auf Gespräche und Spaziergänge. Bekannt wurde der Psychiater Alois Alzheimer allerdings durch die nach ihm benannte demenzielle Erkrankung. Er hatte als erster die von Eiweißablagerungen und massenhaftem Absterben von Nervenzellen begleiteten krankhaften Veränderungen im Gehirn beschrieben. Geboren wurde er am 14. Juni 1864.

[] Badewasser, das

Wasser, in dem man baden oder schwimmen kann; Wasser, in dem man gebadet hat

„Natürlich muss man auf dem Rücken liegen / So wie gewöhnlich. Und sich treiben lassen. / Man muss nicht schwimmen, nein, nur so tun, als / Gehöre man einfach zu Schottermassen.“ Wer an heißen Junitagen nichts mit sich anzufangen weiß, könnte sich inspirieren lassen von Bertolt Brechts Zeilen. Mit einer Erfrischung im Freien hat der Internationale Badetag, der jährlich am 14. Juni stattfindet, aber wenig zu tun. Vielmehr soll vor über 2000 Jahren eine Woche vor Sommerbeginn Archimedes von Syrakus nach einem Wannenbad laut „Heureka!“ gerufen haben. Grund war die Erlangung der heute als Archimedisches Prinzip bekannten Erkenntnisse über den Auftrieb von Körpern in Flüssigkeiten und Gasen. Diese lassen sich jedoch auch in Badewassern unter freiem Himmel austesten.

[] Ku-Klux-Klan, der

rassistischer und rechtsextremer, besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aktiver Geheimbund in den USA, der mit teilweise terroristischen Mitteln vor allem gegen die Gleichberechtigung der Afroamerikaner kämpft

Der bittere Sarkasmus des Witzes, in dem angesichts eines von Kugeln durchsiebten Schwarzen ein Südstaaten-Sheriff den Kollegen fragt, ob er schon mal so einen schlimmen Selbstmord gesehen habe, kommt nicht von ungefähr: Im US-Süden waren auch noch in den 1960er-Jahren institutionalisierter Rassismus und gewalttätige Behinderung von Bürgerrechtlern gang und gäbe. Vor den Morden an Malcolm X und Martin Luther King traf es heute vor 60 Jahren Medgar Evers, der sich in der National Association for the Advancement of Colored People engagiert hatte. Er wurde hinterrücks vor seinem Haus von einem Ku-Klux-Klan-Mitglied erschossen. Der Schütze wurde bald festgenommen, doch eine nur von weißen Männern besetzte Jury verhinderte zweimal eine Prozessaufnahme. Erst 1994 gelang es, den Mörder zu verurteilen.

[] Paläontologe, der

Forscher der Paläontologie, der die Entwicklung des Lebens vergangener Erdzeitalter untersucht

„Welcome to Jurassic Park“ spricht der exzentrische Milliardär, und ebenso wie den beiden Paläontologen auf der Leinwand klappten auch den Zuschauern im Kinosaal die Kinnladen nach unten, als Steven Spielbergs Film „Jurassic Park“ heute vor 30 Jahren Premiere in den USA feierte. Setzte die Verfilmung eines Romans von Michael Crichton um in der Jetztzeit durch Klonen wiedererstandene Dinosaurier doch neue Maßstäbe in der Tricktechnik: Die (für stolze 18 Millionen Dollar) am Computer erzeugten Dinosaurier (übrigens nicht nur aus dem Jura, sondern vor allem auch aus der Kreidezeit) wirkten beeindruckend echt. Der bei Publikum und Kritikern beliebte Film hielt bis zum Erscheinen von „Titanic“ den Rekord des höchsten Kino-Einspielergebnisses und wurde bisher fünfmal fortgesetzt.

[] Meistertitel, der

Sport: durch herausragende Leistungen erworbene Position als bester Teilnehmer in einem sportlichen Wettkampf oder Turnier, als Erster einer Liga

Es war eine Sternstunde für die Fußballabteilung des Hamburger Sport-Vereins: Am 10. Juni 1923 holten sich die „Rothosen“ zum ersten Mal den deutschen Meistertitel. Damals und bis 1933 wurde die Meisterschaft noch im K.-o.-System ausgefochten, im Finale standen sich die Hamburger und die Spieler von Union Oberschöneweide im Deutschen Stadion in Berlin gegenüber. Rund 64.000 Fans (fast doppelt so viele wie offiziell im Stadion zugelassen waren) erlebten den 3:0-Sieg des HSV. Für den Verein folgten seither noch fünf weitere Meistertitel. Der nächste liegt heute – 100 Jahre später – wohl noch in unbestimmter Ferne; kürzlich musste sich die Mannschaft im Kampf um den Wiederaufstieg in die erste Bundesliga dem VfB Stuttgart geschlagen geben.

[] Pazifistin, die

weibliche Person, die jegliche Form der bewaffneten Auseinandersetzung und kriegerischen Handlung aus ethischen Gründen ablehnt

Vorhersehbar war ihr Lebensweg nicht: Denn das Militärische hat die heute vor 180 Jahren als Gräfin Kinsky geborene Bertha von Suttner von Anfang an begleitet. Aus ihrer Familie gingen mehrere Generäle hervor; sie selbst erlebte als freie Berichterstatterin den Russisch-Türkischen Krieg von 1877 mit. Erst in intensiven Gesprächen mit Alfred Nobel, dem Erfinder des Dynamit, wurde ihr die mörderische Zerstörungskraft moderner Kriege bewusst und der Pazifismus, die Gründung einer internationalen Friedensbewegung zur Lebensaufgabe. Auch wenn diese am blutigen Verlauf des 20. Jahrhunderts wenig ändern konnte. Der Friede zwischen Völkern bleibt ein Vermächtnis, das seinen sichtbaren Ausdruck im jährlich verliehenen Friedensnobelpreis findet, dessen Stiftung Bertha von Suttner angeregt hat.

[] Mystikerin, die

weibliche Person, die mystische, auf einer Offenbarung beruhende oder durch Offenbarung gewonnene Ideen, Lehren o. Ä. vertritt bzw. verbreitet

Juliana von Lüttich, eine fromme Ordensfrau, hat bereits in jungen Jahren eine wiederkehrende Vision. Darin sieht sie den Mond in vollem Glanz – abgesehen von einem Stück, das der Mondscheibe fehlt. Zunächst weiß sie dies nicht zu deuten, bis ihr eines Tages Jesus selbst erscheint, um das Rätsel zu entschlüsseln: Der Mond stehe für die Kirche, das fehlende Stück für das Fehlen eines Fests im Kirchenjahr. Als der Bischof von Lüttich von dieser Vision erfährt, ordnet er für seine Diözese ein Fest zu Ehren der Einsetzung der Eucharistie an. So kam es, dass 1247 das erste Fronleichnamsfest in Lüttich begangen wurde. Im Jahr 1264 erklärte Papst Urban IV. es schließlich – inspiriert vom Blutwunder von Bolsena – zu einem Fest der gesamten Kirche, dem „Hochfest des allerheiligsten Leibes und Blutes Christi“. Noch heute ist Fronleichnam (wörtlich: ‚Leib des Herrn‘) in katholisch geprägten Gegenden ein Feiertag.

[] Coversong, der

Lied, das als Coverversion, als neuere Aufnahme eines älteren Musiktitels aufgenommen oder vorgetragen wird

Als das Label „Decca Records“ am 7.6.1963 die Single einer fünfköpfigen Newcomerband veröffentlicht, lässt die Auswahl der beiden Songs vermuten, dass das Plattenstudio auf eine einträgliche Verwertung aus ist und daher auf Nummer sicher geht: Sowohl der Titelsong „Come On“ als auch die B-Seite „I Want to Be Loved“ stammen von etablierten Musikgrößen, dem Rock ’n’ Roller Chuck Berry und dem Bluesmusiker Willie Dixon. Ungeachtet des Erfolgs der Scheibe (erreicht Platz 21 und hält sich 14 Wochen in den UK-Top-100-Charts) ahnt noch niemand, dass für eine der langlebigsten Formationen der Rockgeschichte mit dieser Veröffentlichung der Stein ins Rollen kommt: Die „Rolling Stones“ betreten die Weltbühne.

[] Nationalfeiertag, der

gewöhnlich durch besondere historische Ereignisse begründetes Datum, an dem ein Staat sich bzw. sein Staatsvolk feiert, gewöhnlich durch Ruhen der Arbeit, Veranstaltungen, Paraden o. Ä.

Mit seinen vierzig Jahren ist der schwedische Nationalfeiertag, der am 6. Juni begangen wird, noch recht jung. Zuvor als „Tag der schwedischen Flagge“ bekannt, hatte das Datum in Schwedens Geschichte schon verschiedentlich eine Rolle gespielt. So fand am 6. Juni 1523 die Krönung König Gustav Wasas statt, mit dessen Regentschaft auch die Unabhängigkeit Schwedens von Dänemark erreicht wurde. Der Tag erinnert zudem an die schwedische Verfassungsreform im Jahre 1809, die die Grundlage für den schwedischen Staat legte, wie wir ihn heute kennen. Erst seit 2005 ist der 6. Juni auch ein arbeitsfreier Tag – übrigens vor allem auch zu dem Zweck, dass ins Land Eingewanderte feierlich in ihrer neuen Heimat begrüßt werden.

[] Wirtschaftsschule, die

prägende Richtung der Wirtschaftswissenschaften

Hätten die Regierungen der Welt auf ihn gehört, womöglich wäre das 20. Jahrhundert in weiten Teilen anders verlaufen – weniger verheerend für die Volkswirtschaften und wohl auch weniger blutig. Der Mathematiker John Maynard Keynes, geboren am 5. Juni 1883 als Spross einer britischen Akademikerfamilie, war schon früh ein strikter Gegner der neoklassischen Wirtschaftstheorie, die niedrige Löhne, Geldverknappung und strenge Haushaltsdisziplin als Grundlage für eine prosperierende Volkswirtschaft propagierte, tatsächlich aber dafür verantwortlich war, dass die Börsenkrise von 1929 in der Weltwirtschaftskrise mündete – mit den bekannten Folgen. Und heute? Ob Banken- oder Coronakrise: Das keynesianische Prinzip, dass in Krisenzeiten der Staat die Wirtschaft mit Geldmitteln stützen muss, ist breiter Konsens.

[] Misanthrop, der

jmd., der Menschen verachtet, die Menschheit hasst und häufig den Umgang mit anderen Personen meidet

Die Verpflichtung zu Wahrheit und Wahrhaftigkeit – das ist eine Sache für die Wissenschaft und sollte in diesem Geschäft ernst genommen werden. Höflichkeit im eigentlichen Sinne – „devoirs de la politesse“, Umgangsform der höfischen Gesellschaft – erlaubt die Halbwahrheit, gelegentlich auch die Notlüge, die Schmeichelei („War mein Vortrag gut?“ – „Geradezu brillant.“), ja, diese sind sozusagen ein Schmiermittel im Getriebe der Gesellschaft. Stellt man den Willen zur Wahrhaftigkeit absolut und über die höflichen Umgangsformen, dann landet man schnell in der Einsamkeit am Rande der Gesellschaft, so wie Alceste, der Held von Molières Bühnenstück „Der Menschenfeind“. Das Stück wurde am 4. Juni 1666 im Palais Royal in Paris uraufgeführt.

[] jmdm. an die Nieren gehen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: ⟨etw. geht jmdm. an die Nieren⟩ jmdn. (sehr) belasten, erschüttern; jmdn. aus der Ruhe bringen, aufregen

Gesundheitliche Nöte – seien es eigene oder die geliebter Bezugspersonen – können erschüttern, sprichwörtlich an die Nieren gehen. In Deutschland warten derzeit etwa 8500 Menschen auf ein Spenderorgan, die meisten davon auf eine Niere. Jedoch werden aus verschiedenen (vor allem rechtlichen) Gründen hierzulande nur unter 1000 Organe pro Jahr gespendet. Zur Erleichterung der bürokratischen Abläufe sollte bereits im Frühjahr 2023 ein zentrales Online-Register an den Start gehen und den Organspendeausweis ersetzen. Es befindet sich noch immer im Aufbau. Zudem ist derzeit ein erneuter Versuch zur Einführung der sogenannten Widerspruchslösung geplant, bei der standardmäßig von einer Bereitschaft zur Organspende ausgegangen wird, solange kein Widerspruch vorliegt. In Spanien wird diese Regelung bereits erfolgreich praktiziert.

[] Akademie, die

Vereinigung, Gesellschaft (von Gelehrten) zur Förderung der Forschung und Vertiefung wissenschaftlicher oder künstlerischer Studien

In der von schmerzhaften Nachwehen des europäischen Kolonialismus gezeichneten Geschichte Afrikas in der 2. Hälfte des 20. Jhs. steht der Senegal mit seinem ersten Präsidenten Léopold Sédar Senghor als Ausnahme da. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatte sich der Senegalese, damals noch Bürger des französischen Kolonialreichs, einen Namen als Dichter gemacht, nach 1945 engagierte er sich in der Politik in Frankreich bzw. Westafrika und erlangte international hohes Ansehen, auch wenn seine politischen und literarischen Leistungen mitunter als zu sehr auf Europa und zu wenig auf Afrika bezogen kritisiert werden. Heute vor 40 Jahren wurde Senghor eine besondere Auszeichnung zuteil: Als erster Afrikaner wurde er in die altehrwürdige Académie Française aufgenommen.

[] Milch, die

von Kühen (auch Ziegen, Schafen und anderen weiblichen Tieren) durch Melken gewonnenes und vielseitig verwendetes Nahrungsmittel, das auch zu Milchprodukten wie Butter, Käse oder Joghurt weiterverarbeitet wird

„Got milk?“ – der einprägsame Slogan in Verbindung mit einer Person mit „Milchbart“ gehört zu den bekannteren Werbekampagnen. Auch über die USA – das Ursprungsland der Kampagne – hinaus wird seit 2001 zumeist am 1. Juni der „Weltmilchtag“ begangen, mit dem UN-Ernährungsorganisation und Milchwirtschaft den Konsum tierischer Milch(produkte) fördern wollen. Dieser Verbrauch wird aber auch aus ethischen, umweltschutztechnischen und gesundheitlichen Gründen kritisch gesehen, und seit Jahren nimmt der Konsum von Soja-, Hafer- und anderer Pflanzenmilch (auch wenn sie hierzulande nicht so heißen darf) stetig zu. Der großen Mehrheit der erwachsenen Weltbevölkerung kann es ohnehin egal sein, denn die verträgt zumindest keine Kuhmilch.

[] Dichtung und Wahrheit, Mehrwortausdruck

Ausgedachtes, Fiktion und Tatsächliches, Faktisches

Heinrich Schliemann war eine erstaunlich facettenreiche Persönlichkeit: Einerseits Träumer, Heldenerzähler in eigener Sache, aber eben auch erfolgreicher Geschäftsmann und innovativer Archäologe. Doch als bei den Troja-Grabungen am 31. Mai 1873 auf dem Hisarlık Tepe Gold entdeckt wurde, brannte wohl der Phantast mit ihm durch. Gemeinsam mit seiner Frau Sophia will er den Depotfund unter dramatischen Umständen gefunden haben: „In größter Eile schnitt ich den Schatz mit einem großen Messer heraus, was nicht ohne die allergrößte Kraftanstrengung und die furchtbarste Lebensgefahr möglich war.“ Dass seine Frau an dem Tag gar nicht vor Ort war, der vermeintliche „Schatz des Priamos“ (wie er sehr wohl wusste) einer viel früheren Epoche entstammte – was machte das schon, wenn es galt eine knackige Anekdote zum Besten zu geben.

[] aus dem Stegreif, Mehrwortausdruck

ohne jegliche Vorbereitung; spontan und improvisiert

Wenn man improvisiert, muss man die Gelegenheit da ergreifen, wo man gerade steht. So etwa denken viele, wenn sie die Wendung „aus dem Stehgreif“ hören oder aussprechen. Doch tatsächlich ist diese stimmig klingende Herleitung – ebenso wie die (häufige) Schreibung mit -h- – schlicht falsch. Es ist der Steg-Reif, der „Steig-Ring“, der hier Pate stand: Denn wer könnte wohl mit mehr Spontaneität reagieren als ein Reiter, der mit den Füßen noch fest im Steigbügel (wie wir heute sagen) steht. Während die wörtliche Ursprungsbedeutung verschwunden ist, hat sich die übertragene Bedeutung inzwischen selbständig gemacht.

[] Versöhnung, die

friedvolle Beilegung von Streitigkeiten oder Zerwürfnissen; entgegenkommende Verständigung mit Gegnern oder Feinden

Der 29. Mai 1993 zählt unzweifelhaft zu den dunkelsten Tagen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. In Solingen verüben vier junge Neonazis in jener Nacht einen Brandanschlag auf das Wohnhaus einer türkischstämmigen Familie. Fünf Menschen kommen dabei ums Leben: Gürsün İnce, Hatice Genç, Gülüstan Öztürk, Hülya Genç und Saime Genç. Viele weitere werden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Trotz des unsäglichen Leids, das der Familie zugefügt wurde, setzen sich Angehörige der Opfer bis heute für ein friedliches Miteinander ein und rufen zur Versöhnung auf. Der im letzten Jahr verstorbenen Mevlüde Genç, welche vor 30 Jahren zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verlor, wurde für ihr zivilgesellschaftliches Engagement das Bundesverdienstkreuz verliehen.

[] Softwarepaket, das

mehrere aufeinander abgestimmte (sich in ihren Funktionalitäten ergänzende) Anwendungsprogramme, die als Einheit vertrieben werden

Es hätte eine Erfolgsstory werden können, es wurde eine Provinzposse: Heute vor 20 Jahren beschloss die Stadt München, ihre EDV bevorzugt auf freie bzw. quelloffene Software umzustellen. Schrittweise erfolgte ab 2006 der Übergang auf ein Softwarepaket aus Linux, Open/LibreOffice und eigenen Erweiterungen. Gründe für die Umstellung waren neben der Einsparung von Lizenzkosten für Windows-Software und durch den Weiterbetrieb alter Hardware besonders die langfristige Datensicherheit und Unabhängigkeit. 2013 war das Projekt ohne größere Probleme abgeschlossen. Die kleineren Probleme wurden aber 2014 Thema im Oberbürgermeister-Wahlkampf, und die neue Regierung beschloss schließlich 2017 die Rückkehr zu Windows. Als diese 2020 abgeschlossen war, gab es wieder eine neue Regierung – und einen Beschluss pro Open Source. Es bleibt spannend …

[] Außenpolitik, die

Prinzipien und politisches Handeln eines Staates in Bezug auf die Beziehungen mit anderen Staaten und die Wahrung der Rechte des Staates oder seiner Bürger im Ausland

Im Jahr seiner Geburt wurde Stresemann Reichskanzler der Weimarer Republik, jetzt im hohen Alter beschäftigt er sich mit der Auswirkung künstlicher Intelligenz auf die Politik. Mit seinen nun 100 Jahren hat Henry Kissinger Weltgeschichte als Zeitzeuge miterlebt und als Chefdiplomat oder Präsidentenberater vielfach mitgeprägt, sei es über die Aufnahme direkter Gespräche mit der Volksrepublik China oder die Beendigung des Vietnamkrieges (nicht ohne vorher militärisch zu eskalieren). Den einen gilt er als skrupelloser Machtpolitiker, gar als Kriegsverbrecher, den anderen als genialer Realpolitiker, der die Beziehungen der Großmächte auf eine rationale Basis stellte. Mit seinen Feinden und Bewunderern teilt er das Bewusstsein für die Bedeutung der Diplomatie, wo es gilt Kriege zu beenden oder gar zu verhindern.

[] Klapprad, das

umgangssprachlich: Fahrrad, das für den Transport auf ein kleineres Format zusammengelegt werden kann

Mobilität für alle – das war die Devise des Freiburger Erfinders Engelbert Zaschka. Besonders die Belange des „kleinen Mannes“ lagen ihm am Herzen, und so entwickelte er Lösungen für das aufkeimende (Park-)Platzproblem in den Großstädten der 1920er und 30er Jahre. „Zaschkas Klapprad“, das er am 26.5.1950 in Paris zum Patent anmeldete, war nur eines der von ihm erfundenen Fortbewegungsmittel. Vom Klappski bis hin zu einem Faltauto, das, in drei Teile zerlegt, platzsparend im Hausflur oder in der Wohnung abgestellt werden konnte, zeigt sich in seinen Erfindungen vor allem sein Faible für Klappmechanismen. Faltautos würden heute wohl als technische Spielerei abgetan, doch das Klapprad erfreut sich immer noch, nicht nur bei Pendelnden, großer Beliebtheit.

[] Dekolonisation, die

Entlassung einer Kolonie aus der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Abhängigkeit vom Mutterland

Es war ein Meilenstein in der Geschichte Afrikas: Heute vor 60 Jahren kamen in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba dreißig afrikanische Staaten zusammen und gründeten die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU). Die Hauptziele dieser Organisation waren die Förderung der konsequenten Dekolonisation und die Stärkung der Einheit, Solidarität und wirtschaftlichen Zusammenarbeit unter den afrikanischen Staaten. Afrika hatte zu diesem Zeitpunkt bereits lange Zeit unter der unterdrückenden und ausbeuterischen europäischen Kolonialherrschaft gelitten. Das Ziel der Dekolonisation wurde schließlich im Jahr 1990 mit der Unabhängigkeit Namibias und im Jahr 1994 mit der Abschaffung der Apartheid in der Republik Südafrika erreicht.

[] Brücke, die

Bauwerk, das als Teil eines Weges der Überquerung eines physischen Hindernisses (z. B. eines Geländeeinschnitts, einer Straße, eines Gewässers) dient

Als nach 14-jähriger, von dramatischen Umständen begleiteter Bauzeit am 24.5.1883 die „New York and Brooklyn Bridge“ eröffnet wurde, war die Welt um einen weiteren Superlativ reicher. Die damals längste Hängebrücke der Welt überspannt den East River auf einer Gesamtlänge von über 1830 Metern. Brücken gelten seit jeher als Symbol für das Verbindende und werden häufig mit der Überwindung sprachlicher Barrieren, sozialer Ungleichheit, kultureller und anderer Differenzen assoziiert. Längst ist die Brooklyn Bridge zu einem Wahrzeichen des amerikanischen Traums geworden, als Sehnsuchtsort spielt sie in zahlreichen Werken der Literatur, der Kunst, des Films eine tragende Rolle.

[] Visionär, der

Person, die klare und realistische Vorstellungen von wichtigen, weitreichenden Entwicklungen in der Zukunft hat

Es war ein Vortrag voller Kultur- und Zukunftsoptimismus – die Vision einer besseren, gerechteren Gesellschaft, ebenso mitreißend wie der Redner selbst, Ferdinand Lasalle. Wo andere nur noch im gewaltsamen Umsturz und der völligen Umkehrung der Machtverhältnisse eine Lösung sahen, glaubte Lasalle an eine Verbesserung der Verhältnisse im Einklang mit den „Fortschritten der Kultur, mit dem Lebensprinzip der Geschichte selbst, welche nichts anderes als die Entwicklung der Freiheit ist“. Die 1862 in Berlin vor dem Handwerkerverein gehaltene Rede „Das Arbeiterprogramm“ führte schon im folgenden Jahr, am 23. Mai 1863 zur Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV). Er gilt als Vorläuferorganisation der SPD.

[] Walkürenritt, der

musikalische Darstellung der Walküren bei ihrer Zusammenkunft zu Pferde am Beginn des dritten Aufzugs von Richard Wagners Oper »Die Walküre«

Man kann ihm als Person nun wirklich kaum etwas Positives abgewinnen: Richard Wagner war neben seinem kruden, antisemitischen musiktheoretischen Werk auch ein notorischer Zechpreller und Weiberheld, auf den sich auch enge Freunde besser nicht verlassen sollten. Aber, hach, die Musik entführt viele Menschen dann doch in Sphären höchster Entzückung. Mit seiner konsequenten Anwendung des Leitmotivs, dem Wertlegen auf qualitätvolle Libretti und der Abkehr von Nummernrevuen führte er die Oper im 19. Jahrhundert zu höchster Vollendung (von Kritikern als „Zukunftsmusik“ verschrien). Der Ritt der Walküren am Beginn des 3. Aufzugs seiner „Walküre“ (der zweiten von vier Opern des „Rings des Nibelungen“) zählt zu den bekanntesten klassischen Melodien überhaupt. Heute vor 210 Jahren kam der Ausnahmekomponist in Leipzig zur Welt.

[] Vogelzug, der

periodisch erfolgender Zug bestimmter Vogelarten, um in klimatisch milderen Gegenden zu überwintern

Seit der Antike weiß man: Vögel verlassen im Herbst ihre Brutgebiete und kehren im Frühling zurück. Wohin sie jedoch entschwinden, war lange ein Rätsel. Das änderte sich 1822, als in Mecklenburg ein Storch auftauchte, dessen Hals von einem 80 cm langen Pfeil durchbohrt war. Der Storch wurde am 21.5.1822 erlegt und an der Universität Rostock wissenschaftlich untersucht. Der Arzt und Botaniker Heinrich Gustav Flörke stellte fest, dass der Pfeil aus tropischem Holz war und schloss daraus, dass sich das Tier seine Verletzung möglicherweise an den oberen Armen des Nils zugezogen hatte. Dank moderner Technologien sind die Flugrouten von Zugvögeln mittlerweile gut erforscht, doch der Rostocker Pfeilstorch war der erste lebende Beweis für den Vogelzug.

[] Retrovirus, das oder der

Medizin: Virus, dessen Erbinformationen in Ribonukleinsäure vorliegen, die in den Wirtszellen durch das Enzym Reverse Transkriptase in DNS umgeschrieben wird

Angst, Stigmatisierung und Vorurteile dominierten den öffentlichen Diskurs um die AIDS-Epidemie in den 1980er-Jahren. Zeitgleich versuchten Forschende weltweit die Ursache des erworbenen Immunschwächesyndroms zu ermitteln. In der am 20. Mai 1983 erschienenen Ausgabe der Fachzeitschrift „Science“ widmeten sich gleich fünf Beiträge dem Thema. Eine Arbeitsgruppe rund um Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier beschrieb ein neu entdecktes Retrovirus, das sie aus dem Gewebe eines an AIDS erkrankten Patienten isolierten. Für die Entdeckung des heute als HIV bekannten Virus erhielten sie 2008 den Nobelpreis für Medizin. Moderne antiretrovirale Therapien senken die Viruslast so sehr, dass das Virus im Blut nicht mehr nachweisbar ist. Hierbei gilt: n = n (nicht nachweisbar = nicht übertragbar).

[] Ministerpräsidentin, die

in Deutschland: Regierungschefin eines Bundeslandes

Vor exakt 30 Jahren wird Heide Simonis zur Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein gewählt. Damit übernimmt die SPD-Politikerin als erste Frau in der bundesdeutschen Geschichte das Amt an der Spitze eines Bundeslandes; nicht ihre erste Premiere: 1976 geht Simonis als bisher jüngstes Mitglied des Bundestages in die Bundespolitik. Die Volkswirtin ist die erste Frau, die von der SPD-Fraktion in den Haushaltsausschuss entsandt wird. Ihre Amtszeit als Ministerpräsidentin währt von 1993 bis 2005. Eine unerwartete anonyme Stimmverweigerung aus der eigenen Fraktion verhindert ihre Wiederwahl, Simonis tritt zurück. 2014 wird sie (wieder einmal als erste Frau) mit der Ehrenbürgerwürde des Landes Schleswig-Holstein als „herausragende Persönlichkeit und Vorreiterin für andere Frauen“ ausgezeichnet.

[] Haager Landkriegsordnung, Mehrwortausdruck

Völkerrecht: wichtigstes der auf den Haager Friedenskonferenzen 1899 und 1907 geschlossenen völkerrechtlichen Abkommen

„Inter arma silent leges“ heißt es im Lateinischen, „Unter den Waffen schweigen die Gesetze“. Um dies zu ändern, traten am 18. Mai 1899 Vertreter zahlreicher Staaten in Den Haag zusammen, unter großer Anteilnahme der prosperierenden Friedensbewegung. Nachdem 1874 (zehn Jahre, nachdem mit der Genfer Konvention überhaupt zum ersten Mal internationales Recht in Bezug auf Kriegführung beschlossen worden war) eine ähnliche Konferenz in Brüssel mangels folgender Ratifizierung gescheitert war, gelang auf der Haager Friedenskonferenz ein großer Wurf: Zwar kam den überwiegend gekrönten Häuptern nicht in den Sinn, Krieg an sich zu ächten, doch wurden international verbindliche Regeln geschaffen, so dass dieser kein rechtsfreier Raum mehr war. Vielleicht nicht zufällig sitzt der für Kriegsverbrecher zuständige Internationale Strafgerichtshof in jener niederländischen Stadt.

[] Heteronormativität, die

meist abwertend: Wertesystem, das Heterosexualität und das binäre Geschlechtermodell als Norm postuliert (und infolgedessen queere Personen ausschließt bzw. diskriminiert)

Aus heutiger Sicht ist es kaum noch zu glauben: Bis ins Jahr 1990 galt Homosexualität offiziell als psychische Krankheit. Im Diagnoseschlüssel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) – aktuell war damals die Klassifikation ICD-9 – wurde sie in der Kategorie „Sexuelle Verhaltensabweichungen und Störungen“ geführt. Der Beschluss der WHO, Homosexualität aus dem Diagnoseschlüssel zu streichen, erfolgte erst am 17. Mai jenes Jahres. An diesem Tag findet inzwischen jährlich der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie statt. Er zielt unter anderem darauf ab, die Heteronormativität als Konzept, in dem die Heterosexualität als einzig „normale“ sexuelle Orientierung angesehen wird, zu hinterfragen und zu überwinden.

[] Kompositum, das

Sprachwissenschaft: unmittelbar aus zwei (oder mehr) zumeist auch selbstständig verwendbaren Morphemen zusammengesetztes Wort

Die Komposition ist im Deutschen eines der zentralen Wortbildungsverfahren. Dabei werden zwei Wörter zusammengesetzt, um ein neues zu bilden. Jedes Kompositum kann aber wieder Teil eines neuen Wortes und das wiederum Teil einer weiteren Ableitung werden, was geradezu absurd lange Kreationen ermöglicht. Für seine Komposita ist das Deutsche weltweit ebenso beliebt („Poltergeist“, „Schadenfreude“) wie berüchtigt („Grund­stücks­verkehrs­geneh­mi­gungs­zu­stän­dig­keits­über­tra­gungs­ver­ord­nung“). Bei vielen Wortneuschöpfungen handelt es sich um Komposita, einige sind zum Beispiel während der Energiekrise („Energiekrise“ selbst ist eines) entstanden. Dass es bei ihrem Gebrauch auch häufig zu grammatischen Problemen und (mal mehr, mal weniger auffälligen) Stilblüten kommen kann, zeigen wir Ihnen in unserem aktuellen Blogbeitrag.

[] Sammelsurium, das

oft abwertend: Nebeneinander von mehreren Dingen, geistigen Inhalten o. Ä., die nicht zusammengehören, keine Ordnung erkennen lassen

Er verfasste das erste Lexikon, das sich ausschließlich an Frauen richtete. Über den genauen Zweck des „Frauenzimmer-Lexicons“ war sich der Verfasser, der Leipziger Jurist Gottlieb Siegmund Corvinus, allerdings wohl selbst nicht so recht im Klaren: Er überließ es seinen Leserinnen, ob sie das Werk als „nützliches, galantes oder kuriöses“ Werk ansehen wollten. Ob Viten gelehrter Frauen oder Schminktipps, Kochrezepte oder Gesellschaftsspiele: Das bunte Sammelsurium gibt in jedem Fall spannende Einblicke in die Alltagswelt des frühen 18. Jahrhunderts. Heute vor 346 Jahren wurde Corvinus geboren.

[] Jahrhundertprojekt, das

besonders herausforderndes und meist langwieriges, in seiner Umsetzung eine ganze Epoche prägendes Vorhaben, Unterfangen

Eine gewisse Faszination haftet Jahrestagen an, die mit einer Null enden – erst recht dann, wenn sich noch eine zweite dazugesellt. Als am 14. Mai 1963 mit der Fährverbindung über den Fehmarnbelt das letzte Teilstück der sogenannten Vogelfluglinie eingeweiht wurde, endete eine sage und schreibe einhundertjährige Planungs- und Bauzeit (einschließlich kriegsbedingter Bauunterbrechungen). Bei der Eröffnung der kombinierten Bahn-, Fähr- und Straßenverbindung zwischen Hamburg und Kopenhagen, die der Flugroute von Zugvögeln nachempfunden ist, fehlten bis zum 4. Juni, an dem im Jahr 1863 der dänischen Regierung erste Pläne vorgelegt worden waren, nur noch wenige Tage. Doch so kleinlich wollte bei der Gelegenheit, ein derartiges Mammutprojekt feierlich abschließen zu können, dann doch keiner sein.

[] keinen Deut, Mehrwortausdruck

überhaupt nicht; nicht im Geringsten, Mindesten; in keiner Weise, kein bisschen; gar nichts

Vor der Einführung von Münzgeld wurden in der Frühzeit des Handels unter anderem Bruchstücke von wertvollen Metallen als Zahlungsmittel verwendet. Dies spiegelt sich zum Beispiel in der altnordischen Bezeichnung „þveiti“ für ‚Münze‘ wider, was eigentlich ‚das Abgeschnittene, das abgeschlagene Stück‘ bedeutet (zu anord. „þveita“ ‚schlagen, hauen, stoßen‘). Ein damit verwandtes Wort benutzen wir auch noch heute, wenn wir beispielsweise sagen, dass etwas keinen Deut wert ist. „Deut“ bezeichnet ursprünglich eine kleine Scheidemünze, die bis ins 19. Jahrhundert in den Niederlanden und am Niederrhein in Umlauf war. Diese stand dann auch für einen geringen Geldbetrag bzw. etwas von geringem Wert. Inzwischen finden wir „Deut“ meist nur noch in festen Verbindungen, die eine Negation ausdrücken.

[] Tamagotchi, das oder der

eiförmiges Spielzeug mit einem kleinen LCD-Bildschirm, auf dem sich ein simuliertes Küken bewegt, das durch zuverlässige Betreuung am Leben gehalten werden muss

Am 12. Mai 1997 kam in Deutschland ein kleines Spielzeug auf den Markt, das die Schulhöfe und Kinderzimmer der späten 90er Jahre aufmischen sollte – das (oder der) Tamagotchi, ein kleines, eiförmiges Handheld mit einer einfachen, aber geradezu süchtig machenden Spielmechanik. Bewohner dieses kleinen Geräts war ein virtuelles, pixeliges Haustier, genauer ein Küken, das regelmäßig gefüttert, gepflegt und rechtzeitig zu Bett gebracht werden musste. Vernachlässigte man es zu lange, wurde es krank oder starb sogar. Bei der Bezeichnung handelt es sich übrigens um eine Komposition aus japan. „tamago“ (‚Ei‘) und „uocchi“ (abgeleitet von engl. „watch“ ‚Uhr‘). Wie so viele Kuriositäten der 90er Jahre wurde auch diese etwas andere Ei(er)uhr inzwischen neu aufgelegt.

[] Eisheilige, die oder der

Maifrost, häufig zwischen 11. und 15. Mai

Vor diesem Männer-Quartett mit Anstandsdame graut jedem Landwirt, jedem Hobbygärtner: Dabei trifft Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und die (kalte) Sophia keine Schuld an den gefürchteten Frosteinbrüchen – und das im dreifachen Sinne: Zum einen können die frühchristlichen Heiligen nun wirklich nichts dafür, dass ihre Gedenktage auf den 11.–15. Mai fallen. Zum anderen sind die Auswirkungen der Wettersingularität heute weit weniger dramatisch als noch in der sogenannten Kleinen Eiszeit, als von der Aussaat zur rechten Zeit tatsächlich die bäuerliche Existenz abhing. Und nicht zuletzt: Als der Spruch aufkam, galt noch der Julianische Kalender. Eigentlich müsste der „Pokal der Eisheiligen“ an Konstantin, Julia, Ester, Beda und Philipp (21.–26.5.) weitergereicht werden.

[] Apartheid, die

politische Praxis der staatlich organisierten Rassentrennung in Südafrika und Südwestafrika (bis 1994), die auf einer Doktrin von der angeblichen Überlegenheit und darauf basierenden Vorherrschaft des weißen Bevölkerungsteils beruhte

Im Jahr 1994 fanden in Südafrika die ersten freien demokratischen Wahlen statt, nachdem das rassistische System der Apartheid offiziell beendet worden war. Der legendäre Freiheitskämpfer Nelson Mandela, der zuvor fast drei Jahrzehnte wegen Verschwörung gegen das Apartheid-Regime in Haft saß, wurde zum ersten schwarzen Präsidenten des Landes gewählt. In seiner fünfjährigen Amtszeit setzte er sich vehement für den Aufbau einer neuen Gesellschaft ein, die auf Gerechtigkeit, Gleichheit und Frieden basiert. Mandelas historischer Triumph bei den Wahlen war ein entscheidender Moment in der südafrikanischen Geschichte und ein Zeichen der Hoffnung für alle, die für die Überwindung von Unterdrückung und Ungerechtigkeit kämpften. Am 10. Mai 1994 wurde er als Präsident vereidigt.

[] jmdn., etw. aufs Korn nehmen, Mehrwortausdruck

in einer bestimmten Absicht gezielt die Aufmerksamkeit auf jmdn., etw. richten; sich (in kritischer Absicht) satirisch, humorvoll mit jmdm., etw. auseinandersetzen, besonders um Fehlverhalten oder Missstände aufzuzeigen; jmdn., etw. scharf kritisieren

Wir gebrauchen im Alltag unzählige verblasste Metaphern, über deren eigentliche Bedeutung wir uns oft nicht bewusst sind. So stammt beispielsweise die Redewendung „jmdn., etw. aufs Korn nehmen“ ursprünglich aus der Jägersprache, wobei „Korn“ einen Teil der Zielvorrichtung bei Handfeuerwaffen bezeichnet. Wörtlich bedeutet „aufs Korn nehmen“ also so viel wie ‚als Zielpunkt für einen Schuss nehmen‘. Eine ähnliche Bedeutungsentwicklung ist bei der Wendung jmdn., etw. ins Visier nehmen erkennbar. In diesem Fall lässt sich die Bedeutung jedoch noch eher ohne zusätzliches Wissen erklären. In der Sprachwissenschaft verwendet man den Terminus „Idiomatizität“, um den Grad der semantischen Transparenz eines komplexen sprachlichen Ausdrucks zu beschreiben: je undurchsichtiger (d. h. weniger nachvollziehbar) die Bedeutung, desto höher die Idiomatizität.

[] Zufallsfund, der

nicht geplanter, unerwarteter Fund

Was die globale Markenbekanntheit angeht, kann Coca-Cola kaum jemand das Wasser reichen. Die Existenz der braunen Brause verdanken wir jedoch einem Zufall. Der Apotheker John Pemberton experimentierte am 8. Mai 1886 mit verschiedenen Zutaten, um ein Mittel gegen Kopfschmerzen, Müdigkeit und Depressionen zu entwickeln. Ein Sirup aus Wein, Blättern des Kokastrauchs und Kolanüssen brachte den gewünschten Effekt, war jedoch ungenießbar. Um die Mischung schmackhafter zu machen, fügte er Zitrusöle, Karamell, Zimt und nicht zuletzt Zucker hinzu und mischte es mit Sodawasser. Aus dem ursprünglich mäßig erfolgreichen Arzneimittel wurde nach mehreren Marketingkampagnen das beliebte Erfrischungsgetränk, das die Welt – leider erst nach Pembertons Tod – im Sturm eroberte.

[] Gelächter, das

das (fortwährende) laute Lachen

Lachen ist gesund für Körper und Geist, es soll Stress abbauen, das Immunsystem stärken und allgemein die Stimmung verbessern. Diese Erkenntnisse nutzte in den 90er Jahren auch der indische Arzt Dr. Madan Kataria, der seinerzeit die positiven Auswirkungen des Lachens auf die Gesundheit erforschte. Er entwickelte mit dem sogenannten Lachyoga eine Methode, die Menschen ganz ohne Humor zum Lachen bringen sollte. Vielmehr soll das Lachen dabei durch spezielle Atemtechniken und Bewegungen ausgelöst werden. Seit 1998 findet ebenfalls auf Initiative von Dr. Kataria jährlich am ersten Sonntag im Mai der Weltlachtag statt – für Glück, Gesundheit und nicht zuletzt für den Weltfrieden. Halten Sie doch heute mal die Augen offen und schauen, ob Sie der einen oder anderen lachenden Gruppe begegnen!

[] Bodyshaming, das

das Herabsetzen anderer Personen auf Grund angeblich unvorteilhafter körperlicher Formen oder Merkmale

Sicher: Übergewicht, krankhafte Fettsucht gelten als Volkskrankheit. Die Gründe liegen oft genug im übermäßigen Konsum von hochverarbeiteten Lebensmitteln mit überhöhtem Zuckergehalt und zu geringem Ballaststoffanteil. Auf der anderen Seite aber zeugen Erkrankungen wie Magersucht, Ess-Brech-Sucht, oder Orthorexie (krankhafter Zwang, sich vermeintlich gesund zu ernähren) davon, dass auch die ständige Fixierung auf die eigene Ernährung ernsthaft krank machen kann. Den Einstieg in diesen Leidensweg bilden oft genug nutzlose Diäten. Es war die britische Schriftstellerin Mary Evans Young – selbst eine Betroffene – die diesen Zusammenhang ins Bewusstsein rücken wollte. 1992 rief sie eine Anti-Diäten-Kampagne ins Leben, die seither an jedem 6. Mai der ewigen Jagd nach dem Idealgewicht und besonders dem Bodyshaming den Kampf ansagt.

[] Hebamme, die

Person, die vor, während und nach der Geburt Schwangere bzw. Neugeborene pflegerisch betreut

Sie gehört zu den weltweit wichtigsten Tätigkeiten, wird aber selten entsprechend gewürdigt: Die Geburtshilfe. Um darauf aufmerksam zu machen, wird seit 1991 am 5. Mai der Internationale Hebammentag begangen. Aber auch sprachlich ist die Hebamme im Deutschen bemerkenswert: Ursprünglich handelte es sich bei althochdeutsch „hevanna“ um die Ahne (Großmutter oder generell ältere, erfahrene Frau), die das Neugeborene (auf)hebt, schon im Mittelalter wurde das Hinterglied aber umgebildet, nach „Amme“, dem alten Kosewort für die Mutter. Übrigens gibt es zu dem Wort keine männliche Ableitung, somit sind auch Männer bei „Hebamme“ mitgemeint.

[] Codewort, das

Kennwort, Passwort

„Es ist ein älterer Code, Sir, aber er ist in Ordnung. Ich wollte den Flug freigeben.“ – spricht Admiral Firmus Piett in „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“. Da wir oder Computer anders als Darth Vader nicht durch die Macht fühlen, ob am anderen Ende des Kommunikationskanals die richtige Person sitzt, sind wir auf Code- oder Passwörter angewiesen, in der Zeit des Internets noch viel mehr als früher. Diese unverzichtbaren Folgen aus bestenfalls mindestens 8 Zeichen (mit wenigstens einem Großbuchstaben, einer Zahl und einem Sonderzeichen – je länger, desto besser) haben heute, ebenso wie Star Wars, ihren Ehrentag. Letzteres bekanntlich aufgrund der lautlichen Ähnlichkeit zwischen „May the fourth“ (4. Mai) und „May the force [be with you]“ (Möge die Macht [mit dir sein]).

[] Pluralismus, der

innerhalb einer Gesellschaft, eines Staates (in allen Bereichen) vorhandene Vielfalt gleichberechtigt nebeneinander bestehender und miteinander um Einfluss, Macht konkurrierender Gruppen, Organisationen, Institutionen, Meinungen, Ideen, Werte, Weltanschauungen usw.

„Die Schaffung einer unabhängigen, pluralistischen und freien Presse ist essentiell für die Wahrung der Demokratie und der wirtschaftlichen Entwicklung“ – so die zentrale Aussage der Deklaration von Windhoek, anlässlich deren Jahrestag die UNESCO 1994 den Internationalen Tag der Pressefreiheit ins Leben rief. Der jährlich am 3. Mai stattfindende Aktionstag soll auf die Bedeutung freier Berichterstattung für die Demokratie sowie die Verletzung der Pressefreiheit weltweit aufmerksam machen. Obwohl wir in Deutschland eine vergleichsweise hohe Pressefreiheit genießen, wird sie auch hier immer wieder bedroht, sei es durch abnehmende Medienvielfalt oder verbale wie physische Angriffe auf Medienschaffende. Weltweit führen auch Kriege und Konflikte zur Einschränkung der Pressefreiheit.

[] Mundart, die

auf eine bestimmte Region begrenzte, fast ausschließlich muttersprachlich erworbene und nicht normierte Sprachform, die überwiegend mündlich und in Alltagssituationen gebraucht wird

„Was Sachsen sin von echtem Schlaach, die sin nich dod zu griechn.“, heißt es auf dem Grabstein der Dichterin Lene Voigt, die am 2. Mai 1891 in Leipzig geboren wurde. Besonders bekannt wurde sie für ihre Gedichte und Humoresken in sächsischer Mundart, mit denen sie ab Mitte der 1920er Jahre großen Erfolg hatte. In den 1930er Jahren geriet sie jedoch in Misskredit, weil die Nationalsozialisten ihr vorwarfen, deutsche Literaturklassiker, aber auch die sächsische Sprache zu karikieren und zu verschandeln. 1936 wurden ihre Gedichte als „jiddische Machwerke“ verboten. Obwohl Lene Voigt als Schriftstellerin jahrzehntelang in Vergessenheit geriet und auch privat mit einigen schweren Schicksalsschlägen konfrontiert wurde, hörte sie nicht auf zu schreiben. Schließlich wurden 1983 ihre Werke wiederentdeckt und neu aufgelegt. Eine Sächsin von echtem Schlag ist eben nicht totzukriegen!

[] Maibaum, der

meist zum 1. Mai auf einem zentralen Platz errichteter Baumstamm, der von Rinde und (allen oder den unteren) Ästen befreit und mit bunten Bändern und einem Kranz geschmückt ist

Seit gestern oder heute stehen sie in vielen ländlichen Gemeinden wieder auf dem Dorfplatz, je nach Region verschieden geschmückt (oft mit einem Kranz und Bändern): die Maibäume. Dieser Brauch ist nicht nur alt (er reicht vermutlich bis in die germanische Zeit), sondern auch über den deutschen Sprachraum hinaus verbreitet: Von Skandinavien bis Slowenien, vom Rheinland bis in die Slowakei werden heute oder an Pfingsten (oder in Skandinavien zur Sommersonnenwende) die entasteten Baumstämme errichtet. So unterschiedlich die regionalen Bräuche im Detail sind, so gibt es doch auch viele überregionale Gemeinsamkeiten: Der Maibaum ist Mittelpunkt eines Fests und gegen übermütige Burschen muss er gesichert werden, damit der Tanz in den Mai gelingt.

[] Sommerzeit, die

Uhrzeit, die während des Sommers im Vergleich zur normalen Uhrzeit in einer Zeitzone (meist um eine Stunde) vorverlegt ist

In Zeiten drohender oder herrschender Knappheit werden häufig Ideen umgesetzt, die zur Einsparung wertvoller Ressourcen beitragen sollen. Die Idee, das Tageslicht maximal auszunutzen, um an künstlicher Beleuchtung zu sparen, läutete eine „besondere Zeitrechnung“ ein – die saisonale Umstellung der Uhrzeit. Im Jahre 1916 wurden sowohl im Deutschen Reich als auch in Österreich-Ungarn am 30. April erstmals die Uhren um eine Stunde vorgestellt. Andere Länder folgten bald. So heißt es im k. u. k. Reichsgesetzblatt: „Darnach beginnt der 1. Mai 1916 am 30. April um 11 Uhr abends der bisherigen Zeitrechnung, der 30. September endet 1 Stunde nach Mitternacht der in dieser Verordnung festgesetzten Zeitrechnung.“

[] O-Bus, der

Omnibus mit Elektromotor, der seine Energie durch eine Oberleitung erhält

In Berlin wurde er erfunden, Erfolg hatte er aber nur anderswo: Der Oberleitungs(omni)bus, kurz O-Bus/Obus genannt. Vielen ist nicht bekannt, dass ab Anbruch des Automobilzeitalters im späten 19. Jahrhundert Elektrofahrzeuge lange mit jenen mit Verbrennungsmotoren konkurrierten, bis letztere sich vor etwa 100 Jahren (vorerst) durchsetzten. So fuhr am 29.04.1882 ein von Werner Siemens mit Elektromotor ausgestatteter Wagen, der Strom aus einer Oberleitung bezog, auf einer Teststrecke in Berlin-Halensee. Praktisch umgesetzt wurde dieses Prinzip als O-Bus erst um 1900, in Berlin endete nach einer gewissen Blüte der Einsatz in den 1960ern (West) bzw. 1970ern (Ost). Einer geplanten Neuauflage der Technik, die die Vorteile von Bus und Straßenbahn verbindet, wurde neulich vom Berliner Senat eine Absage erteilt.

[] Diversität, die

Verschiedenartigkeit, Mannigfaltigkeit, Unterschiedlichkeit

Wer einmal die „Scheibenwelt“, das literarische Universum des britischen Schriftstellers Terry Pratchett, betreten (und wieder herausgefunden) hat, für den nimmt Diversität eine völlig neue Dimension an. In den über 41 Romanen breitet sich dem Lesenden ein gigantisches Fantasy-Wimmelbild aus: eine Gesellschaft, in der das Personal der örtlichen Stadtwache gattungsübergreifend mit Trollen, Zwergen, Vampiren und einem Quotenwerwolf besetzt ist; in der Mörder, Diebe, Zauberer, Clowns in Berufsgenossenschaften organisiert sind, man sich mit lästigen Phänomenen wie Inflation oder digitaler Datenübertragung herumschlagen muss. Pratchett, der seit 1983 mit diesen humorvollen wie tiefgründigen Geschichten, in denen selbst Gevatter Tod keinen Kündigungsschutz genießt, unsere Rundwelt bereicherte, wurde heute vor 75 Jahren geboren.

[] Widmung, die

persönliche, in ein Buch, unter ein Bild o. Ä. geschriebene Worte (durch die kenntlich gemacht wird, dass es sich um ein Geschenk o. Ä. handelt)

„Für Elise am 27 April zur Erinnerung von L. v. Bthvn“ – so lautete die Widmung, mit der Ludwig van Beethoven 1810 eine seiner Kompositionen versah. Das besagte Klavierstück in a-Moll kennt vermutlich jeder, doch die Frage nach der Identität von „Elise“ treibt Musikhistoriker seit dem Fund des Musikstückes um. War Elise die befreundete Sängerin Elisabeth Röckel? Hatte sich der Finder des inzwischen verschollenen Autographen verlesen und das Stück sollte eigentlich Therese Malfatti, einer Klavierschülerin, für die Beethoven bekanntermaßen schwärmte, gewidmet sein? Diese und weitere Theorien sind viel diskutiert, doch das Rätsel um die mysteriöse Elise wird, wie vermutlich auch das Stück selbst, die Generationen überdauern.

[] wissen, wie der Hase läuft, Mehrwortausdruck

über etw. (z. B. bestimmte Abläufe, Regeln o. Ä.) genau Bescheid wissen; sich in, mit etw. gut auskennen; verlässlich abschätzen können, welche Entwicklung etw. Bestimmtes nimmt

„Dieses hübsche märchen“, schrieb 1853 Wilhelm Grimm, „ward mir im J. 1840 von hrn. professor Firnhaber in Cassel mitgetheilt, der mir sagte daß es nach mündlicher überlieferung aufgefaßt sei“. So gelangte „Der Hase und der Igel“ in die fünfte Auflage der „Kinder- und Hausmärchen“. Aber war es nicht doch ein Kunstmärchen, wie der vermeintliche Urheber Theodor von Kobbe behauptete, der es als plattdeutschen Text veröffentlichte? Wilhelm konnte immerhin eine ältere Variante des Stoffs präsentieren. Dort ist es ein ungleicher Wettlauf zwischen Fuchs und Frosch. Letzterer hängt sich unbemerkt an den Schwanz des Fuchses. Als der sich kurz vor dem Ziel umwendet, um nach seinem Konkurrenten zu sehen, hüpft der Lurch ins Ziel und lässt den arroganten Fuchs („bist du endlich da?“) alt aussehen.

[] Stechmücke, die

jedes Mitglied der Familie verschiedener Arten von Mücken (Culicidae), deren Weibchen das Blut von Tieren und Menschen saugen und dabei auch gefährliche Krankheiten übertragen können

Weltweit sterben etwa 600.000 Menschen jährlich an Malaria, überwiegend Kinder unter fünf Jahren. Die Infektionskrankheit führt meist zu periodisch auftretendem Fieber und Abgeschlagenheit, in schweren Fällen aber auch zu Anämie, Organ- und Kreislaufversagen. Früher glaubte man, die Krankheit würde hervorgerufen durch ungesunde feucht-heiße Luft aus den Sümpfen, daher auch der Name „Malaria“ (aus ital. „mala“ ‚schlecht‘ und „aria“ ‚Luft‘). Heute weiß man, dass die Krankheit durch Parasiten verursacht wird, die über Stechmücken, genauer über weibliche Anophelesmücken, übertragen werden. Zur Würdigung des Kampfes gegen die weit verbreitete Krankheit findet seit 2007 immer am 25. April der Weltmalariatag statt.

[] Bewusstmachung, die

Rede, Handlung o. Ä., die eine Person oder Gruppe auf etw. aufmerksam macht, ihr etw. ins Bewusstsein ruft

In seiner vor 100 Jahren veröffentlichten Schrift „Das Ich und das Es“ unterteilt Sigmund Freud die menschliche Psyche in drei Instanzen: das Es, das auf die sofortige Befriedigung unserer Bedürfnisse drängt; das Über-Ich, sozusagen unser Gewissen, in dem (in der Erziehung vermittelte) Moralvorstellungen und gesellschaftliche Normen repräsentiert sind; das Ich, das als Instanz der kritischen Reflexion versucht, die Forderungen von Es und Über-Ich unter Berücksichtigung der Realität (Außenwelt) in Einklang zu bringen. Gelingt ihm das nicht, wehrt das Ich z. B. als unangemessen erachtete Bedürfnisse des Es ab und verdrängt sie ins Unbewusste, was Freud zufolge u. a. zu psychischen Leiden führt. Hauptanliegen der Psychoanalyse ist die (Wieder-)Bewusstmachung dieser Inhalte, um eine Auflösung der Konflikte zu ermöglichen und das Ich gegenüber dem Es zu stärken.

[] Clip, der

Medien: meist kurze filmische Sequenz

Ein banaler 19-sekündiger Clip, in dem ein junger Mann vor dem Elefantengehege des San Diego Zoos steht und ihre langen Rüssel als „cool“ bezeichnet – nicht gerade großes Kino, doch das Video schrieb Internetgeschichte, denn es war das erste veröffentlichte Video auf YouTube. Als Jawed Karim, Mitbegründer der Plattform, das Video mit dem Titel „Me at the zoo“ am 23. April 2005 hochlud, hätte noch niemand erahnen können, dass YouTube einmal zur größten Videoplattform der Welt werden würde. Heute werden dort mehr als eine Milliarde Stunden Videos pro Tag angesehen, pro Minute mehr als 500 Stunden Videomaterial hochgeladen. Damit hat YouTube die Art und Weise, wie wir Videos konsumieren – nicht nur in den jüngeren Generationen – grundlegend verändert.

[] Rekordgeschwindigkeit, die

Geschwindigkeit, die höher als jede bisher (in Bezug auf dieselbe Art der Fortbewegung, des Ablaufs) gemessene liegt

Durchschnittlich 8,03 Knoten (14,87 km/h), mit dieser Geschwindigkeit erreichte der 18 Tage zuvor in England abgelegte kleine Schaufelraddampfer Sirius am 22. April 1838 New York. Das erscheint uns heute nicht sonderlich schnell, war damals aber im Vergleich zu den Segelschiffen ein neuer Rekord in der Atlantiküberquerung, für den die Sirius quasi „posthum“ das erst Jahrzehnte später ins Leben gerufene berühmte Blaue Band erhielt. Der Rekord währte allerdings nur 4 Stunden, denn dann traf die fast doppelt so große und speziell für diese Strecke konzipierte Great Western (deren Konstrukteur Brunel auch schon bei der Eisenbahn auf innovative Größe gesetzt hatte) ein, die vier Tage später gestartet war und so auf 8,66 Knoten (16,04 km/h) kam. Ein neues Zeitalter hatte begonnen.

[] Hungerkatastrophe, die

Mangel an grundlegenden Nahrungsmitteln, der die Existenz eines Großteils der Bewohner eines Territoriums bedroht

Der Name klingt unscheinbar: Phytophthora infestans. Dabei ist der Algenpilz, der vorwiegend Nachtschattengewächse befällt, für eine der schlimmsten Hungerkatastrophen in Europa verantwortlich. In Irland, wo die Kartoffelernte ausfiel, kamen 1847 über eine Million Menschen ums Leben. Zwar waren die Folgen in Deutschland nicht ganz so schrecklich. Doch auch hier kam es zu massiven Teuerungen und Mangelernährung, die Aufstände und Plünderungen zur Folge hatten – in Berlin in den Tagen zwischen dem 21. und 23. April 1847. Unter dem verharmlosenden Ausdruck „Kartoffelrevolution“ gingen sie in die Geschichte ein. Ob diese Aktionen den Auftakt zur Revolution von 1848 bildeten, ist umstritten. Die Unfähigkeit der regierenden Fürstenhäuser, der Krise Herr zu werden, wurde jedoch offensichtlich.

[] Tulpe, die

Liliengewächs mit aufrechten, endständigen, kelchförmigen Blüten und langen, ungestielten Laubblättern, das als Zierpflanze in unterschiedlichen Farben gezüchtet und als Schnittblume zur Dekoration verwendet wird

In Gärten, Hinterhöfen, Parks und an der Supermarktkasse: Tulpen sind zurzeit vielerorts zu sehen und leuchten in den verschiedensten Farben. Die Frühlingsblume hat ihren Ursprung im Vorderen Orient – noch heute ist sie die Nationalblume der Türkei – und wurde im 16. Jahrhundert nach Europa eingeführt. Der Name „Tulpe“ leitet sich vom türkischen Wort „tülbend“ (‚Turban‘) ab. Und tatsächlich sind sich die Kopfbedeckung und die Blüte der Tulpe in ihrer Gestalt sehr ähnlich. Heute assoziieren wir die Blume besonders mit den Niederlanden, sie ist der Exportschlager des Landes schlechthin. Doch wo man heute für einen kleinen Tulpenstrauß gerade einmal 2 Euro zahlt, waren im 17. Jahrhundert einige Sorten so wertvoll, dass man für eine ihrer Zwiebeln auch ein ganzes Haus hätte kaufen können.

[] Lochkarte, die

besonders zur Programmierung von Rechenmaschinen, auch zur Steuerung anderer Maschinen (z. B. Webstühlen, Stickmaschinen) eingesetztes, kartenförmiges Speichermedium, auf dem Informationen durch maschinenlesbare Lochung codiert, eingestanzt sind

Programmierbarkeit, Automatisierung, Digitalisierung von Maschinen: Das sind Schlagwörter, die wir mit der Computer-Revolution in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts verbinden (unter Anerkennung theoretischer Vorarbeiten im 19. Jahrhundert wie von Ada Lovelace). Doch tatsächlich wies schon eine am heutigen Tag im Jahre 1805 in Frankreich vorgestellte und danach praktisch eingeführte Maschine diese Eigenschaften auf: Die Jacquard-Musterwebmaschine, benannt nach ihrem Erfinder Joseph-Marie Jacquard (1752–1834). Dieser hatte in jahrelanger Tüftelarbeit frühere Webstühle verbessert und durch den Einsatz von Lochkarten, an denen das zu erstellende Muster in Endlosschleife abgelesen wurde, revolutioniert. Trotz starken Widerstands der Zünfte, die (zu Recht) um Arbeitsplätze fürchteten, setzte sich das Modell schnell durch.

[] Sekt oder Selters, Mehrwortausdruck

entweder sehr gut oder sehr schlecht, entweder erfolgreich oder erfolglos; entweder die eine Option oder genau die gegenteilige

Das Selterswasser hat, als Kontrastprogramm zum Sekt, eine steile Karriere gemacht. Es ist Teil einer gängigen Redewendung im Deutschen. Vermutlich hat der gleiche Anlaut der beiden Wörter dafür gesorgt, dass sie als Paarformel zu einer festen Wendung wurden. Selters steht für die nüchterne, die wenig(er) feierwürdige von zwei Alternativen. Dabei kann Selterswasser sehr lecker sein und löscht den Durst zuverlässiger als sein leichtfertiger Bruder, der Sekt. Die Wendung wird jedoch auch in wörtlicher Bedeutung verwendet, auf Empfängen werden Sekt und Selters gereicht. Wie Sie unsere Textkorpora nach allen möglichen Varianten dieser und anderer Ausdrücke befragen können, erfahren Sie in unserem heutigen Blogbeitrag, Teil 6 unserer Serie „Nadeln im Heuhaufen“. Sie entscheiden, ob wir Ihnen hiermit Sekt oder Selters geboten haben.

[] überlebensgroß, Adj.

die reale, natürliche Größe übersteigend

Als heute vor 65 Jahren in Brüssel die „Expo 58“ ihre Tore öffnete, war die Stadt um ein Symbol reicher, das sich in kürzester Zeit zum Touristenmagneten mausern sollte – das Atomium. Dieser 2400 Tonnen schwere, ursprünglich als temporäres Kunstwerk geplante Koloss stellt die neun Atome der Elementarzelle von Eisen dar – 165 Milliarden Mal vergrößert! Beflügelt vom Zeitgeist wollten die Schöpfer dieses Bauwerks ein Zeichen für die friedliche Nutzung der Kernenergie setzen. Die Anti-Atomkraft-Bewegung hingegen sah darin die Ikone einer zum Scheitern verurteilten Technologie. Mittlerweile allerdings führen globale Herausforderungen zu einer (umstrittenen) energiepolitischen Renaissance der Energiegewinnung mittels Kernspaltung. Man mag zur Atomkraft stehen, wie man will – das Atomium ist und bleibt Brüssels überlebensgroßes Wahrzeichen.

[] Stimme, die

durch Schwingungen der Stimmbänder im Zusammenwirken mit Resonanzerscheinungen erzeugte Laute und Töne

Luft strömt aus unserer Lunge durch die Luftröhre und versetzt die im Kehlkopf befindlichen Stimmlippen in Schwingungen, wodurch Schallwellen entstehen, die wiederum durch die resonatorischen Eigenschaften des Vokaltrakts (= Raum oberhalb des Kehlkopfs) modifiziert werden. Das Ergebnis: Stimme. Wir nutzen sie, um Inhalte und Emotionen auszudrücken (Letzteres oft unfreiwillig) – oder als Musikinstrument. Diesem faszinierenden und hier sehr vereinfacht dargestellten Phänomen sollte man mehr Beachtung schenken, dachten sich die Initiatoren des Welttags der Stimme. Jedes Jahr am 16. April wird dieser weltweit mit Veranstaltungen begangen, die u. a. auf die Bedeutung der Stimme für unsere Lebensqualität und die Prävention von Stimmproblemen aufmerksam machen sollen.

[] Widerstandskämpferin, die

aktive Teilnehmerin am (meist organisierten) politischen oder bewaffneten Widerstand gegen eine als unterdrückerisch wahrgenommene Obrigkeit, besonders ein totalitäres Regime

Beim Widerstandskampf denkt man vielleicht zuerst an Guerilleros im Dschungel oder die Hitler-Attentäter, doch wohl die meisten „Kämpfer“ gegen unterdrückerische Regime sind unbewaffnet, ganz einfache Leute von der Straße, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten dem Unrecht widerstehen. Und sie sind auch nicht weniger gefährdet als Bewaffnete, wie die Geschichte der Niederländerin Corrie ten Boom, die heute vor 131 geboren wurde, zeigt: Nachdem die überzeugte Christin jahrelang Juden und Partisanen unterstützt, versteckt und weitergeschleust hatte, wurde sie 1944 aufgrund eines Denunzianten von den NS-Besatzern verhaftet. Ihr Vater und ihre Schwester kamen im KZ um, sie überlebte und setzte sich für Versöhnung und Vergebung ein. Yad Vashem ehrte sie als Gerechte unter den Völkern.

[] vom rechten Weg abkommen, Mehrwortausdruck

eine falsche Abzweigung nehmen, sich verirren

Am 14. April 1846 brach die „Donner Party“, eine Gruppe von Siedlerinnen und Siedlern rund um die Familie Donner, vom US-Bundesstaat Illinois auf nach Kalifornien, um dort ein neues Leben zu beginnen. Vier Monate sollte die Reise dauern, doch es kam immer wieder zu Verzögerungen und schließlich wurde ihnen eine vermeintliche Abkürzung zum Verhängnis. Sie verirrten sich im Schnee und waren gezwungen, in den Bergen der Sierra Nevada zu überwintern. Schneestürme, Kälte und zunehmender Nahrungsmangel machten ihnen zu schaffen. Als letzten Ausweg und Überlebensmaßnahme griffen sie schließlich zum Kannibalismus. Fast die Hälfte der ursprünglich 87 Mitglieder der Gruppe kam während des Trecks ums Leben.

[] Volksaufstand, der

(bewaffnete) Erhebung, Empörung weiter Teile der (einfachen) Bevölkerung gegen die bestehende Herrschaft

Lust auf ein bisschen Revolution? Dann können Sie heute als 1848er-Revolutionär oder -Revolutionärin am Konstanzer „Heckerzug“ teilnehmen. Das sogenannte „Reenactment“ feiert ein Ereignis, das heute vor 175 Jahren Geschichte schrieb. Am Initiator, dem radikalen Demokraten Friedrich Hecker, scheiden sich bis heute die Geister. Der Jurist hatte die auf Kompromiss bedachte Politik des Frankfurter Vorparlaments – wie wir heute wissen, mit guten Gründen – abgelehnt. Was jedoch als großer Volksaufstand geplant war, endete in einer Katastrophe. Der Zug, der anfangs aus gerade 50 Personen bestand, wuchs zwar auf mehrere Hundert an, scheiterte aber blutig. Und dennoch: Die erhobenen Forderungen wie Meinungsfreiheit oder Wegfall adeliger Standesprivilegien sind heute selbstverständlich.

[] jmdm., sich, etw. einen Bärendienst erweisen, Mehrwortausdruck

in guter Absicht zu jmds. Nutzen handeln, aber den beabsichtigten Nutzen verfehlen; jmdm. oder sich selbst trotz guter Absichten schaden

Manchmal möchte man eigentlich helfen, macht dadurch aber alles nur noch schlimmer. So ergeht es auch dem gutmeinenden Bären in Jean de La Fontaines Fabel „Der Bär und der Gartenliebhaber“ (auch: „Der Bär und der Gartenfreund“): Als er sieht, wie sein schlummernder Freund, der Gärtner, von einer ihm auf der Nase krabbelnden Fliege belästigt wird, will er sie vertreiben, indem er einen großen Stein nach ihr wirft. Unglücklicherweise tötet Meister Petz dabei aber auch seinen guten Freund. „Nichts bringt so viel Gefahr uns als ein dummer Freund / Weit besser ist ein kluger Feind“, warnt der Dichter am Ende der Geschichte. Und noch heute sprechen wir von einem Bärendienst, der erwiesen wird, wenn jemand zwar in guter Absicht handelt, damit aber nur noch mehr Schaden anrichtet.

[] neurologisch, Adj.

das Nervensystem bzw. das Gehirn, Rückenmark und die peripheren Nerven, deren Aufbau, Funktion und insbesondere Pathologie sowie deren Untersuchung, Behandlung betreffend

Bewegungsstörungen, Muskelstarre und Zittern sind Leitsymptome im Hauptstadium der neurologischen Erkrankung Morbus Parkinson. Ursache ist der Verlust von Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Die Krankheit gilt als nicht heilbar, doch hat die Parkinson-Forschung in den letzten Jahren große Fortschritte erzielen können. Verbesserte Diagnostik und Entdeckung neuer Biomarker bieten Hoffnung auf bessere Behandlungsmöglichkeiten. Auch künstliche Intelligenz wird zur Entwicklung personalisierter Therapien genutzt. Seit einigen Jahren stehen außerdem hochwirksame medikamentöse Therapien zur Verfügung, um Symptome zu lindern und den Abbau von Dopamin zu hemmen.

[] Urheberrechtsgesetz, das

Recht: Gesetz zum Schutz von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst, welches die verschiedenen Rechte des Schöpfers des Werkes (des Urhebers) regelt, wie etwa von dessen Veröffentlichung und Verwertung

Bis zum 15. Jahrhundert stellten Raubkopien, ob ihrer mühsamen Herstellung von Hand, kein großes Problem für Autoren und Künstler dar. Dies änderte sich jedoch mit der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg, der zwar einerseits die erschwingliche Massenproduktion von Büchern ermöglichte, andererseits aber auch den Raubdruck ankurbelte. Für den Schutz geistigen Eigentums setzten sich schließlich, nicht ganz uneigennützig, Mitglieder des britischen Buchhandels und Verlagswesens ein, die durch die aufkeimende Piraterie ihre Existenz bedroht sahen. Ihren Bestrebungen folgend trat am 10. April 1710 das „Statute of Anne“ – das erste moderne Urheberrechtsgesetz – in Kraft, das Autorinnen und Autoren das exklusive Druckrecht an ihren Werken einräumte.

[] Ostern, das

im März oder April von den Christen gefeiertes dreitägiges Fest, das an den Tod und die Auferstehung Jesu Christi laut dem Neuen Testament erinnert

Um die Etymologie des Wortes „Ostern“ wird nach wie vor gestritten: Die Bezeichnung ist tatsächlich nur im Deutschen und Englischen („Easter“) nachgewiesen, anderswo in Europa wird der Name für das christliche Fest vom aramäischen „pas’cha“ bzw. dem hebräischen „pesaḥ“ (Pessach) abgeleitet. Für diese Abweichung gibt es mehrere Deutungsmodelle: Jacob Grimm führte das Fest auf eine germanische Frühlingsgöttin *Ostara zurück, die aber philologisch auf tönernen Füßen steht; andere sehen in „Ostern“ einen Reflex des indogermanischen Worts für die Morgenröte, *h₂eu̯sos- (griech. ēṓs, lat. aurōra), der Tageszeit, zu der laut Neuem Testament das Grab Jesu leer aufgefunden wurde.

[] Babyklappe, die

bauliche Vorrichtung, die es einer verzweifelten Mutter, die ihr Kind nicht behalten kann oder will, ermöglicht, ein Neugeborenes auf eine Weise bei einer Institution abzugeben, die ihre Anonymität und die Gesundheit des Kindes sicherstellt

Mit der Einrichtung einer sogenannten Babyklappe in Hamburg-Altona wurde heute vor 23 Jahren ein ethisch und rechtlich nicht unumstrittenes Angebot für Mütter und Väter in Notsituationen etabliert, die mit der anonymen Kindesabgabe ihrem Kind ein besseres Leben ermöglichen möchten. Sollen „Babyfenster“, „Babynester“ oder gar „Lebenspforten“ einerseits Kindesaussetzungen und Kindstötungen zu verhindern helfen (was wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden konnte), führen Gegner die Verletzung der Rechte des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft sowie auf Beziehung zu seinen Eltern an. Eine Alternative (in Deutschland und in Teilen der Schweiz) ist die sogenannte vertrauliche Geburt, bei der das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung gewährleistet ist.

[] Karfreitag, der

Freitag vor Ostersonntag, an dem der Kreuzigung Jesu Christi gedacht wird

Komposita verhalten sich oft wie Zeitkapseln, in denen manch untergegangenes Wort bis in die Gegenwart überdauert. Das gilt auch für Karfreitag. So bedeutete das Substantiv „kar“ im Mittelhochdeutschen ‚Trauer, Wehklage‘ und „karmen, karn“, das zugehörige Verb, ‚trauern, klagen‘. Man findet es noch in frühneuzeitlichen Zeitungstexten wie dem Bericht über die Belagerung Bonns 1588: Am „19. Septembris haben die …[Spanier] gewaltich in die Stadt geschossen … Und ist ein grois geschrei und karmen gewest.“ Im Englischen existiert das Wort weiterhin: „care“ meint hier allerdings ‚Sorge‘, bzw. ‚(für etw., jmdn.) sorgen‘. Ein Zusammenhang mit lat. „cārus“ (‚teuer, lieb‘) und „cāritās“ (‚Nächstenliebe‘) besteht übrigens nicht.

[] mehrsprachig, Adj.

in mehreren Sprachen (abgefasst)

Vor genau 80 Jahren wurde Antoine de Saint-Exupérys bekanntestes Werk, „Le Petit Prince“, erstmals veröffentlicht. Das Buch lässt uns nicht nur an den Abenteuern des kleinen Prinzen teilhaben, sondern führt uns auch vor Augen, wie wichtig Menschlichkeit, Freundschaft und Verantwortung gegenüber anderen und unserer Umwelt sind. „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ – Mit dieser zeitlosen Botschaft ist es kein Wunder, dass sich das Kunstmärchen zu einem der meistübersetzten Klassiker der Weltliteratur entwickelt hat. Greifen Sie doch mal wieder zu einer der über 500 Übersetzungen und begeben Sie sich, wie Generationen von Lesern, auf eine literarische Reise durch das Universum.

[] Erstkontakt, der

erste Kontaktaufnahme, Begegnung zwischen Personen, (künftigen) Vertragspartnern, Völkern o. Ä.

Trekkies, denen wir neulich schon einen Artikel des Tages gewidmet haben, wissen, welches Jubiläum wir heute begehen. In genau 40 Jahren kommt es zum Erstkontakt der Menschheit mit einer außerirdischen Zivilisation. Richtig, in 40 Jahren, nicht vor (das hätten auch Nicht-Trekkies mitbekommen). Denn nach dem Szenario aus dem Film „Star Trek: Der erste Kontakt“ von 1996 landen am 5. April 2063 Vulkanier (mit ihrem Gruß „Lebe lang und erfolgreich“) in Nordamerika – wo sonst? – und begründen eine neue Epoche für die vom Dritten Weltkrieg zerrüttete Menschheit. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass es genau so kommen wird (und wir uns nicht sicher sein können, dass ein wirklicher Erstkontakt so vorteilhaft ablaufen wird), so wollen wir doch heute diese positive, völkervereinende Idee feiern.

[] Lückenfüller, der

etw., das (vorübergehend) dem Ausgleichen eines Mangels, dem Füllen einer Leere oder der Überbrückung einer Pause dient

Regelmäßig werden Wörter einer Sprache in eine andere übernommen, besonders wenn ihre Sprecherinnen und Sprecher miteinander in Kontakt stehen. Lücken im Wortschatz werden durch solche Entlehnungen geschlossen. Im Deutschen sind Anglizismen besonders frequent, aber auch Übernahmen aus vielen anderen Sprachen wie dem Französischen (Büro), Türkischen (Joghurt) oder Russischen (Steppe) nutzen wir ständig. Auch aus der Sprache der größten ethnischen Minderheit Europas, dem Romani, hat das Deutsche einige Wörter übernommen. Wie das Romani das Deutsche lexikalisch bereichert hat und umgekehrt, können Sie in unserem heutigen Blogartikel nachlesen.

[] Gummibärchen, das

Gummibonbon, das wie ein kleiner Bär aussieht

Es gibt Vegetarier und Veganer, die freuen sich, dass die meisten Gummibärchen Gelatine (Kollagen aus Rinder- oder Schweineknochen) enthalten, denn so werden sie nicht verführt, davon Unmengen zu naschen. Auch wenn sie nicht besonders gesund sind, so sind die Fruchtgummibonbons doch (für die meisten Menschen) besonders lecker. Ihren Siegeszug und die Tatsache, dass wir zu praktisch jedem süßen Weichbonbon, auch wenn es gar keinen Bären darstellt, „Bärchen“ sagen, verdanken sie Hans Riegel aus Bonn (Ha-Ri-Bo – spätestens jetzt wissen Sie auch, dass es sich bei dem Firmennamen um ein Akronym handelt). Am 3. April 1893 wurde er bei Bonn geboren, 1920 machte der gelernte Bonbonkocher sich dort selbständig und schuf den ersten Bären. Übrigens statt mit Gelatine noch vegan mit Gummi Arabicum.

[] Fotoshooting, das

Veranstaltung, bei der Fotos für einen bestimmten Zweck (z. B. eine Werbekampagne) gemacht werden

Obwohl die Sonne Leben spendet und uns täglich begleitet, vermeiden wir instinktiv den Blick auf sie. Wer diesen dennoch riskiert, kann erblinden, was eine direkte Beobachtung lange erschwerte. Es waren Galilei und Zeitgenossen, die auf die Idee verfielen, ein Teleskop zum Projizieren eines Sonnenabbilds zu nutzen. Als Louis Daguerre 1839 die nach ihm benannte Daguerreotypie vorstellte, sahen Hippolyte Fizeau und Léon Foucault darin 1845 die Gelegenheit, ein Foto der Sonne aufzunehmen. Mit damaliger Technik dauerte ein normaler „Schnappschuss“ fast eine halbe Minute. Ihnen reichte für ihr Sonnen-Fotoshooting bereits der Bruchteil einer Sekunde, um unseren Stern mit all seinen Flecken auf Platte zu bannen. Die beiden genialen Privatgelehrten gelten seither als Begründer der Astrofotografie.

[] Forschungsprojekt, das

befristetes Vorhaben im Bereich der Forschung

Heute ist ein besonderer Tag, denn das DWDS erhält Zuwachs durch eine weitere Sammlung mündlichen Sprachgebrauchs! Unsere beiden neuen Korpuslinguistik-Fachkräfte Mary Crown und Hans Geher haben in jahrelanger Kleinarbeit mit vielen Selbstversuchen eine Sammlung des sog. Promilledeutschen zusammengestellt, das, wir zitieren aus dem Projektantrag, „Beeinträchtigungen der Performanz von Sprechern unter dem Einfluss verschiedener Betäubungsmittel (besonders Alkohol)“ dokumentiert. Zentrales Thema wird das Spannungsfeld zwischen Ein- und Mehrwortausdrücken (promilledeutsch: „Flur?“, „Eishockey“, „Kanufahren“ = standarddeutsch: „Wie viel Uhr?“, „Alles OK“, „Kann noch fahren“) darstellen. Eine detaillierte Vorstellung dieses Projekts können Sie in unserem aktuellen Blogbeitrag nachlesen.

[] Sternstunde, die

Zeitpunkt, Zeitabschnitt, in dem eine besonders günstige Wendung in einer Angelegenheit erfolgt, sich etw. Entscheidendes, Vorwärtsweisendes ereignet

Es war tatsächlich eine Sternstunde in der Geschichte des deutschen Parlamentarismus. Am 31. März 1848 zogen, begleitet von den Jubelrufen der Frankfurter Bevölkerung, 574 Abgeordnete in die Paulskirche ein. Ihr Auftrag: Vorbereitung zur Wahl einer deutschen Nationalversammlung. Die Aufgaben, denen sich die Parlamentarier in dieser demokratischen Findungsphase gegenübersahen, hätten kaum schwieriger sein können. Liberale, konservative und revolutionäre Konzepte prallten ebenso aufeinander wie unterschiedliche Vorstellungen über die Größe und Grenzen eines demokratischen Deutschlands. Dennoch wurde das Vorparlament seinen Aufgaben letztlich gerecht: Nur wenige Wochen später, am 18. Mai, trat das erste frei gewählte deutsche Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen.

[] Märtyrerin, die

weibliche Person, die aufgrund des von ihr bekannten Glaubens Verfolgungen und meistens den Tod erleiden musste

Wenn man heute außerhalb des Kontexts der römischen Christenverfolgung oder der frühislamischen Geschichte hört, dass jemand zum Märtyrer bzw. zur Märtyrerin geworden ist, denkt man vielleicht an die übertragene (und teilweise fragwürdig übertriebene) Verwendung des Wortes. Doch leider ist es bis heute der Fall, dass Menschen aufgrund ihres Glaubens Opfer von Gewalttätern oder totalitären Staaten werden. Ein Beispiel dafür ist die Wienerin Helene Kafka, die unter ihrem Ordensnamen Maria Restituta bekannt ist: Heute vor 80 Jahren wurde die Krankenschwester, die sich geweigert hatte, vom Gebot der christlichen Nächstenliebe abzuweichen, von den Nationalsozialisten ermordet. 1998 wurde sie seliggesprochen.

[] Blockbuster, der

Filmproduktion mit hohen Einspielergebnissen, hohen Zuschauerzahlen (im Kino, auf Streamingplattformen o. Ä.)

Es gab ihn, den Blockbuster des DDR-Kinos, aus den Studios der DEFA-Filmfabrik. Der Film „Die Legende von Paul und Paula“ füllte die Kassen der Kinos und trug zum Ruhm vieler Beteiligter bei: Da wären Regisseur Heiner Carow, Angelica Domröse als Paula, Winfried Glatzeder als Paul, die Puhdys mit dem, was wir heute „Soundtrack“ nennen, Szenenbildner Harry Leupold. Der schon vorher nicht unbekannte Ulrich Plenzdorf schrieb das Drehbuch dieser Legende mit einem traurigen Ende. Er verfasste im Anschluss auch das Buch zum Film, in dem der Stoff zu einer „Legende vom Glück ohne Ende“ fortgesponnen wurde. Und wenn sie nicht gestorben sind …

[] Amor spielen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, gelegentlich scherzhaft: versuchen, eine Liebesbeziehung zwischen zwei Menschen anzubahnen

Am 28. März 1990 wird in Frankreich der Film „Cyrano de Bergerac“ uraufgeführt, der auf das etwa 100 Jahre ältere gleichnamige Theaterstück von Edmond Rostand zurückgeht. Cyrano, ein Degenfechter, Dichter und Adliger des 17. Jahrhunderts, ist verliebt in seine Cousine Roxane. Aus Angst, sie würde ihn wegen seines ungewöhnlichen Äußeren (namentlich seiner großen Nase) zurückweisen, gesteht er ihr seine Liebe nicht. Stattdessen hilft er seinem Rivalen Christian, sie mit poetischen Briefen für sich zu gewinnen, die Cyrano im Namen von Christian schreibt. Die Figur Cyrano de Bergerac ist zu einem Symbol für romantische Tapferkeit und die Macht der Sprache geworden.

[] Whisky, der

aus Getreidemaische durch Destillation gewonnenes und im Holzfass gereiftes alkoholisches Getränk

Heute ist der Internationale Whisk(e)y-Tag. Wir könnten auch den dritten Samstag im Mai feiern (Welt-Whisky-Tag), oder den 29. Juni (Tag des deutschen Whiskys), oder ein halbes Dutzend anderer Termine. Das Getränk ist offenbar sehr beliebt. Dabei gehört dieser Schnaps wie Koriander oder Lakritze zu den Nahrungsmitteln, an denen sich die Geister scheiden: Die einen schmecken da einfach nur Torf, die anderen (die natürlich auch wissen, was der Unterschied zwischen schottischem Whisky und irischem/amerikanischen Whiskey, Scotch und Bourbon, ist) sind entzückt über die zahlreichen Geschmacksnuancen, die sich besonders durch die jahrelange Lagerung in Eichenfässern ergeben.

[] Trekkie, der

Jargon: Fan, Anhänger der Science-Fiction-Serie »Star Trek«

Selbst diejenigen, die keine Trekkies sind, kennen den Vulkanier Commander Spock aus der Originalserie „Raumschiff Enterprise“ von 1966: logisch denkend, spitze Ohren und ein ikonischer Gruß „Live long and prosper“ (Lebe lang und erfolgreich), zu dem die Hand in einer spezifischen Weise erhoben wird, die es auch zum Emoji geschafft hat: 🖖 – Dieser vulkanische Gruß war im Übrigen eine Improvisation des Schauspielers, Leonard Nimoy (1931–2015), dessen heutiger Geburtstag seit 2017 als „Live long and prosper Day“ begangen wird. Er hatte als Kind eine entsprechende Handhaltung in der Synagoge beobachtet (heimlich, denn eigentlich durfte man nicht aufschauen), es handelt sich um die Segnung „birkat kohanim“.

[] Energiesparen, das

Verringerung des Verbrauchs von Öl, Gas, Kohle, Strom, Fernwärme o. Ä. durch ein wirtschaftlicheres Verhalten und technische Maßnahmen zur Steigerung der Nutzungseffizienz

London, Berlin und Los Angeles – Kornwestheim, Leinefelde-Worbis und Deidesheim: Weltweit sind es Tausende Städte und Gemeinden, die sich 2023 an der heutigen „Earth Hour“ beteiligen. Von 20:30 bis 21:30 Uhr werden dort für eine Stunde die örtlichen Monumente, Denkmäler, Rathäuser nicht mehr angeleuchtet. Die Aktion soll angesichts der Energiekrise und der globalen Erwärmung auf unseren immensen Energieverbrauch aufmerksam machen und zum Energiesparen aufrufen. Die erste Aktion fand am 31. März 2007 in Australien statt. Von 19:30 bis 20:30 Uhr lagen das berühmte Opera House und die Sydney Harbour Bridge im Finstern. Wer heute gerne im Dunkeln munkeln will, kann gerne mitmachen.

[] schlitzohrig, Adj.

listig, durchtrieben auf seinen Vorteil bedacht, geschickt seine Ziele verfolgend

Ideen muss man haben. 1972 wollte der chronisch klamme Bundesligist Eintracht Braunschweig mit einer innovativen Idee die Vereinskasse aufbessern: Das Signet eines bekannten Kräuterlikörproduzenten sollte die Leibchen ihrer Kicker zieren. Das lehnte der DFB entrüstet ab. Der Verein integrierte daraufhin das Markenlogo, einen Hirsch, kurzerhand in das Vereinswappen. Und so konnten die Braunschweiger am 24.3.1973 von den Verbandsbossen zähneknirschend geduldet erstmals in der Geschichte der Bundesliga mit Trikotwerbung auflaufen. Was den Sponsor seinerzeit erfreute, er ließ sich die Aktion gerade einmal 100.000 DM kosten, wäre heute undenkbar, ist doch Werbung für Alkoholika über 15 Vol.-% seit 2014 verboten. Prösterchen!

[] Abräumer, der

Film, der auf unterschiedlichen Filmfestspielen oder in unterschiedlichen Kategorien besonders viele Preise erhalten hat

Man kann darüber streiten, ob Jack auch auf der Tür hätte überleben können. Unbestreitbar ist hingegen, dass „Titanic“ zu den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten zählt. Er führte nicht nur zwölf Jahre lang die Liste der Filme mit den höchsten Einspielergebnissen an, sondern war heute vor 25 Jahren auch der große Gewinner der Oscarverleihung: 14 Mal nominiert, in elf Kategorien gewonnen. Damit hält er gemeinsam mit „Ben Hur“ und „Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“ den Trophäenrekord. Neben dem Preis für den besten Film erhielt Titanic u. a. auch einen Oscar für den besten Filmsong. Unabhängig vom persönlichen Musikgeschmack dürfte „My Heart Will Go On“ spätestens, wenn Céline Dion zum dritten Refrain ansetzt, auch bei den Hartgesottensten Gänsehaut verursachen.

[] Mimodrama, das

von Pantomimen aufgeführtes kleines Drama, dessen Handlung durch Gebärden, Mimik und Tanz erzählt wird

Marcel Marceau war ein Geschichtenerzähler. Er hatte die Fähigkeit, allein mit Händen und Füßen, Haltung und Mimik auszudrücken, was andere auch mit vielen Worten nicht vermögen. Mit diesem Talent wurde Marceau weltberühmt. Bekanntheit erlangte er vor allem als unbeholfener Clown, Monsieur Bip, mit weiß geschminktem Gesicht, gestreiftem Trikot und einer roten Blume am Hut. Mit „Schreien der Stille“, wie er seine pantomimischen Bilder beschrieb, stellte er die „tragische Komik des Daseins“ dar. Seine Kunst war inspiriert von den eigenen Erfahrungen – nicht zuletzt vom Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Heute wäre der Pantomime, der mit der Ausdruckskraft seines Körpers sein Publikum über ein halbes Jahrhundert in seinen Bann zog, 100 Jahre alt geworden.

[] Neologismus, der

lexikalische Einheit (Wort, Redewendung o. Ä.), die neu gebildet wurde und von der Sprachgemeinschaft eine gewisse Zeit lang als neu empfunden wird; neue Bedeutung eines bereits im Wortschatz vorhandenen Wortes

Wie stark unsere Sprache mit unseren Gedanken, aber auch mit Umwelt und Kultur zusammenhängt, können wir am ständigen Wandel des Wortschatzes beobachten. Tritt eine neue Sache auf den Plan, folgt ihr wenig später der entsprechende Neologismus (altgriechisch für ‚neues Wort, neue Rede‘). Die Neuschöpfungen der Corona-Pandemie sind dafür ein gutes Beispiel. Besonders Anglizismen („Lockdown“), Komposita („Hygienedemo“) oder Wörter aus der Fachsprache („Prävalenz“) halten regelmäßig Einzug in unseren allgemeinen Sprachgebrauch. Wer solche Neologismen prägt und warum manche von ihnen im Wörterbuch stehen und manche nicht, können Sie in unserem aktuellen Blogbeitrag nachlesen.

[] seines Glückes Schmied sein, Mehrwortausdruck

für sein Wohlergehen, für Erfolge im Leben selbst verantwortlich sein; das eigene Schicksal beeinflussen, steuern (können)

Alle Menschen wollen glücklich sein. Ein Stück weit können wir unsere Zufriedenheit, unser Wohlbefinden selbst beeinflussen. Dass sich auch die äußeren Umstände darauf auswirken, lässt sich aber nicht leugnen. Die UNO betrachtet sich daher ebenfalls als Glücksschmied. Sie ruft alle Mitgliedstaaten dazu auf, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Streben nach Glück erleichtern. In einer Resolution vom 28. Juni 2012 deklariert sie – die „Notwendigkeit eines inklusiveren, gerechteren und ausgewogeneren Konzepts für Wirtschaftswachstum, das die nachhaltige Entwicklung, die Armutsbeseitigung, das Glück und das Wohlbefinden aller Völker fördert“, anerkennend – den 20. März zum Internationalen Tag des Glücks.

[] jmdm. über die Hutschnur gehen, Mehrwortausdruck

das übliche, akzeptable Maß überschreiten und daher Ärger bei jmdm. erregen

Möchten wir unserem Ärger Luft machen, stellen wir gern idiomatisch die Reißfestigkeit, Wasserdichtigkeit o. Ä. von Textilien auf die Probe. Besonders beliebt ist dabei der Moment, da ein Gewebe einer gewaltigen Belastung unterzogen wird oder eben nicht mehr länger standhält. Nimmt etwa eine Sache überhand, platzt sie quasi aus allen Nähten. Eine kurz vor der Eskalation stehende Situation empfindet man als Zerreißprobe, fühlt sich gar auf den Schlips getreten. Mit steigender Intensität geht uns etwas über die Hutschnur, reißt der Geduldsfaden, platzt uns der Kragen, geht uns das Messer in der Tasche auf. Schließlich entledigen wir uns lästig gewordener Heimtextilien, indem wir das Handtuch werfen, das Tischtuch mit jemandem zerschneiden. Nunmehr aller emotionalen Last entledigt, lassen sich unbeschwert neue Bande knüpfen.

[] Märzgefallene, der oder die

im Zusammenhang mit der Märzrevolution von 1848 bei Kämpfen oder Demonstrationen umgekommener Mensch

Sie bildeten den traurigen Höhepunkt der Märzrevolution von 1848 – die erbitterten, mit erbarmungsloser Brutalität ausgefochtenen Barrikadenkämpfe auf den Straßen Berlins. Ein Trauma, das Beteiligte und Zeugen lebenslang verfolgte: „Ich höre das Donnern der Geschütze, das Krachen der Infanteriesalven, das Splittern der Bohlen, aus denen die Barrikade zusammengefügt ist.“ (August Brass, Journalist) Am Ende stand ein zweifelhafter Kompromiss: Das Militär wird zurückgezogen, die Barrikaden im Gegenzug abgebaut. Der endgültige Erfolg blieb den Revolutionären verwehrt, doch den bis zu 300 umgekommenen unter ihnen hat die Sprache ein Denkmal gesetzt: Die „Märzgefallenen“ haben bis heute ihren festen Platz im Wortschatz.

[] Sehnsucht, die

inniges, schmerzliches Verlangen, Herbeiwünschen

Gelbsucht, Wassersucht, Eifersucht: Verbindungen mit „-sucht“ verheißen selten Gutes. Denn Sucht – verwandt mit „siech“ – steht ursprünglich für Krankheit. Die „Sehnsucht“ aber, also das eigentlich krankhafte Sehnen, wurde schon früh in der galanten Poesie des Barock als schmerzliches Liebesverlangen aufgewertet: „So kan ich länger doch nicht schweigen / Mein hertze nimmt die sehnsucht ein / Es wil sich fast zum tode neigen / Und länger nicht mehr meine seyn.“ Seinen Charme hat sich das altertümliche Wort bis heute bewahrt, selbst im Englischen ist es unter der Bedeutung „wistful longing“ bekannt.

[] Programmpaket, das

Informations- und Telekommunikationstechnik: Menge von Computerprogrammen, die gemeinsam vertrieben und verwendet werden

Er war ein Hacker der ersten Stunde, und genau darum, weil er zunehmende Einschränkungen durch Software-Konzerne erfuhr, wurde er auch zu einem der eifrigsten Verfechter der sogenannten freien Software: Der US-Amerikaner Richard Stallman kämpft seit Jahrzehnten dafür, dass die Nutzenden von Programmen ganz die (theoretische) Kontrolle über diese haben, inklusive der Einsicht in den Quellcode und der Möglichkeit, diesen zu verändern. Als freie Alternative zum proprietären Unix-System gründete Stallman so 1983 das GNU-Projekt, ohne dessen Programme heute kein Linux-System vollständig wäre. Heute wird der Pionier und – gerade in den letzten Jahren auch nicht unumstrittene – Aktivist der freien Software siebzig Jahre alt.

[] Jabot, das

am Halsausschnitt befestigte Krause aus gerüschter Spitze oder gefälteltem Batist

Ruth Bader Ginsburg zählt zu den großen Ikonen im Kampf für die geschlechtliche Gleichberechtigung, nicht zuletzt durch ihre Position als Richterin am Obersten Gerichtshof (Supreme Court) der Vereinigten Staaten. Die Position nahm sie von 1993 bis zu ihrem Tod 2020 ein und war damit die zweite Frau überhaupt in der langen Geschichte des Gerichts. Von Anfang ihrer Karriere an musste sie als Frau, Jüdin und Mutter Diskriminierungserfahrungen machen und setzte sich daher lebenslang für ihr oberstes Ideal ein: gleiches Recht vor dem Gesetz für alle. Heute vor 90 Jahren wurde die notorische, oft mit Jabot anzutreffende Juristin geboren.

[] Kreis, der

in gleicher Entfernung um einen Punkt laufende Linie, deren Punkte alle den gleichen Abstand vom Mittelpunkt haben, geschlossene ebene Kurve

Weil die internationale Datumsschreibweise 3/14 ihren ersten Ziffern 3,14 entspricht, gilt der heutige Tag als Pi-Tag. Die Zahl Pi, die das Verhältnis von Durchmesser zum Kreisumfang beschreibt und nicht durch einen Bruch natürlicher Zahlen darstellbar ist, fasziniert die Menschheit seit der Antike. Versuche, sie immer weiter auszurechnen, finden sich bei den Ägyptern ebenso wie bei Leibniz oder Gauß. Die unendliche Ziffernfolge hat auch zahlreiche Gedächtniskünstler auf den Plan gerufen: Der Rekord liegt bei unglaublichen 70 000 auswendig gelernten Nachkommastellen.

[] Ökumene, die

Bewegung der christlichen Kirchen und Konfessionen zur Einigung in Fragen des Glaubens und zum gemeinsamen Handeln

„Habemus papam“ hieß es vor genau zehn Jahren, am 13. März 2013. Nur geringe Chancen hatte man zuvor dem schon recht alten und gesundheitlich angeschlagenen Jorge Mario Bergoglio aus Argentinien ausgerechnet, doch er erhielt die erforderliche Zweidrittelmehrheit im fünften Wahlgang. Als erster Südamerikaner und als erster Jesuit nahm Papst Franziskus auf dem Stuhl Petri Platz. Nicht selten von den konservativen Kräften der katholischen Kirche kritisiert, wird er von vielen anderen als Erneuerer gefeiert und ist besonders für seine Offenheit, Bescheidenheit und Solidarität sowie sein ökumenisches Engagement und den Einsatz für interreligiösen Dialog generell anerkannt.

[] Astronaut, der

Raumfahrer, besonders als Teilnehmer einer US-amerikanischen Weltraummission oder einer Mission anderer westlicher Länder

Nähme man die Berufswünsche von Kindern für bare Münze, würde die Welt vor Astronauten nur so wimmeln. In der Realität sind es jedoch nur wenige, die diesen anspruchsvollen Beruf ausüben dürfen. Ein Astronaut der ganz frühen Stunde ist Walter Schirra, der heute vor 100 Jahren geboren wurde. Er gehörte zu den „Mercury 7“, den sieben ausgewählten Astronauten des ersten bemannten Raumfahrtprogramms der USA. Doch damit nicht genug: Auch für die folgenden Programme „Gemini“ und „Apollo“ durfte er ans Steuer und ist damit der einzige Astronaut, der an jedem der ersten drei Raumfahrtprogramme der USA beteiligt war.

[] Bösewicht, der

besonders als Rolle des Antagonisten in Filmen, Theaterstücken usw.: böser, unmoralisch handelnder Mensch

Er ist der ewige Widersacher des Guten, kaum ein Hollywoodfilm kommt ohne ihn aus: den „Bösewicht“. Dabei haftet dem Ausdruck, blickt man auf das Grundwort „Wicht“, auch eine ironische bis spöttische Nebenbedeutung an, man denke an den „elenden“ oder den „armen Wicht“. Der „Bösewicht“ selbst ist schon seit dem Althochdeutschen belegt und bezeichnet seither allgemein den Verbrecher oder schlechten Menschen. Bei Luther stand er für den Teufel, bei ungehaltenen Erwachsenen auch für ungezogene Kinder. Im Gegensatz zum „Wicht“ hat es der böse Wicht auch auf eine zusätzliche Pluralform gebracht, wie wir seit Max und Moritz wissen: „‚Her damit!‘ Und in den Trichter / Schüttet er die Bösewichter.“

[] Außenseiter, der

außerhalb oder am Rande der Gesellschaft bzw. einer bestimmten Gruppe lebende Person; eine Person, die bzw. ein Unternehmen, ein Land o. Ä., das nicht Teil einer Gruppe, Verbundes ist und eigene Wege geht, eigene Ziele verfolgt

Die Außenseiter der Gesellschaft und die geistig Heimatlosen waren sein Lebensthema: Jakob Wassermann, der heute vor 150 Jahren geborene, zur Zeit der Weimarer Republik vielgelesene Erfolgsautor war eine moralische Instanz. Von seiner Empathie für die Schwachen, seinem tief empfundenen Humanismus zeugt auch der bis heute aufgelegte Roman „Caspar Hauser oder die Trägheit des Herzens“. Der Sohn eines chronisch erfolglosen Geschäftsmannes und einer schöngeistigen Mutter, die ihrerseits nicht in die Zeit zu passen schienen, sah sich als Jude wachsenden Anfeindungen ausgesetzt. Die Verbrennung seiner Bücher 1933 bedeutete nicht nur die Vernichtung seiner bürgerlichen Existenz, sie zerstörte auch seinen Lebenstraum von einer Gesellschaft, die Rassismus und Spaltung überwindet.

[] Elo-Punkt, der

Schach: Wertungspunkt, den ein Schachspieler nach bestimmten Kriterien für sein Turnierspiel erhält

Man spricht manchmal davon, wie nahe beieinander Genie und Wahnsinn liegen, doch meist ist die Sache weniger dramatisch: Unbestreitbares Talent einer Person in einem Bereich heißt nicht, dass diese auch sonst ein lobenswerter Mensch sein muss. So auch bei Bobby Fischer, der heute vor 80 Jahren in Chicago geboren wurde: Hatte er erst einen unglaublichen Aufstieg in der Schachwelt hingelegt (Internationaler Meister 1957, Großmeister 1958, Weltmeister 1972), machte er seit Mitte der 1970er-Jahre durch exzentrische, xenophobe, misogyne und antisemitische Äußerungen nur noch negative Schlagzeilen, ehe er isoliert 2008 auf Island starb. Bisher unerreicht aber bleibt aber seine Elo-Zahl von 2895 Punkten.

[] Frauenbewegung, die

Bestrebung, (organisierter) Kampf einer größeren Anzahl von Frauen zur Durchsetzung ihrer Gleichberechtigung

In vielen Ländern der Welt ist der 8. März, der Frauentag, ein gesetzlicher Feiertag – seit 2019 auch in Berlin und seit diesem Jahr in Mecklenburg-Vorpommern. Sein Ursprung liegt in der Frauenbewegung des frühen 20. Jahrhunderts. Seit den 1970er-Jahren treten auch die Vereinten Nationen für die Idee eines Tages ein, an dem die Rechte und der Schutz von Mädchen und Frauen im Mittelpunkt stehen. In diesem Jahr trägt er das Motto „DigitALL: Innovation and technology for gender equality“. Es unterstreicht unter anderem, dass die Inklusion von Frauen sowie anderen marginalisierten Gruppen in digitalen und technologischen Bereichen kreativere Lösungen hervorbringt und das Potential für Innovationen steigert, die auch deren Bedürfnissen gerecht werden.

[] Asterisk, der

typografisches Zeichen bzw. Symbol in Form eines fünf- oder sechsstrahligen Symbols (*)

„Daß der Herr von V. ** Charlottens Aufenthalt ausgekundschafft, dero Auslieferung von dem regierenden Landes-Herrn durch unterthänigste Vorstellungen erhalten […]“. In diesem Ausschnitt eines Romans von Johann Gottfried Schnabel aus dem Jahre 1737 übernimmt der Asterisk die Rolle eines Auslassungszeichens, es ist ein Spiel mit dem vermeintlichen Geheimnis, das in vielen Romanen aus dieser Zeit gespielt wird. In seiner weiteren Karriere übernimmt dieses Symbol zahlreiche weitere Funktionen. Es wird unter anderem als Fußnotenzeichen, als Symbol für die Einbeziehung beliebiger Geschlechtsidentitäten (Gender-Sternchen) oder als sprachwissenschaftliche Markierung von erschlossenen, nicht belegten Wortformen sowie für nicht-nummerierte Fußnoten verwendet. Auch als Platzhaltersymbol für eine beliebige Zeichenfolge spielt er eine bedeutende Rolle. Sie lernen ihn in dieser Rolle kennen, wenn Sie die heutige Folge unserer Blogserie zur Abfragesprache des DWDS lesen – da wirkt er wahre Wunder.

[] Theaterleben, das

Lebenszeit oder längere Schaffensperiode, die eine Person (als Schauspieler, Regisseur o. Ä.) auf oder an der Bühne verbracht hat

„Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten! … Gingen wir doch, öfter als die Schuhe die Länder wechselnd Durch die Kriege der Klassen …“ – Die Zeilen von Bertolt Brecht „an die Nachgeborenen“ könnten als Motto über ihrem Leben stehen – Therese Giehse, Kabarettistin und Schauspielerin, Interpretin der Stücke Brechts, aber auch u. a. der Gerhart Hauptmanns und Friedrich Dürrenmatts. Die Flucht vor dem Zugriff der Nationalsozialisten führte sie in die Schweiz, nach Belgien, in die Niederlande, nach Österreich, in die Tschechoslowakei, in die USA. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand die heute vor 125 Jahren Geborene auf den Bühnen von München, Berlin, Salzburg und Wien. Die Bühne, das Theater war ihre wahre Heimat. 1975 starb sie, am Ende eines langen Theaterlebens. Wir, die Nachgeborenen, halten sie in ehrendem Angedenken.

[] Flügel, der

Musikinstrumentenbau: auf drei Beinen stehendes Klavier, dessen horizontal gespannte Saiten in einem waagerechten, aufklappbaren und an die Form eines Vogelflügels erinnernden Resonanzkörper gespannt sind

Nach dem frühen Tod seiner Eltern musste sich der junge Heinrich Steinweg allein durchschlagen. Nach einer Tischlerlehre heuerte er beim Militär an, doch seine eigentliche Leidenschaft galt dem Instrumentenbau. Noch im Feldlager baute er erste Zitherinstrumente, später fertigte er in seiner Waschküche den Prototypen eines „Fortepianos“ an – als Hochzeitsgeschenk für seine Frau. Infolge der Nachwirkungen der Deutschen Revolution emigrierte die Familie nach Amerika, wo er bald seinen Traum verwirklichen konnte. Aus Heinrich Steinweg wurde Henry Steinway und zusammen mit seinen Söhnen gründete er am 5.3.1853 eine Instrumentenwerkstatt. Die Qualität seiner Flügel sprach für sich und so wurde aus dem kleinen Familienbetrieb schnell das prestigeträchtige Luxusunternehmen Steinway & Sons.

[] Depression, die

Wirtschaft: Phase einer stark abgeschwächten (volks-, welt)‍wirtschaftlichen Konjunktur

Als Franklin Delano Roosevelt heute vor 90 Jahren seine erste Amtszeit als US-Präsident antrat, befand sich das Land nach dem Schwarzen Freitag von 1929 immer noch in der größten Wirtschaftskrise seiner Geschichte, der sog. „Great Depression“. Die Antwort des Demokraten auf die Verelendung weiter Bevölkerungskreise in dieser Weltwirtschaftskrise war der „New Deal“, eine Kombination aus Reformen der Sozialversicherung, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Regulierungen. Auch wenn der ökonomische Nutzen der einzelnen Maßnahmen umstritten ist, ist die positive psychologische Wirkung doch unbestritten. Roosevelt wurde auch darum von der dankbaren Bevölkerung rekordmäßige (und heute nicht mehr mögliche) drei Mal wiedergewählt.

[] Biodiversität, die

Vielfalt der biologischen Arten, der genetischen Variation sowie der Ökosysteme

Heute vor 50 Jahren kam es zu einem seltenen Akt der Einigkeit. Nachdem in den vorangegangenen Jahren das Bewusstsein für die negativen Auswirkungen des Handelns mit geschützten Tier- und Pflanzenarten gewachsen war, zogen 183 Länder an einem Strang und setzten mit ihrer Unterschrift des Washingtoner Artenschutzübereinkommens ein Zeichen für die Biodiversität. Anlässlich dieses historischen Ereignisses erklärten die Vereinten Nationen den 3. März zum Tag des Artenschutzes. Dieses Jahr stehen die Menschen und Organisationen im Mittelpunkt, die sich auf lokaler wie globaler Ebene für den Schutz und Erhalt wildlebender Arten einsetzen.

[] aus seinem Herzen keine Mördergrube machen, Mehrwortausdruck

aufrichtig und ehrlich seine (kritische) Meinung äußern, etw. offen sagen, aussprechen; kein Geheimnis aus etw. machen; sich nicht (aus taktischen Gründen) mit einer Äußerung zurückhalten

Wer weder Groll noch Zorn in sich „hineinfrisst“, macht bekanntlich aus seinem Herzen keine Mördergrube. Trotzdem bleibt die Frage, was eine „Mördergrube“ tatsächlich sein könnte. Im Sprichwort gräbt man eine Grube, wenn man jemanden hereinlegen will. Hat die Mördergrube also ein Totschläger ausgeschaufelt? Tatsächlich steht das Grundwort „Grube“ hier nicht für die Erdvertiefung, sondern für die zweite, untergegangene Lesart ‚Höhle‘, wovon auch die Bedeutung ‚Bergwerk‘ abgeleitet ist. Als Jesus in Matthäus 21,13 die Tische der Geldwechsler im Tempel mit den Worten umstößt: „Mein Haus soll ein Bethaus heißen; ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus“, übersetzte Luther „spelunca latronum“ (= Höhle der Räuber) mit der „Mördergrube“, gemeint war im übertragenen Sinn ein unreiner, verrufener Ort.

[] Vestalin, die

Priesterin der römischen Göttin Vesta

Auf dem Forum Romanum brannte im Tempel der Göttin Vesta einst ein ewiges Feuer. Jedes Jahr wurde es am 1. März – dem Neujahrstag nach altrömischem Kalender – von den hochangesehenen vestalischen Priesterinnen in einem besonderen Ritual neu entzündet. Den Rest des Jahres galt es, das heilige Feuer zu hüten. Sollte die Flamme erlöschen, so glaubten die Römer, wäre das ein Zeichen bevorstehenden Unheils. Wenn dies geschah, musste die verantwortliche Vestalin für ihre Nachlässigkeit büßen, um die Götter zu besänftigen: Zur Bestrafung wurde sie durch den Pontifex maximus ausgepeitscht. Den Untergang des Römischen Reichs hat das offenbar nicht verhindert.

[] Chancengleichheit, die

gleiche Perspektive auf Ausbildung, Karriere und gesellschaftlich-soziale Entwicklung unabhängig von sozialer Herkunft, Geschlecht o. Ä.

Im Wintersemester 2022/23 waren etwa 1,48 Millionen Studentinnen an deutschen Hochschulen eingeschrieben, damit machten sie 50,6 Prozent aller Studierenden aus. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts betrug der Frauenanteil dagegen noch quasi null. Obwohl Frauen der Zugang zu universitärer Bildung offiziell verwehrt blieb, studierten sie trotzdem, wenn auch nur als „Hörerinnen“ hinter angelehnten Türen. Eine Vorreiterrolle in Sachen der Frauenbildung nahm das Großherzogtum Baden ein, das am 28. Februar 1900 als erstes Land des Deutschen Reichs per Erlass Frauen den vollen Zugang zu Universitätsstudien ermöglichte. Johanna Kappes war die erste Frau, die sich daraufhin an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg zum Medizinstudium einschrieb.

[] Abfrage, die

das Sammeln von Informationen durch Fragen; das Prüfen von jmds. Kenntnissen durch Fragen

Vielen Schülerinnen und Schülern treibt allein der Gedanke daran den Schweiß auf die Stirn: die meist unangekündigte Abfrage von (nicht) vorhandenem Unterrichtswissen durch die nur scheinbar neugierige Lehrerin – das Ergebnis findet sich dann auf dem Zeugnis. Zum Glück gibt es aber auch andere Arten von Abfragen. So kann man in riesigen, heute überwiegend digitalen Datenbeständen per Abfrage, die gelegentlich auch Anfrage genannt wird, den Wissensdurst und die Neugier stillen. Wie das mit den Korpora des DWDS geht, zeigen wir Ihnen in einer Blogserie. In der heutigen Folge geht es um den Abfrageassistenten, der Sie bei dieser Arbeit unterstützt.

[] Jeans, die

legere Hose aus Denim, einem robusten, typischerweise aus Baumwolle in Köperbindung gefertigten Gewebe

Vom Tellerwäscher zum Millionär – der berühmte amerikanische Traum. Auch wenn ein solcher Aufstieg natürlich ein seltener Fall war, so war er im 19. Jahrhundert in den nach Westen expandierenden Vereinigten Staaten doch viel eher möglich als in Europa. Und so versuchten zahlreiche Einwanderer aus der Alten Welt ihr Glück in den USA, darunter auch der Franke Löb Strauss, der die Goldgräber in Kalifornien mit Kurzwaren und anderen Produkten versorgte. Als der Lette Jākobs Jufess eine Idee hatte, wie man strapazierfähigere Hosen für die Schürfer herstellen könnte, aber kein Kapital besaß, taten sich die beiden mosaischen Glaubensbrüder, die in der Neuen Welt Levi Strausss und Jacob Davis hießen, zusammen. Entstanden war die Jeans, die seitdem ein ungebrochener Verkaufsschlager ist.

[] Hypotaxe, die

Unterordnung eines Satzes unter einen anderen

Wenn es um die Besonderheiten des Deutschen geht, dann ist das ein oder andere Zitat aus Mark Twains großartigem Essay „The Awful German Language“ eigentlich Pflicht. Doch überraschenderweise hat er sich in seinem – so würde man heute sagen – Rant zwar über die zu langen Sätze und besonders die trennbaren Verben unserer Sprache ausgelassen, aber nicht über die Binnenstruktur, die solch lange Parenthesen erst möglich macht: den Schachtelsatz. Wie eine sprachliche Matroschka kann man im Deutschen Nebensatz in Nebensatz einbetten: So kann eine Struktur, die fachsprachlich Hypotaxe heißt und nur durch praktische Gesichtspunkte, wie sie z. B. die Verständlichkeit, weil man sich ja nicht alles merken kann, erfordert, eingeschränkt wird, entstehen. Das ist doch einen Ehrentag wert!

[] Kunstfreiheit, die

das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht auf Freiheit der Kunst, insbesondere auf die Freiheit der künstlerischen Arbeit und die Freiheit, den Inhalt eines Kunstwerks einem Publikum zugänglich zu machen

Als der Rowohlt-Verlag 1981 Klaus Manns Roman „Mephisto“ in der Bundesrepublik herausbrachte, setzte er sich über ein Urteil des Bundesgerichtshofs hinweg, das am 24. Februar 1971 zum Verbot des Werkes geführt hatte. In einem jahrelangen Rechtsstreit war über Kunstfreiheit und Persönlichkeitsschutz Dritter verhandelt worden. Die Romanfigur Hendrik Höfgen, die sich um der Karriere willen mit dem Nationalsozialismus arrangiert, ist eine recht eindeutige (und treffende) Bloßstellung des Schauspielers und Regisseurs Gustaf Gründgens. Die späte Veröffentlichung berief sich auf einen Passus der Urteilsbegründung, in dem in Aussicht gestellt worden war, dass das persönliche Schutzbedürfnis des Verunglimpften dereinst schwinden würde. 1981 erschien der Roman über eine Figur, die für den Aufstieg zu allem bereit ist.

[] Artefakt, das

Archäologie: von Menschen (einer vergangenen Epoche) hergestelltes oder bearbeitetes Objekt als archäologischer Untersuchungsgegenstand

Die Geschichte der Entdeckung der Himmelsscheibe von Nebra liest sich wie ein Krimi. Gefunden wurde das bronzezeitliche Artefakt nicht etwa bei einer archäologischen Grabung, sondern durch zwei Raubgräber, die 1999 ein Waldstück mit einer Sonde nach Wertvollem durchforsteten. Ihre Fundstücke übergaben sie jedoch nicht, wie es das Schatzregal des Denkmalschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vorsieht, dem Land, sondern verkauften sie auf dem Schwarzmarkt und machten sich daher der Fundunterschlagung und Hehlerei strafbar. Nachdem Archäologen Wind von der Sache bekommen hatten, wurde die Polizei informiert und die Hehler konnten am 23.2.2002 bei einer fingierten Übergabe in einem Hotel in Basel festgenommen werden.

[] Aschermittwoch, der

Mittwoch nach dem Ende des Karnevals, an dem die Fastenzeit vor Ostern beginnt

Jedes Jahr am Aschermittwoch ist alles vorbei. Seit über 1500 Jahren! So lange ist es her, dass Papst Gregor der Große (um 540–604) den Beginn der vorösterlichen Fastenzeit – selbstverständlich unter Rückgriff auf die Bibel – auf einen Mittwoch verlegte. Von Aschermittwoch bis zum Vorabend vor Ostern sind es (Sonntage nicht mitgerechnet) 40 Tage, der Zeitraum, den Jesus fastend in der Wüste verbrachte. Bereits zu Gregors Zeit existierte der Brauch, bekennende Sünder zu Beginn der Fastenzeit als Zeichen der Buße mit Asche zu bestreuen. Heute wird in der katholischen und teilweise in der evangelischen Kirche jedem Kirchenbesucher ein Aschekreuz auf die Stirn gezeichnet. Bei der Asche handelt es sich um die verbrannten Überreste der Buchsbaumgestecke von Palmsonntag.

[] ohrenfällig, Adj.

auffällig für die Ohren, sehr deutlich hörbar

Wer Nina Simone hört, hört ihr unbestreitbares musikalisches Talent. Ihr Klavierspiel war virtuos, ihre Stimme elektrisierend. Sie war in der Lage, mit ihren beiden Händen und ihrem Gesang drei separate, aber sich ergänzende Tonfolgen zu realisieren. Scheinbar mühelos bewegte sie sich stilistisch zwischen Jazz, Soul, Blues, Gospel, Folk, R’n’B, Pop und Klassik. Wer Nina Simone hört, hört jedoch auch viel Schmerz und Wut. In einigen Liedern verarbeitete sie ihren Frust über die rassistische Diskriminierung von Afroamerikanern in den USA. Mit Zeilen wie „All I want is equality for my sister, my brother, my people and me“ im Song „Mississippi Goddam“, einem ihrer bekanntesten Protestlieder, wurde sie zu einer wichtigen – sowie wuchtigen – Stimme der Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre.

[] jubilieren, Verb

den Jahrestag einer Gründung oder der Geburt begehen

Der Kölner Karneval feiert sein 200-jähriges Jubiläum. Seit dem Rosenmontag 1823 (damals ein 10. Februar) sind die großen Paraden und Umzüge fester Bestandteil des Brauchtums der Stadt am Rhein. Ob in den Kneipen oder auf den Straßen – der Karneval verbindet Jung und Alt, Arm und Reich, Einheimische und Angereiste aus aller Welt. Das Jubiläum wird natürlich mit einem bunten Programm aus Sitzungen, Konzerten und Umzügen gefeiert. Und sicherlich wird so manches „Alaaf!“ durch die Straßen hallen. In unserem heutigen Blogbeitrag widmen wir uns zum Höhepunkt der fünften Jahreszeit übrigens den beiden wohl bekanntesten Karnevalsrufen „Alaaf“ und „Helau“, ihrer Herkunft und ihrer Verbreitung.

[] Hassverbrechen, das

aus Feindseligkeit oder Vorurteilen gegenüber Menschen anderer Herkunft, Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientierung begangenes Verbrechen an einer oder mehreren Personen

Heute vor drei Jahren verbanden sich bei einem 43-Jährigen in tödlicher Weise eine paranoide Schizophrenie mit einem rechtsextremen, rassistischen Weltbild. Binnen nur zwölf Minuten erschoss der polizeibekannte Mann, ehe er seine Mutter und sich selbst umbrachte, mit legal besessenen Waffen neun Menschen, die ihm nicht „deutsch genug“ aussahen:
  • Kaloyan Velkov
  • Fatih Saraçoğlu
  • Sedat Gürbüz
  • Vili Viorel Păun
  • Gökhan Gültekin
  • Mercedes Kierpacz
  • Ferhat Unvar
  • Said Nesar Hashemi
  • Hamza Kurtović
Bis heute gibt es in Deutschland keine verpflichtende Kontrolle der psychischen Gesundheit für Waffenbesitzer.

[] Aberkennung, die

Recht: rechtsverbindlicher Entzug eines Status bzw. Rechts infolge der Verletzung obligatorischer, diesen Status bzw. dieses Recht konstituierender Voraussetzungen

„Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten“ – mit diesem Merkspruch haben viele zu Schulzeiten die Reihenfolge der Planeten unseres Sonnensystems gelernt. Doch 2006 ging ein Aufschrei durch die Reihen der Hobbyastronomen. Aufgrund eines Beschlusses der Internationalen Astronomischen Union wurde Pluto, dem ehemals neunten Planeten unseres Sonnensystems, sein Planetenstatus aberkannt! Ausgangspunkt dieses Beschlusses war eine Neudefinition des Begriffs „Planet“. Pluto fristet nun weiter als „Zwergplanet“ sein Dasein, was Fans jedoch nicht davon abhält, anlässlich des Datums seiner Entdeckung am 18. Februar 1930, jedes Jahr den Pluto-Tag zu begehen. Als neue Merkhilfe für die Reihenfolge der Planeten gilt nun: „Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel.“

[] Ghostwriter, der

Autor, der im Auftrag einer anderen Person (besonders eines Politikers oder einer anderen bekannten Persönlichkeit) gegen Bezahlung Texte oder Bücher schreibt und nicht als Autor genannt wird

Rund 350 Jahre nach dem Tod des großen Dramatikers Molière schwebt immer noch die Frage im Raum: War er tatsächlich Autor der ihm zugeschriebenen Stücke? Wohl kaum, so lautete lange der Vorwurf einiger Literaturwissenschaftler. Der Mann, der eine große Theatertruppe leitete, als Schauspieler dreimal täglich auf der Bühne stand, hätte schlicht zu wenig Zeit gehabt. Als Ghostwriter im Verdacht stand Dramatikerkollege Pierre Corneille, dessen Wortschatz den Dramen Molières auffällig glich. Ausgerechnet prosaische Rechenpower hat Molière zumindest teilweise rehabilitiert: Mit den Mitteln der Stilometrie konnten Linguisten für die Vers-Komödien stilistische Profile der Dramatiker erzeugen. Es zeigte sich, dass sich die Autoren doch deutlich voneinander unterschieden.

[] Weiberfastnacht, die

meist am Donnerstag vor Fastnacht besonders im Rheinland begangener Feiertag, an dem (verkleidete) Frauen symbolisch die Macht übernehmen und die Straßenumzüge des Karnevals beginnen

Während der Karnevalszeit steht bekanntlich alles kopf. Es ist gesellschaftlich akzeptiert, dass über die Stränge geschlagen wird. Man verspottet Machthaber und lehnt sich, zumindest symbolisch, gegen Obrigkeiten auf. Am heutigen Tag gilt das besonders für einen bestimmten Teil der Bevölkerung: Frauen. Zur sogenannten Weiberfastnacht haben sie das Sagen. Seit Jahrhunderten begehren sie an diesem Tag gegen die Männer auf, überlassen ihnen Haushalt und Kinder, stürmen und besetzen Rathäuser. Wer heute Krawatte trägt, muss damit rechnen, dass sie – analog der Herrschaft des Patriarchats – beschnitten wird. Frauen an der Macht: bis vor gar nicht allzu langer Zeit außerhalb der fünften Jahreszeit kaum vorstellbar und auch heute noch nicht überall selbstverständlich.

[] Dissidentin, die

weibliche Person, deren Ansicht von einer offiziellen (Lehr-)‍Meinung, einer politischen oder staatlichen Ideologie abweicht und die ihre Kritik öffentlich kundtut

Sie war eine streitbare Frau, vom Leben durch zahlreiche Widerstände gehärtet: Jelena Georgijewna Bonner. Als ihre Eltern im Rahmen der Stalinschen Säuberungen verhaftet (und hingerichtet bzw. verbannt) wurden, floh sie zur Großmutter. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie als Sanitäterin verwundet, später wurde sie Kinderärztin und Schriftstellerin. Seit 1972 mit dem Dissidenten und späteren Friedensnobelpreisträger Andrei Sacharow verheiratet, vertrat sie ihn auf internationalem Parkett und erlebte dadurch zahlreiche Repressionen in der UdSSR. Nach der Perestroika blieb sie ihren Idealen treu, gab z. B. ihren Sitz im russischen Menschenrechtsrat aus Protest gegen die Tschetschenien-Politik auf. Heute vor hundert Jahren ist sie in Mary (nun Turkmenistan) zur Welt gekommen.

[] jmdm. Avancen machen, Mehrwortausdruck

gehoben: bei jmdm. Annäherungsversuche machen; jmdm. sein Interesse an einer (sexuellen) Beziehung durch direkte oder indirekte Hinweise signalisieren

Ob mit Blumen, Pralinen oder Schmuck: Es gibt viele Möglichkeiten, der Person, die man begehrt, sein Interesse zu bekunden. Wir könnten an dieser Stelle etwas Kritisches über die Kommerzialisierung des Valentinstags schreiben. Oder wir schlagen einfach vor, einem geliebten Menschen am heutigen Tag zu zeigen, was er Ihnen bedeutet. Wenn wir ehrlich sind, freuen wir uns doch alle über eine wertschätzende Aufmerksamkeit. Diese kann aber auch aus ein paar lieben Worten bestehen. Dafür eignet sich natürlich ebenso jeder andere Kalendertag.

[] Sperenzchen, die

umgangssprachlich, abwertend: unnötige, verzögernde, behindernde Umstände, Schwierigkeiten

Jemand hält Sie durch albernes, kompliziertes Gehabe unnötig auf oder stört Sie dabei, eine Entscheidung zu treffen? Dann könnte Ihnen schon mal ein „Lass doch die Sperenzchen!“ herausrutschen. Das Wort „Sperenzchen“ bzw. „Sperenzien“ geht wahrscheinlich zurück auf mittellat. „sperantia“ ‚Hoffnung‘, soll aber auch mit ‚sich sperren‘ in Zusammenhang stehen. Was hofft Ihr Gegenüber also, mit seiner Störung zu erreichen? Und welche Hoffnung soll in Ihnen geweckt werden? Und apropos Hoffnung und sich sperren: Falls Sie für den morgigen Valentinstag ein Date mit jemandem geplant haben sollten: In unserem aktuellen Blogartikel zeigen wir Ihnen auf, mit welchen Sperenzchen Sie Ihr Gegenüber besser nicht plagen sollten.

[] Wiederholungswahl, die

erneute Wahl, wenn im Wahlprüfungsverfahren eine Wahl ganz oder teilweise für ungültig erklärt wurde

Knapp zweieinhalb Millionen wahlberechtigte Berlinerinnen und Berliner sind heute zur Wahl aufgerufen – wieder einmal. Dass es zu dieser für eine Demokratie äußerst peinlichen Wiederholungswahl kommen musste, „verdankt“ sich einer Anhäufung von Widrigkeiten, Pannen und Versäumnissen. Problematisch war von Anfang die zeitliche Enge: Neben der Wahl zum Bundestag, Abgeordnetenhaus und zur Bezirksverordnetenversammlung sollten die Stimmberechtigten ihr Votum auch zu Volksentscheiden abgeben. Dem standen pandemiebedingt pro Wahllokal nur zwei Kabinen, zu wenige oder falsche Stimmzettel sowie schlecht ausgebildetes Personal gegenüber. Dass an diesem Tag zudem der Berlin-Marathon stattfand, der eine zügige Auslieferung an die (oftmals falsch ausgeschilderten) Wahlbüros erschwerte, war dann nur noch die Spitze des Eisbergs.

[] Notrufnummer, die

Telefonnummer, die man wählen muss, um in einem Notfall die Polizei, die Feuerwehr, den Notarzt, den Rettungsdienst o. Ä. zu rufen

Wer in der Schweiz oder in Österreich Zeuge eines Unfalls wird und über einen telefonischen Notruf den Rettungsdienst verständigt, wählt in der Regel die 114, in Deutschland die 112. Was aber vielen (insbesondere in Deutschland) noch immer nicht bewusst ist: Auch in vielen weiteren Ländern kann mit der Notrufnummer 112 Hilfe herbeigerufen werden. 1991 hatten Kommission und Ministerrat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Einführung der europaweit gültigen Notrufnummer beschlossen und deren Umsetzung penibel überwacht. Doch als man 2008 den Bekanntheitsgrad dieser Nummer ermittelte, wussten in Deutschland gerade einmal 12 Prozent der Befragten Bescheid. Um diesem Missstand abzuhelfen, rief das Europäische Parlament 2009 den 11. Februar als „Europäischen Tag des Notrufs 112“ aus.

[] Dialektik, die

Methode der Erkenntnis, deren Wesen darin besteht, durch Aufdeckung der Widersprüche und deren Überwindung zur Auffindung der Wahrheit zu gelangen

Die Welt steckt voller Widersprüche. Diese sichtbar zu machen, hat sich das „epische“ oder „dialektische“ Theater zum Ziel gesetzt. Das Publikum soll sich nicht mit den Figuren identifizieren, nicht mitfühlen. Stattdessen wird eine Distanz zum Bühnengeschehen geschaffen, indem vor allem Verfremdungseffekte die Illusion von Realität durchbrechen. Auf diese Weise wird das Gezeigte nicht durch einen emotionalen Schleier, sondern nüchtern betrachtet. So will das epische Theater zur kritischen Reflexion des Gesehenen anregen. Mehr noch: Es will dazu animieren, aufgedeckte Missstände zu beseitigen. Bertolt Brecht war der Ansicht, dass es „nicht nur darauf ankommt, die Welt zu interpretieren, sondern sie zu verändern.“ Heute wäre er 125 Jahre alt geworden.

[] Liebesglück, das

Glück, das man empfindet, wenn man verliebt ist, das mit der Erfahrung von Verliebtheit und Liebe verbunden ist

Weder auf der Leinwand noch auf der Bühne kommt es allzu oft vor, dass ein Remake die Originalfassung übertrifft. Doch tatsächlich entpuppt sich eine der erfolgreichsten Operetten Franz Lehárs – „Das Land des Lächelns“ (Uraufführung 1929) – als gelungene Überarbeitung. Die Erstfassung unter dem Titel „Die gelbe Jacke“ hatte bereits am 9.2.1923 Premiere. Für die Neuauflage wurden u. a. mehrere Gesangsstücke und Tänze neu arrangiert, der Plot wurde gestrafft und umgeschrieben. Aus „Duft strömt aus deinem Haar“ wurde die weltberühmte Arie „Dein ist mein ganzes Herz“. Und obsiegt im Original noch die Liebe, verklingt das Finale im „Land des Lächelns“ im Abschiedsschmerz. Unvergessen bleibt der in beiden Fassungen enthaltene Titel „Immer nur lächeln“, kongenial dargeboten von Tenören wie Richard Tauber oder Joseph Schmidt.

[] Philanthrop, der

gehoben: jmd., dessen Denken und Handeln auf individuelle Wohltätigkeit und (finanzielle) Unterstützung des Gemeinwohls ausgerichtet ist

Die Pfadfinderbewegung verbreitete sich seit ihrer Gründung durch Robert Baden-Powell in England 1907 stetig, doch in Amerika gab es noch kein vergleichbares Pendant. Ändern sollte sich dies ausgerechnet durch einen Multimillionär und Unternehmer. Der Amerikaner William D. Boyce konnte in der Verlagswirtschaft ein beträchtliches Vermögen anhäufen. Nachdem er allerdings bald bemerkt hatte, dass Geld nicht alles ist, wandte er sich philantropischeren Unternehmungen zu, unternahm Expeditionen und reiste. Auf einer dieser Reisen traf er – der Legende nach – auf einen britischen Pfadfinder, der ihm im dichten Londoner Nebel den rechten Weg wies. Am 8.2.1910 gründete Boyce die „Boy Scouts of America“.

[] Zubringer, der

Verkehrsmittel, das Fahrgäste an einen bestimmten Ort bringt, von dem sie mit einem anderen Verkehrsmittel weiterbefördert werden

Wenn man am Berliner Hauptbahnhof einen Aufzug braucht, muss man viel Zeit mitbringen. Das ist aber nichts im Vergleich zu den Umständen, die ein Zugwechsel in Berlin um 1871 mit sich brachte. Da es in der schnell wachsenden Hauptstadt des neuen Deutschen Reiches acht miteinander nicht verbundene Kopfbahnhöfe gab, musste man sich zwischen ihnen per Kutsche bewegen, um umzusteigen, sofern man nicht die problembehaftete sog. Verbindungsbahn nutzen konnte. Als schnelle Verbindung der wichtigsten Bahnhöfe wurde daher ab 1872 die vierspurige Stadtbahn geplant und nach langer Bauzeit (man musste z. B. den alten Festungsgraben zuschütten, um Platz zu gewinnen) am 6. Februar 1882 in Betrieb genommen. Sie ist heute das Herzstück der Berliner S-Bahn.

[] Jamaikaner, der

Einwohner Jamaikas; jmd., der die jamaikanische Staatsbürgerschaft besitzt; jmd., der (ursprünglich) aus Jamaika stammt

Der 6. Februar 1945 sollte einen bedeutenden Einfluss auf die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts haben. An diesem Tag wurde Robert Nesta Marley, kurz Bob Marley, einer der bekanntesten Jamaikaner, geboren. Als Mitbegründer des Reggae und als Friedensaktivist prägte er seine und folgende Generationen. Marley war Anhänger der Rastafari-Bewegung und ein starker Befürworter des Panafrikanismus, er nutzte seine Musik, um gegen Ungerechtigkeit und Diskriminierung zu protestieren. Sein Lied „Get Up, Stand Up“ wurde zu einer Hymne der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Im Alter von nur 36 Jahren starb Bob Marley an Hautkrebs.

[] Baaldiener, der

Götzendiener, besonders für den Gott Baal

Heute vor exakt 2169 Jahren fiel Karthago, verteidigt vom Feldherren Hasdrubal, nach langer Belagerung durch den jüngeren Scipio Africanus. Die ursprünglich phönizische Kolonie, die lange Zeit mit Rom um die Vorherrschaft im westlichen Mittelmeerraum gerungen und es unter Hannibal an den Rand der Niederlage gebracht hatte, war 146 v. Chr. nur noch ein Schatten ihrer selbst gewesen. Doch bis zuletzt hatte sich dort das levantinische Kulturerbe erhalten. Dies zeigen die genannten Eigennamen, die nach typisch semitischem Muster gebildeten Hasdrubal (’zr-bʿl „meine Hilfe ist Baal“) und Hannibal (ḥn-bʿl „Baal ist gnädig“), theophore Namen mit dem phönizischen Hauptgott, den wir durch die ihm gegenüber natürlich nicht neutral eingestellte Bibel bis heute kennen (auch etwas entstellt im „Beelzebub“).

[] Versorgungslücke, die

Mangel, Defizit in der ärztlichen, pflegerischen Versorgung

„Versorgungslücken schließen“ ist das Motto des diesjährigen Weltkrebstages. Damit weisen die teilnehmenden Organisationen auf die Ungleichheit hin, die in der Krebsvorsorge und -behandlung weltweit herrscht. Sozioökonomischer Status, Wohnort, aber auch Diskriminierung sind einige der Einflussfaktoren, wegen denen Menschen oft nicht die benötigte Behandlung bekommen können. In Deutschland haben besonders Menschen, die auf dem Land leben, aber auch Einkommensschwache Nachteile, was die onkologische Versorgung betrifft. Zudem sind während der Corona-Pandemie Maßnahmen zur Prävention und Früherkennung weniger als zuvor genutzt worden. Auch diese Lücke muss geschlossen werden.

[] Ikone, die

[übertragen] (von der Allgemeinheit oder von einer bestimmten Anhängerschaft verehrte) Person oder Sache, die den Zeitgeist, bestimmte Werte, eine Kunstrichtung o. Ä. in herausragender Weise verkörpert

Wie unzählige andere weiße US-Teenager entdeckte auch Charles Hardin Holley in den frühen Nachkriegsjahren den Blues. Als Buddy Holly wurde er zu einem der prägendsten Musiker, zu einer Ikone des Rock’n’Roll. Seine Titel komponierte der bekennende Brillenträger mit dem unverwechselbaren Gesangsstil selbst, das Tonstudio verstand er als Experimentierfeld. Als einer der ersten Musiker trat er mit seiner Band in der späteren Standardformation des Rock auf – bestehend aus Lead- und Rhythmusgitarre, Bass und Schlagzeug. Vertreter nachfolgender Musikergenerationen, u. a. die Beatles oder Bob Dylan, beriefen und berufen sich bis heute auf Buddy Holly als Inspirationsquelle. Am 3. Februar 1959 verunglückte der Musiker bei einem Flugzeugabsturz tödlich.

[] Annus horribilis, Mehrwortausdruck

(‚schreckliches Jahr‘) meist im Rückblick: Jahr, in dem (meist) mehrere furchtbare Vorkommnisse eintraten

Seuchen, Hungersnöte, Naturkatastrophen: Die Chronisten der römischen Antike und des europäischen Mittelalters hätten wohl reichlich Gelegenheit gehabt, von einem „Annus horribilis“ (‚schrecklichen Jahr‘) zu berichten. Und dennoch wurde die neulateinische Fügung „Annus horribilis“ erst im 20. Jahrhundert allgemein geläufig. Verantwortlich für den Popularitätsschub war keine Geringere als Queen Elizabeth II. 1992 hatten sich im englischen Königshaus die Skandälchen, Seitensprünge, peinlichen Buchveröffentlichungen, mit denen die Royals die Öffentlichkeit regelmäßig erfreuen, derart gehäuft, dass die Königin anlässlich ihres Thronjubiläums ein Jahrzehnt später dieses Jahr 1992 rückblickend als „Annus horribilis“ brandmarkte.

[] Raumfähre, die

bemanntes Raumschiff, das auf Himmelskörpern landen kann und oft für den wiederholten Einsatz geeignet ist

Heute vor 20 Jahren endete die 28. Mission der Raumfähre „Columbia“ in einer Tragödie. Bei der Rückkehr zur Erde zerbrach das Shuttle in ca. 61 Kilometern Höhe über Texas, alle sieben Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben. Nachfolgende Untersuchungen ergaben, dass es bereits beim Start rund zwei Wochen zuvor zu einer Beschädigung des Hitzeschutzes gekommen war. Die enormen Temperaturen während des Wiedereintritts beschädigten schließlich das Innere des Shuttles und führten zu seinem Absturz. Das Unglück führte zu einer Überprüfung der Raumfahrt-Sicherheitsstandards und einer mehrjährigen Pause im Spaceshuttle-Programm der NASA.

[] Telefonzelle, die

freistehende Kabine mit einem Telefon zur öffentlichen (zahlungspflichtigen) Benutzung

Früher gehörten sie zum Straßenbild und zur selbstverständlichen Infrastruktur: die Telefonhäuschen, auch Telefonzellen oder -kabinen genannt. Doch der Siegeszug der Mobiltelefone nach 1990 machte ihnen den Garaus. Schon massenhaft abgebaut, umgewidmet (z. B. zu Bücherboxen) oder durch wandlose Säulen ersetzt, gehen die fest installierten Telefone heute ganz außer Dienst. Vor einem Monat war schon die Ära des Telegramms zu Ende gegangen. Gut 3000 davon wurden am letzten Tag verschickt; wenn Sie also heute die Gelegenheit nutzen wollen, jemanden per amtsdeutsch „öffentlichen Münzfernsprecher“ anzurufen, dann machen Sie sich schnell auf die Suche nach einem der verbliebenen Exemplare. Münzen brauchen Sie aber nicht mitnehmen, die Bargeldfunktion ist schon letztes Jahr abgeschaltet worden.

[] sichere Bank, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: etw. (ein Projekt, Vorhaben o. Ä.) mit erwartbarem (wünschenswerten) Ausgang; etwas Verlässliches

„‚Nicht aus dem Knick kommen‘?! Sowas sagt doch niemand, es muss richtig heißen ‚Ich komm nicht aus dem Quark.‘!“ Solche oder ähnliche Dispute haben wohl schon in so manchen deutschsprachigen Haushalten und Arbeitsstätten stattgefunden. Bevor Sie selbst allzu lauthals mit einer sprachbezogenen Behauptung vorpreschen, empfehlen wir Ihnen, auf die sichere Bank zu setzen und einmal nachzuschlagen. In unserem Quark-Knick-Fall müssten Sie dann anerkennen, dass beide Ausdrücke ähnlich frequent, nur eben regional verschieden verteilt sind. Als verlässliche Nachschlagemöglichkeit könnten Ihnen unsere Korpora dienen, deren Vorzüge und Funktionen wir in einer kleinen Serie auf unserem Blog vorstellen.

[] Rhythmus, der

Gliederung der Sprachbewegung durch Wechsel und Abstufung der aufeinander bezogenen betonten und unbetonten Silben, Pausen, Tempostufen und Tonstufen, durch Intonation und Sprachmelodie

„Once upon a midnight dreary, while I pondered weak and weary“ – „Einst um eine Mittnacht graulich, da ich trübe sann und traulich“: Es hat schon eine gewisse innere Logik, dass ein Autor, der die Anfangsbuchstaben der Poesie im Nachnamen trägt, das Gedicht des Jahrhunderts verfasste: Am 29. Januar 1845 veröffentlichte Edgar Allan Poe „The Raven“ – die Ballade, deren effektvoll ausgemalte düstere Szenerie und hypnotischer Sprachrhythmus bis heute Illustratorinnen und Rezitatoren in ihren Bann schlägt. Nicht genug damit: Poe höchstselbst erläuterte in einem Essay den mit ingenieurhafter Präzision konstruierten Sprachbau, dessen unzählige End- und Binnenreime wie ein Brennglas auf das eine düstere Wort hin fokussieren: „nevermore“ – nimmermehr.

[] skandalumwittert, Adj.

den Ruf habend, Skandale zu verursachen; regelmäßig an Skandalen beteiligt

So offen wie keine vor ihr schrieb sie über die Sexualität junger Frauen. Sidonie-Gabrielle Claudine Colette, Autorin der von der katholischen Kirche indizierten „Claudine“-Romane, wollte sich nichts verbieten lassen. Sie sorgte in freizügigen Kostümen im Varieté tanzend für Furore und schockierte mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen die feine Pariser Gesellschaft. Die Skandalfrau der Belle Époque – später einfach Colette genannt – verfasste im Laufe ihres unkonventionellen Lebens zahlreiche Werke, betätigte sich als Journalistin und fand schließlich Anerkennung in den von Männern dominierten Schriftstellerkreisen Frankreichs. Nach ihrem Tod 1954 erhielt sie sogar als erste Frau ein feierliches Staatsbegräbnis. Heute wäre die Grande Dame der französischen Literatur 150 Jahre alt.

[] Backe, die

beidseitiger, zwischen Nase, Jochbein und Unterkiefer befindlicher Teil des Gesichts; Gesäßhälfte

Auch wenn ein übles Schimpfwort das menschliche Gesicht mit dem verlängerten Rücken gleichsetzt und auch wenn Wange und Po als rundliche Erhebungen äußerlich eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen: „Backe“ ist nicht gleich „Backe“, etymologisch sind sie jedenfalls nicht verwandt. So ist das vermeintliche Femininum „Backe“ (= Wange) ursprünglich ein Maskulinum, nämlich „der Backen“, wie es noch in der ursprünglichen Form „Kinnbacken“ (aus ahdt. „kinibacko“) erhalten ist. Dagegen stellt „Backe“ in der Bedeutung ‚Gesäßhälfte‘ eine Ableitung zu ahdt. „bahho“ (= Rücken, Schinken, Speckseite) dar, das allerdings ebenfalls maskulin war.

[] blechen, Verb

salopp: Geld bezahlen

„Wer auf die lippen küßt, muß zwanzig thaler blechen“, heißt es in den vermischten Gedichten des schlesischen Dichters Daniel Stoppe aus dem Jahre 1735. Seine Preisliste fürs Knutschen liefert, ebenso unromantisch, einen der frühesten Belege für die Lesart „zahlen“ von „blechen“, die sich Anfang des 18. Jh. in der Studentensprache etablierte. Das Blech (von germ. *blek- ‚glänzen‘) bezeichnete ursprünglich vor allem dünne Scheiben sehr wertvollen Metalls, vor allem aus Gold- oder Kupfer. Ahd. „bleh“ ist daher auch die ‚geprägte kleinere Goldmünze‘.

[] Publikumsschwund, der

(allmählich) abnehmende Publikumszahlen (für eine Veranstaltung, Fernsehsendung o. Ä.)

Der Bandauftritt in einem Augsburger Tanzclub im Dezember 1963 war wohl der entscheidende Kick-off für die musikalische Karriere des damals 20-jährigen Gerhard Höllerich. Bald darauf wurde er von einem Musikproduzenten entdeckt und erhielt einen Solo-Plattenvertrag. Den großen Durchbruch erreichte Höllerich 1966 unter seinem Künstlernamen Roy Black mit dem Titel „Ganz in Weiß“. Mit seinem Image, Musikstil und den Rollen in flotten Kinokomödien und Musikfilmen traf er den Zeitgeist, doch bereits Mitte der 1970er Jahre erlebte Roy einen merklichen Karriereknick. Nichtsdestotrotz blieb er dem Showbusiness treu, spätestens in der Rolle eines Hotelbesitzers in der TV-Serie „Ein Schloss am Wörthersee“ ritt Roy noch einmal auf einer Welle des Erfolgs. Heute wäre der Unterhaltungskünstler 80 Jahre alt geworden.

[] des Wahnsinns fette Beute, Mehrwortausdruck

nicht bei klarem Verstand; verrückt, wahnsinnig

Gewaltherrscher leiden häufiger unter einer verzerrten Wahrnehmung, die sich zum kompletten Realitätsverlust steigern kann. Ein typisches Opfer dieses als Caesarenwahnsinn bezeichneten Geisteszustands war der römische Imperator Caligula, ermordet am 24. Januar 41 n. Chr. Rund 1880 Jahre später nutzte Ludwig Quidde dessen Biografie für eine der raffiniertesten Majestätsbeleidigungen in der Geschichte der Publizistik: In einer akkurat quellenbasierten Abhandlung (1884) schilderte Quidde den narzisstischen Despoten in seinem martialischen Auftreten, seinem Hang zu theatralischen Verkleidungen und größenwahnsinnigen Flottenprojekten. Gemeint war niemand anderes als der Deutsche Kaiser Wilhelm II., auf den jede Zuschreibung passte. Die kleine, vielfach belachte Schrift erlebte 30 Auflagen.

[] Stimmzettel, der

Formular für die Stimmabgabe bei einer Wahl, einem Bürgerentscheid, einem Bürgerbegehren o. Ä.

Am 23. Januar 1986 wurde es in Cleveland (Ohio) feierlich: Die Rock & Roll Hall of Fame nahm ihre ersten zehn Rocklegenden auf, darunter Elvis Presley, Chuck Berry und Ray Charles. Seither werden jährlich Musikschaffende nominiert, die seit wenigstens 25 Jahren „auf dem Markt“ sind. Über die Aufnahme in die Rock Hall entscheiden dann mehr als tausend Expertinnen und Experten via Stimmzettel und berücksichtigen dabei Kriterien wie handwerkliche Klasse, Innovation und Einfluss auf die Musikwelt – nicht mehr nur auf die des Rock. So hätten auch dieses Jahr neben Billy Idol und Iron Maiden Acts wie A Tribe Called Quest und George Michael eine Chance.

[] Hase, der

größeres wildlebendes Nagetier mit langen Ohren, Stummelschwanz und bräunlichem Fell, das sich von Pflanzen nährt, äußerst schnell ist und als furchtsam gilt

Frohes Neues! Wie bitte, sind wir damit nicht etwas spät dran? Nicht nach dem chinesischen Lunisolarkalender, dessen Neujahr auf den zweiten Neumond nach der Wintersonnenwende fällt. Jedem Jahr wird dabei eines der 12 Tierkreiszeichen zugeordnet, die wiederum einem der fünf Elemente zugeordnet werden, sodass sich ein 60-Jahres-Zyklus ergibt. In China ist das Neujahrs- oder auch Frühlingsfest der bedeutendste Feiertag, zu dem regelmäßig hunderte Millionen Menschen zu ihren Verwandten reisen. Die Feierlichkeiten dauern – je nach Resturlaub – bis zu zwei Wochen an. Nachdem wir gestern das Jahr des Wasser-Tigers ausgeläutet haben, beginnt heute das Jahr des Wasser-Hasen.

[] Sprachtod, der

Verlöschen des Gebrauchs einer Sprache durch Tod der Sprecher oder deren Wechsel in eine andere Sprache

Heute vor fünfzehn Jahren starb in Alaska Marie Smith Jones. Eigentlich hieß sie Udach' Kuqax*a'a'ch, in ihrer Erstsprache „Klang, der die Menschen von weit her ruft“. Mit ihr starb auch diese Sprache, dAXunhyuuga (Fremdbezeichnung „Eyak“), ein Idiom aus der weit verbreiteten Na-Dené-Sprachgruppe, aus, denn sie war die letzte ihrer Muttersprachler. Sprachentod vollzieht sich meist aber auf eine andere, schleichende Weise: Durch Wechsel in eine andere Sprache, die mehr Prestige hat, mehr Inhalte oder bessere Aufstiegschancen bietet – erst wird sie zur dominierenden Sprache unter Erwachsenen, dann wird sie auch Erstsprache der Kinder. Doch Eyak ist nicht ganz verschwunden – es wird wieder gelernt. Vielleicht gelingt ja einmal eine Wiederbelebung, wie im Fall des Neuhebräischen.

[] Kältebus, der

(ehrenamtliches) Hilfsangebot in Form eines (Klein-)‍Busses, der in der kalten Jahreszeit abends bzw. nachts durch eine Stadt fährt und obdachlose Menschen aufsucht, um diese unter anderem mit warmen Getränken und Schlafsäcken zu versorgen oder um sie bei Bedarf in Notunterkünfte zu bringen

Zwar werden die Winter immer wärmer, dennoch sacken die Temperaturen zwischen November und März vielerorts in Deutschland nachts regelmäßig unter die Nullgradgrenze – für Wohnungslose eine lebensgefährliche Situation. In vielen Städten gibt es Notübernachtungen, doch nicht jeder ist in der Lage, eine solche selbstständig zu erreichen. Vor 29 Jahren erlitt ein Mensch in Berlin in dieser Situation den Kältetod. Für die Berliner Stadtmission war dieses tragische Ereignis der Anlass, ihren ersten Kältebus auf den Weg zu bringen. Er sowie vergleichbare Gefährte in anderen Städten haben seither schon vielen Menschen in Not das Leben gerettet. Auch Sie können helfen, wenn Sie einer hilflosen obdachlosen Person begegnen, indem Sie mit deren Einverständnis den Kältebus rufen.

[] Nachwuchstalent, das

ein junger, zum Nachwuchs gehörender Mensch, der aufgrund einer besonderen Begabung als (künftiges) Talent in einem bestimmten Bereich gilt

Es ist ein Fest des klassischen und modernen Tanzes, der künstlerischen Ausdruckskraft des menschlichen Körpers. Doch der jährlich stattfindende Tanzwettbewerb Prix de Lausanne, der erstmals am 19. Januar 1973 stattfand, ist weit mehr als das. Er richtet sich nicht an professionelle Tänzerinnen, auch nicht an Absolventen der großen Ballettschulen, vielmehr an den Nachwuchs. Bewerben dürfen sich nur Tanzstudierende im Alter zwischen 15 und 18 Jahren, die so Gelegenheit haben, in solistischen Choreografien ihr Können zu beweisen und auf weitere Förderung hoffen dürfen. Auch wenn am Ende Sieger gekürt werden, steht nicht der Wettbewerb im Mittelpunkt. Klatschen im Publikum ist verboten, und wenn die Leistung nicht stimmt, wird auch mal keine Goldmedaille vergeben.

[] Thesaurus, der

Sammlung (besonders als Wörterbuch) mit thematisch geordnetem Inhalt und möglichst umfassender Behandlung eines Themas

„Verwende das richtige Wort, nicht dessen Cousin zweiten Grades“, lautet eine der Regeln Mark Twains. Klingt simpel. Wer jedoch nicht das schriftstellerische Genie eines Mark Twain besitzt, kann sich bei der Suche nach dem richtigen Wort zum Beispiel mit einem linguistischen Thesaurus behelfen. Solche Thesauri sind als Sammlungen sinnverwandter Wörter wahre Fundgruben für uninspirierte Schreibende. In den USA wird dem Thesaurus sogar ein eigener Tag, der 18. Januar, gewidmet. Er fällt auf den Geburtstag des britischen Arztes und Lexikografen Peter Mark Roget. Sein 1852 erschienenes Werk „Thesaurus of English Words and Phrases“, besser bekannt als „Roget’s Thesaurus“, gilt als eines der bedeutendsten seiner Art.

[] Expedition, die

Forschungsreise (in unbekannte Gebiete)

Zu sehen gab es außer Eisbergen und -schollen wenig. Dennoch markiert der 17. Januar 1773 ein wichtiges Datum auf der zweiten Südseeexpedition (1772–1775) des Seefahrers und Entdeckers James Cook. Denn wie Cook seiner Mannschaft mitteilte, waren „sie das erste und einzige Schiff“, das den südlichen Polarkreis überquerte. Dass der bedeutende Kartograf auf diesem Abschnitt seiner Reise nichts vorfand, kann durchaus als Entdeckung gewertet werden, schließlich hatten andere an diesen Positionen hartnäckig einen geheimnisvollen Südkontinent postuliert. Die Mannschaft ihrerseits war über das viele Eis nicht unglücklich. Eis bedeutete kostbares Frischwasser und bot nicht zuletzt die Gelegenheit, endlich wieder Wäsche zu waschen.

[] Lexikografie, die

wissenschaftliche, kulturelle Praxis, die die Erstellung bzw. Zusammenstellung von Nachschlagewerken und digitalen Informationssystemen, vor allem von Wörterbüchern und Lexika, zum Gegenstand hat

Vor gut vier Jahren hat das Zentrum für digitale Lexikographie der deutschen Sprache seine Arbeit aufgenommen. Tagtäglich arbeiten hier Kolleginnen und Kollegen aus der Lexikographie, der IT, der Korpus- und Computerlinguistik daran, die digitalen Wörterbücher (z. B. DWDS, Wortgeschichte digital) zu erweitern, Einträge zu redigieren und diese mit zahlreichen Sprachzeugnissen zu belegen. Heutzutage ist dabei die digitale Infrastruktur unerlässlich. Die eigentliche Revolution für die lexikografische Praxis brachte – noch zu Zeiten der Brüder Grimm – allerdings ein kleines, oft verkanntes Stück Papier: der Zettel. Mit diesem unscheinbaren Schriftmedium beginnt die moderne Lexikografie. Warum, erfahren Sie in unserem Blogartikel.

[] Inklusion, die

gleichberechtigte (und selbstbestimmte) Teilhabe aller (insbesondere von Menschen mit Behinderungen, von Einwanderern o. Ä.) am gesellschaftlichen Leben, am gemeinsamen Schulunterricht o. Ä. (durch Schaffung entsprechender institutioneller und alltagspraktischer Voraussetzungen)

Bereits während des Ersten Weltkriegs setzte sich Betty Hirsch, geboren am 15.01.1873 und im Jugendalter selbst an den Folgen eines Unfalls erblindet, als Lehrkraft und später Leiterin einer Blindenfachschule für die berufliche Wiedereingliederung blinder Kriegsversehrter ein. In ihrem Bestreben wirkte sie nicht nur auf Behörden und Betriebe ein, sehbeeinträchtigte und blinde Menschen einzustellen, auch forderte sie, Arbeitsplätze an deren besondere Bedürfnisse anzupassen. Von den Nationalsozialisten ins Exil getrieben, kehrte Hirsch 1947 nach Deutschland zurück und setzte ihren Kampf fort. Heute sind verschiedene inklusive Einrichtungen nach ihr benannt, z. B. sonderpädagogische Schulen oder speziell ausgestattete Leseräume bzw. Blindenbibliotheken.

[] Direktübertragung, die

Rundfunk- oder Fernsehsendung, die unmittelbar (live) vom Ort der Aufnahme gesendet wird

Heute sind sie aus der Medienwelt nicht wegzudenken: Liveübertragungen, im Fernsehen mit dem Zeichen „live“ in einer Ecke markiert oder mittlerweile natürlich als Livestream im Internet. Waren es früher wichtige Sportereignisse oder sich überschlagende politische Ereignisse, die zeitgleich in die ganze Welt gesendet wurden, kann man heute z. B. auch diversen Vögeln beim Brüten oder einer Glühbirne beim Leuchten zuschauen. Die erste Liveübertragung eines Konzerts via Satellit fand genau heute vor 50 Jahren am 14. Januar 1973 statt, und auf der Bühne stand niemand Geringeres als der King Elvis Presley.

[] Kicker, der

Fußballspieler, Fußballer

Als Mutterland des Fußballs gilt bekanntlich England: 1863 legte die neu gegründete Football Association erstmals ein umfassendes Regelwerk vor. Schon ein Jahrzehnt später kämpften in Deutschland zwei Schülermannschaften nach britischen Regeln um die Lederkugel – und riefen alsbald Sprachpuristen auf den Plan. Der Gymnasiallehrer Konrad Koch, der das Spiel selbst eingeführt hatte, legte 1903 eine Übersetzungsliste vor: So wurde „Goal“ erst zu „Mal“ und später zu „Tor“ verdeutscht, „corner“ zu „Ecke“ usw. Das „Kicken“ (von engl. „to kick“) ließen sich die Spieler jedoch nicht verleiden. Weder mussten sich die Stuttgarter Kickers (gegr. 1899) noch die Zeitschrift „kicker“ (1920) umbenennen. Deren Gründer, der Schweizer Walther Bensemann, wurde übrigens heute vor 150 Jahren geboren.

[] Staatswappen, das

staatliches Hoheitszeichen

Dass es in der ganzen Welt kein vergleichbares nationales Wappenzeichen gebe, betonte bereits 1918 die Zeitung „Dnipro“ über den Trysub, eine Art Dreizack, der als Kleines Staatssymbol der Volksrepublik Ukraine von Wassyl Krytschewskyj entworfen worden war. Krytschewskyj, der nach gregorianischem Kalender am 12. Januar 1873 geboren wurde, war dazu persönlich vom ersten Präsidenten der Ukrainischen Volksrepublik Mychajlo Hruschewskyj beauftragt worden. Sein Entwurf basiert auf einem Symbol, das bereits im 10. Jahrhundert auf Münzen geprägt wurde und dessen Ursprünge wohl auf die Kiewer Rus verweisen. In der Sowjetunion verboten, von ultranationalistischen, rechtsextremen u. a. Bewegungen missbraucht, steht der Trysub heute symbolisch für den Freiheitswillen der ukrainischen Bevölkerung.

[] Groschenheft, das

veraltend, meist abwertend: Heft mit billigem, romanartigem Inhalt

Sie heißen Groschenhefte, Pulp(-Magazine), Bahnhofs- oder gar Schundliteratur: Schnell geschriebene, billige (sowohl in Bezug auf den Verkaufspreis als auch den Schreib- und Druckaufwand) Geschichten mit ansprechenden, nicht zu anspruchsvollen Sujets, die man vielleicht auf einer Zugfahrt liest und dann wegwirft. Die Namen der Verfasser merkt man sich nicht, oft sind es eh Pseudonyme, denn diese Art literarisches Machwerk ist nicht prestigeträchtig. Doch dieses Bild wird weder einzelnen Werken noch einzelnen Autoren gerecht, denn oft finden sich unter dem Flitter auch echte Goldstücke. So verfasste Jerome Bixby, der heute vor hundert Jahren in Kalifornien geboren wurde, neben Pulps auch anspruchsvolle Drehbücher, z. B. für Raumschiff Enterprise die legendäre Folge vom Spiegeluniversum oder für den Science-Fiction-Klassiker „Die phantastische Reise“.

[] Nudelvers, der

Teil einer Dichtung, bei der zwei Sprachen ineinander verwoben werden

Die Beherrschung von Deutsch und Latein war früher selbstverständlich für die bürokratische Elite in deutschen Landen, so auch im 17. und 18. Jahrhundert am Reichskammergericht in Wetzlar. Franz Callenbach, geboren am 10. Januar 1663, war dort zeitweise als Erzieher der katholischen Mitglieder des Gerichts angestellt. Über die schlimmen Zustände an diesem Gericht machte sich sogar späterhin Goethe lustig. Franz Callenbach veranlassten sie dazu, acht satirische Komödien auf diese Institution und ihre Mitglieder zu verfassen, die reißenden Absatz fanden (Leseprobe). Die Komödien waren in einer Mischung aus lateinischen und deutschen Passagen verfasst, was damals so üblich war, dass das Genre einen eigenen Namen hatte: makkaronische Dichtung oder Nudelvers. Wer mag bestreiten, dass auch unsere heutigen (Kammer-)Gerichte einen solchen Dichter verdient hätten?

[] zweideutig, Adj.

zwei Deutungen zulassend

Nicht nur die Sprachphilosophen der frühen Neuzeit wie Dalgarno, Wilkins und Leibniz träumten von einer (ein-)eindeutigen Sprache, auch heute wünscht man sich manchmal, unsere Idiome wären weniger reich an Zweideutigkeiten (z. B. wenn einem die Bahn wünscht, das Leben „in vollen Zügen“ zu genießen). Doch da übertragener und anderer uneigentlicher Gebrauch von Wörtern zu den Grundfunktionen menschlicher Sprache gehört, kommen wir nicht darum herum. Auch das Wort „zweideutig“ ist nicht eindeutig, denn es kann neben der oben genannten Bedeutung auch je nach Kontext als „hintersinnig“, „verdächtig“ oder „anzüglich“ verstanden werden. Ein Beispiel für eine Zweideutigkeit bei einem Wort, die sogar in ganz entgegengesetzte Richtungen geht, finden Sie in unserem heutigen Blogartikel.

[] Bildungsanspruch, der

Forderung an sich oder andere, ein gehobenes Bildungsniveau (oder einen bestimmten Kanon an Wissen) zu erwerben oder die Persönlichkeit (in einer bestimmten Richtung) zu entwickeln

Vor 50 Jahren eroberten Ernie, Bert und Co. die Herzen der Kinder in Deutschland. Am 8.1.1973 erschienen die komischen Puppen aus der Sesamstraße erstmals in einer deutschsprachigen Fassung auf den Bildschirmen der Bundesrepublik. Das neuartige Konzept: eine kunterbunte Mischung aus unterhaltsamen und lehrreichen Inhalten für Vorschulkinder. Seitens des Bayerischen Rundfunks vernahm man damals Worte wie „pädagogische Infamie“ und Bedenken wegen einer befürchteten kulturellen Überfremdung durch den US-amerikanischen Import, weshalb die Sesamstraße – Sie ahnen es – im Freistaat zunächst nicht ausgestrahlt wurde. Den Siegeszug der Sendung konnte dies nicht aufhalten. Fast 3000 Folgen sind seither produziert worden, in denen nicht nur Zahlen und Buchstaben, sondern auch Werte wie Toleranz vermittelt werden.

[] Übergepäck, das

Flugwesen: Gewicht eines oder mehrerer Gepäckstücke, welches das für den Transport (vor allem im Flugzeug) zulässige Höchstgewicht übersteigt (und für das eine Gebühr für die Beförderung erhoben wird)

1785 wusste man noch nichts von den Nöten heutiger Flugreisender, wenn der Koffer schwerer als erlaubt ist. 1783 waren in Frankreich mit dem Heißluft- und dem Gasballon die ersten funktionierenden Luftfahrzeuge überhaupt erst erfunden worden, und man musste die physikalischen Grundlagen und Zusammenhänge nach und nach in der Praxis entdecken. Davon musste sich auch der Ballonpionier Jean-Pierre Blanchard überzeugen, als er sich zusammen mit dem Amerikaner John Jeffries am 07.01.1785 an die erste Überquerung des Ärmelkanals machte. Der Gasballon verlor auf der knapp zweieinhalbstündigen Reise bedrohlich an Höhe, so dass die Fahrer allen Ballast abwerfen mussten und bei der Ankunft in Calais nur noch in Unterwäsche an den Seilen hingen. Dennoch wurden sie jubelnd empfangen.

[] Rollschuh, der

Sportgerät, das als Schuh gefertigt oder unter einem Straßenschuh angebracht wird und dessen (vier) Rollen eine beschleunigte Bewegung auf glattem Untergrund (im Freien oder in der Halle) ermöglichen

Spätestens als der Erfinder James L. Plimpton heute vor 160 Jahren einen mit vier Rollen ausgestatteten Rollschuh in den USA patentieren ließ, begann der weltweite Siegeszug dieses sportiven Fortbewegungsmittels. Bereits in den 1870er Jahren existierten erste Rollschuhbahnen auch in Deutschland. Der Rollsport hat Anhänger sowohl bei Freunden ästhetisch ansprechender Bewegung (Rollkunstlauf) als auch bei eher robusten Gemütern (Rollerderby) gefunden. Ein Trend der 1980er Jahre übrigens – die Roller- oder Rollschuh-Disco – ist in den Hipstermetropolen der Welt längst wieder angerollt: Höchste Zeit also, die eingestaubten Teile aus der Abstellkammer hervorzukramen und vergessene Moves aufzufrischen, um sich beim nächsten Rollschuhdate nicht zu blamieren!

[] Gift und Galle spucken, Mehrwortausdruck

wütend sein, heftig schimpfen; sich ausfallend, gehässig (über jmdn., etw.) äußern

In einer auch für alttestamentarische Verhältnisse beeindruckenden Beschreibung von Gottes Zorn (5. Mose) droht Moses dem Volk heftigste Strafen an: „Ir wein ist Trachengifft / Vnd wütiger Ottern gall“ (5. Mose 32,33) heißt es in der Lutherbibel von 1545 über die Weinreben. Im Sprachgebrauch hängen blieb die schöne Alliteration „Gift und Galle“ als degoutante Umschreibung für blinde, unbezähmbare Wut – dies allerdings in freier Verwendung: Man goss Gift und Galle in die Herzen, kochte Gift und Galle, schrieb Briefe voller usw. usw. Erst mit dem Märchen „Jorinde und Joringel“ der Brüder Grimm verengte sich offenbar der Sprachgebrauch: „Wie sie den Joringel sah, ward sie bös, sehr bös, schalt, spie Gift und Galle gegen ihn aus …“ Seither spuckt und speit man Gift und Galle.

[] der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, Mehrwortausdruck

jmd. verfügt über ein Talent, eine Neigung oder eine bestimmte (positive, negative) Eigenschaft, die von einem Elternteil vererbt bzw. vorgelebt wurde

Als Isaac Newton heute vor 380 Jahren auf die Welt kam, war sein gleichnamiger Vater bereits gestorben. Wir wissen nicht, wie ähnlich er diesem war, beruflich entfernte sich der Brite jedenfalls stark von seinen Eltern, die Schafzüchter bzw. Gutsbesitzer waren. Nach anfänglich schwachen schulischen Leistungen steigerte sich Newton zusehends und wandte sich im Studium der Mathematik und Physik zu, wo er Großes leisten sollte: Er erfand (zeitgleich mit Leibniz) die Infinitesimalrechnung, erklärte die Brechung des Lichts und legte mit seiner Gravitationslehre die Grundlagen der modernen Mechanik. Dass seine Überlegungen zur Schwerkraft mit einem Apfel begannen, der ihm auf den Kopf gefallen sei (oder den er wenigstens beim Fall beobachtet habe), ist allerdings, wie so oft, eine zu schöne Geschichte, um wahr zu sein.

[] Spatium, das

leerer Zwischenraum zwischen Schriftzeichen oder Schriftzeilen

Drei große Innovationen zeichnen die Schriftkultur des Mittelalters aus: die Verbreitung des gebundenen Buches (Codex), die Einführung von Satzzeichen und – besonders charakteristisch – die Trennung von Wörtern durch den Zwischenraum. Hatte man in der Antike meist in bandwurmartigen Buchstabenprozessionen geschrieben, setzte man im Mittelalter die lesefreundlichen Spatien – und schuf damit ein vertracktes Rätsel: Wann ist ein Wort ein Wort? Was trivial klingt, ist für eine kompositionsfreudige Sprache wie das Deutsche äußerst problematisch und führt immer wieder zu heftigem Streit. Warum die Frage der Getrennt- und Zusammenschreibung so schwer zu regeln ist, erfahren Sie in unserem Blogartikel.

[] Fayence, die

Tonware, die mit einer meist weißen, undurchsichtigen, oft bemalten Zinnglasur überzogen ist

Der heute vor 200 Jahren geborene französische Keramikkünstler Théodore Deck entdeckte seine Leidenschaft für das Töpfern der Legende nach auf einer Reise durch die Schweiz. Eine Terrakottastatue faszinierte ihn derart, dass er direkt nach seiner Rückkehr seine Keramikausbildung begann. Als studierter Naturwissenschaftler hatten es ihm vor allem die komplexen chemischen Zusammenhänge rund um Glasuren angetan. Inspiriert von chinesischen und persischen Werken entwickelte er eine neue Art der Fayence. Bekannt wurde er insbesondere für ein von ihm entwickeltes tiefes Türkisblau, das als „bleu (de) Deck“ sogar Einzug in das Französische gefunden hat.

[] vorsätzlich, Adj.

aufgrund eines Vorsatzes bewusst und willentlich, absichtlich

Es ist ein eigentümliches Paradox: Die Gefängnisse sind voll von Leuten, die vorsätzlich ein Verbrechen verübt haben. Dagegen leeren sich die Ertüchtigungsinstitute, vulgo: Muckibuden, in denen Hochmotivierte, ihrem Neujahrs-Vorsatz folgend, vorsätzlich Speck ab- oder Muskeln antrainieren wollen, schnell wieder. So stöhnte schon der Sprachwissenschaftler Friedrich Hermann Reinwald im 18. Jh.: „Was nützt dir forschender Verstand … / Eroberst du nicht kühn die Felsenwand / Die Wollen und Vollbringen trennet?“ Beim Erklimmen dieser Felsenwand wünschen wir Ihnen für das neue Jahr viel Erfolg.

[] Realitätscheck, der

Test unter realen Bedingungen; Überprüfung in der Praxis

Nur selten haben wir Gelegenheit, die Projektionen von Schriftstellern in die Zukunft an dieser Zukunft selbst zu überprüfen. Die Älteren werden sich noch an das Jahr 1984 bzw. die Projektion von George Orwell in seinem gleichnamigen, 1949 erschienenen Roman erinnern. Alle anderen möchten wir auf das gerade zu Ende gehende Jahr verweisen. 1973 erschien der Film „Soylent Green“, nach einer Romanvorlage von Harry Harrison aus dem Jahre 1966, auf Deutsch „… Jahr 2022 … die überleben wollen“. Die in New York im fiktiven Jahr 2022 spielende Handlung dieses Films in Kürze: Die Menschheit ernährt sich u. a. von grünen Keksen, die, wie sich herausstellt, aus dem Fleisch frischer bzw. frisch gehaltener Menschenkadaver bestehen. Offensichtlich ist es, wie wir nun wissen, nicht so gekommen – andererseits …

[] Reisebild, das

(belletristische, journalistische o. Ä.) Schilderung einer Reise

Wen es heute beim Spaziergang durch eine winterliche Landschaft ins Brandenburgische verschlägt, ist womöglich auf literarischen Spuren unterwegs. Leben und Schaffen Theodor Fontanes, geboren am 30.12.1819, seines Zeichens Romancier, Theaterkritiker und Journalist, waren untrennbar verbunden mit dem Reisen, besonders dem Wandern. Nach einer durchwachsenen Kindheit in Swinemünde wechselte er über mehrere Zwischenstationen nach Berlin, verbrachte als preußischer Pressebeauftragter mehrere Aufenthalte in England. Als Kriegsberichterstatter u. a. in Frankreich geriet er wegen Spionageverdachts sogar zeitweise in Kriegsgefangenschaft. In seinem Opus magnum, den mehrere Bände umfassenden „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, widmete er sich der Landschaft, Geschichte und den Menschen seiner Heimat.

[] Bösewicht, der

(besonders als Rolle des Antagonisten in Filmen, Theaterstücken etc.) böser, unmoralisch handelnder Mensch

Das Leben des Schriftstellers, an den wir heute erinnern wollen, durchzieht das Motiv des Bösewichtes. William Thomas Gaddis wurde heute vor 100 Jahren, am 29. Dezember 1922, geboren. 1941 begann er ein Studium der Literatur an der Universität von Harvard, musste dieses aber drei Jahre später wegen schlechten Benehmens (eine Auseinandersetzung mit der Polizei) abbrechen. 1955 veröffentlichte er seinen ersten Roman „Die Fälschung der Welt“, ein Stoff, zu dem ihn ein bekannter Kunstfälscher inspirierte. 1975 schließlich erschien „JR“. Die namensgebende Hauptfigur J.R. Ewing in der an das Buch angelehnten Fernsehserie „Dallas“ ist heute noch für viele der Inbegriff des (Film-)Bösewichts. Wir werden William Thomas Gaddis, der 1998 verstarb, dennoch in guter Erinnerung behalten.

[] Indigo, der oder das

tiefblauer Farbstoff

Heute vor 300 Jahren wurde mit Elizabeth Lucas, später verheiratet Pinckney, eine der tatkräftigsten Frauen des 18. Jahrhunderts in Amerika geboren. Schon in jungen Jahren oft auf sich allein gestellt, erwies sie sich nicht nur als geschickte Organisatorin, sondern ihr Erfindungsreichtum zeigte sich auch darin, dass sie verschiedene botanische Experimente durchführte. So gelang es ihr, den Indigo-Busch in South Carolina anzupflanzen und zum bedeutenden Exportgut zu machen. Ohne den (freilich durch Sklavenhand) daraus gewonnenen Farbstoff wären z. B. die berühmten Jeans undenkbar. Übrigens, die Herkunft der Indigopflanze aus Indien sieht man auch an ihrem Namen, der sich letztlich aus altgriechisch „indikós“ (indisch) herleitet.

[] pasteurisieren, Verb

(flüssige oder breiige Lebensmittel) durch schonendes, kurzzeitiges Erhitzen auf Temperaturen zwischen 72 °C und 100 °C haltbar machen

Es geschieht nicht oft, dass Verben von Personennamen abgeleitet werden. Doch der am 27. Dezember 1822 geborene französische Chemiker Louis Pasteur begegnet uns im Alltag ständig. Denn immer wenn wir zur Milchtüte, zur Saft- oder zur Tafelweinflasche greifen, dann ist der Inhalt, auch wenn es so nicht in der Beschreibung steht, meist „pasteurisiert“. Auch wenn Pasteur nicht der Erste war, der auf die Idee kam, Lebensmittel durch Erhitzen haltbarer zu machen, war er es doch, der das noch heute verwendete Verfahren der Pasteurisierung patentierte: Lebensmittel werden kurz erhitzt – so sehr, dass enthaltene Mikroorganismen größtenteils absterben, aber nicht so sehr, dass sich Konsistenz oder Geschmack negativ verändern. Zu Beginn waren vor allem die Weinbauern glücklich, die nun mehr Wein anstatt Essig verkaufen konnten.

[] jmdm. etw. in die Wiege legen, Mehrwortausdruck

jmdm. von Kindheit an eine besondere Bildung zuteilwerden lassen, bestimmte Fähigkeiten, Charaktereigenschaften, Tugenden o. Ä. anerziehen (bzw. durch das eigene Beispiel vorleben)

Die am 26. Dezember 1772 geborene Malerin Friederike Julie Lisiewska ist sicherlich weniger bekannt als die ungleich berühmteren Dorothea Therbusch oder Angelika Kauffmann. So befinden sich die meisten ihrer Gemälde in Privatbesitz. Ohnehin gehört die Genremalerei, auf die sie sich aus kommerziellen Gründen verlegte, heutzutage nicht zu den beliebtesten Sujets. Doch es gibt einiges, das sie mit ihren malenden Kolleginnen verbindet: Zum einen die künstlerische Qualität, die in ihrem lebensnahen Selbstporträt aufscheint. Zum anderen war auch bei ihr der familiäre Hintergrund die entscheidende Voraussetzung für eine eigenständige Karriere. Ebenso wie Therbusch und Kauffmann, wuchs sie gewissermaßen im väterlichen Atelier auf.

[] Basler Leckerli, Mehrwortausdruck

aus Basel stammendes, flaches und in rechteckige Stücke geschnittenes süßes Gebäck aus Weizenmehl, Honig, kandierten Früchten, Nüssen und verschiedenen Gewürzen mit Zuckerglasur, das besonders zu Weihnachten beliebt ist

Das Gewerbe der sog. Lebküchner (Lebkuchenbäcker) kam bereits im 15. Jahrhundert auf. Anfangs mussten sich dessen Vertreter bei der Lebkuchenherstellung mit wenigen einfachen Zutaten wie Roggenmehl, Honig und scharfem Gewürz bescheiden. In der Schweiz erlebte die Lebküchlerei dann ab dem 17. Jahrhundert einen allmählichen Aufschwung, die Verwendung des Begriffs „Leckerli“ in Basel wurde erstmals 1711 dokumentiert. Mittlerweile sind die Schweizer Leckerli in ihrer ganzen Vielfalt überregional beliebt und vielgerühmt. Als Alleinstellungsmerkmal der Basler Variante gelten die grob gehackten Zutaten: Mandeln, Haselnüsse, Zitrusfruchtschalen. Appenzeller, Berner, Zürcher und St. Galler Leckerli hingegen bestehen aus eher fein verarbeiteten Zutaten.

[] bei Adam und Eva anfangen, Mehrwortausdruck

mit einer Erläuterung, Schilderung (umständlich) ganz von vorn beginnen; mit einem Projekt, einer Tätigkeit völlig neu beginnen; sich einer Thematik von Grund auf neu annehmen; mit der Schöpfungsgeschichte beginnen

Bei Heiligabend, dem Tag vor dem Weihnachtsfest, das im Christentum Jesu Geburt feiert, denkt man vielleicht nicht als Erstes an Adam und Eva. Mit diesen beiden fing nach dem Alten Testament zwar alles, was die Menschheit betrifft, an – woher sich auch das Sprichwort für eine (zu) ausführliche Erklärung ergibt –, doch wäre dies aus Sicht des Neuen Testaments fast schon Schnee von gestern. Nichtsdestoweniger können wir heute mit Fug und Recht an das biblische erste Menschenpaar erinnern, denn der 24. Dezember ist dessen offizieller Gedenktag in der katholischen und evangelischen Kirche (nicht aber für andere Konfessionen). Um zu erklären, warum das so ist, müssten wir wohl bei Adam und Eva anfangen …

[] Rauschgold, das

sehr dünn ausgewalztes und flachgeschlagenes, gebeiztes Messingblech mit knittriger, glänzender Optik, die Blattgold ähnelt

Der Spruch „es ist nicht alles Gold, was glänzt“ lässt sich durchaus auch auf die Wortbildung beziehen: Nicht alle Wörter, die „-gold“ als Element haben, verweisen tatsächlich auch auf das Edelmetall. Man denke nur an Katzen-, Rot-, Muschel-, Musiv- und nicht zuletzt an das weihnachtliche Rauschgold. Aus diesem Goldimitat schufen geschäftstüchtige Nürnberger Ende des 18. Jh. den berühmten Rauschgoldengel mit dem typischen kunstvoll gefältelten Gewand. Im Export war der Weihnachtsartikel ausgesprochen erfolgreich. Ästheten wie Johann Caspar Lavater oder Freiherr von Knigge rümpften über diesen „vernürnbergerten“ hässlichen, altmodischen Tand allerdings die Nase. Seiner Beliebtheit konnte das wenig anhaben.

[] lebendes Fossil, Mehrwortausdruck

bis heute existierende, zugleich durch Fossilien nachgewiesene Tier- oder Pflanzenart, die lange erdgeschichtliche Zeiträume weitgehend unverändert überdauert hat; ein Exemplar einer solchen Art

Der Ausdruck „lebendes Fossil“ ist genau genommen eine Contradictio in Adjecto, ein durch das begleitende Adjektiv ausgelöster Widerspruch in sich. Schließlich kann ein lebloses Fossil nicht zugleich lebendig sein. Doch wie alles Rätselhafte beflügelt der Ausdruck unsere Phantasie, die so bezeichneten Lebewesen umgibt eine für uns geheimnisvolle Aura. Goethe war vom Ginkgo fasziniert, Kinder lieben „Urzeitkrebse“ und heute vor 84 Jahren entdeckte die südafrikanische Museumskuratorin Marjorie Courtenay-Latimer im Beifang eines Trawlers den bis dato nur aus Versteinerungen bekannten Quastenflosser. Seit Jahrmillionen hat sich dieser sein urtümliches Aussehen mit den charakteristischen beinartigen Flossen bewahrt – so, als wollte er ebenso wie seine Vorfahren mal eben an Land klettern.

[] Nordlicht, das

im Norden auftretendes Polarlicht, Aurora borealis

In den Genuss von Nordlichtern kommen wir, zumindest in unseren Breiten, nur bei besonders intensiven Sonnenstürmen. Ein solcher erreichte die Erde in der Nacht vom 20. Dezember 1806, wodurch Alexander von Humboldt in dieser Nacht in Berlin „Die vollständigste aller bisherigen Beobachtungen über den Einfluss des Nordlichts auf die Magnetnadel“ anstellen konnte. Begeistert von seinen Beobachtungen verfasste er direkt am nächsten Morgen noch „ehe er sich niederlegte“ einen Brief an seinen Kollegen, den Physiker Paul Ermann: „Gegen 10 Uhr bemerkten wir [...] einen Lichtbogen, der 2° 38′ Breite, und eine gelblich-rothe Farbe hatte. [...] Man erkannte durch das gelbe Licht des Bogens hindurch Sterne 6ter Größe.“

[] Märchen, das

auf Volksüberlieferungen beruhende, oft auch als literarisches Kunstwerk gestaltete, kurze Erzählung, in der von wunderbaren und phantastischen Begebenheiten berichtet wird

Wer heute vor 210 Jahren noch kurz vor knapp auf der Suche nach einem Geschenk gewesen wäre – wer weiß, vielleicht hätte ein findiger Buchhändler diesen frisch gedruckten Band hervorgezaubert: die „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm. Natürlich waren Bücher damals viel zu teuer, um einfach so auf einem Gabentisch zu landen. Zum wirklichen Bestseller entwickelte sich ohnehin erst die verkürzte Ausgabe von 1825. Und auch wenn sich der ursprünglich wissenschaftliche Anspruch einer mündlichen „rein deutschen“ Erzähltradition – nun ja – selbst als Märchen entpuppte, so mauserten sich die Hausmärchen doch zu den bekanntesten Werken der Weltliteratur. Wenn es heißt: „Es war einmal …“, weiß ein jeder Bescheid.

[] Weckmann, der

Gebildbrot aus (gesüßtem) Hefeteig in Form eines Mannes

Dem Advent wird landläufig ein friedvoller und besinnlicher Charakter unterstellt, doch mancherorts stehen ganz und gar barbarische Sitten auf der Tagesordnung. Vor allem die Protagonisten der (Vor-)Weihnachtszeit – Nikolaus, Knecht Ruprecht, St. Martin –, aber auch Zivilpersonen müssen regelrecht um ihr Leben bangen. Ihr unabwendbares Schicksal: Enthauptung, Vierteilung und anschließende restlose Beseitigung. Die besorgte Leserschaft darf jedoch aufatmen, die Rede ist natürlich von Klausenmann, Krampus, Grittibänz und ihren (regionalen) Konsorten. Mehr über das natürliche Habitat dieser Teigmänner erfahren Sie im heute veröffentlichten Blogartikel.

[] Arbeitsmigration, die

Migration zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit am Zielort

Im Dezember 2000 – zehn Jahre nach Ratifikation der „Internationalen Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen“ zur Anwendung der allgemeinen Menschenrechte für migrantische Arbeitnehmer, Saison- und Gelegenheitsarbeiter – erklärten die Vereinten Nationen den 18.12. zum Internationalen Tag der Migranten. Das Phänomen der Migration in all ihren Facetten, die Schicksale und Erfahrungen von Migrantinnen und Migranten prägen unsere postmigrantische Gesellschaft. So leisten etwa nicht nur Hochqualifizierte und Fachkräfte, sondern auch viele geringqualifizierte Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund einen wertvollen Beitrag in jedem Einwanderungsland.

[] Schönheitswettbewerb, der

Wettbewerb, bei dem der nach Meinung einer Jury attraktivste Teilnehmer gewinnt

Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Gleichzeitig definiert sich jede Epoche und Gesellschaft auch über ihre Schönheitsideale. Heutzutage entscheiden Jurys darüber, welche menschlichen Wesen, männlich, weiblich oder divers, diesem Ideal nahekommen, meist bei Schönheitswettbewerben. John Abraham, bestbezahltes indisches Fotomodell, der heute seinen 50. Geburtstag feiert, kommt dem Ideal nahe, auch wenn er bei Manhunt International in Singapur 1999 nur einen enttäuschenden zweiten Platz belegte. Abraham schauspielerte in einem Bollywood-Film und lieh sein Gesicht einer Kampagne von PETA. Herzlichen Glückwunsch von unserer Seite!

[] Tannenzapfen, der

aus einer Spindel und darum herum angeordneten Schuppen bestehender holziger Blütenstand der Tanne

Der Mann und die Frau von der Straße, deren Biologiekenntnisse gefühlt seit dem Kambrium fossilieren, sie verwechseln den Zapfen der Tannen (Abies) oft mit den weiblichen verholzten Blütenständen der Fichte (Picea). Tatsächlich sind es aber Fichtenzapfen, die man auf dem Waldboden findet, deren Nachbildungen an Kuckucksuhren (oder Weihnachtsbäumen) hängen und die auf Etiketten einer badischen Biermarke prangen. Deshalb am Tag des Tannenzapfens zur Erinnerung: Der spindelförmige Blütenstand der Tanne steht aufrecht, zerfällt noch am Baum, während er seine Samen freisetzt. Dennoch: Da die Fichte gelegentlich unter ihrem Trivialnamen auch als „Rottanne“ bezeichnet wird, haben am Ende jeder und jede ein bisschen recht.

[] Tocharisch, das

in Westchina beheimateter, ausgestorbener Zweig des Indogermanischen bzw. Sprache dieses Zweiges

Als Wilhelm Schulze, der später Indogermanist werden und mit Emil Sieg und Wilhelm Siegling 1931 die erste umfassende „Tocharische Grammatik“ veröffentlichen sollte, am 15.12.1863 zur Welt kam, ahnte niemand in Ost und West etwas von der Existenz dieser Sprache (bzw. genauer Sprachen, denn es gibt zwei oder drei Ausprägungen), deren Texte Jahrhunderte in der Wüstenregion des Tarimbeckens in Westchina gelegen hatten. Umso größer war die Sensation, als die in einer Variante der indischen Brahmischrift geschriebene Sprache auf den von den deutschen Turfanexpeditionen gefundenen Blättern 1908 als indogermanisch, also mit dem Deutschen verwandt, erkannt wurde. Seitdem läuft die Erschließung dieses exotischen Sprachzweigs.

[] dem Affen Zucker geben, Mehrwortausdruck

einer Eigenheit, Marotte nachgeben; sich ausleben

Wer schon lange beabsichtigt, ohne Bedenken seinem innersten Drang zu folgen, hat heute die Möglichkeit, sich dabei auf den World Monkey Day zu berufen. Dieser geht ursprünglich zurück auf die Notiz eines Kunststudenten im Kalender seines Freundes, mit der im Jahr 2000 der 14.12. als Weltaffentag festgelegt wurde. In einem unglaublichen Affentempo gewann die Idee Anhänger jeglicher Couleur. Während die einen den Weltaffentag zum Anlass nehmen, ihren alltäglichen Trott kurzerhand in einen Affenzirkus zu verwandeln (und sich dabei zum Affen zu machen), organisieren andere Aktionen zum Schutz besonders gefährdeter Primaten oder nutzen diesen Tag für einen Besuch des Affenhauses im Zoo. Wem der Sinn nach anregender Lektüre steht, dem sei Kafkas „Bericht für eine Akademie“ empfohlen.

[] Kerzenlicht, das

von einer oder mehreren brennenden Kerzen ausgehendes Licht; Kerze, Teelicht o. Ä.; Flamme einer Kerze, eines Teelichts o. Ä.

Licht in die dunkle Jahreszeit bringen – diesen Vorsatz haben viele Adventsbräuche. Den, nach julianischem Kalender, dunkelsten Tag des Jahres erhellt das schwedische Luciafest. Die Feierlichkeiten beginnen bereits morgens in der Familie und enden abends in einem Festzug aus weiß gekleideten, Kerzen tragenden, Lucialieder singenden Mädchen (und Jungen). Sie werden von der Lichterkönigin Lucia angeführt, die einen Kerzenkranz auf dem Kopf trägt. Brandschutzbesorgte Menschen dürfen jedoch aufatmen, zur Vermeidung von Unfällen werden heute meist elektrische Kerzen verwendet.

[] Weihnachtsbäckerei, die

das Backen vor allem von Plätzchen und anderem Kleingebäck für die Weihnachtszeit

Egal ob Sie schon mitten in der Weihnachtsbäckerei stecken oder Sie die Backlust dieses Jahr nicht überkommen hat, Weihnachtsgebäck ist derzeit allgegenwärtig, sei es im Supermarkt, auf Weihnachtsmärkten oder als eingetütetes Präsent backfreudiger Bekannter. Falls Sie Süßes aber kaltlässt und Sie eher für die Sprache brennen, können Sie die Plätzchen, Kekse und Co. bzw. deren Bezeichnungen auch als linguistisches Rätsel auffassen, das Ihnen Rückschlüsse auf die Herkunft des Backenden erlaubt. Sachdienliche Hinweise dazu in unserem heute erschienenen Blogartikel.

[] Quantenmechanik, die

Theorie zur Beschreibung physikalischer Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten von mikroskopischen Systemen (z. B. Elementarteilchen, Atomen, Molekülen), die u. a. deren Eigenschaften sowohl als Teilchen wie auch als Welle berücksichtigt

​​Der Laser, das Elektronenmikroskop und moderne Verschlüsselungsmethoden haben eins gemein: Ohne die Errungenschaften der Quantenmechanik wären sie nicht möglich gewesen. Das im 20. Jh. aufkeimende Teilgebiet der Physik beschäftigt sich mit den kuriosen Gesetzmäßigkeiten der allerkleinsten Bausteine unseres Universums. Einer, der diese Disziplin von Anfang an geprägt hat, ist der heute vor 140 Jahren in Breslau geborene Max Born. „Für seine grundlegenden Forschungen in der Quantenmechanik, besonders für seine statistische Interpretation der Wellenfunktion“ erhielt Max Born 1954 den Nobelpreis für Physik. Die zugrunde liegende Arbeit war bereits 28 Jahre zuvor entstanden.

[] Christstollen, der

traditionell für die Advents- und Weihnachtszeit hergestellter, länglich-ovaler Hefekuchen von fester Beschaffenheit und aus gehaltvollem Teig, meist mit Rosinen, Mandeln, sowie Zitronat und Gewürzen wie Kardamom, Zimt o. Ä.

Der Stollen, die Stolle, der Striezel: Für viele ist das ohnehin an Genüssen reiche Weihnachtsfest ohne diesen gewichtigen und gehaltvollen, süßen Laib aus Hefeteig nicht denkbar. Ursprünglich aus dem Sächsisch-Thüringischen stammend und am Hofe Augusts des Starken begehrt, verleiht der Stollen als „Striezel“ einem der traditionsreichsten Weihnachtsmärkte überhaupt seinen Namen, dem Dresdner Striezelmarkt. Bis heute ist die Stollenbäckerei in der Region volkstümlich geblieben – und der „Dresdner Christstollen“ gehört im wiedervereinigten Deutschland zu den eifersüchtig bewachten, das Weihnachtsfest prägenden Marken.

[] Blütenkrone, die

Botanik: Kranz von meist auffälligen Blättern einer Blüte

Heute feiert eine Person aus Leipzig Geburtstag, der wir zahlreiche Beiträge zur Forschung verdanken. Am 09.12.1652 in der Messestadt geboren (und dort 1723 gestorben), war August Quirinus Bachmann, besser bekannt unter seinem latinisierten Namen Rivinus, auf vielen Wissensgebieten als Forscher und Leiter produktiv, weiterhin auch Arzt und (neulateinischer) Dichter. Bis heute gilt er als namhafter Botaniker, der Form und Farbe der Blütenkrone als Ausgangspunkt für die wissenschaftliche Klassifikation nahm. Sein Wissensdurst war so groß, dass er durch die Erforschung der Sonnenflecken erblindete.

[] Kalter Krieg, der

Konflikt zwischen sozialistischen Staaten (Warschauer-Vertrags-Staaten, besonders der Sowjetunion) und nichtsozialistischen Staaten (neutrale und NATO-Staaten, besonders den USA) in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Heute würde man einen Journalisten wie Gerhard Löwenthal als „streitbar“ bezeichnen. Auf jeden Fall war er das unumstrittene Gesicht des Kalten Krieges in den westlichen Medien, vor allem in dem von ihm von 1969 bis 1987 moderierten ZDF-Magazin. Das Neue Deutschland, das führende Presseorgan auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs, bezeichnete ihn einst als „professionellen Brunnenvergifter“ (ND vom 14.02.1974). Ob der antisemitische Unterton dieser Sottise Absicht war, lässt sich heute nicht mehr klären. Gegenüber einem Menschen jüdischen Glaubens, der seine Großeltern in der Shoa verloren hatte, war dies auf jeden Fall eine Unverschämtheit und lässt noch einmal anklingen, wie man in Zeiten des Kalten Krieges miteinander umging. Heute vor hundert Jahren wurde Löwenthal in Berlin geboren.

[] Geschenk, das

freiwillige und uneigennützige, eine Gegenleistung ausschließende Übertragung des Eigentums einer Sache oder eines Rechts; Sache, die oft in ansprechender Verpackung jmdm. (meist ohne Erwartung einer Gegenleistung) überlassen wird

Wenn der „Schankwirt“ einer „Schenke“ seinen Gästen „einschenkt“, ist dies in aller Regel kein „Ge-schenk“. Sprachgeschichtlich allerdings folgt das eine aus dem anderen: Ursprünglich stand im Althochdeutsch „skenken“ für ‚zu trinken geben‘. Dieses Verb bezog sich aber im Hochmittelalter nicht nur auf das bloße Eingießen eines Getränks. Im höfischen Ritual war Darreichen des Weins ein ritueller Akt, aus dem sich nicht nur das Amt des „Mundschenks“, sondern eben auch die heute dominierende Bedeutung ‚etwas unentgeltlich als Gabe überlassen‘ entwickelte. Doch bleibt uns die alte (meist alkoholische) Lesart aber zumindest in den Präfixverben wie „aus-“ oder „einschenken“ und in den Ableitungen wie „Ausschank“ erhalten.

[] Nikolaustag, der

mit landschaftlich verschiedenen Volksbräuchen verbundener Gedenktag (6. Dezember) für die Gestalt des heiligen Nikolaus, der im Christentum vor allem als Überbringer von Geschenken für die Kinder gilt

Er ist der wohl bekannteste unbekannte Heilige überhaupt: Von Nikolaus von Myra weiß man im Grunde nur, dass er irgendwann im letzten Drittel des 3. Jhs. geboren wurde und als Bischof in Myra wirkte. Die fehlenden Fakten werden aber durch einen Strauß sympathischer Legenden aufgewogen, in denen Nikolaus Menschen aus höchster Not rettet oder anonym Geschenke verteilt (daher auch der Nikolausbrauch). So wurde er der Patron der Schüler und Schiffer, der Drescher und Diebe – ironischerweise auch der Juristen. Gestorben ist er angeblich an einem 6. Dezember, irgendwann um 350.

[] Christkind, das

die Person des Jesus von Nazareth aus der biblischen Geschichte als Neugeborenes (in der Krippe); bildliche oder figürliche Darstellung dieser Person; szenische Darstellung dieser Person, vor allem im Krippenspiel; vor allem in der Vorstellungswelt von Kindern: Wesen, das zu Weihnachten Geschenke bringt (dabei aber unsichtbar bleibt)

Heute Nacht werden viele Eltern klammheimlich mit Naschereien oder kleinen Geschenken befüllte Stiefel vor die Türen der Kinderzimmer stellen – stellvertretend für den Heiligen Nikolaus, versteht sich. Wäre es nach Martin Luther und dessen Anhängern gegangen, gäbe es diesen Brauch wohl nicht mehr. Heiligenverehrung lehnten die Protestanten ab. Der Advent sollte ganz im Zeichen Jesu stehen. Und wie könnte man Kinder besser auf diesen aufmerksam machen als mit Geschenken, die er, das Christkind, ihnen an seinem Geburtstag bringt? Wenn Sie mehr über die Konkurrenz (vor)weihnachtlicher Gabenbringer erfahren wollen, folgen Sie doch dem Link zu unserem heute veröffentlichten Blogbeitrag.

[] Julbock, der

in Skandinavien: Gestalt mit einem Ziegenbockkopf und anderen Attributen, oft Stroh und Fell, die früher Weihnachtsgeschenke brachte; Nachbildung dieser Gestalt als Strohfigur oder als Gebäck

In der nordischen Mythologie gilt die Ziege als Symbol der Fruchtbarkeit, der alljährlich zur Wintersonnenwende mit einem Opfer gehuldigt wurde. Kein Wunder, dass es in Skandinavien lange Zeit vor dem Weihnachtsmann ein Ziegenbock war, der die Geschenke brachte. Die schwedische Kleinstadt Gävle zollt dieser ursprünglichen Tradition seit 1966 auf ganz besondere Weise Tribut: Eine 13 Meter hohe Ziege aus Stroh ziert dort den weihnachtlichen Schlossplatz. Doch wie das ehemalige Ziegenopfer überlebt auch der „Gävler Julbock“ nur selten das Weihnachtsfest. Unverfrorene Feuerteufel sorgen meist dafür, dass dem Julbock ein vorzeitiges, loderndes Ende gesetzt wird.

[] Weihnachtslied, das

Lied, das in der Weihnachtszeit gespielt oder gesungen wird und dessen Text meist einen Bezug zu Weihnachten hat

„Syt willekomen, heirre kirst, / want du unser alre herre bis.“ (Nun sei willkommen, Herre Christ, der du unser aller Herr bist), das nach seiner fragmentarischen Erstüberlieferung so genannte Aachener Weihnachtslied gilt als das älteste in deutscher Sprache. Seine Entstehung wird auf das mittlere 14. Jh. datiert. In einer Erfurter Handschrift von 1390 ist es bereits vollständig enthalten. Aachener Chroniken berichten davon, dass dieses Lied während der Christmette, nach dem Vortrag der Weihnachtsgeschichte, ausschließlich von jenen besonders ehrenwerten Bürgern angestimmt wurde, die als Schöffen agierten.

[] Spekulatius, der

flaches, knuspriges, meist mit Zimt, Nelken und Kardamom gewürztes und mit weihnachtlichen Reliefmotiven versehenes Weihnachtsgebäck aus Mürbeteig

Auf den Adventstellern liegen sie wieder reichlich, die schmackhaft gewürzten Mürbeteigkekse. Etymologen allerdings haben an dem Dauergebäck schwer zu kauen. Denn ‚Spekulationen‘ zur Herkunft gibt es wohl so viele, wie es figürliche Ausformungen der Leckerei gibt. Das lateinische Kunstwort erinnert an „speculum“ (= Spiegel, Abbild) ebenso wie an den Beinamen von Nikolaus: „speculator“ (= er, der alles sieht), Sie wissen schon: „He sees you when you’re sleeping...“. Vielleicht geben auch die exotischen Gewürze einen Hinweis. In den Niederlanden mit ihrer langen Tradition an Gewürzgebäck nennt man sie „Speculaas“, wohl ein Kofferwort aus „specerijen“ (= Gewürze, Spezereien) und „Sinterklaas“ (= St. Nikolaus). Doch bevor Sie lange grübeln: Keks gefällig?

[] Adventskalender, der

etw., mit dem ab dem 1. Dezember die verbleibenden Tage bis Heiligabend abgezählt werden können (und das für jeden Tag eine Überraschung wie Bilder, Geschichten, Süßigkeiten bereithält)

Vor ca. 1990 Geborene kennen sie noch als sehr einheitliche und einfache – und dennoch nicht weniger glücklich machende – Pappschachteln, in denen jeden Morgen ein anderes Schokolädchen überraschte und den Kindern die unendliche lange Wartezeit auf Weihnachten erträglicher machte: Adventskalender. Auch wenn die um 1850 zuerst in protestantischen Kreisen aufgekommenen, zunächst selbst gebastelten Kalender schon kurz nach 1900 zur kommerziellen und nicht mehr durchgängig christlich geprägten Ware geworden waren, so gibt es erst seit rund 30 Jahren einen Trend zu neuen Abzählhilfen: für Erwachsene, Hunde und Katzen und für ganz andere Daten als Weihnachten – was auch immer man davon halten mag.

[] Code, der

Regel, Vorschrift für die Darstellung von Informationen mittels eines Zeichensystems bzw. für die (eindeutige) Zuordnung von Zeichen zweier Zeichensysteme

Wenn man eine E-Mail unverschlüsselt versendet, dann ist der Inhalt in etwa so geheim wie der einer Postkarte, die man verschickt. Diese oft nicht gewollte, aber bequeme Offenheit, mit der auch vertrauliche Informationen herausgeblasen werden, sollte man sich immer mal wieder in Erinnerung rufen, besonders am Tag der Computersicherheit. Die einfachste Art der Geheimhaltung ist ein Code, z. B. einer, bei dem ejf Cvditubcfo vn fjof Tufmmf wfstdipcfo xfsefo. Es gibt aber heute viel effektivere Wege der Verschlüsselung. Kompetenz im Umgang mit Medien und Informationen bedeutet eben auch, sie zu verwenden, um sich und vielleicht auch andere zu schützen.

[] Karton, der

steifes, dickes Papier; für den Transport und die Lagerung von etw. geeignetes Behältnis aus Pappe (das meist gefaltet wird)

Ein „Universum von Raumkörpern“ (Christoph Brockhaus) schuf der heute vor 100 Jahren geborene Erwin Heerich. Er wird zu den wichtigsten Bildhauern des 20. Jahrhunderts gerechnet, wobei allerdings diese Bezeichnung bereits irreführend ist. Denn ausgehend von alltäglichen Gegenständen entwickelte er deren Nachbildungen zu immer abstrakteren, nur dem Maß unterworfenen und dadurch skalierbaren Skulpturen aus Karton. Einige seiner wichtigsten Arbeiten aus diesem Material sind im Museum Schloss Moyland zu bewundern.

[] Schullektüre, die

im Schulunterricht behandelte, meist schöngeistige (und in der Unterrichtssprache abgefasste) Literatur

Die Schachnovelle, das heute bekannteste Werk des Österreichers Stefan Zweig, das 1942 nach seinem Selbstmord im brasilianischen Exil erschien, dürfte eine perfekte Schullektüre darstellen, durch ihre hohe Erzählkunst, ihr Thema (individuelle Haltung im Nationalsozialismus) und auch ihre unterrichtsfreundliche Kürze. Dabei bietet Zweig, zu Lebzeiten einer der weltweit meistgelesenen deutschsprachigen Autoren, so viel mehr. Sein ebenfalls postum erschienenes Werk „Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers“ dürfte z. B. eine der scharfsinnigsten und schonungslosesten Analysen der (Doppel-)Moral Mitteleuropas um 1900 bieten. Am 28.11.1881 war der Schriftsteller und fundamentale Pazifist in Wien zur Welt gekommen.

[] Nobelpreis, der

jährlich verliehener internationaler Preis für herausragende Leistungen auf den Gebieten der Physik, Chemie, Medizin, Literatur oder für besondere Bemühungen um den Weltfrieden

In knapp zwei Wochen werden wieder, wie (fast) jedes Jahr seit 1901, die Nobelpreise in Oslo und Stockholm verliehen, am 10.12., dem Todestag des Stifters Alfred Nobel. In seinem Testament vom 27.11.1895 hatte der u. a. durch das Dynamit reich gewordene Schwede einen jährlichen Preis in den objektivierbaren Kategorien Physik, Chemie und Medizin sowie – vermutlich angeregt durch die Freundschaft mit Bertha von Suttner – in Literatur und für Friedensbemühungen ausgelobt. Dass Letzteres auf einem schlechten Gewissen wegen des auf Sprengstoff basierenden Vermögens beruhe, ist oft kolportierte, aber unbewiesene Legende. Der Nobelpreis gilt bis heute als höchste erreichbare Auszeichnung in den genannten Gebieten.

[] die üblichen Verdächtigen, Mehrwortausdruck

Personen, deren erneute Beteiligung an etwas aufgrund wiederholter früherer Erfahrungen zu erwarten ist

„Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen“, befiehlt Polizeichef Louis Renault den herbeieilenden Polizisten am Flughafen von Casablanca, um so den Nachtclubbetreiber Richard „Rick“ Blaine zu decken. Rick hat gerade den deutschen Major Strasser erschossen, als dieser versuchte, die Flucht eines tschechoslowakischen Widerstandskämpfers und dessen Frau, Ricks (ehemaliger) Geliebter, zu verhindern. Die Wendung „die üblichen Verdächtigen“ wurde zum geflügelten Wort. Nur Wenige wissen wohl, dass es sich dabei um eines von mehreren berühmten Zitaten aus dem Film „Casablanca“ handelt. Heute vor 80 Jahren feierte der Film seine Premiere im New Yorker Hollywood Theatre. Es sollte „der Beginn einer wunderbaren Freundschaft“ sein – schließlich avancierte der Film zum Klassiker.

[] Bettwurst, die

langes, rollenförmiges Kissen, das zum Ausfüllen des Spaltes zwischen den Betten eines Doppelbetts oder als Nackenrolle dient

Die erste Begegnung mit seiner Tante Luzi Kryn sollte ihn im Alter von 15 Jahren nachhaltig prägen – schrill, unangepasst und dabei stets authentisch, beeindruckte sie ihren Neffen Rosa von Praunheim derart, dass er beschloss, mit ihr Filme zu drehen. Und so kam es auch – 1970 stand sie in seinem ersten abendfüllenden Spielfilm „Die Bettwurst“ zusammen mit Laienschauspieler Dietmar Kracht vor der Kamera und verhalf dem Nachwuchsregisseur zu einem aufsehenerregenden Karrierestart – der Streifen avancierte in kürzester Zeit zum Kultfilm. Heute feiert der Künstler und Filmemacher seinen 80. Geburtstag. Rosa von Praunheims jüngster Streich übrigens ist eine Musical-Inszenierung, angelehnt an die „Bettwurst“.

[] Stacheldraht, der

(als Hindernis auszulegender oder zu befestigender) dünner Strang aus meist mehreren zusammengedrehten Stahldrähten und eingearbeiteten, abstehenden Spitzen, Stacheln

Als der US-Amerikaner Joseph Farwall Glidden am 24.11.1874 das Patent für Stacheldraht erhielt, war seine Erfindung als Absperrung von landwirtschaftlichen Nutzflächen vorgesehen, die vor dem Eindringen von frei grasenden Rinderherden geschützt werden sollten. Gleichzeitig richtete sich der Einsatz von Anfang an auch gegen Menschen; die amerikanischen Ureinwohner etwa nannten die Erfindung „Teufelsschnur“. Für den militärischen Stellungsbau war der Stacheldraht bei Beginn des Ersten Weltkriegs bereits längst etabliert. Heute wird das scharfkantige, traditionell vierspitzige Drahtgeflecht ikonografisch auch als politisches Instrument mit Unterdrückung, Unfreiheit und Ausgrenzung assoziiert.

[] Teilhabe, die

das Beteiligtsein an etw., Teilnahme, Partizipation; aktive Teilnahme von Menschen am politischen, kulturellen und sozialen Leben

Unter den Vertriebenen, den heimatlosen Zwangsarbeitern, die nach Ende des 2. Weltkriegs in Auffanglagern lebten, waren sie die Ärmsten der Armen: geistig behinderte Kinder, oft versteckt, vernachlässigt. Ihre „Hilflosigkeit und Verlassenheit“ erschütterten den UNO-Beauftragten für Displaced Persons, den Niederländer Tom Mutters, so sehr, dass er in Marburg am 23. November 1958 gemeinsam mit Eltern und Fachleuten den Verein „Lebenshilfe für das behinderte Kind“ (heute nur: „Lebenshilfe“) gründete. Früh entstand dabei das Konzept der Inklusion: Hilfen und Förderung sollten eine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen.

[] Hausmusik, die

das (gesellige) Musizieren, das im nichtöffentlichen Raum bzw. im privaten Kreis (mit Freunden, Familienangehörigen, Nachbarn usw.) stattfindet

Andächtig lauscht die kleine Gesellschaft im Kaminzimmer der Tochter des Hauses, die Lieder aus dem neuesten Gesangsalbum vorträgt, am Flügel begleitet von ihrem Hauslehrer. Was im 18. und 19. Jahrhundert zum festen Bestandteil des gutbürgerlichen Kulturlebens gehörte, hat sich in etlichen Familien als Tradition erhalten; voll Hingabe wird da zu besonderen Anlässen gemeinschaftlich musiziert. Am heutigen Tag der Hausmusik wird jedoch keineswegs nur einer historischen Mode gedacht, denn zunehmend animiert deren intime Konzertatmosphäre auch professionelle Musikschaffende, mit „Wohnzimmerkonzerten“ (etwa per Livestream) auch ein größeres Publikum anzusprechen.

[] massenmedial, Adj.

Kommunikationsmittel betreffend, die einen hohen Verbreitungsgrad haben (wie Fernsehen, Rundfunk, Zeitung), von ihnen (den Massenmedien) ausgehend, zu ihnen gehörend

Am 17. Dezember 1996 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen in einer Resolution den 21. November zum Welttag des Fernsehens. Der UNO geht es aber natürlich nicht darum, den eskapistischen Unterhaltungswert des Fernsehens zu würdigen. Vielmehr werden alle Mitgliedsstaaten dazu aufgerufen, „den Welttag des Fernsehens zu begehen, indem sie den weltweiten Austausch von Fernsehprogrammen fördern, die sich unter anderem schwerpunktmäßig mit Fragen wie Frieden, Sicherheit, wirtschaftliche und soziale Entwicklung und Förderung des Kulturaustauschs befassen.“ Wenngleich das (lineare) Fernsehen heute nicht mehr das Leitmedium ist, das es einst war, ist es weltweit nach wie vor ein einflussreiches Massenmedium.

[] Sabotage, die

Störung oder Behinderung des ordnungsgemäßen Ablaufs einer Tätigkeit, geplanter Maßnahmen oder der dazu notwendigen Mittel, die absichtlich erfolgt, um politischen, wirtschaftlichen, militärischen o. ä. Schaden zu verursachen

Russisch lautet es maskulin сабота́ж (sabotáž), italienisch spricht man von il sabotaggio. Den Gallizismus „le sabotage“ versteht man wohl fast überall. Tatsächlich ist sogar der Zeitpunkt bekannt, an dem die Weltöffentlichkeit den Ausdruck erstmals registrierte: Ein Generalstreik der französischen Eisenbahner legte vom 11. bis 18. Oktober 1910 den Bahnbetrieb komplett lahm. Und anders als beim italienischen Bummelstreik von 1904 zerstörten die Arbeiter unter dem Schlagwort „sabotage“ Signalanlagen und Weichen. Ob sich das Wort dabei auf „sabot“, den Holzschuh, bezog, mit dem Arbeiter Industriemaschinen „sabotiert“ haben sollen, oder auf „sabot“, den Hemmschuh, also die Wegfahrsperre, ist bis heute ungeklärt.

[] Lamm, das

junges Schaf (bis zum Alter von einem Jahr)

Die Romanverfilmung „Das Schweigen der Lämmer“ von 1991 bleibt sicher jeder Person, die sie gesehen hat, im Gedächtnis. Nicht zuerst wegen des mysteriösen Titels, sondern wegen der großartigen Inszenierung und den Hauptdarstellern: Gleichauf mit (Sir) Anthony Hopkins spielte die 29-jährige Jodie Foster, beide erhielten dafür den Oscar. Man könnte das für ein fantastisches Debüt halten, doch weit gefehlt: Foster, die übrigens auch mit Auszeichnung Literaturwissenschaft in Yale studiert hat, stand schon ab dem Alter von drei Jahren auf der Bühne, für ihre Nebenrolle in „Taxi Driver“ wurde sie gefeiert, für ihre Hauptrolle in „Angeklagt“ hatte sie schon 1989 den Oscar erhalten. Heute feiert das einstige Wunderkind seinen 60. Geburtstag.

[] Zoff, der

meist emotional ausgetragene, unbeherrscht geführte Auseinandersetzung, Konfrontation; heftiger Streit, Ärger

„… wenn er Zoff macht, hau ick ihm eene vor’n Nüschel, det er denkt, er is jejen ’n Schrank jeloofen!“. Diese markante berlinische Äußerung, zitiert 1957 in der Berliner Zeitung, markiert den Eintritt des konfliktfreudigen Wörtchens „Zoff“ in den Allgemeinwortschatz. Seither verzeichnen die Korpora – wie auch für die Ableitung „zoffen“ – einen erstaunlichen Frequenzanstieg. Dabei steht der hebräische Ursprung „sōf“ neutral für ‚Ende’. Noch heute heißt es im Jiddischen „Mach a sof“ für „komm zum Schluss“. Auch als es in der Form „Zof“ oder „Zoof“ ins Rotwelsche entlehnt wurde, hatte es zunächst die Lesart ‚Ende der polizeilichen Untersuchung‘. Offenbar kam es über die Wendung „mieser sof“ (= böses Ende) zur Bedeutungsverschlechterung.

[] Kunststoß, der

Billard: das Treffen zweier in einer vorher festgelegten Figur auf das Feld aufgelegter Kugeln mit dem Spielball

Ist es noch Sport oder ist es schon Kunst? Dies ist eine berechtigte Frage beim Billard mit seinen verschiedenen Varianten. Neben dem wohl hierzulande bekanntesten Kneipenspiel, dem Poolbillard, gibt es die Wettkampfsportart Karambolage. Eine Unterform davon ist das Billard Artistique, das früher Kunststoß genannt wurde. Mit drei Kugeln, die auf dem Feld sorgsam angeordnet werden, und einem Queue müssen bestimmte Folgen von Karambolagen vollführt werden. Als ein Meister dieses als Wettkampfsport betriebenen Faches galt Gert Tiedtke. Er wurde heute vor hundert Jahren in Duisburg geboren. Dass Billard ein langes Leben bescheren kann, hat er auch gezeigt. Er verstarb letztes Jahr im Alter von 98 Jahren.

[] aus den Fugen geraten, Mehrwortausdruck

von ursprünglich stabilen Systemen, Gesellschaftsordnungen, festgefügten Vorstellungen o. Ä.: in Auflösung, in Zerfall begriffen sein; scheitern; unkontrollierbar werden

Sein Hauptwerk zählt zu den herausragenden literarischen Werken des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Und doch scheint die Erzählung des heute vor 100 Jahren geborenen Nobelpreisträgers José Saramago viel besser in die Jetztzeit zu passen. Seine 1995 erschienene, an Kafka und Camus erinnernde Erzählung „Die Stadt der Blinden“ schildert den moralischen und ethischen Zerfall einer von einer geheimnisvollen Epidemie heimgesuchten Gesellschaft. Die Stadt, deren Einwohner nach und nach erblinden, erscheint dabei als Metapher für eine Menschheit, die ihren inneren Kompass verloren hat, die angesichts der Herausforderungen versagt. Eine herausfordernde Lektüre, die vielleicht wirklich dazu anregen kann, das Werk des portugiesischen Autors neu zu entdecken.

[] Neorealismus, der

in den nach dem 2. Weltkrieg entstandenen vor allem italienischen Filmen und literarischen Werken: Form der künstlerischen Darstellung mit starkem thematischem Bezug zur Alltagswirklichkeit

Phantasiegeschichten, Märchen à la Hollywood interessierten ihn nie. Der italienische Regisseur und Drehbuchautor Francesco Rosi verstand sich stets als Chronist seines Landes. Dabei waren es meist die wenig glamourösen Schattenwelten, besonders die der organisierten Kriminalität, die er in seinen Spielfilmen porträtierte. Sein wohl bedeutendstes Werk ist allerdings kein Mafiafilm. Es ist die Adaption von Carlo Levis Roman „Christus kam nur bis Eboli“. In der autobiografischen Erzählung des jüdischen Arztes, der während der Mussolini-Diktatur ins bitterarme Aliano verbannt wird, sich dort der Einwohner annimmt, spiegelt sich der filmische Stil Francesco Rosis: Das genaue Beobachten, das stets auf der Suche nach der Wahrheit hinter der Realität war. Er wäre heute 100 Jahre alt geworden.

[] Locher, der

Gerät, das ein Blatt Papier o. Ä. mit zwei Löchern versieht

Hinter den Dingen, die wir auf unseren Schreibtischen tagtäglich benutzen, stecken viele kaum bekannte Namen und Geschichten – etwa die des Sauerländer Erfinders und Weltunternehmers Friedrich Soennecken (1848–1919). Bei seinen Innovationen scheint eins ins andere zu greifen: Zum nachfüllbaren Federhalter, den seine Firma vertrieb, erfand er die schreibfreundliche Gleichzugfeder mit runder Spitze – bis heute steckt sie an jedem Füller. Die dafür geeignete „Rundschrift“ entwickelte er gleich mit. Seine bekannteste Innovation aber ist der Locher: Am 14. November 1886 erhielt er das Patent 40065 für einen „Papier-Locher für Sammelmappen und Briefordner u. dergl.“ Das große Geschäft machte jedoch die Firma Leitz, die 1901 unter dem Namen „Phoenix“ den ersten „Handperforator“ herausbrachte.

[] Zungenbrecher, der

sehr schwer auszusprechender Satz, sehr schwer auszusprechendes Wort

Heute, am 2. Sonntag im November, wird der Internationale Tag der Zungenbrecher begangen. Warum, das können wir Ihnen beim besten Willen nicht sagen (neben dem komischen Effekt dienen Zungenbrecher immerhin der Sprecherausbildung), aber wir können Ihnen ein paar präsentieren. Standarddeutsche Klassiker wie „Blaukraut bleibt Blaukraut und Brautkleid bleibt Brautkleid“ (was übrigens sehr schön den typischen Aufbau illustriert) treten dabei zurück hinter dialektalen Schmankerln wie „S’Bsteck z’spat bstöit“ (das Besteck zu spät bestellt) und Fremdsprachlichem wie polnisch „W Szczebrzeszynie chrząszcz brzmi w trzcinie“ (In Szczebrzeszyn tönt ein Käfer auf einem Halm) oder diesem grandiosen Beispiel aus der kaukasischen Sprache Awarisch.

[] Werbeblock, der

mehrere, einander folgende Werbespots, die vor einem Kinofilm, zwischen Fernsehsendungen oder auch in – einen Film oder eine Sendung unterbrechenden – Werbepausen gezeigt werden

„Gunaaaamd!“ – praktisch seit Beginn der Ausstrahlung des Zweiten Deutschen Fernsehens 1963 dienen die sechs Mainzelmännchen Anton, Berti, Conni, Det, Edi und Fritzchen als so genannte Werbetrenner, die Programminhalte und Werbeblöcke voneinander absetzen. Erfunden wurden die inzwischen weit über ihre Ausgangsfunktion hinaus verbreiteten Kultfiguren, deren Name eine Mischung aus den Heinzelmännchen und dem Sender-Sitz Mainz darstellt, von dem Mitarbeiter Wolf Gerlach, der später auch für den WDR die gezeichneten Werbetrenner Ute, Schnute und Kasimir konzipierte. Heute vor zehn Jahren starb der multitalentierte Bühnenbildner, Filmarchitekt, Zeichner und Autor, sein letzter Wohnort Bad Zwischenahn widmete ihm ein Denkmal.

[] Karneval, der

im Zeitraum einiger Tage vor der vierzigtägigen Fastenzeit vor Ostern bei den Christen gefeiertes Fest, bei dem Umzüge, Verkleidungen und Tanzveranstaltungen eine wichtige Rolle spielen

Fleisch, lebe wohl! Was klingt wie ein Aufruf zum Vegetarismus, ist die Übersetzung von mlat. „carne vale“ – einem volksetymologischen Herleitungsversuch des Wortes „Karneval“. Wenngleich die Herkunft nicht eindeutig geklärt ist, scheint die Wahrheit gar nicht so weit entfernt. Das italienische „carnevale“ lässt sich auf verschiedene im Mittellateinischen verbreitete Varianten wie „carnelevare“, „carnelevarium“ zurückführen, die den Zeitraum vor der Fastenzeit, manchmal auch diese selbst oder ihren Beginn, bezeichnen. Wörtlich bedeutet „Karneval“ die Fleischwegnahme aus lat. „carn-“ (= Fleisch) und „levāre“ (= wegnehmen). In der alten Kirche gab es auch eine vorweihnachtliche Fastenzeit, womit möglicherweise der Beginn der Karnevalssession am 11.11. zusammenhängt.

[] Urheberrechtsgesetz, das

Gesetz zum Schutz von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst, welches die verschiedenen Rechte des Schöpfers des Werkes (des Urhebers) regelt, wie etwa von dessen Veröffentlichung und Verwertung

Es sind erschütternde Szenen: Die harten, kaum überzeichneten Karikaturen über die Schattenseiten der englischen Stadtgesellschaft zeugen von Armut, Alkoholismus, Prostitution. Ihrem Schöpfer, dem Grafiker William Hogarth, bescherten sie Weltruhm. Seine herausragende Bedeutung verraten schon die Reaktionen in Deutschland. Lichtenberg war sich nicht zu schade, seinen Satiren erläuternde Übersetzungen beizufügen; der Hegelianer Rosenkranz besprach ihn in seiner „Ästhetik des Hässlichen“. Hogarth ist aber noch einer weiteren Innovation wegen bekannt: Weil seine Stiche des Öfteren „abgekupfert“ wurden, erwirkte er das britische Urheberrecht, das bis zum heutigen Tag „Hogarth Act“ heißt. Geboren wurde er vor 325 Jahren.

[] Nerd, der

verschrobener, eigenbrötlerischer Mensch, Sonderling, der häufig ein stark ausgeprägtes, sehr spezielles Interesse oder Fachwissen hat, aber oft sozial unbeholfen und kontaktarm ist

Am heutigen Tag der Erfinder sollen nicht die großen, berühmten Vertreter dieser Zunft im Mittelpunkt stehen, sondern die vielen unbekannten, verkannten oder auch vergessenen Genies mit ihren Erfindungen. Insbesondere wer zurückgezogen von der Welt vor sich hin friemelt und tüftelt, um die Menschheit schließlich mit Skurrilitäten wie einem „Bayerischen Bierkunst-Rad-Rasenmäher“, einer wasserdichten „Toilettensitzuhr“ o. Ä. zu beglücken, darf sich heute geehrt fühlen. Unterm Strich wurden im vergangenen Jahr deutschlandweit die meisten Patente von Männern (über 93 Prozent) im Bereich Maschinenbau angemeldet, die aktivste Erfinderszene hat, gemessen an der Zahl der Patentanmeldungen, der Freistaat Bayern zu verzeichnen.

[] Herztransplantation, die

Transplantation des Herzens eines Verstorbenen in den Körper eines lebenden Menschen, dessen erkranktes Herz operativ entfernt wird

Es war ein Meilenstein in der Medizingeschichte: Am 3. Dezember 1967 führte ein 31-köpfiges Transplantationsteam unter der Leitung von Christiaan Barnard die weltweit erste erfolgreiche Herztransplantation am Menschen durch. In der fünfstündigen Operation wurde Louis Washkansky das Herz der nach einem Autounfall als hirntot erklärten Denise Darvall eingesetzt. Der Patient überlebte die Operation – wenn auch nur für 18 Tage. Denn die Medikamente, die eine Abstoßung des Herzens verhindern sollten, führten leider auch dazu, dass das Immunsystem des Patienten geschwächt wurde und er so einer Lungenentzündung erlag. Heute vor 100 Jahren wurde der Herzchirurg Barnard in Südafrika geboren.

[] Bauchgrimmen, das

Bauchschmerz; übertragen: Unbehagen angesichts einer für falsch oder unsicher gehaltenen Angelegenheit bzw. der eigenen Beteiligung daran

Das Wort „Bauchgrimmen“ scheint rätselhaft. Ist der Bestandteil „grimmen“ etwa eine obskure Ableitung von „Grimm“? Tatsächlich müsste es „Bauchkrimmen“ heißen. Doch das althochdeutsche Verb „krimman“ ist längst untergegangen und die Anlehnung an Grimm nur Volksetymologie. Weiter hilft uns ein Sprichwort aus dem Oberharz: „Hoineken wut du äten, sau musst du krimmen.“ (= Hühnchen willst du essen, so musst du kratzen.); „krimman“ bedeutete ursprünglich ‚mit Krallen packen, zerfleischen‘. Eine treffende Beschreibung für das Bauchweh. Und was hilft nun gegen das Krimmen? Fragen Sie Ihren Arzt oder das Deutsche Textarchiv: „Wider die Bauchgrimmen/ braucht man auch Gersten-Maltz in einer Pfannen über dem Feuer geröst/ heiß gemacht/ und in ein Säcklein gethan/ und warm übergelegt.“

[] Lebenswerk, das

schöpferische Leistung eines ganzen Lebens

Als am 6. November 1672 der Dresdner Hofkapellmeister Heinrich Schütz aus dem Leben schied, hinterließ er ein umfangreiches Werk, das ihn zum Begründer der protestantischen Kirchenmusik in Deutschland, ja, zum bedeutendsten deutschen Komponisten des Frühbarock machte. Nicht umsonst hieß es auf seiner Grabinschrift „seines Jahrhunderts hervorragendster Musiker“ – „saeculi sui musicus excellentissimus“. Fromm und fleißig, gemahnte Schütz seine Zuhörer daran, ihr Leben nicht unnütz zu verschwenden, sondern sich der „köstlichen Arbeit“ oder – wie es in der anlässlich seiner Bestattung verfassten, über 100-seitigen gleichnamigen Leichenpredigt hieß – „Einer gar frölichen arbeit/ welche bestehet in lauter loben und preisen“, zu widmen.

[] Konzil, das

katholische Religion: Versammlung aller katholischen Bischöfe als Träger der kirchlichen Lehr- und Regierungsgewalt unter Vorsitz des Papstes

Wir schreiben das Jahr 1414. Das Abendländische Schisma droht die kirchliche wie politische Ordnung Europas aus dem Gleichgewicht zu bringen. Drei konkurrierende Päpste aus Avignon, Rom und Pisa ringen um die Vormachtstellung. Der römisch-deutsche Kaiser Sigismund sah sich daher gezwungen, ein Konzil einzuberufen, um die innerkirchlichen Konflikte zu lösen. Die Wahl des Standorts fiel durch seine zentrale Lage auf den mittelalterlichen Bistumssitz und Handelsknotenpunkt Konstanz. Vom 5. November 1414 an war die Reichsstadt für vier Jahre Schauplatz der größten Versammlung des Mittelalters. Das Konstanzer Konzil kulminierte in der bislang einzigen Papstwahl auf deutschem Boden, die im Gegensatz zum restlichen Konzil, das im Münster tagte, im heute noch bestehenden Konzilgebäude stattfand.

[] Medienereignis, das

spektakuläres Ereignis, über das die Medien äußerst ausführlich (mit Features, Kommentaren, Reportagen, Interviews o. Ä.) über einen längeren Zeitraum hinweg berichten

1913 entdeckte der Ägyptologe Ludwig Borchardt in Amarna die Büste der Nofretete. Bis die Öffentlichkeit Notiz nahm, verging ein Jahrzehnt. Anders erging es Howard Carter mit seiner Entdeckung: 1922, heute vor 100 Jahren, stieß er im Tal der Könige auf ein noch unversehrtes Grab. Dieses Ereignis geriet zur Weltsensation. Aus aller Herren Länder strömten die Korrespondenten zur Ausgrabungsstelle. Nahezu in Echtzeit konnten ihre Leser in reich illustrierten Reportagen den Grabungsfortschritt verfolgen. Tutanchamun, ein historisch unbedeutender Pharao, wurde postum weltberühmt. Seine Totenmaske, die über 3000 Jahre niemand zu Gesicht bekommen hatte, wurde – millionenfach abgebildet und reproduziert – zur kulturellen Ikone.

[] reformieren, Verb

(durch eine Reform) neu gestalten und verbessern, modernisieren und veränderten Voraussetzungen anpassen

Als heute vor 170 Jahren in Kyōto Prinz Mutsuhito, postum Meiji genannt, als Sohn des 121. Tennō (Kaiser) geboren wurde, war Japan ein seit Jahrhunderten von der Außenwelt abgeschnittener Feudalstaat, in dem die Samurai-Fürsten (Shōgun) die eigentliche Macht ausübten. Doch nachdem amerikanische Kanonenbootpolitik 1854 eine wirtschaftliche Öffnung des Landes erzwungen hatte und zusammen mit Meijis Thronbesteigung 1867 die Macht der Samurai gebrochen wurde, änderte sich alles: In einem atemberaubenden Reformprozess (Schulpflicht, Kalenderreform, Berufsbeamtentum, Verfassung) verwandelte sich Japan in einen modernen Staat – und zeitweilig auch eine aggressive Großmacht.

[] bis über das Grab hinaus, Mehrwortausdruck

noch über den Tod, über das Lebensende (von jmdm.) hinaus

Der Tag der Toten (span. Día de Muertos) ist in Mexiko ein Grund zum Feiern. Schließlich besuchen die Seelen der Verstorbenen vorübergehend ihre Liebsten im Reich der Lebenden. Es werden Altäre mit Gaben für die Toten aufgestellt, die Straßen mit Studentenblumen und Papiergirlanden geschmückt, (dekorative sowie essbare) Totenschädel sind allgegenwärtig, man versammelt sich auf Friedhöfen, isst, trinkt, tanzt, verkleidet sich und schreibt humorvolle Gedichte. Die bunten, voller Symbolik steckenden Festivitäten, die ihren Höhepunkt am 2. November haben, erstrecken sich über mehrere Tage und unterscheiden sich je nach Region. Gemein ist ihnen jedoch eine fröhliche Stimmung: Man betrachtet den Tod als Übergang in eine andere Daseinsform und die Toten weiterhin als Teil der Gemeinschaft.

[] Veganer, der

jmd., der bei seiner Ernährung auf alle tierischen Produkte (wie Milch, Eier und Honig) verzichtet und auch die Verwendung anderer Erzeugnisse tierischen Ursprungs wie Wolle, Leder usw. ablehnt

In der Politik wie in sozialen Bewegungen ist das Prägen von aufmerksamkeitsheischenden Neologismen essenziell. Das beherzigte wohl auch Donald Watson – Veganer der ersten Stunde. Der hatte einen generellen Verzicht auf tierische Produkte gefordert, war damit aber bei der Vegetarian Society auf taube Ohren gestoßen. So gründete er 1944 eine eigene Zeitschrift, die „Vegan News“ – das Adjektiv „vegan“ war eine Verkürzung aus „veg(etari)an“. Ins Deutsche gelangte es erst Mitte der 1990er Jahre, nicht ohne eine bemerkenswerte Veränderung: Während es im Englischen [ˈviːɡən] lautet, ist es im Deutschen formal ein Latinismus, der ähnlich wie „simultan“, „profan“ nach der deutschen Laut-Buchstaben-Ordnung ausgesprochen und auf der letzten Silbe betont wird.

[] Architektin, die

weibliche Person (mit Hochschulausbildung), die beruflich Bauwerke entwirft

Für Architektur gibt es keinen Nobelpreis, aber eine in Bezug auf das Renommee vergleichbare Auszeichnung ist der Pritzker-Architektur-Preis. 2004 erhielt ihn als erste Frau überhaupt die aus dem Irak stammende Wahlbritin Zaha Hadid. Die schon in jungen Jahren Design-Talent beweisende Architektin musste lange mit Ablehnung kämpfen: Ihre kühnen Entwürfe gewannen Preise und Ausschreibungen, aber unwillige Bauherren oder widrige Umstände verhinderten ihre Umsetzung. Erst nach 1993 konnte sie ihre oft organisch ineinanderfließenden Formen in Bauwerken realisieren, z.B. dem phæno in Wolfsburg oder der Hungerburgbahn in Innsbruck. Hadid, gestorben 2016, wäre heute 72 Jahre alt geworden.

[] Kürbis, der

einjährige, rankenbildende Gemüsepflanze, die sich meist auf dem Boden ausbreitet und sehr große, kugelförmige, gelbe Früchte hervorbringt

Nahezu alle Kürbissorten, die weltweit auf dem Teller landen oder zu Halloween als gruselige Hohlköpfe wen auch immer erschrecken sollen, wurden ursprünglich im präkolumbianischen Amerika kultiviert. Zu uns fanden sie erst in der Neuzeit. Das Wort „Kürbis“ hingegen stammt nicht aus der Neuen Welt. Bereits an der Wortform lässt sich ablesen, dass es schon lange im deutschen Wortschatz beheimatet ist: Schon vor Jahrtausenden durch die Mühlen der Lautverschiebung gedreht, ist das ursprünglich entlehnte lateinische „cucurbita“ kaum noch zu erkennen. Gemeint war der Flaschenkürbis (Lagenaria siceraria) – der einzige Kürbis, der in Afrika und Europa vor Kolumbus bekannt war. Wie der Name sagt, hatte dieser auch einen praktischen Nutzen. Als Kalebasse dient er vielen bis heute der Erfrischung.

[] großer Wurf, Mehrwortausdruck

besonders bedeutendes, erfolgreiches (alles andere überragendes) Projekt, Werk, Konzept o. Ä.

1915 erfand der Berliner Oberturnwart Max Heiser eine Sportart, die für junge Frauen und Mädchen als Alternative zum Fußball gedacht war. Das Spiel, das er „Torball“ nannte, war einen Kombination aus Elementen verschiedener Sportarten wie Raffball und Hockey. Er erprobte es zunächst mit Arbeiterinnen der Berliner Siemens-Werke – sie sollten während des Ersten Weltkriegs für die harte Fabrikarbeit fit gemacht werden. Am 29.10.1917 wurde die Idee in einem Regelwerk fixiert. Das Spiel sollte von nun an offiziell „Handball“ heißen. Auch wenn sich die ursprüngliche Variante vom heutigen Handball stark unterscheidet (Körperkontakt und Prellen waren damals beispielsweise nicht gestattet), gilt dieser Tag als die Geburtsstunde der Sportart, die heute der zweitbeliebteste Mannschaftssport in Deutschland ist.

[] Krisenmanagement, das

der Umgang mit Problemen (und deren Lösung) in einer Krise, einem Konflikt oder einer Notsituation

Im Herbst 1962 waren alle Blicke nach Kuba gerichtet. Dort hatte die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen die Spannungen zwischen den USA und der UdSSR derart zugespitzt, dass eine direkte militärische Konfrontation der Atommächte drohte. Die USA verhängten eine Seeblockade und versetzten ihre Streitkräfte in höchste Alarmbereitschaft. In Verhandlungen gelang es schließlich, Nikita Chruschtschow mit Zurückhaltung, diplomatischer Weitsicht und sicherheitspolitischen Zugeständnissen zum Einlenken zu bewegen – am 28.10.1962 ordnete er den Abzug der Raketen an. Atomkoffer und heißer Draht sollten künftig zu unverzichtbaren Instrumenten des Krisenmanagements beider Supermächte werden.

[] Geigenvirtuose, der

Virtuose im Geigenspiel

„Vielleicht hätte Goethes Mephisto die Violine so gespielt.“ mutmaßte ein bedeutender Berliner Musikkritiker. Goethe konterte, Mephistopheles sei dafür eine zu negative Figur. Das Dämonische aber, das sich in Künstlern in der Tat oft positiv äußere, zeige sich in Niccolò Paganini in ganz besonderer Weise. Der genuesische Teufelsgeiger und Komponist hatte zu diesem Zeitpunkt mit seinem düsteren Äußeren, mit seiner ungewöhnlichen Spieltechnik und der daraus erwachsenden „verhexten“ Virtuosität bereits die Bühnen Europas im Sturm erobert. Am 27. Oktober 1782 kam er zur Welt.

[] Versandhaus, das

Unternehmen, das den Verkauf von Waren durch Versandhandel betreibt

Wenn man heute ein Produkt zu sich nach Hause bestellt, gibt es von A(mazon) bis Z(alando) unzählige größere und kleinere, universelle oder spezialisierte, ethisch handelnde und sonstige Online-Versandhändler. Doch was hat man in der Vor-Internet-Zeit gemacht, wenn man nicht ins Kaufhaus gehen konnte oder wollte? Der Verfasser dieser Zeilen erinnert sich noch gut an Sammelbestellungen, die Hausfrauen des Dorfes bei „Quelle“ machten, wo es alles Erdenkliche gab (zeitweise bis hin zu Haustieren), und hat auch selbst die Spielzeugseiten der dicken Kataloge genauestens studiert. Heute vor 95 Jahren wurde das Versandhaus in Fürth gegründet, Ende 2009 ging es in die Insolvenz und lebt seitdem nur noch als Namensmarke fort.

[] Pinsa, die

(ursprünglich stadtrömische) Variante der Pizza mit dickerem, reichhaltigerem Teig und oft erst nach dem Backen zugefügtem Belag meist ohne Tomatensoße

Was ist rund, wird in einer quadratischen Schachtel gebracht und in dreieckigen Stücken gegessen? Natürlich, die Pizza, weshalb wir ihr zum heutigen Welttag der Pizzabäcker gern die Reverenz erweisen. Das von dünkelhaften Gourmets als Armeleute- bzw. Resteessen bewertete italienische Teigrund mit den unterschiedlichsten Belägen gehört wohl weltweit zu den beliebtesten Gerichten. Es ist auch wandelbar, neben jedem noch so absurden Belag (Fischstäbchen …) findet sich z. B. die dicke amerikanische Pizza oder die zusammengeklappte Calzone. In Rom hat man sich eine rustikale Variante mit – zwecks besserer Vermarktung – dem neuen Namen „Pinsa“ ausgedacht, die sich zunehmend verbreitet. Hauptsache ist doch, dass es schmeckt.

[] schwarzer Freitag, Mehrwortausdruck

Tag eines massiven Kursverlustes an einer Börse, vor allem bezogen auf den 24. Oktober 1929 in New York

Mit geschichtlichen Datumsbezeichnungen ist das so eine Sache: So war der berüchtigte „Schwarze Freitag“, der hierzulande als Beginn der Weltwirtschaftskrise gilt, eigentlich ein Donnerstag, möglicherweise sogar ein Dienstag: An der New Yorker Börse hatte sich Ende der 1920er Jahre eine riesige, größtenteils auf Krediten basierende Spekulationsblase gebildet, die am 24. Oktober 1929 (ein Donnerstag) aus nichtigem Anlass platzte. Die Nachricht vom dramatischen Kursrutsch von 11 Milliarden Dollar erreichte am folgenden Freitag die europäischen Börsen. Doch die eigentlichen Panikverkäufe, die schließlich die Insolvenz zahlreicher Banken nach sich zogen, setzten erst am folgenden Dienstag ein, weshalb verschiedentlich auch vom „Black Tuesday“ die Rede ist.

[] Verbotsverfahren, das

behördliches, gerichtliches o. ä. Verfahren mit dem Ziel, ein Verbot (etwa einer radikalen politischen Gruppierung) zu erwirken

In den Zeiten der NS-Herrschaft in Deutschland wurde von Exil-Philosophen das Konzept der wehrhaften Demokratie entwickelt. Es wurde von den Gründerinnen und Gründern der Bundesrepublik wieder aufgegriffen im Konstrukt einer „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“. Diese kann auf legalem Weg nicht aufgehoben werden. So war es zwar nicht verboten, dass einer der Gründer der Sozialistischen Reichspartei, Otto Ernst Remer, die Bonner Republik als „amerikanisch erzwungene Scheißdemokratie“ bezeichnete, aber den Bestrebungen der Partei, jene FDGO abzuschaffen, schob das Bundesverfassungsgericht mit ihrem Verbot heute vor 60 Jahren einen Riegel vor. Nach dem Verbot der kommunistischen KPD 1956 geriet die Bonner Republik in ruhigeres Fahrwasser.

[] Dopingkontrolle, die

Überprüfung von (Blut-, Urin- o. Ä.)Proben eines Sportlers oder Sporttieres auf verbotene leistungssteigernde Maßnahmen

„Doping“ gehört zu den etwas betagteren Anglizismen im Deutschen. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts diskutierten Tierärzte über Doping im Pferdesport und suchten im Speichel der Tiere nach verbotenen Substanzen. Die Zusammensetzung „Dopingkontrolle“ taucht allerdings deutlich später im Wortschatz auf. 1966 konstatierte „Die ZEIT“, dass vor allem die Radsportler zu leistungssteigernden Mitteln griffen. Wie zahnlos diese Kontrollen tatsächlich waren, zeigte sich immer wieder: 1967 brach Tom Simpson während der Tour de France am Mont Ventoux tot zusammen, im Blut eine mörderische Mischung aus Amphetaminen und Alkohol. 1999 erkämpfte Lance Armstrong den ersten seiner sieben Toursiege. Dass er systematisch gedopt hatte, konnte ihm erst 2012 nachgewiesen werden.

[] skandalisieren, Verb

etwas aufbauschen, zu einem Skandal hochstilisieren

Dass Künstler Skandale und Skandälchen nutzen, um die mediale Aufmerksamkeit für ihr neuestes Kunstwerk (und dessen Verkauf) auszunutzen, ist hinlänglich bekannt. Ein besonders lehrreiches Beispiel hierfür bietet die seit Jahrzehnten erfolgreiche Sängerin Madonna, die nicht nur ein Gespür für neue Trends, sondern auch die richtigen Themen für die bunte Presse hat. Als die damals schon als Sexsymbol und zugleich seriöse Sängerin etablierte Amerikanerin heute vor 30 Jahren zusammen mit ihrem neuen Album „Erotica“ den luxuriösen Bildband „SEX“ herausbrachte, sorgte dieser für weltweite Aufregung. Er verkaufte sich trotz (oder wegen) der expliziten Softpornografie zwar sehr gut, schädigte aber auf Jahre den künstlerischen und kommerziellen Erfolg Madonnas.

[] Welwitschia, die

in der Namib-Wüste endemische niedrige Pflanze, die ein einziges Paar Laubblätter hervorbringt und über tausend Jahre alt werden kann

„Dies ist ohne Frage die wunderbarste Pflanze, die je in dieses Land gebracht wurde, und eine der hässlichsten.“ sprach ein britischer Botaniker über die von ihm „Welwitschia“ genannte Pflanze, die ihm der österreichische Botaniker Friedrich Welwitsch aus der südafrikanischen Namib-Wüste geschickt hatte. Die Betroffene kann nicht wirklich empört sein, sie ist ja eine Pflanze – und was für eine! So besteht sie fast immer nur aus zwei Blättern, die aber sehr groß werden und zerfurchen können, kann die Form ihrer Wurzeln an die Feuchtigkeit der Umgebung anpassen und wird möglicherweise sogar 2000 Jahre alt. Welwitsch, der heute vor 150 Jahren starb, hatte übrigens den einheimischen Namen „Tomboa“ als Benennung vorgeschlagen.

[] Tourismus, der

Gesamtheit aller Angebote und Unternehmungen, die mit (organisierten) Reisen zum Kennenlernen fremder Orte und Länder sowie zur Erholung im Zusammenhang stehen

Wer historische Sehenswürdigkeiten, regionale Handwerkstraditionen und nicht zuletzt kulinarische Highlights entdecken möchte, kann sich auf Themen- bzw. Ferienstraßen auf Spurensuche begeben. Eine der ältesten und beliebtesten dieser touristisch erschlossenen Routen ist die Deutsche Weinstraße. Am 19.10.1935 wurde sie „eingeweiht“. Der Großteil der bundesdeutschen Ferienstraßen wurde hingegen bedeutend später, in den 1970er und dann in den 1990er Jahren, konzipiert und eröffnet. Doch auch wen es nach ferneren Horizonten gelüstet, findet jenseits der Landesgrenzen vielerlei Ferienstraßen, um per Auto, Rad oder zu Fuß Reiseerfahrungen zu sammeln. Bon voyage!

[] Radiosender, der

private oder öffentlich-rechtliche Anstalt, die Sendungen für den Radioempfang produziert und ausstrahlt

Heute vor 100 Jahren gründeten mehrere britische und amerikanische Elektrogerätehersteller in London ein gemeinsames Unternehmen zur Ausstrahlung eines Rundfunkprogramms im Vereinigten Königreich, um den Absatz ihrer Rundfunkempfangsgeräte zu steigern. Die „British Broadcasting Company“ wuchs rasant: Während es Ende 1922 noch 35.774 Empfangsgenehmigungen gab, waren es zwei Jahre später schon über eine Million. Nach zwei weiteren Jahren waren es 2,5 Millionen. Da das Geschäft dennoch nicht rentabel war (u. a. weil sich Kunden ihre Empfangsgeräte selber bauten), wurde die private Gesellschaft aufgelöst und auf Grundlage einer Royal Charter am 01.01.1927 in die nichtkommerzielle „British Broadcasting Corporation“ umgewandelt. So wurde die BBC zur ersten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt der Welt.

[] ein Herz und eine Seele, Mehrwortausdruck

einander sehr nahestehend, eng befreundet; sehr gut miteinander harmonierend

„Du dusselige Kuh“ – Angehörige der älteren Generation sehen hier einen kleinen, mittelalten Mann vor sich, der sich am Küchentisch die Zehennägel schneidet – Alfred Tetzlaff. Die angesprochene Gattin lässt diese und andere Nörgeleien fast immer klaglos über sich ergehen und erhebt sich als gute Seele der Familie (mit Tochter und Schwiegersohn) über den Giftzwerg, eine Karikatur des damaligen deutschen Spießers. Dank Wolfgang Menge, der die Serie nach einer britischen Vorlage (Till Death Us Do Part) für das deutsche Fernsehen adaptierte, konnte der Kleinbürger, in den Spiegel des Ekels Alfred blickend, über sich selber lachen. Die erste Folge wurde erstmals am 15. Januar 1973 ausgestrahlt. Ihr Schöpfer Wolfgang Menge verschied heute vor zehn Jahren.

[] Wörterbuch, das

(gedruckt, auf einem elektronischen Medium oder im Internet publiziertes) Nachschlagewerk mit nach bestimmten Gesichtspunkten ausgewählten und erläuterten Stichwörtern, meist mit Informationen zu ihrer Form, ihrer Bedeutung und ihrem Gebrauch

Lexikografen, Linguistinnen und Sprachliebhaber haben heute Grund zur überschwänglichen Freude, denn jedes Jahr am 16. Oktober wird (in den USA) der Tag des Wörterbuchs gefeiert. Anlass des inoffiziellen Feiertags ist der Geburtstag des amerikanischen Lexikografen, Rechtschreibreformators, Übersetzers und Autors Noah Webster. Nachdem er 1806 sein erstes Wörterbuch herausbrachte, verbrachte er die nächsten 20 Jahre damit, es stetig zu erweitern und zu verbessern. Mit dem 1828 erschienenen American Dictionary of the English Language ging er in die Annalen der Lexikografie ein, sein Name wurde zum Synonym für „Wörterbuch“. Aber wie feiert man diesen Ehrentag des Wörterbuchs denn nun am besten? Indem man es zum Beispiel zur Erweiterung des Wortschatzes benutzt! Hier ein paar Vorschläge

[] Handhygiene, die

das Reinhalten der Hände durch Waschen (oder Desinfizieren) zum Entfernen von Schmutz und Krankheitserregern

An skurrilen Gesundheitsratschlägen hat es in der Menschheitsgeschichte wohl nie gemangelt. So empfahl ein auf dem Lehrwerk „Regimen sanitatis Salernitanum“ beruhender Merkvers von 1559 das Händewaschen – mit einer seltsamen Begründung: Wasch dein händ / underlass es nicht / Du reinigst dich / und scherrpffst dein gsicht (= verbesserst deine Sehkraft). Hintergrund war ein missverstandener Talmudkommentar. Zwar wuschen sich Rabbiner vor dem Beten tatsächlich die Hände. Sie wollten so aber nur verhindern, dass die Augen mit Salz in Kontakt kamen, das sie zuvor zu sich genommen hatten.

[] selbst ist der Mann, Mehrwortausdruck

man kann etw. ohne fremde Hilfe schaffen; jeder sollte sich selbst zu helfen wissen

„Sind ja alles nur Bretter“, soll Walter Ulbricht auf einem Messerundgang über die Montagemöbel des Designers Rudolf Horn gesagt haben. Damit war die Geschichte eines am Bauhaus angelehnten Möbeldesigns in der DDR beendet. Ganz anders sah das ein schwedischer Möbelhersteller – IKEA. Das Prinzip der preisgünstigen Bretterkisten für die Selbstmontage daheim machte den Konzern berühmt und Ingvar Kamprad zu einem der reichsten Menschen der Welt. Zeitweise wurden die „Bretter“ – welche Ironie – im Auftrag des Möbelriesen in der DDR hergestellt. IKEA eröffnete am 14. November 1974 in München die erste Filiale in Deutschland. Heute sind Montagemöbel nicht mehr wegzudenken aus unserem Leben, sie stehen nicht nur in Heimwerkerhaushalten. Rudolf Horn hingegen ist weitgehend vergessen.

[] Überlebenskampf, der

Wettstreit, Ringen um die eigene Existenz, das Überleben in einer existenzbedrohenden Situation

Es ist der Alptraum eines jeden Menschen mit Aviophobie – doch für die 45 Insassen des Flugs 571 wurde er am 13. Oktober 1972 tragische Realität. Auf dem Weg von Uruguay nach Chile wähnten sich die Piloten bereits jenseits der Anden und setzten zum Landeanflug an. Da sie aufgrund starken Gegenwindes jedoch noch mitten im Hochgebirge waren, zerschellte die Maschine an einem Berghang und stürzte ab. 12 Menschen kamen direkt ums Leben, für die anderen begann ein 71 Tage andauernder Überlebenskampf im Eis. Schnell sahen sie sich mit einem Dilemma konfrontiert: sterben oder eines der größten gesellschaftlichen Tabus brechen. Alles andere als leichtfertig trafen sie die Entscheidung, ihre im Eis konservierten verstorbenen Mitinsassen zu essen. 16 der 45 Verunglückten überlebten und konnten schließlich gerettet werden.

[] auf dem Holzweg, Mehrwortausdruck

einem grundlegenden Irrtum (besonders, was Ansichten, Vorstellungen o. Ä. betrifft) unterliegend, der weitere falsche Schlussfolgerungen nach sich zieht

Christoph Kolumbus ist ein schönes Beispiel dafür, dass auch Holzwege irgendwohin führen können. In seinem Fall waren es die europäischen Kartografen, die ihn mit ihren zeittypischen Konglomeraten aus antiker Überlieferung, erstaunlich exakten Positionsbestimmungen, obskuren Reiseberichten und puren Spekulationen in die Irre führten. Gemeinsam war ihnen, dass sie in ihren Werken zwar die Kugelgestalt der Erde veranschaulichten, jedoch Ptolemäus folgend ihren Umfang viel zu gering ansetzten – sodass sich Kolumbus, als er heute vor 530 Jahren auf San Salvador landete, bereits in Japan wähnte. Auch dieses „Wissen“ fußte auf Mutmaßung. Der deutsche Kartograf Henricus Martellus hatte die Insel nach dem Reisebericht Marco Polos auf seiner Weltkarte eingetragen.

[] Modernisierungsschub, der

plötzlich eintretender großer Fortschritt in der Modernisierung

Heute vor 60 Jahren bot sich im Vatikanstaat ein denkwürdiger Anblick: Rund 2500 sog. Konzilsväter – Kardinäle, Bischöfe, Ordensobere, Theologen – zogen unter Führung von Papst Johannes XXIII. in den Petersdom ein, um das Zweite Vatikanische Konzil zu eröffnen. Nachdem das Erste 1870 u. a. die Unfehlbarkeit des Papstes festgesetzt hatte, sollte das II. Vatikanum – noch mit Latein als Arbeitssprache – theologische und praktische Antworten auf die Herausforderungen der Moderne finden. 1965 schloss es mit weitreichenden Reformen zur Liturgie und zum Selbstbild des Katholizismus im Staat, und auch mit ersten unkonkreten, aber anerkennenden Gesten in Richtung anderer (abrahamitischer) Religionen und der Frauen, die sich erstmals öffentliches Gehör verschafft hatten.

[] Pressefreiheit, die

Grundrecht der Presse und anderer Medien, Informationen zu beschaffen und zu verbreiten sowie jegliche Meinung frei zu äußern

Heute vor 60 Jahren erschien im Magazin „Spiegel“ ein Artikel über für die junge Bundeswehr wenig schmeichelhafte Ergebnisse eines Manövers. Manche, zuvorderst Verteidigungsminister Franz Josef Strauß, witterten hierbei Landesverrat und ließen bald darauf die Räume der Zeitschrift durchsuchen und Herausgeber, Redakteur und „Whistleblower“ teils in Nacht-und-Nebel-Aktionen verhaften. Die weite Ablehnung dieses Aktes staatlicher Willkür gegen die freie Presse hätte den Bundeskanzler Konrad Adenauer beinahe sein Amt gekostet. Langfristig wurde die Pressefreiheit durch die sog. Spiegel-Affäre sogar gestärkt. Im Jahr 2022 befindet sich Deutschland in der Rangliste der Pressefreiheit übrigens weltweit auf dem 16. Platz (2021: 13). Es ist also noch Luft nach oben.

[] Zuckerbäcker, der

Person, die beruflich Feingebäck und anderes süßes Backwerk herstellt

Heute vor 225 Jahren wurde Philippe Suchard in Boudry in der Schweiz geboren. Bei seinem Bruder Frédéric erlernte er das Handwerk der Zuckerbäckerei, wie man damals zum Beruf des Konditors sagte. Er konnte nach einem Intermezzo als Handlungsreisender in den USA Wissen und Fertigkeiten in seiner eigenen Konfiserie und Chocolaterie in Neuenburg nutzen. 1884 gestorben, erlebte er noch den märchenhaften Aufstieg seines Geschäftes zum größten Schokoladenhersteller der Welt. Bekannt ist der Name „Suchard“ in Deutschland vor allem als Marke für Kakaopulver, ein Rohstoff seiner Konditorenarbeit. Nebenbei leitete er noch ein Asphaltbergwerk im Kanton Neuenburg als dessen Direktor. Beides schlecht für die Zähne.

[] Oktopus, der

jedes Mitglied einer taxonomisch noch nicht abschließend definierten Gattung aus der Familie der Echten Kraken

Gibt es ein Lebewesen, dessen Genom komplexer ist als das des Menschen? Gibt es! Es ist der Kraken, ein Wesen aus der Klasse der Kopffüßer. Das zeigte jüngst eine Analyse einer internationalen Gruppe von Genetikern. Zudem verfügen diese Tiere über neun Gehirne und drei Herzen. Da kann man schon neidisch werden. Immerhin: Es reicht dafür, ohne Werkzeuge eine Flasche Bier zu öffnen, wie Dressurexperimente im Zoo von Basel zeigen. Kraken sind es allemal wert, ihnen – wie 2007 auf Initiative des Octopus News Magazine geschehen – einen Welttag zu widmen. Auch, um auf ihre Gefährdung in ihrem natürlichen Habitat hinzuweisen. Unsere Welt wäre etwas weniger intelligent ohne sie.

[] Morgenmuffel, der

jmd., der morgens nach dem Aufstehen meist keine besonders gute Laune hat, mürrisch und wortkarg ist

Das Internet ist voller Hymnen auf die Frühaufsteher, die frühen Vögel, die den Wurm schon verspeist haben, ehe der späte Vogel schlechtgelaunt aus dem Nest fällt. Dabei weiß man heute: Langschläfer mit mühevollem Start in den Tag haben einfach einen anderen Biorhythmus. Sie sind dadurch nicht weniger produktiv und können sogar so berühmt werden wie etwa Simone de Beauvoir, die, so heißt es, nie vor 10 Uhr morgens in den Tag startete. Wenn Sie Frühaufsteherin sein sollten, denken Sie daran. Millionen Menschen kennen die französische Schriftstellerin – wie viele Menschen kennen Sie? Feiern Sie also heute – aber bitte nicht zu früh am Morgen! – mit uns den bundesweiten Tag des Morgenmuffels.

[] Paradeiser, der

österreichisch: Tomate

Das Wort „Paradeiser“ hat sicher schon so manchen in Österreich speisenden Deutschen verdutzt. Bevor die ursprünglich aus dem aztekischen Náhuatl stammende Bezeichnung „Tomate“ (aztek. „tomatl“) ins Deutsche übernommen wurde, gab man der apfelförmigen Frucht verschiedene Namen: Goldapfel, Lieb(es)apfel oder auch Paradiesapfel bzw. Paradeisapfel. Die lautgesetzlich regelhafte Form „Paradeis“ wurde zwar durch Anlehnung ans Lateinische durch „Paradies“ verdrängt, bleibt im Österreichischen aber bis heute in der Bezeichnung für die (Frucht der) Pflanze erhalten. Obwohl „Tomate“ inzwischen ebenfalls in ganz Österreich verbreitet ist, ist „Paradeiser“ besonders im Osten des Landes noch gebräuchlich.

[] Pils, das

Bier, das nach Pilsener Brauart hergestellt wird

„Die Notwendigkeit ist die Mutter der Erfindung“ – dieser Platon zugeschriebene Spruch passt auf das Getränk, das heute gewürdigt werden soll. Nachdem mehrere Fässer des wohl fürchterlichen Gesöffs damaliger Brauart aus Protest öffentlich auf dem Rathausplatz in Pilsen ausgeschüttet wurden, holte sich der damalige Braumeister des „Bürgerlichen Brauhauses“ Martin Stelzer Hilfe von dem erfahrenen Braumeister Josef Groll aus Bayern. Groll änderte die Rezeptur; das neue Bier war stärker gehopft und wurde dadurch bitterer. Heute vor 180 Jahren, am 5. Oktober 1842, braute Groll den ersten Sud. Das Bier neuer Pilsener Brauart (zunächst hieß es „nach Bayerischer Brauart“) wurde ein Welterfolg, vor allem nachdem es mit dem Aufkommen von Kältemaschinen im 19. Jahrhundert möglich war, Bier flächendeckend zu produzieren.

[] Zeitsprung, der

plötzlicher, meist gedanklicher oder erzählerischer Übergang zwischen zeitlich weit auseinander liegenden Zeiträumen

Man stelle sich das einmal vor: Auf den heutigen Dienstag, den 4. Oktober, folgt Mittwoch, der 15. Oktober. Die zehn Tage dazwischen? Weg, verschwunden: Geburtstage, die nicht gefeiert werden, Termine, die einfach wegfallen. Doch heute vor 440 Jahren geschah genau das. Und dieser ‚Tagedieb‘ war sogar ein Papst: Gregor XIII. Um den aus dem Takt geratenen Julianischen Kalender wieder in Übereinstimmung mit dem astronomischen Kalender zu bringen, ordnete er den Kalendersprung an. Bis heute gilt: In allen Jahren, deren Jahreszahl durch 100 teilbar ist, und die geteilt durch 400 keine ganze Zahl ergibt, fällt der Schalttag (29. Februar) aus. Die Formel ist so präzise, dass erst in über 3000 Jahren eine Abweichung von einem Tag zu erwarten ist.

[] von Pontius zu Pilatus laufen, Mehrwortausdruck

(erfolglos) viele Wege zurücklegen, (erfolglos) zahlreiche Behördengänge o. Ä. unternehmen, um ein Ziel zu erreichen, Geld zu sammeln, Hilfe zu erhalten

Diese Wendung ist zugegeben inhaltlich sinnlos, denn laut Lukasevangelium wurde Jesus vom römischen Präfekten Pontius Pilatus zu Herodes und von dort wieder zurückgeschickt, ehe er zum Kreuzestod verurteilt wurde, doch der Volksmund bevorzugte wohl die Alliteration. In der Forschung wurde lange diskutiert, ob jener römische Beamte überhaupt eine echte historische Person war – zu schlecht die außerbiblische Quellenlage, zu unwahrscheinlich der Titel „Präfekt“. Dann 1961 die Sensation: Es sind nur wenige Schriftzeichen, die noch auf einem Steinblock aus Caesarea zu lesen sind: [… PO]NTIVS · PİLATVS / [PRAEF]ECTUS · IVDAE[A]E […]. Diesen Ausschnitt der Bauinschrift verstehen Sie nun sicher auch ohne Lateinkenntnisse.

[] Sammelsurium, das

Nebeneinander von mehreren Dingen, geistigen Inhalten o. Ä., die nicht zusammengehören, keine Ordnung erkennen lassen

Der kreative und zugleich respektlose Umgang Jugendlicher mit Sprachregeln ist kein modernes, oft aber ein kurzlebiges Phänomen. Die Halbstarken des 17. und 18. Jahrhunderts waren Studenten. Reflexe ihrer Sprachschöpfungen bereichern unseren Wortschatz allerdings bis heute. So belebten die Kommilitonen mittelalterliche Ausdrücke wie „Brandbrief“ oder „Denkzettel“ mit scherzhaften Bedeutungen zu neuem Leben. Beliebt war auch, Wörter des nativen Wortschatzes mit Fremdwortaffixen zu versehen: aus dem „Schwäch-ling“ wurde der „Schwach-mat(ikus)“, aus dem „Lappen“ die „Lapp-alie“ (nach „Personalie“). Und aus dem nicht gerade beliebten niederdeutschen Eintopfgericht aus sauer eingelegten Speiseresten „Sammelsur“ (zu nd. „sur“ = sauer) das „Sammelsurium“.

[] Barista, der oder die

(ausgebildete) Person, die in einer (Kaffee-)‍Bar, einem Café o. Ä. für die Zubereitung von Kaffeegetränken zuständig ist

Sie kochen nicht einfach nur Kaffee. Gut ausgebildete Baristas sind Kaffeeexperten, die von den Eigenschaften unterschiedlicher Kaffeesorten über verschiedene Mahlmethoden bis hin zur perfekten Temperatur über umfassende Kenntnisse in der Kaffeezubereitung verfügen. Mit Milch zubereitete Spezialitäten kredenzen sie oft liebevoll verziert mit filigraner „Latte Art“. Das Wort „barista“ gelangte aus dem Italienischen, wo es allgemein einen Barmann oder eine Barfrau bezeichnet, wohl über das Englische mit leichter Bedeutungsverschiebung zu uns. Fester Bestandteil des deutschen Wortschatzes ist „Barista“ ungefähr seit Anfang der 2000er. Zur selben Zeit hielt übrigens eine große amerikanische Kaffeehauskette, die ihre Servicemitarbeiter so nennt, Einzug in Deutschland.

[] Butterbrot, das

mit Butter bestrichene und meist zusätzlich mit Käse, Wurst, Marmelade o. Ä. belegte oder bestrichene (zusammengeklappte) Scheibe Brot

Deutsche, die sich totstellen, kann man auffliegen lassen, indem man schlicht „Im Ausland gibt es einfach kein gutes …“ ruft und schaut, wer „Brot!“ ergänzt. So zumindest besagt ein Witz. Die Deutschen lieben und schätzen ihre Brotkultur, aber alles wäre natürlich nichts ohne einen Belag. Das glaubte wohl die Agrarmarketing-Organisation CMA ausnutzen zu können und rief 1999 als Marketing-Gag den „Tag des Deutschen Butterbrots“ ins Leben, den wir heute vollmundig begehen. Am besten mit einer Stulle. Oder einer Bemme. Oder einer Schnitte. Wie auch immer Sie Ihr Wurst-, Käse-, Eier-, Fett-, Schinken-, Honigbrot nennen – guten Appetit!

[] Anchorman, der

Sprecher, der durch eine Nachrichtensendung oder die Berichterstattung zu einem bestimmten Ereignis führt und einzelne Beiträge anmoderiert

Er trug den Beinamen „Mr. Tagesschau“ und war wohl der erste Anchorman im deutschen Fernsehen, schon bevor es dieses Wort in der deutschen Sprache überhaupt gab (erstmals ist das Wort 1969 in den Korpora des DWDS belegt). Die Rede ist von Karl-Heinz Köpcke, der am 29. September 1922, heute vor hundert Jahren, in Hamburg geboren wurde. Vom 2. März 1959 bis zum 10. September 1987 moderierte er die „Tagesschau“, die bekannteste Nachrichtensendung in Deutschland. Er prägte ein Bild von dieser Sendung, aber auch von sich selbst als Inbegriff der Seriosität, dass es zu Protesten von irritierten Zuschauern kam, als der stets Glattrasierte nach seinem Sommerurlaub 1974 mit einem Schnauzbart in die Sendung kam. Bei ihm hätte es sicher eines nicht gegeben: Fake News.

[] Zwickel, der

keilförmiges oder rautenförmiges Stück Stoff, das zur Stabilisierung, zu hygienischen Zwecken sowie zur Erhöhung des Tragekomforts in Kleidungsstücke eingesetzt wird

Als Anfang der 1930er Jahre die Unart des allzu freizügigen Badens gänzlich ohne oder „in anstößiger Badekleidung“ zusehends um sich griff, sahen sich konservative Kreise gezwungen, behördlich dagegen vorzugehen. Am 28. September 1932 wurde eine auch als „Zwickelerlass“ bekannt gewordene Polizeiverordnung erlassen. Unter Androhung von Zwangsgeldern von bis zu 150 Reichsmark war u. a. die besonders pikante, stoffumschmeichelte Schrittregion der Badebekleidung zum Schutz vor unzüchtigen (Ein-)Blicken mit einem Zwickel zu versehen. Die Urheber ernteten Spott und Häme in der Presse, die sich mit „verzwickten“ Wortkapriolen in bisweilen hochamüsante Kommentare verstieg. Knapp zehn Jahre später wurde die Zwickelregelung dann wieder aufgehoben. Und heute – wen juckt’s?

[] Hieroglyphe, die

gewöhnlich bildhaftes, aus einem Piktogramm entstandenes Schriftzeichen für verschiedene Trägermedien, mit überwiegend logografischer, aber auch lautabbildender Funktion

Als Jean-François Champollion, Autodidakt und leidenschaftlicher Fan des alten Ägypten, am 27.09.1822 in der Pariser Akademie einen Vortrag über das Wesen und eine erste Entzifferung der bisher unverständlichen ägyptischen Hieroglyphen hielt, waren die anwesenden Herren nicht überzeugt, griffen den schon mit 20 Jahren zum Professor Ernannten gar scharf an. Doch wie schon bei früheren Anfeindungen ließ Champollion sich nicht entmutigen, veröffentlichte seine Ergebnisse – und behielt in allem Wesentlichen Recht, wie sich in der Folgezeit zeigte. Der jung gestorbene Franzose hat uns so einen zentralen Zugang in eine alte und über Jahrtausende andauernde Hochkultur ermöglicht.

[] die Gelegenheit beim Schopf packen, Mehrwortausdruck

eine Möglichkeit, Chance zum richtigen Zeitpunkt erkennen und entschlossen nutzen

Wer rennt Ihnen denn da entgegen? Ein Mann mit griechischer Nase und einer großen, hüpfenden Locke am Pony. Wenn Sie ihn beim Vorbeieilen anhalten wollen, greifen Sie ins Leere, denn sein Hinterkopf ist rasiert – er entwischt Ihnen. Mit diesem treffenden Bild besang ein Dichter des Hellenismus seinen (jungen, in der klassischen Zeit noch unbekannten) Gott Kairos (Καιρός), den personifizierten rechten Augenblick. Wenn man die günstige Gelegenheit nicht sofort geistesgegenwärtig ergreift, solange sie noch nicht vorbei ist, dann hat man das Nachsehen. Man muss – und genau vom Bild des Kairos stammt diese noch heute gebrauchte Redewendung – die Gelegenheit eben beim Schopfe packen.

[] Zahnseide, die

dünner, meist gewachster Faden, mit dem man Zahnbeläge und Speisereste zwischen den Zähnen entfernen kann

Das Fädeln zum Reinigen der Zahnzwischenräume ist älter, als man meinen sollte. Im Widukind-Museum zu Enger kann man die Gebeine eines mittelalterlichen Kriegers bestaunen, der bis ins hohe Alter über ein vergleichsweise vollständiges Gebiss verfügte. Er nutzte wohl dünne Schnüre oder Gräser, um schädliche Plaques zu entfernen. Dagegen ist Zahnseide, wie wir sie kennen, wesentlich jünger. Erfunden wurde sie in den USA. 1898 erhielt die Firma Johnson & Johnson das Patent für den gewachsten Seidenfaden, der heute dabei hilft, Karies oder Zahnsteinbildung an schwer zugänglichen Stellen zu verhindern. Unser Recke aus Enger war bei seiner Zahnpflege allerdings etwas übereifrig. Der Zahnstein war zwar deutlich reduziert, die Zahnhälse waren dafür praktisch durchgeschmirgelt.

[] wie Pilze aus dem Boden schießen, Mehrwortausdruck

während einer kurzen Zeitspanne in großer Menge entstehen; plötzlich zahlreich in Erscheinung treten und sich ausbreiten

Heute ist der Tag des Pilzes! Nun gut, zumindest in Europa. Andernorts feiert man diese Lebewesen, die – wie wir wohl inzwischen alle wissen – keine Pflanzen sind, sondern ein eigenes Reich neben Tieren und Pflanzen bilden, an anderen Tagen. Das ist auch nicht verkehrt; es passt gewissermaßen zu dem unglaublichen Reichtum, den die Pilze bieten, was Farbe, Form und Vorkommen angeht, von winzigen Hefen bis hin zum größten Lebewesen der Welt. Der Mensch nutzt Pilze seit Urzeiten direkt als Nahrungsmittel (z. B. haben gerade Pfifferlinge Saison!), zur Veredelung (Käse) oder auch als Halluzinogene. Zugleich sind Giftpilze, Hausschwamm oder Schimmel als Schadensquellen gefürchtet.

[] Herbstblues, der

durch Erscheinungen vor allem des Spätherbstes wie kürzer werdende Tage, düstergrauer Himmel und Nebel verursachte niedergedrückte oder melancholische Stimmung

Wer im Sommer unter der Hitze gelitten hat, jubiliert: Heute ist die zweite Tag-und-Nacht-Gleiche (für Angeber: Äquinoktium) des Jahres, ab morgen sind die Tage bis zur nächsten im März kürzer als die Nächte: Der Herbst ist da. Auch die Wärme- und Sonnenfreunde, die es bisher nicht wahrhaben wollten, müssen das zugeben. Dass sie darum nun vermehrt Trübsal blasen, ist verständlich (wobei es oft mehr der Gedanke an nasskalte, dunkle Tage ist als der tatsächliche jetzige Zustand des Wetters). Doch wenn man sich dem „goldenen Herbst“ mit seiner Farbenpracht und der großen kulinarischen Palette (Pfifferlinge! Trauben!) öffnet, dann kann man die Zeit sicher ebenso genießen wie in der Badesaison.

[] Krempel, der

salopp, abwertend: Kram, Plunder, Zeug

Bettina von Arnim klagte einmal über ihre Garderobe: „… mir war aber alles zu weit und zu lang, als ob ich es auf dem Krempelmarkt erkauft hätte“. „Krempel“ war nie besonders hoch geachtet, wertlos aber nicht: In Zeiten, in denen Gegenstände des täglichen Bedarfs, ganz besonders Textilien, aufwendig in Handarbeit hergestellt wurden, dafür viel haltbarer waren als heute, hatten Gebrauchtwaren für die Bevölkerung eine extrem wichtige Bedeutung. Das Wort „Krempel“ (älter: „Grämpel“) steht in Zusammenhang mit der untergegangenen Berufsbezeichnung „Grämpler“ (= jmd., der mit gebrauchten Textilien, Kleinwaren u. Ä. handelt), die wiederum auf „grempen“ (= Kleinhandel betreiben) zurückgeht. Womöglich liegt das altprovenzalische „c(r)omprare“ (= kaufen, bezahlen) zugrunde.

[] Dank, der

Gefühl und Ausdruck der Anerkennung und moralischen Verpflichtung für ein Geschenk, eine Gefälligkeit, Wohltat, die man von jmdm. empfangen hat

Danke, danke, danke – faleminderit – շնորհակալություն – gracias – kiitos – გდმადლობთ – धन्यवाद – どうも – អរគុណ – хвала – ขอบคุณ – cпасибі – teşekkürler – dziękujemy – obrigado – ευχαριστoύμε – merci – dankon. Sie ahnen es vielleicht bereits: Wir möchten uns am heutigen Welttag der Dankbarkeit, der seit 1977 begangen wird, bei allen treuen Leserinnen und Lesern dieser Kolumne bedanken – herzlichst! Zu verdanken haben wir diesen Tag übrigens der Meditationsgruppe der Vereinten Nationen.

[] Zweisprachigkeit, die

das Nebeneinander von zwei Sprachen in einem bestimmten Gebiet oder Bereich

Es können die besten Nachbarn unterschiedlicher Muttersprachen nicht in Frieden leben, wenn es den nationalistischen Scharfmachern nicht gefällt. Dies zeigte sich im österreichischen Kärnten. Nachdem slowenische Minderheit und deutschsprachige Mehrheit über Jahrhunderte friedlich zusammengelebt hatten, gab es nach dem Ersten und um den Zweiten Weltkrieg immer wieder Versuche der Gebietsannexion, Assimilierung oder Aussiedlung. Im Nachkriegsösterreich gelang wieder ein gutnachbarschaftliches Zusammenleben mit allen dazugehörigen Rechten für die Minderheit – mit einer Ausnahme: Die Aufstellung zweisprachiger Ortsschilder ab dem 20.09.1972 erhitzte über Jahrzehnte die Gemüter; der über eine Provinzposse hinausgehende Streit konnte erst 2011 beigelegt werden.

[] alt wie Methusalem, Mehrwortausdruck

sehr alt, uralt

Methusalem schaffte es laut biblischer Erzählung auf 969 Jahre. So lange hat wohl tatsächlich noch kein Mensch gelebt. Wir alle aber werden im Durchschnitt immer älter. In Japan wird man besonders alt. Seit immerhin 75 Jahren gibt es deshalb den 敬老の日 (Keirō no Hi), den „Ehret-das-Alter-Tag“. Dieser Tag, jedes Jahr am 3. Montag im September, ist ein offizieller Feiertag in ganz Japan und verschafft allen Japanerinnen und Japanern ein langes Wochenende. Der Anlass wird aber durch vielgestaltige Würdigungen der älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger durchaus ernst genommen. Die japanische Regierung spendiert allen Hundertjährigen des Jahres einen Silberbecher – eine schöne Geste, die den Staatshaushalt aber zunehmend belastet. 2021 waren über 43 000 Becher fällig!

[] Friedhof, der

(eingefriedeter) Begräbnisplatz

Der Außenbezirk einer jeden Kirche war im Mittelalter mehr als nur Begräbnisplatz. Er bot im Rahmen des Kirchenasyls ebenfalls Schutz vor Verfolgung und war zur eindeutigen Markierung meist von Mauern oder Zäunen eingehegt. Entsprechend nannte man ihn ursprünglich „frîthof“, zu „frîten“ (= hegen, schonen). Als sich im Zuge der Diphthongierung î zu ei wandelte, hätte sich eigentlich die Form „Freithof“ durchsetzen müssen. Vereinzelt findet man sie auch, etwa bei Abraham a Santa Clara: „ihr Hofleut/ ihr prangt heut zu Hof / morgen vielleicht auf dem Freithof“. Stattdessen wurde das Wort – sei es in Bezug auf die ewige Ruhe oder auf die besondere Rechtsfunktion – volksetymologisch an „Friede“ angeglichen.

[] aufräumen, Verb

etw. Unordentliches wieder in Ordnung bringen

Droht ein populistischer Hetzer mal wieder damit, gründlich mit XY „aufzuräumen“, denken wir eher an eine zynisch gemeinte übertragene Verwendung des Wortes. Tatsächlich aber ist „aufräumen“, verstanden als ‚wegschaffen’, ‚beseitigen‘, ja sogar ‚vernichten‘, die ältere, ursprünglichere Lesart. So warnten bis ins 17. Jh. insbesondere Prediger gerne und oft vor Gottes Aufräumaktionen: „so gewaltig kan Gott die Feinde vnnd Gottlosen straffen / dempffen [bezwingen] vnd auffreumen“. Doch auch wenn so manch gestresster Messi in seinen Saustall am liebsten die Sintflut loslassen würde – spätestens seit Luther erscheint aufräumen auch ganz zivil im Sinne von ‚Ordnung schaffen‘. Und wem das gelingt, der ist mit etwas Glück sicher auch bald aufgeräumter Stimmung.

[] Geheimagent, der

Person, die als Agent, Spion für einen staatlichen Geheimdienst tätig ist

Heute vor hundert Jahren kam der britische Regisseur Guy Hamilton zur Welt. Dass er bis zum Zweiten Weltkrieg in Frankreich aufgewachsen war, hinderte ihn nicht daran, in den 1960ern ikonisch britische Filme zu machen: Neben dem Monumentalstreifen „Luftschlacht um England“ wurde er besonders für seine vier Regiearbeiten um James Bond, den berühmten Agenten 007, bekannt: Hatte er den ersten Film („Dr. No“) noch abgelehnt, drehte er mit „Goldfinger“ die wohl beste Folge der Reihe und zeichnete auch für den letzten Auftritt von Sean Connery und die ersten beiden Bond-Filme mit Roger Moore verantwortlich. Der 2016 verstorbene Regisseur war damit stilprägend für die Erfolgsserie um den Geheimagenten im Auftrag Ihrer Majestät.

[] Reiseliteratur, die

literarische Gattung, deren Werke reale oder fiktive Reiseerlebnisse schildern, häufig mit Blick auf die politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse vor Ort

„Für uns, die wir Island nicht kannten, schien ein so spurloses Verschwinden unfaßbar. Wir wußten nichts von den unbetretbaren Ufern des fraglichen Sees ...“ – Der pommerschen Adeligen Ina von Grumbkow war der Verlobte, der Geologe Walther von Knebel abhandengekommen: Er hatte sich 1907 zu einer Forschungsreise nach Island aufgemacht und war, ob vom Vulkansee Öskjuvatn verschluckt oder von Elfen entführt, nicht zurückgekehrt. Von Grumbkow machte sich gemeinsam mit von Knebels Assistenten Hans Reck auf die beschwerliche Reise ins Innere Islands. Den Verschollenen fanden sie nicht, wohl aber zueinander. Zurückgekehrt heiratete das Paar und Ina von Grumbkow veröffentlichte einen Reisebericht, der die wilhelminische Leserschaft in die raue Schönheit der isländischen Landschaft entführte. Heute vor 150 Jahren wurde die Islandreisende geboren.

[] Guru, der

(als Verkörperung eines göttlichen Wesens verehrter) religiöser Lehrer im Hinduismus, Sikhismus und tantrischen Buddhismus

Als Franz Bopp 1816 sein Werk „Über das Conjugationssystem der Sanskritsprache in Vergleichung mit jenem der griechischen, lateinischen, persischen und germanischen Sprache“ vorlegte, war dies der Beginn der modernen Sprachwissenschaft in Europa (die altindischen Grammatiker betrieben schon 2500 Jahre früher methodische Studien). Sanskrit war nicht nur Ausgangspunkt der historisch-vergleichenden Sprachforschung, sondern auch einiger Lehnwörter: Neben dem Karma („Tun“) und dem Yoga („Anschirren“) ist besonders der Guru bekannt. Dieser Lehrer ist ein „Schwergewicht“, er ist nämlich Substantivierung von guru- „schwer“, das mit gleichbedeutend griechisch barýs und lateinisch gravis verwandt ist – wie wir dank Bopp wissen. Am 14. September 1791 wurde er in Mainz geboren.

[] Programmierer, der

Person, die den Quellcode für Computerprogramme schreibt

#include AdT;

date day="2022-09-13";
int dayofyear=256;
int year=2022;
string event="Tag des Programmierers";
string greeting="Hello world!";
string endofmessage="marmosets";

print "@greeting\n";
print "Heute, an Tag @dayofyear des Jahres @year, am @day, begehen wir den @event.\n";
print "Warum auch immer.\n";
print "@endofmessage.\n\n";

[] Radioaktivität, die

Eigenschaft von (nicht stabilen) Atomkernen, zu zerfallen und dabei ionisierende Strahlung auszusenden; die durch diesen Prozess entstehende Strahlung

Wenn Mediziner per Szintigraphie die Schilddrüse untersuchen, wenn Neurologen mit bildgebenden Verfahren Stoffwechselvorgänge im Gehirn sichtbar machen – stets kommen radioaktive Isotope zum Einsatz. Forscher, Mediziner und Patienten profitieren damit von einer revolutionären Entdeckung: 1934 gelang Irène Joliot-Curie, die heute vor 125 Jahren geboren wurde, gemeinsam mit ihrem Mann Frédéric die Erzeugung künstlicher Radioaktivität. Sie bestrahlten eine Aluminiumfolie mit Alphateilchen und erkannten, dass dabei unter anderem das radioaktive Isotop Phosphor-30 entstand. Für ihre Entdeckung erhielt das Ehepaar schon ein Jahr später den Nobelpreis für Chemie – in der Familie Curie war es damit Nobelpreis Nummer drei.

[] Kaventsmann, der

schnelle, vom übrigen Seegang abweichende Monsterwelle

Induktion schlägt Deduktion. In diesem Fall mehr als 25 Meter über dem Meeresspiegel durchs Fenster: Am 11. September 1995 wird der Luxusliner „RMS Queen Elizabeth 2“ von einer „Kaventsmann“ genannten Monsterwelle getroffen (nach anderen Angaben von den sog. „Drei Schwestern“) und schwer beschädigt. Hochseewellen über 15 Metern Höhe hatten bis dahin als physikalisch unmöglich gegolten, zahlreiche Berichte über sie (sogar drei verschiedene Typen davon) als Seemannsgarn. Doch nach jenem Vorfall und der beginnenden Überwachung von Wellenbewegungen durch Radar, das Höhen von über 30 Metern bestätigte, erkannte die Wissenschaft die Riesenwellen als echtes Phänomen an und begann mit ihrer Erforschung, die bis heute Neues zu Tage fördert.

[] nicht von dieser Welt sein, Mehrwortausdruck

außergewöhnlich, übernatürlich, unwirklich sein

Als die Zuschauer am 10.09.1991 erstmals im deutschen Fernsehen diesen idyllisch anmutenden Vorspann sahen, rechneten sie wohl nicht mit dem, was sie in Twin Peaks erwarten würde. Was wie eine gewöhnliche Krimiserie beginnt, entpuppt sich als Mischung aus Horror, Fantasy und Seifenoper, gespickt mit eigenwilligem Humor und skurrilen Charakteren. Die Geschichte um den Mord an Laura Palmer wird mit jeder Folge surrealer. Nur ein paar der sonderbarsten Elemente: eine mystische Parallelwelt, in der alles rückwärts läuft; eine Frau, die als Medium eines Holzklotzes fungiert; ein außerweltliches Wesen namens Bob, das von Menschen Besitz ergreift, währenddessen entsetzliche Verbrechen begeht und sich dann am Schmerz der Opfer labt. Es klingt befremdlich. Es ist verwirrend. Aber es ist bahnbrechende TV-Kunst.

[] Deppenapostroph, der

abwertend, gelegentlich scherzhaft: Apostroph, der in Unkenntnis der geltenden Regeln falsch gesetzt wird

Verehrt, verhunzt, verhasst: Der (nicht: das) verdienstvolle Apostroph markiert als Wortzeichen bereits seit der Antike den Ausfall von Buchstaben, sorgt aber in der Moderne für erhebliche Verunsicherungen. Oft fängt es schon damit an, dass Textverarbeitungs-Apps anstelle des Hochkommas fälschlicherweise ein halbes Abführungszeichen setzen. Häme kommt dann auf, wenn unbedarfte Zeitgenossen schon einfache Genitiv- oder sogar Pluralendungen mit dem „Deppenapostroph“ schnöde vom Wortstamm trennen. Um auf derlei, keineswegs nur aufs (nicht: auf’s) Deutsche beschränkten Wildwuchs aufmerksam zu machen, haben Ortho- und Typografie-Enthusiasten für jeden 9. September den „Internationalen Tag des typografisch richtigen Apostrophs“ ausgerufen. Wie man’s/mans richtig setzt? Hier sind die Regeln.

[] Tacheles reden, Mehrwortausdruck

deutliche, kritische Worte wählen; klar seine Meinung sagen; ganz offen die Sachlage darstellen

Die aus dem Jiddischen stammende Wendung ist im Deutschen erst verhältnismäßig spät heimisch geworden. In literarischen Schilderungen des jüdischen Alltagslebens begegnet „Tacheles“ in der älteren Form „Tachlis“ oder „Tachles“ zunächst in der Bedeutung ‚Ziel Zweck‘, etwa bei Salomon Hermann Mosenthal: „Reb Tobiah, […] seht zu, daß Ihr das Kind in die Stadt bringt. Was hat sie hier für ein Tachlis?“. In der Verwendung „Kern der Sache, Geschäft“ deutete sich (hier bei Egon Erwin Kisch) aber schon die aktuelle Bedeutung an: „[…] reden wir von Tachles: Wieviel wollen Sie für den Winkel (= Liegenschaft)?“. In deutschen Textkorpora lässt sich die Wendung dann seit den 1970er Jahren in höherer Zahl nachweisen, sie gehört heute mit zu den populärsten Jiddismen im Deutschen.

[] Roboter, der

äußerlich einem Menschen nachgebildete, wie ein Mensch agierende Maschine

„1. Regel: Ein Roboter darf kein menschliches Wesen (wissentlich) verletzen oder durch Untätigkeit (wissentlich) zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird. 2. Regel: Ein Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren. 3. Regel: Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert.“ Als der russisch-amerikanische Biochemiker und Science-Fiction-Autor Issac Asimov diese Regeln veröffentlichte (in Deutschland erschienen sie vor 70 Jahren in der Kurzgeschichtensammlung „Ich, der Robot“), galten sie noch für eine fiktive Welt in ferner Zukunft. Wie lange sie noch fiktiv bleiben wird, muss sich zeigen …

[] Putsch, der

plötzlicher und gewaltsamer Staatsstreich, besonders zur Bewahrung oder Wiederherstellung der bisherigen Ordnung

Ob nun als englisch „the putsch“, französisch „le putsch“ oder polnisch „pucz“. In der Bedeutung ‚Staatsstreich‘ ist das lautmalerische Substantiv in (fast) ganz Europa geläufig. Nicht ganz so bekannt ist, dass es aus dem Schweizerdeutschen stammt und ursprünglich ‚Knall, Stoß‘ meinte. Den Anstoß für die Bedeutungsveränderung gab der sogenannte „Züriputsch“. 1839 hatte der Kanton Zürich eine umstrittene liberale Verfassung eingeführt. Das ländliche Prekariat, der Klerus, konservative Bürger sahen sich um Privilegien und Rechte betrogen. Sie rebellierten: 2000 Protestierende versammelten sich am 6. September 1839 in der Hauptstadt, um die Regierung zu stürzen: Das Ereignis, bei dem 15 Menschen zu Tode kamen, fand starken Widerhall in der deutschen Presselandschaft.

[] was lange währt, wird endlich gut, Mehrwortausdruck

(oft ironisch) wenn das Gelingen eines Vorhabens lange auf sich warten lässt, ist die Freude umso größer, wenn es endlich gelingt

Wer damals, am 5. September 2006, mit dabei war beim ersten Spatenstich auf der Großbaustelle für den später so genannten „Flughafen Berlin Brandenburg (BER) Willy Brandt“, möchte heute vermutlich nicht mehr gerne mit diesem Vorhaben in Verbindung gebracht werden. Damals wurde als Eröffnungstermin das Jahr 2011 genannt, gedauert hat es dann bis zum 28. April 2020, dass der Flughafen endlich für den Betrieb freigegeben wurde. Wer sich einmal gründlich über Berliner Verhältnisse beim Umgang mit großen Bauvorhaben informieren oder sich einfach nur mal gruseln möchte, dem sei das Buch „Black Box“ des Architekten Meinhard von Gerkan empfohlen – eines der vielen Opfer, die dieses Projekt gekostet hat.

[] Currywurst, die

gegrillte (und in Stücke geschnittene) Bratwurst, die mit einer würzigen Tomatensauce angerichtet und mit Currypulver bestreut serviert wird

Wer hat sie erfunden? Die Frage muss auch hier unbeantwortet bleiben, auch wenn es bereits eine Novelle von Uwe Timm zu diesem spannenden Thema gibt („Die Entdeckung der Currywurst“). Eine Position im Streit um die Ehren ihrer Erfindung nimmt die Berlinerin Herta Heuwer ein, die angeblich am 4. September 1949 bei Experimenten in ihrer Wurstbude eine geschnittene Bratwurst mit einer charakteristischen, scharfen Soße zusammenbrachte. Wer diesen millionenfach hergestellten und verkauften Leckerbissen auch immer erfand – für Altkanzler Schröder ist die Currywurst „einer der Kraftriegel der Facharbeiterin und des Facharbeiters in der Produktion“. Wohl bekomms!

[] Chemiewaffe, die

chemische Substanz, die wegen ihrer toxischen Wirkung auf Menschen, Tiere oder Pflanzen als Massenvernichtungsmittel eingesetzt wird

Chemische Waffen gehören zu den schrecklichsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte. Nach dem Masseneinsatz von Chlor, Phosgen und Senfgas im Ersten Weltkrieg und der Entwicklung der noch wirksameren Nervengase danach standen sie in neuerer Zeit vor allem für gegen Zivilisten gerichteten Terror (auch Staatsterror). Doch es gelang eine Wende: Heute vor 30 Jahren unterzeichneten die ersten 39 Staaten in Genf die Chemiewaffenkonvention, die die Vernichtung dieser Kampfstoffe unter internationaler Aufsicht regelt. Inzwischen ist nur noch eine Handvoll Staaten übrig geblieben, die die Konvention nicht unterzeichnet oder ratifiziert hat.

[] im Dunkeln tappen, Mehrwortausdruck

im Ungewissen sein, (noch) nichts Genaues wissen; in einer aufzuklärenden Angelegenheit keinen Anhaltspunkt haben

Die Energiekrise macht deutlich: Straßenbeleuchtung ist ein kostbares Gut. Bis weit in die Neuzeit hinein blieb Licht auf die Welt der Privaträume beschränkt. Wer des Nachts unterwegs war, lief Gefahr, sich zu verlaufen oder unter die Räuber zu fallen. Aber auch die Polizei tappte bei ihren Versuchen, die nächtlich ausufernde Kriminalität einzudämmen, weitgehend im Dunkeln. Um Abhilfe zu schaffen, ordnete die Stadt Paris am 2. September 1667 die Beleuchtung der Gassen und Plätze an. Anfangs sorgten Funzeln aus Talg für ein eher trübes Licht, im späten 19. Jahrhundert machten Gas und Elektrizität die Nacht zum Tag. Bis heute hat Gas nicht ausgedient: Allein in Berlin brennen derzeit noch über 20.000 Gaslaternen. Einige davon sogar tagsüber!

[] Zebrastreifen, der

breite, weiße Streifen in gleichmäßigen Abständen auf der Fahrbahn, die einen Fußgängerübergang markieren

In Deutschland gibt es viele Vereine und Vereinigungen, bei denen man sich verwundert am Kopf kratzt – so was gibts? Zum Beispiel die deutsche Studiengesellschaft für Straßenmarkierungen. Diese macht seit 2009 einmal jährlich, am 1. September, auf ihr berechtigtes Anliegen, die Verbesserung der Verkehrssicherheit vor allem für Kinder und Senioren, aufmerksam. Der Anker dafür nennt sich „Tag des Zebrastreifens“. Vor 70 Jahren, im Jahr 1952, wurden in München die ersten fünf dieser Straßenmarkierungen angebracht, allerdings schon im Juli. Früher hießen die im Amtsdeutsch übrigens Dickstrichketten, heute schlicht Fußgängerüberweg.

[] Paparazzo, der

abwertend: Pressefotograf, der bekannte und berühmte Personen (meist heimlich und gegen deren Willen) in ihrer privaten Umgebung beobachtet und fotografiert

Am 31. August 1997 verunglückten Diana, Princess of Wales, ihr Lebensgefährte sowie ihr Fahrer bei einem Autounfall in Paris tödlich. Den Abend über waren sie von Paparazzi verfolgt worden und einige Zeit hielt sich das Gerücht, ein Blitzlichtfoto hätte den Fahrer geblendet und somit den Unfall verursacht. Dies wurde in mehreren Gerichtsverfahren widerlegt. Über das grenzüberschreitende Vorgehen von Paparazzi auf der Jagd nach spektakulären Bildern wird jedoch seither stärker öffentlich und juristisch debattiert. Vorbild für die Bezeichnung ‚Paparazzo‘ ist übrigens die gleichnamige Figur des penetranten Pressefotografen aus dem Film „La dolce vita“ (1960) von Federico Fellini.

[] Monster, das

furchterregendes, hässliches Fabelwesen, Ungeheuer von fantastischer, meist riesenhafter Gestalt; Lebewesen, das als furchterregend, grausam und hässlich gilt

Es mutet an wie ein Klischee und war 1816 doch real: ein nicht enden wollender Regen, tobende Gewitter und eingeschlossen in eine alte Villa fünf hochbegabte junge Menschen, die sich in Debatten über die Nachtseiten der Naturwissenschaft verlieren. In dieser düsteren Atmosphäre trug die 18-jährige Mary Godwin der Runde ihre literarische Vision eines „modernen Prometheus“ vor: Der Schweizer Viktor Frankenstein erweckt einen aus Leichenteilen zusammengestückelten Körper zum Leben. Doch er ist von der Hässlichkeit seiner Schöpfung abgestoßen, die Kreatur entwickelt sich daraufhin zum mörderischen Monster. Der 1818 veröffentlichte Briefroman wurde zur literarischen Sensation und zur Blaupause eines eigenen Genres. Die Schöpferin – wir kennen sie als Mary Shelley – wurde heute vor 225 Jahren geboren.

[] ich glaub, mein Hamster bohnert, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, veraltend, als Ausdruck positiver oder negativer Überraschung, des Erstaunens, der Empörung

Ein wahrer Quell der Kreativität sind diejenigen Redewendungen, in denen Tiere den ungewöhnlichsten und unmöglichsten Tätigkeiten nachgehen. Das Schwein pfeift, der Elch knutscht, der Hamster bohnert. Hier wird dem Erstaunen oder auch der Empörung über etwas Luft gemacht, das so nicht sein kann oder darf. Unser Kollege Ulf Hamster hat heute schon wieder Geburtstag – echt jetzt? Ich glaub, mein Hamster bohnert. Na dann: Herzlichen Glückwunsch und weiterhin Erfolg im beruflichen Leben und bei der Hausarbeit!

[] verballhornen, Verb

etw., besonders sprachliche Äußerungen, verbessern wollen und dabei aus Unvermögen oder wegen Missverständnisses verschlechtern

Die deutsche Sprache hat es nicht gut gemeint mit jenem Lübecker Drucker Johann Ballhorn dem Jüngeren (* um 1550). Heute steht sein Name für stümperhaftes „Verschlimmbessern“ – leider zu Unrecht: Zwei Juristen des Lübecker Rats hatten das alte Lübische Recht von 1243 „Vbersehen Corrigiret vnd aus alter Sechsischer Sprach in Hochteudsch gebracht“, jedoch nicht ohne sich eigenmächtig ein paar Freiheiten erlaubt zu haben. Da diese wichtige Ausgabe von 1586 anonym erschien, hieß es bald ironisch abwertend: „verbessert nach Ballhorn“. Denn der einzige Name auf dem Titelblatt war jener des unglückseligen Druckers.

[] Blutmond, der

Astronomie: totale Mondfinsternis, bei der der Mond dem menschlichen Auge in rötlicher Färbung erscheint

„Der Mond ist wie ein blutig Eisen!“ In Georg Büchners Drama „Woyzeck“ ersticht der gleichnamige Protagonist die Mutter seines Kindes unter dem aufgehenden Blutmond. Er ist getrieben von Eifersucht und Wahnsinn, Stimmen weisen ihn an, seine untreue Marie zu töten. Als Inspiration diente Büchner das Schicksal des einst real existierenden Soldaten Johann Christian Woyzeck. Am 27. August 1824 wurde dieser auf dem Leipziger Marktplatz vor großem Publikum enthauptet – verurteilt wegen des Mordes an seiner Geliebten Johanna Woost. Es war die letzte öffentliche Hinrichtung in Leipzig.

[] Abenteuerreise, die

Touristik: organisierte Reise mit (geplanten oder ungeplanten) ungewöhnlichen, manchmal gefährlichen Erlebnissen

Da die ganze Welt bereist, erkundet und vermessen ist, gibt es heute kaum noch Abenteuer im eigentlichen Sinne, sondern wir verwenden den Ausdruck meist übertragen für etwas Reizendes, Aufregendes. Doch ursprünglich wohnt diesem lautlich merkwürdigem Wort auch nicht unbedingt das Element der Gefahr inne, wenn man einen Blick auf seine Herkunft wirft: Das mittelhochdeutsche „âventiure“ (Ereignis), Lieblingswort der Minnesänger, zeigt noch deutlich die volkslateinische Quelle „*adventūra“ (Geschehnis, wörtlich: „was herankommen wird“). Übrigens: „Abenteuer sind am Abend teuer“, sang Zarah Leander seinerzeit als wohl nicht ernst gemeinte Volksetymologie.

[] Tofu, der oder das

aus Sojabohnen gewonnenes käseähnliches geschmacksneutrales Nahrungsmittel

Beim Tofu scheiden sich die Geister: Bei vielen als fader Fleischersatz verpönt, wird er von anderen als vielfältiger Alleskönner geschätzt. Seinen Ursprung hat der Tofu allerdings nicht nur kulinarisch in China. Aus chin. dòufu (豆腐), wörtlich ‚Bohnenquark‘, gelangte das Wort über das Japanische ins Deutsche. Auch der Sojabohnenquark selbst verbreitete sich von China aus (wo Tofu bereits seit mind. 1000 Jahren bekannt ist) erst in Asien, bevor er spätestens seit Mitte der 1980er Jahre auch hierzulande in aller Munde war. Die Assoziation von Tofu mit vegetarischer oder veganer Ernährung existiert in Asien übrigens nicht.

[] Ohrstöpsel, der

kleiner Stopfen aus einem formbaren Material (meist Watte, Silikon o. Ä.), der in den äußeren Gehörgang gesteckt wird, um Ohr und Gehör vor Lärm zu schützen

Heute ist der Tag der seltsamen Musik. Einer, der davon besonders viel auf hohem Niveau produziert hat, ist der US-amerikanische Künstler Tom Waits. Seine ersten Alben erschienen in den 1970er Jahren, von Anfang an ist er geprägt von Blues-, Jazz- und Folk-Musik. Und bald gesellen sich kuriose Wunderlichkeiten hinzu: seine mal flüsternde, mal dröhnende Reibeisen-Stimme, Geschichten über düstere Gestalten oder auch Klangexperimente mit Megafon, Töpfen, Pfannen und krähenden Hähnen. Nach dem potenziellen ersten „Sound-Schreck“ lohnt es sich durchaus, die Ohrstöpsel wieder herauszunehmen und Tom Waits‘ eigenem kuriosen Musikgenre zu lauschen.

[] erinnern, Verb

etw., jmdn. im Gedächtnis, in der Erinnerung bewahrt haben; jmdm. etw. ins Gedächtnis zurückrufen, jmdn. mahnen, etw. nicht zu vergessen

Eine Biografie, die sich fast über ein Jahrhundert erstreckte – das Leben von Inge Deutschkron war geprägt von den einschneidenden Ereignissen des 20. Jhs.: „Mein Kind, ab heute bist du Jüdin“, informierte ihre Mutter sie 1933. Bisher hatte Religion im Leben der atheistischen Familie kaum eine Rolle gespielt, doch wie durch ein Wunder überlebte die Familie Deutschkron die Judenverfolgung. Ihre Lebensaufgabe sah Inge, die in den folgenden Jahrzehnten als Autorin und Journalistin tätig war, darin, „gegen das Vergessen“ anzukämpfen. Sie erinnerte daher nicht nur regelmäßig an die Gräueltaten des NS-Regimes, sondern insbesondere auch an den Mut der „stillen Helden“, denen sie und viele andere ihr (Über-)Leben zu verdanken hatten. Am 23.08.2022 wäre Inge Deutschkron 100 Jahre alt geworden.

[] Brandbrief, der

an die Allgemeinheit oder an eine (in der Verantwortung stehende) Person bzw. Gruppe gerichtetes Schreiben, in dem auf gravierende Missstände, eine bedrohliche Lage hingewiesen wird; allgemeiner: dringender Brief, der eine Bitte, Mahnung enthält

Wie behalf sich vor 200 Jahren ein „eifriger“ Student – nennen wir ihn frei nach Wilhelm Busch Hieronymus – der vom vielen Kneipen völlig abgebrannt, also ohne Kohle dastand? Er schrieb seinem alten Herrn einen „Brandbrief“, in dem er in rührselig dramatischen Worten auf seine Finanzmisere hinwies. Hieronymus und seine Kommilitonen reaktivierten damit einen veraltenden Ausdruck, der eigentlich für anderes stand: Brandbriefe waren Bescheinigungen bzw. Bettelbriefe, mit denen der Inhaber nachwies, dass er seine Habe durch Flammen verloren hatte. Auch Erpresserschreiben, in denen mit Feuersbrunst gedroht wurde, nannte man so. Und heute? Heute schreibt man Brandbriefe, weil ein Missstand unter den Nägeln brennt. So macht sich jedes Zeitalter seinen eigenen Reim auf den „Brandbrief“.

[] Helikoptergeld, das

Geld, das durch eine Zentralbank (unter Erhöhung der Geldmenge) zur Belebung des Wirtschaftslebens in Krisenzeiten ohne Zweckbindung und Rückzahlungspflicht an alle Bürger eines Staates verschenkt oder an Staatshaushalte ausgegeben wird

Der Helikopter, wie der Hubschrauber international genannt wird, ist eine faszinierende Maschine, deren internationalen Tag wir heute begehen. Das Fluggerät, das nach langen theoretischen Vorarbeiten und Versuchsträgern um 1940 die ersten Serienfertigungen erlebte, ist nicht nur sehr praktisch (z. B. in der Luftrettung), sondern hat auch die sprachliche Fantasie beflügelt: Bekannt sind besonders die „Helikoptereltern“, die wie Hubschrauber ihre Kinder überfürsorglich umkreisen. Doch auch das Bild der quasi blind aus Hubschraubern abgeworfenen Subventionen verbreitet sich in der Form „Helikoptergeld“ zunehmend.

[] Geocaching, das

eine Art der Schatzsuche, bei der die geografischen Koordinaten versteckter Gegenstände im Internet veröffentlicht und diese Schätze (von anderen Geocachern) mithilfe von GPS gesucht werden

Kurz nachdem im Jahr 2000 der erste Geocache in den USA versteckt wurde, erreichte das Fieber um die GPS-Schatzsuche auch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Bei dem Schatz (Cache) handelt es sich klassischerweise um einen Behälter, in dem ein Logbuch und ein oder mehrere Tauschgegenstände enthalten sind. Versteckt werden kann er an den verschiedensten Orten – in alten Industriegebäude oder Katakomben, aber auch in Baumhöhlen oder – gut getarnt – mitten im urbanen Raum. Inzwischen soll es allein in Deutschland fast eine halbe Million solcher Verstecke geben. Seit 2011 wird immer am dritten Samstag im August der Internationale Geocaching-Tag begangen.

[] Brimborium, das

umgangssprachlich: unwesentliches Beiwerk, unnötiges Drum und Dran

Auch wenn Latein in der Neuzeit auf dem Rückzug war: In Gebetsformeln, pompösen Rechtssprüchen oder medizinischen Diagnosen war das antike Idiom im Alltag immer noch lebendig – und bot reichlich Material für (scherzhafte) Verballhornungen. Auch „Brimborium“ gehört in diese Gruppe. Es geht wohl auf „Breviarium“, das Brevier, Gebetbuch der katholischen Geistlichen, zurück. Im Französischen formte man den Ausdruck scherzhaft zu „brimborion“ (= Lappalie) um, ein Ausdruck, der Goethe so faszinierte, dass er ihn als „Brimborium“ in seinen „Faust“ übernahm, aber die Bedeutung in ihr Gegenteil verkehrte.

[] DIN A4, Mehrwortausdruck

genormtes Maß für Papier und papierähnliche Waren, das deren Länge (297 mm) und Breite (210 mm) festlegt

Kein Werk des „Deutschen Instituts für Normung“ ist so bekannt wie die Norm 476. Diese Vorgabe, die heute vor 100 Jahren festgelegt wurde, bestimmt unseren Alltag von Schule an („bitte ein Heft im DIN-A4-Format mitbringen“). Kein Ordner, kein Locher, kein Drucker, der ohne diese magische Formel bzw. deren Schwestern – von DIN A0 bis DIN A10 – auskäme. Etwas Magie steckt schon in der Festlegung dieser Formate: Das Blatt der Größe DIN A0 hat eine Fläche von einem Quadratmeter. Alle anderen Formate sind dadurch abgeleitet, dass die längere Seite des höheren DIN-Formates der kürzeren Seite des niederen Formates entspricht. Das Verhältnis von Länge zu Breite wiederum entspricht dem Verhältnis von 1 : √2 . Deshalb die krummen Zahlen für die Länge und Breite. Normieren kann so schön sein.

[] seine Pappenheimer kennen, Mehrwortausdruck

genau wissen, mit wem man es zu tun hat; sich bewusst sein, was man von bestimmten Menschen (besonders im negativen Sinne) zu erwarten hat

„Daran erkenn’ ich meine Pappenheimer.“: Mit diesem Satz im Drama „Wallensteins Tod“ machte Schiller das Kürassierregiment des Gottfried Heinrich zu Pappenheim (1594–1632) – berüchtigt für seine Grausamkeit wie für seine Loyalität – unsterblich. Doch anders als im Theaterstück, in dem Wallenstein die sprichwörtliche Treue der Elitetruppe würdigt, wird die Wendung heute abwertend verwendet. Was zur Bedeutungsverschlechterung führte, ist nicht ganz klar: So oblag in Nürnberg den sogenannten Pappenheimern die Reinigung der städtischen Kloake. Wahrscheinlicher ist aber der Einfluss von Wendungen wie „nicht von Pappe“ oder „ein/kein Pappenstiel“, in denen Pappe stets für etwas Wertloses steht.

[] Mumpitz, der

salopp: Unsinn, Blödsinn

Börsengeschäfte waren auch im 19. Jh. nur etwas für Eingeweihte. 1874 erläuterte ein Börsenmakler vor Gericht: Wenn er ein Papier zu einem ganz besonderen Preis anbiete „und [er] zwinke dabei stark mit den Augen“, sei eigentlich ein Scheingeschäft beabsichtigt. Im Börsenjargon war das ein sogenannter „Mumpitz“ (zur Kursmanipulation). In der Bedeutung „Unsinn, Blödsinn“ bürgerte sich die kapitalistische Sprachschöpfung bald außerhalb des Parketts ein. Möglicherweise ließen sich die Makler hier von „Mombotz“ (‚Schreckgespenst‘) oder „Butzenmummel“ und „Mummelputz“ (‚Popanz‘, ‚Vogelscheuche‘) inspirieren.

[] Metronom, das

Musik: früher mechanisches, heute meist elektronisches Gerät, das durch (akustische) Impulse ein konstantes Tempo vorgibt

Seit über 200 Jahren sorgt das Metronom dafür, dass der Musikant nicht aus dem Takt fällt und Orchester ihr Tempo gemäß den Vorgaben des Komponisten zügeln bzw. auf die Tube drücken müssen. Doch obwohl auf Partituren die Auszeichnung „MM“ auf den Erfinder Johann Nepomuk Mälzel verweist, ist der Regensburger Mechaniker, Musiker und Unterhaltungskünstler heute fast vergessen. Zu Lebzeiten war Mälzel dagegen ein A-Promi. Auf gutbesuchten Verkaufsveranstaltungen, die eher Tourneen durch Europa und Amerika glichen, unterhielt er das Publikum mit seinen von ihm konstruierten Musikautomaten, aber auch mit zugekauften Maschinen, wie dem berühmten Schachtürken. Heute vor 250 Jahren wurde das umtriebige Verkaufstalent geboren.

[] Eidechse, die

vierbeiniges, schlankes und flinkes Schuppenkriechtier, das in warmen, trockenen Regionen Eurasiens und in Afrika verbreitet ist

Heute begehen wir den Internationalen Tag der Eidechse (vielleicht mit einem Ausflug in die Natur, um die schönen Tiere zu Gesicht zu bekommen?). Der angehende Etymologe wird im Wort „Eidechse“ eine durch ein zu klärendes Element „Eid-“ determinierte „Echse“ sehen. Doch der Schein trügt: Der Oberbegriff wurde erst 1816 als Kunstwort von Oken aus dem Namen der flinken Tiere abgetrennt. Immerhin weist die althochdeutsche Form „egidehsa“ im Vorderglied womöglich das alte indogermanische Wort für die Schlange, *e/o(n)gʷʰi-, auf. Doch das Hinterglied bleibt dunkel. Offenbar sind die Eidechsen nicht nur im echten Leben, sondern auch in ihrem Namen uns gegenüber besonders scheu.

[] mit der linken Hand, Mehrwortausdruck

ohne Mühe, ohne Anstrengung

Was die Redewendung noch als mit erstaunlicher Leichtigkeit erbrachte Leistung würdigt, war lange Zeit für die Betroffenen ein Problem, wenn es ans Schreiben ging. Spätestens da hörte der Spaß auf, die Bewunderung wich der Stigmatisierung. Lange Zeit wurden linkshändig schreibende Kinder in der Schule regelrecht umerzogen zum Scheiben mit rechts. Daran erinnert der Internationale Tag der Linkshänder, den wir heute feiern, nach zögerlichen Anfängen in den siebziger Jahren nun schon regelmäßig seit 30 Jahren. In Japan wird aus diesem Anlass ein nationales Bowling-Turnier für Linkshänderinnen und Linkshänder ausgerichtet. Da wird wohl manchem der große Wurf mit der linken Hand gelingen, oder?

[] Quagga, das

(seit dem 19. Jahrhundert ausgerottete) südafrikanische Unterart des Steppenzebras mit rotbraunem Rumpf, weißen Beinen und weißem Schwanz sowie dunkel gestreiftem Fell an Kopf, Hals und oberem Rumpf

Noch vor wenigen hundert Jahren galoppierten wilde Quaggas en masse und allerorten durch die Weiten der südafrikanischen Landschaft – Landbau, Feinschmeckertum und Vergnügungsjagden führten im 19. Jh. plötzlich zu ihrer Ausrottung. Leider konnten auch Züchtungen das Überleben der Zebra-Form nicht sichern: Heute vor 139 Jahren verstarb das offiziell letzte lebende Tier im Amsterdamer Artis-Zoo. 23 Quaggas können heute weltweit als museale Präparate bestaunt werden, Tonaufnahmen aber gibt es keine. Immerhin: Ihr Name (ursprüngliche Aussprache [ˈkvaxa]) soll ihren Ruf lautmalerisch imitieren.

[] Gebirgsluft, die

Luft in höheren Gebirgslagen, deren Temperatur mit zunehmender Höhe abnimmt und daher oft als rein und klar wahrgenommen wird

Gebirge: Einst als Sitz der Götter und Geister gefürchtet, heute von gestressten Großstadtmenschen als Sehnsuchtsort aufgesucht, um bei Wander- oder Klettertouren in reiner Gebirgsluft Erholung zu finden. Die Japaner haben dabei Tradition und Moderne elegant verknüpft: Seit 2016 wird jedes Jahr am 11. August der „yama no hi“ – der Tag des Berges – als gesetzlicher Feiertag begangen. Er erinnert an die Berge als natürliches, kulturelles und spirituelles Erbe, das es zu bewahren gilt. Zugleich schließt wohl nicht ganz zufällig das buddhistische Obon-Fest (13.-16. August) an, an dem mit Opfergaben, schwimmenden Laternen und Tänzen der Verstorbenen gedacht wird.

[] klönen, Verb

meist D-Nord, gelegentlich D-Mittelwest, umgangssprachlich: ein ungezwungenes, angenehmes Gespräch führen

Wann haben Sie zuletzt so richtig schön geklönt? Falls Sie eine Antwort darauf haben, kommen Sie wahrscheinlich aus dem Norden Deutschlands. Das Verb „klönen“ verdanken wir ursprünglich dem Niederdeutschen (Platt). Das Niederdeutsche ist kein Dialekt, sondern als eigene Regionalsprache anerkannt und wird daher auch, gemeinsam mit den in Deutschland gesprochenen Minderheitensprachen Dänisch, Friesisch, Sorbisch und Romanes, im Sinne der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen gefördert und geschützt. Eine wichtige Rolle beim Spracherhalt spielen dabei schriftliche Erzeugnisse der Sprache. Ein bekannter niederdeutscher Schriftsteller, Fritz Lau, hat heute seinen 150. Geburtstag.

[] sich verbreiten wie ein Lauffeuer, Mehrwortausdruck

sehr schnell weitererzählt und dadurch (allgemein, in der Öffentlichkeit) bekannt werden; rasch um sich greifen, sich rapide über einen weiteren Umkreis erstrecken

Redewendungen wie diese erscheinen uns transparent, weil wir die einzelnen Wörter zu kennen meinen. In unserem Fall steht das „Lauffeuer“ aber ursprünglich nicht für einen Brand, der sich in Windeseile ausbreitet. Der Ursprung liegt vielmehr im feuerwerksverliebten Barock – und natürlich im Militär: Um Raketen, Böller oder eben auch Minen in schneller Folge zünden zu können, streute man Schießpulver in langen Linien auf die Erde. Einmal entzündet bewegte sich die Flamme in hoher Geschwindigkeit zum Ort der Explosion. Spätestens im 18. Jh. wurde der Ausdruck wie z. B. bei Johann Heinrich Campe übertragen verwendet: „Wie ein Lauffeuer lief indeß das Gerücht von Robinsons Zurükkunft (…) durch die Stadt.“

[] die Katze aus dem Sack lassen, Mehrwortausdruck

eine bisher geheime (negative) Information preisgeben

Sie wurde symbolisch aufgeladen wie kaum ein anderes Tier: die Katze. Positiv im alten Ägypten, wo sie verehrt wurde. Negativ im europäischen Mittelalter. Unter christlichem Vorzeichen wurde sie, vor allem die im schwarzen Fell, als Ausgeburt des Antichristen angesehen und mit schwarzem Zauber in Verbindung gebracht. Noch heute klingt das Ambivalente in der Wahrnehmung dieser Wesen in einigen Redewendungen an: die Katze im Sack kaufen, die Katze aus dem Sack lassen. Kommt da was Erfreuliches oder etwas Unerfreuliches? Man weiß es noch nicht, fürchtet es gleichwohl. Man kann aber auch Katzen einfach nur süüüüüüüüß finden, vor allem heute, am Welttag der Katze.

[] Drehtür, die

aus mehreren, um eine Mittelachse drehbaren Flügeln bestehende Tür

Mindestens wer Kinder hat, weiß um die Faszination von Drehtüren, die – ob nun geschoben oder mit eigenem Motor – durch ihre beständige Rotation Personenflüsse ohne Pause, ohne Knarren und ohne Luftzug leiten können. Am 7. August 1888 erhielt der Erfinder Theophilus Van Kannel in seinem Heimatland USA ein Patent auf die Drehtür, die bald ihren Siegeszug antreten sollte – zwar nicht, wie eigentlich auch gedacht, in Privathäusern, dafür umso mehr in Geschäften, öffentlichen Gebäuden usw., so dass sie auch heute im Zeitalter elektrischer Schiebetüren aus dem Stadtbild nicht wegzudenken ist. Und wie wir alle wissen, kann nur Chuck Norris Drehtüren zuschlagen.

[] Blues, der

durch den typischen Einsatz sogenannter Blue Notes gekennzeichnete Musikrichtung von zumeist getragenem und melancholischem Charakter, die an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert durch die Verschmelzung afrikanischer, europäischer und karibischer Elemente als Form afroamerikanischer Folklore in den USA entstanden ist

Am heutigen Tag des Blues ein kleiner Blick auf die Wortgeschichte: Der aus dem amerikanischen Englisch übernommene Ausdruck für die Musikrichtung entstand womöglich als Verkürzung der Wendung „blue devils“, womit man vor allem früher eine traurige, melancholische, depressive Stimmung (ursprünglich bösartige, Melancholie verursachende Dämonen) bezeichnete. Denkbar ist aber auch ein direkter Zusammenhang mit dem Adjektiv „blue“ (= traurig, melancholisch, depressiv). Man findet es z. B. in „to feel blue“ (= deprimiert sein) oder auch in „to look blue“ (= deprimiert wirken, aussehen). Wie es zur übertragenen Bedeutung von „blue“, eigentlich ja ‚blau‘, kam, bleibt ein Rätsel: Vermutlich spielt der Begriff auf die ungesunde bläulich-fahle Hautfarbe aufgrund von schlechter Blutzirkulation, Sauerstoffmangel o. Ä. an.

[] jmdm., etw. grünes Licht geben, Mehrwortausdruck

die Erlaubnis erteilen, etw. zu tun; zustimmen, sich einverstanden erklären

Sie gibt uns grünes Licht dazu, weiterzufahren oder weiterzugehen, seit mehr als hundert Jahren. Die erste elektrische Ampel wurde im US-amerikanischen Cleveland (Ohio) am 5. August 1914 in Betrieb genommen – ein Anlass, heute die Lichtzeichenanlage zu feiern, wie sie im Amtsdeutschen heißt. Das Wort Ampel bezeichnete vor dem Siegeszug dieser technischen Anlagen eine Hängelampe, deren Flämmchen durch Öl genährt wird. Und das bereits seit althochdeutschen Zeiten. Den Sprung von der Lampe (als hängendem Gefäß) zu unserer Lichtzeichenanlage kann man leichter nachvollziehen, wenn man sich vorstellt, dass die Verkehrsampel auch heute noch gelegentlich an einem Mast hängt

[] aus Daffke, Mehrwortausdruck

nur so, bloß zum Spaß; aus Trotz

Bei Nichtberlinerinnen und Nichtberlinern sorgte die Wendung „aus Daffke“ schon immer für fragende Gesichter. Für selbige textete der in den 1920er Jahren populäre Kabarettist Marcellus Schiffer eine ebenso elegante wie sprachhistorisch akkurate Übersetzung: „‚Aus Daffke‘ heißt auf deutsch ‚erst recht‘/ Man tut sehr viel was man nicht möcht' / Aus Daffke / Was man aus Trotz tut und aus Wut / Und was man aus Gemeinheit tut / Heißt 'Daffke'“. Tatsächlich steht hinter dem, was wir als Substantiv interpretieren, im Jiddischen das eher unscheinbare Adverb „dafke(s)“ (= erst recht), das auf hebräisch „davkā“ (= nur so, nicht anders) zurückgeht. Beeinflusst durch die Wendung „aus Trotz“ kam es wohl zum Wortartwechsel (Konversion).

[] schwurbeln, Verb

sich realitätsfern (oft esoterisch), rational nicht oder kaum nachvollziehbar äußern

Das Verb „schwurbeln“ (sowie „Schwurbler“, „Schwurbelei“) hat in den letzten Jahren eine beeindruckende Verbreitung erfahren. Ursprünglich nur Nebenform des seltenen „schwirbeln“, das selbst eine alte Nebenform von „wirbeln“ ist, drückt es bildlich aus, dass sich jemand seltsam „verdreht“ äußert. Heute wird es besonders für Esoteriker und Verschwörungsgläubige gebraucht, die ihre Ansichten wortreich und faktenarm („Gedächtnis des Wassers“, „Chemtrails“, „Plandemie“), besonders in den sozialen Netzwerken verbreiten. Man kann das Ganze zwar als harmlose Spinnereien abtun, doch können auf dieser Grundlage auch Fehlglauben, Verunsicherung und Misstrauen wachsen.

[] wie aus dem Lehrbuch, Mehrwortausdruck

mustergültig, vorbildlich, beispielgebend

Am 2. August 216 v. Chr. traten bei Cannae in Apulien rund 80 000 römische Legionäre an, um die nur halb so starken karthagischen Fußtruppen des Hannibal zu überrollen. Doch der Karthager erwies sich als überlegener Taktiker: Er ließ sein Zentrum nachgeben und seine überlegene Reiterei die Römer im Rücken angreifen. Von allen Seiten umzingelt, konnte die römische Übermacht nicht mehr zur Entfaltung kommen und wurde nach und nach niedergemacht. Auch wenn Hannibal diesen vollständigen Sieg strategisch nicht ausnutzen konnte und den Krieg verlor, wird seine Taktik bis heute als Vorbild an den Militärakademien gelehrt und beeinflusste auch die moderne Kriegsführung.

[] Räuberpistole, die

umgangssprachlich: im Großen und Ganzen unwahre, in übertreibender Weise dargebotene bzw. ausgeschmückte Geschichte

Weil Otfried Preußler mit seinem Hauptwerk „Krabat“ nicht weiterkam, beschloss er, eine wahre Räuberpistole zu schreiben. Er erfand den Kaffeemühlen stehlenden, mit Pfefferpistole und sieben Messern bewehrten Räuber Hotzenplotz. Gemeinsam mit illustren Figuren wie Kasperl und Seppel, dem bösen Zauberer Petrosilius Zwackelmann, der Fee Amaryllis sowie dem schrulligen Wachtmeister Dimpfelmoser erfreut dieser bereits die dritte Kindergeneration. Am 1. August 1962 erschien die Erstausgabe des Kinderbuchklassikers „Räuber Hotzenplotz“. Spoiler: Am Ende gewinnen die Guten.

[] Hundstage, nur im Plural

Zeit vom 23. Juli bis 23. August, in die in Europa häufig die heißesten Tage fallen

Dieser Artikel wurde Ende Juni bei morgendlich angenehmen 20 Grad verfasst. Die Chancen stehen gut – selbst ohne die Klimaerwärmung –, dass es heute, am Tag seiner Veröffentlichung, knackig heiß ist. Denn seit gut einer Woche befinden wir uns in den Hundstagen, in denen man sich meist Abkühlung in Form von Eis, Pool oder Ventilator suchen muss, um nicht zu vergehen. Diese Tage heißen übrigens nicht so, weil man da schwitzt wie ein Hund – die Schweißdrüsen sind bei Hunden auf die Pfotenpolster beschränkt, stattdessen hecheln sie ja –, sie sind benannt nach Sirius, der im alten Rom um diese Zeit im Sternbild Orion aufging und schon damals „canīcula“, Hundsgestirn, genannt wurde.

[] ein Herz und eine Seele, Mehrwortausdruck

einander sehr nahestehend, eng befreundet; sehr gut miteinander harmonierend

Für alle, die dachten, es würde in diesem Artikel des Tages um eine deutsche Fernsehserie aus den 1970ern gehen, und die gleich an ihren Protagonisten Ekel Alfred und seine feindseligen Schimpfereien dachten: Wir müssen Sie enttäuschen; es geht heute um das komplette Gegenteil. Heute vor elf Jahren wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen der Internationale Tag der Freundschaft ins Leben gerufen. Dabei soll nicht nur die harmonische Verbundenheit zwischen Einzelpersonen gefeiert, sondern vor allem um die Versöhnung und Verständigung zwischen ganzen Völkern, Ländern und Kulturen gekämpft werden. Und was soll man sagen?! – Wir haben noch viel zu tun …

[] tigern, Adj.

irgendwohin, zu einem oft weiter entfernten Ziel gehen, marschieren; unruhig, nervös (wie ein Tiger in einem Käfig) hin- und herlaufen

Der Tiger – Auf die Menschen übte Panthera tigris schon immer eine große Faszination aus. Im Mittelhochdeutschen sprach man bewundernd vom „tigertier“. Auch heute verbinden wir mit dem Wort viele Nebenbedeutungen: Aufstrebende Länder bezeichnet man als „Tigerstaaten“. Wenn wir unruhig hin und her wandern, dann ‚panthern‘ wir (Rilke zum Trotz) nicht etwa, sondern „tigern“ durch die Gegend. Und als „getigert“ bezeichnen wir, wenn etwas dem charakteristischen Fellmuster des Gestreiften entspricht. Für den realen Tiger selbst erweist sich der Kontakt zur Menschheit dagegen als Katastrophe. Gerade einmal 4500 Exemplare leben noch in Freiheit. Grund genug heute am „Tag des Tigers“ an die bedrohte Art zu erinnern.

[] Ozeanographie, die

fachsprachlich: Wissenschaft bzw. Lehre von der physikalischen Beschaffenheit der Meere und den physikalischen Vorgängen in ihnen

Jacques Piccard, eigentlich gelernter Ökonom und Historiker, begann nach dem Studium seinem Vater Auguste beim Bau eines Tiefseetauchgeräts zu helfen und fand so seine eigentliche Bestimmung. Mit der „Trieste“ unternahm Jacques zusammen mit Don Walsh am 23. Januar 1960 einen Rekordtauchgang auf den Grund des Challengertiefs (10916 Meter) im Marianengraben. Dort lastete ein Druck von 170000 Tonnen auf der winzigen Trieste. Doch sie hielt stand: Piccard und Walsh tauchten nach achteinhalb Stunden wohlbehalten wieder auf – mit der Erkenntnis, dass auch in diesen tiefsten Tiefen Leben existiert (sie hatten aus ihrer Luke Meerestiere beobachtet). Heute vor 100 Jahren wurde Piccard geboren.

[] Schlafmütze, die

Person, die morgens gerne länger schläft; sichtlich übermüdete bzw. nicht ausgeschlafene Person

Ein kühles Bad im See, morgens um sieben, wer träumte nicht davon! Wer zu lange träumt, könnte in Finnland mit einem solchen, unfreiwilligen Bad „belohnt“ werden. An Unikeonpäivä, einer finnnischen Variante des Siebenschläfertages, werden Schlafmützen unsanft mit Wasser oder im Wasser geweckt. Angeblich möchte man damit verhindern, dass die Opfer den Rest des Jahres verpennen. In Naantali, einem Kurort im warmen Südwesten Finnlands, wird jedes Jahr eine nationale Berühmtheit, besonders solche mit Verdiensten um diesen Ort, durch diesen Brauch geehrt. Pruuust!

[] Griff ins Klo, Mehrwortausdruck

bildlich, salopp: Synonym zu Fehlgriff, Reinfall, Misserfolg, siehe auch Schuss in den Ofen

Treffen wir eine dumme Entscheidung oder misslingt uns etwas, sprechen wir von einem „Griff ins Klo“ – unangenehm genug. Nicht unangenehm, sondern vielmehr katastrophal ging es wohl am 26. Juli 1184 im Erfurter Marienstift zu. Im obersten Stockwerk der Dompropstei hatte sich eine große Gesellschaft, darunter Heinrich VI. mitsamt seinem Gefolge, zu einem Beratungsgespräch versammelt, als plötzlich der marode Boden unter Last der Menschen zusammenbrach. Die Opfer fielen zwei Stockwerke tief in die Toilettengrube, einige von ihnen ertranken in den Ausscheidungen, insgesamt starben 60 Menschen. Dieses mittelalterliche Unglück, der sogenannte Erfurter Latrinensturz, war wohl mehr als nur ein Griff ins Klo.

[] volle Pulle, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: mit voller Energie, Leistung, mit Höchstgeschwindigkeit; mit aller Kraft, ohne Limit, maximal

Das deutsche Bahnsystem wird oft dafür kritisiert, dass es im Mischbetrieb fährt, sich also Fern-, Regional- und Güterzüge die Gleise teilen, während z. B. in Frankreich oder Japan die schnellen Fernzüge oft exklusive Strecken haben, wo sie nicht von langsameren und verspäteten Zügen ausgebremst werden. Doch auch hierzulande gibt es solche dedizierten Schnellfahrstrecken. Die erste solche wurde heute vor 20 Jahren zwischen Köln und Frankfurt (Main) eröffnet und war auch die erste, auf der die ICEs mit 300 km/h richtig Gas geben durften – was allerdings nur der ICE 3 schafft, die anderen ICE-Generationen erreichen technisch nur 230 bis 280 km/h.

[] sein Steckenpferd reiten, Mehrwortausdruck

seine persönlichen Ziele verfolgen, sich nur einem bestimmten Thema widmen; seinem privaten Hobby nachgehen

In deutschen Kinderzimmern fristet das Steckenpferd ein karges Dasein, im Wortschatz ist es quicklebendig. Schuld daran ist ausgerechnet eine englische Publikation – der in der Sturm-und-Drang-Szene gefeierte Roman „Tristram Shandy“. Darin bezieht sich der Erzähler mit dem Ausdruck „hobby-horse“ nicht auf ein Spielzeugpferd, sondern im übertragenen Sinn auf die mit Leidenschaft betriebenen Kriegsspielchen, mit denen Onkel Toby sein Trauma bewältigt. Auch für die deutsche Entsprechung „Steckenpferd“ wurde binnen weniger Jahre die Bedeutung „Leidenschaft, Liebhaberei“ geläufig. „Ertrage jeden Schwachen und lass jedem sein Steckenpferd“, lautete etwa eine Maxime des Adolph Freiherrn von Knigge.

[] Wettergott, der

in einigen Kulturen als Beherrscher des Wetters verehrte Gottheit

In der vorchristlichen Zeit (und darüber hinaus) schienen viele Naturphänomene noch unerklärlich. Besonders beängstigende Wettererscheinungen schrieb man Göttern zu, huldigte ihnen und hoffte darauf, von Katastrophen verschont zu bleiben. Blitz und Donner kontrollierende Wettergötter existierten im Glauben verschiedenster Kulturen, so etwa der germanische Thor und der semitische Hadad. Heute verlassen wir uns auf die Erklärungen der Wissenschaften. Ein Meilenstein ist der 23. Juli 1851, als Kaiser Franz Joseph in Österreich die Errichtung des weltweit ersten staatlichen Wetterdienstes bewilligte, der noch heute als „Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG)“ existiert.

[] Schwa, das

in mittlerer Zungenstellung gesprochener Zentralvokal

Das Schwa ist meist nur Sprachwissenschaftlern ein Begriff, dabei ist es im Deutschen einer der häufigsten Vokale: Zum Beispiel ist jedes scheinbare „e“ in „befangenere“ tatsächlich kein „e“ oder „ä“, sondern der genau in der Mitte des sogenannten Vokalvierecks gesprochene Neutralvokal „ə“. Während er im Deutschen oder Englischen nur unbetont vorkommt, ist er in anderen Sprachen vollwertiger Vokal. Sein merkwürdiger Name stammt aus dem Hebräischen, dort ist das „šěwā’“ (sprich: schəwá) eigentlich nur ein Zeichen zur Lesehilfe, das aber einen solchen Vokal anzeigt und, als kleiner linguistischer Witz, in der ersten Silbe auch enthält.

[] Standseilbahn, die

dem Personen- oder Gütertransport dienende Seilbahn, deren fest miteinander verbundene Wagen durch ein oder mehrere Seile auf Schienen gezogen werden

Wo ein Berg, da auch der Drang, diesen zu besteigen. Um nach dem Anstieg aber nicht in den Seilen zu hängen, hat sich die Menschheit zum Glück Möglichkeiten ersonnen, diesen – nicht nur für Gipfelstürmer – bequemer zu gestalten. Eine Lösung, bei der man nicht in, sondern an den Seilen hängt, ist die Standseilbahn. Die erste Standseilbahn der Schweiz, die am Brienzersee im Kanton Bern gelegene Giessbachbahn, eröffnete am 21. Juli 1879. Vom Besitzer des Grandhotel Giessbach in Auftrag gegeben verband sie das am Berghang befindliche Hotel mit der 90 m tiefer gelegenen Schifflände. Bis heute transportiert sie zuverlässig Erholungssuchende auf das mittlerweile unter Denkmalschutz stehende Hotel.

[] Jazz, der

durch synkopenreiche Rhythmik und Improvisation gekennzeichnete Musikrichtung, die in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg in den USA vorwiegend von afroamerikanischen Musikern geschaffen wurde

Heute vor 100 Jahren, am 20. Juli 1922, wurde Joachim-Ernst Berendt geboren. Er hat in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu seinem Tod im Februar 2000 in vielfältiger Weise die Entwicklungen des Jazz begleitet und gestaltet – ob als Musikredakteur beim SWR, Schallplattenproduzent (beim legendären MPS-Label im Schwarzwald), Organisator von Konzerten und Veranstaltungsreihen, gefragter Sprecher oder als rastloser Autor, der die Entwicklungen des Jazz immer wieder kritisch befragt und in neue Richtungen vorangetrieben hat. Er war national und international hoch geachtet. 1953 erschien erstmals sein „Jazzbuch“, das auch eine erstrangige Quelle für das Vokabular des Jazz in den 1950er Jahren darstellt.

[] Mafia, die

hierarchisch strukturierte, heute weltweit operierende Vereinigung, Gruppierung des organisierten Verbrechens in Sizilien; Cosa Nostra

Als am 19. Juli 1992 der auf die Bekämpfung der Mafia spezialisierte italienische Richter Paolo Borsellino von einer Autobombe getötet wurde, keine zwei Monate nach seinem Kollegen Giovanni Falcone, schien die Cosa Nostra wie schon mehrfach in den 1980ern wieder erfolgreich unbequeme Gegner losgeworden zu sein. Doch dieses Mal hatten sich die Mafiosi verschätzt. Ein Ruck ging durch ganz Italien, statt schwächer wurde die Jagd auf das organisierte Verbrechen und die Verfolgung korrupter Beamter und Politiker immer stärker. In den letzten 30 Jahren wurde so die jahrzehntelang unangefochtene Macht der Mafia entscheidend eingeschränkt.

[] schwarzer Humor, Mehrwortausdruck

Humor, bei welchem gemeinhin ernste Themen wie Krankheit, Verbrechen o. Ä. durch groteske Übertreibung oder verharmlosende Darstellung ins Lächerliche gezogen werden

„Taubenvergiften“ ist vielleicht sein bekanntestes Lied. Durch und durch vergiftet war auch seine Beziehung zum Staat Österreich, dem Land seiner Geburt: „… weil sich die Republik Österreich in den über vierzig Jahren, seit ich nach Europa zurückgekehrt bin, noch nie um mich geschert hat“, wies er offizielle Gratulationen zu seinem 75. Geburtstag schroff zurück. Als Verhörspezialist der US-Army verhörte er, ein emigrierter Jude, 1945 Julius Streicher und blickte damit Barbarei und Judenhass in die Augen. Was Wunder, dass da nur der schwarze Humor blieb. Den beherrschte er allerdings virtuos. Heute vor hundert Jahren wurde Georg Kreisler in Wien geboren.

[] merkeln, Verb

sich zu wichtigen, drängenden politischen Angelegenheiten nicht oder nur vage äußern und unangenehme Entscheidungen vermeiden oder hinauszögern

Jeder Lexikograph, der nach Neubildungen im Wortschatz fahndet, kennt das Phänomen: Substantive vermehren sich wie die Heuschrecken, Verben eher wie die Pandabären. Insofern ist es bemerkenswert, dass der typische Regierungsstil von Bundeskanzlerin Angela Merkel Journalisten zur ‚Verbschöpfung‘ inspirierte: „merkeln“. Anfangs (um 2000) nur als dröges Wortspiel in Gebrauch – „das werd ich mir merkeln“ – nahm das Verb spätestens ab 2010 die neue spöttische Bedeutung an. Derartige Ableitungen von Eigennamen (Deonyme) sind gewöhnlich keine Dauergäste im Wortschatz . Ob sich „merkeln“ – immerhin seit über einem Jahrzehnt gut nachweisbar – auf Dauer etablieren wird, muss sich zeigen.

[] Tierwohl, das

gesunde Aufzucht und artgerechte Haltung zum Wohlbefinden von Nutztieren

Alle Jahre (oder Monate) wieder durchzieht ein Skandal um Fleischprodukte die Medien – man erinnere sich an Gammelfleisch im Döner, Pferd in der Lasagne oder, erst im letzten Monat, Separatorenfleisch in der Wurst. Und immer aufs Neue beteuern die Leute, dass sie eigentlich nur Fleisch vom Biobauern um die Ecke beziehen, um darauf im Supermarkt den Aufschnitt für 99 Cent zu wählen. Daher stellt sich die Frage, ob der heute vor 5 Jahren ins Leben gerufene „Tag des guten Fleisches in Deutschland“ (im Übrigen zunächst eine Werbeaktion) die Verbraucher für die Haltungsbedingungen sensibilisiert und so zu einem Umdenken beitragen kann. Den Tieren wäre es in jedem Fall zu gönnen.

[] Dammbruch, der

Kollaps eines Dammes

Wenn wir von einem Dammbruch sprechen, meinen wir das meist übertragen, um mit einem dramatischen sprachlichen Bild eine Grenzüberschreitung zu brandmarken. Nur in den seltensten Fällen müssen wir die wörtliche Bedeutung des Wortes bemühen – zum Glück, denn der Kollaps eines Dammes hat meist katastrophale Folgen. Ein solcher ereignete sich heute vor 40 Jahren, als im Rocky-Mountains-Nationalpark der Lawn-Lake-Staudamm, ein beinahe 80 Jahre alter Erdwall, nach interner Erosion nachgab und sich der Stausee in das darunterliegende Tal ergoss. Drei Camper kamen ums Leben, weitere Opfer blieben dank der Abgelegenheit des Ortes aus.

[] gang und gäbe, Mehrwortausdruck

üblich, gebräuchlich, alltäglich, konventionell; gewohnt, gängig

Konzentriert prüft der Kaufmann in Quentin Massys’ Gemälde „Der Geldwechsler und seine Frau“ (1514) die Geldstücke, prüft Größe, Gewicht und Feingehalt. Nur so kann er sichergehen, dass die Geldstücke auch wirklich „gang und gäbe“, also umlauffähig sind. Die Adjektive „gang“ (= gangbar) und „gäbe“ (= das, was gegeben werden darf) sind längst untergegangen. In der Paarformel blieben sie erhalten – auch deshalb, weil die Wendung früh eine übertragene Bedeutung annahm: So riet 1719 der „Wohlinformierte Poet“: „Die Wörter aus andern Sprachen muß man mäßig und nur diejenigen, so gänge und gebe sind, in Teutschen Versen anwenden.“

[] künstliche Intelligenz, Mehrwortausdruck

Gebiet der Informatik, das menschliche Denkstrukturen und Denkprozesse untersucht und versucht, diese in Computerprogrammen oder Maschinen nachzubilden

Schon im frühen 20. Jahrhundert sinniert Ulrich, Held in Musils „Mann ohne Eigenschaften“, darüber, dass man nun schon Rennpferde als „genial“ bezeichnet (Erster Teil, Kapitel 13). Was hätte er wohl zu genialen Maschinen gesagt? Seit Sommer 1956 wird über die Frage gestritten, ob Maschinen genial sein können oder immer dumme Rechenknechte bleiben, und wo und wie sie den menschlichen Genius überflügeln können. Eine Konferenz am Dartmouth College, New Hampshire, die damals – vor 66 Jahren – stattfand, gilt als Auftakt für diese Forschungsrichtung. Der Ausdruck „artificial intelligence“ wurde im Förderantrag zu diesem Event erstmals verwendet.

[] Zunge, die

muskulöses Organ am Boden der Mundhöhle, das beweglich ist und bei der Aufnahme, beim Schmecken und Schlucken der Nahrung sowie bei der Lautbildung beteiligt ist

Heute vor 60 Jahren wurde Musikgeschichte geschrieben: Sechs junge Musiker treten im Londoner Marquee Club vor etwa 100 Zuschauenden auf und spielen eine Handvoll Coversongs – ob von Buh-Rufen oder Jubel begleitet, das wissen sie heute nicht mehr so genau. Sie nennen sich „The Rollin‘ Stones“, wohl nach dem Vorbild eines Songs von Muddy Waters. Wenige Jahre später schon ist die Truppe eine der wichtigsten Rockbands überhaupt und füllt große Konzertstätten auch außerhalb Englands. Als ruppige Rebellen bekannt, bekommen sie Anfang der 70er-Jahre sogar ihr eigenes freches Logo: die rote Zunge, die noch heute Shirts, Handyhüllen und Unterhosen von Stones-Fans ziert.

[] Blechbüchse, die

umgangssprachlich, scherzhaft: Bezeichnung für ein Fahrzeug aus Metall wie Auto, Flugzeug, Rakete oder Boot

Am 11. Juli 1969 veröffentlichte der noch relativ unbekannte David Bowie ein Lied, das von der Raumfahrt des fiktiven Astronauten Major Tom erzählt. Wie praktisch, muss sich die BBC gedacht haben, als sie wenige Tage später die Übertragung der Mondlandung der Apollo 11 mit „Space Oddity“ unterlegte. Ob die Verantwortlichen das Stück wohl überhaupt ganz angehört hatten? Es endet nämlich damit, dass Major Tom seine Raumkapsel verlässt und verloren durchs All treibt. Bowie, der seine Inspiration für die melancholische Ballade aus dem Film „2001: Odyssee im Weltraum“ bezog (und keine Mondlandungshymne schaffen wollte), fand die Musikwahl der BBC jedenfalls amüsant.

[] heiß, Adj.

von hoher Temperatur, sehr warm

In der nördlichen Hemisphäre ist der Juli im Mittel der heißeste Monat im Jahr. Besonders in den letzten Jahren sind vielerorts Hitzerekorde gebrochen worden. Und es werden weitere erwartet. Die höchste Temperatur weltweit wurde wohl schon vor über 100 Jahren gemessen. Am 10. Juli 1913 sollen es im kalifornischen Death Valley erstaunliche 56,7 °C im Schatten gewesen sein, wobei darüber gestritten wird, ob es sich eventuell um einen Messfehler gehandelt haben könnte. Unbestritten ist hingegen der Wert von 54,4 °C, der im Juli 2021 (ebenfalls Death Valley) gemessen wurde. Auch an diese Lufttemperatur kommt weltweit keine andere offizielle Messung heran – bisher.

[] überbrücken, Verb

etw. überspannen, über etw. hinweg führen; etw. Trennendes, ein Hindernis oder eine größere Distanz o. Ä. überwinden

Sie gilt als eines der großen und beeindrucken Kulturdenkmäler Europas: Die unter Kaiser Karl IV. errichtete Prager Steinbrücke überspannt mit ihren 16 Bögen die Moldau, verbindet die Prager Altstadt mit der Kleinseite. Zugleich scheint sie zusammen mit den barocken Heiligenfiguren, die sie säumen, und der mittelalterlichen Stadtsilhouette die Jahrhunderte zu überbrücken, erweckt die Prager Geschichte mit ihren Protagonisten von Wallenstein bis Kafka zum Leben. Der Überlieferung nach wurde der Grundstein der Karlsbrücke am 9. Juli 1357 gelegt.

[] Zebrastreifen, der

mit breiten, weißen Streifen markierter Fußgängerübergang

Das Beamtendeutsch hat für den mit dicken Streifen markierten Fußgängerübergang verschiedene Namen: In Deutschland „Fußgängerüberweg“ (früher gar „Dickstrichkette“), in der Schweiz „Fußgängerstreifen“, in Österreich „Schutzweg“. Der Volksmund nennt ihn seit jeher aus offensichtlichen Gründen „Zebrastreifen“. Heute vor 70 Jahren wurden die ersten Streifen in München auf den Boden gemalt, nachdem 1949 eine Konferenz der Vereinten Nationen den Grundstein zu einer international in dieser Form vereinheitlichten Markierung für die sichere Querung von Straßen gelegt hatte. Absoluten Vorrang auf Zebrastreifen hatten Fußgänger anfangs übrigens nicht.

[] Freibad, das

Bad mit Schwimmgelegenheiten und weiteren Anlagen im Freien

Mit dem mittlerweile bundesweiten „Tag des Freibades“ wollte der Förderverein Freibad Tannheim im Jahr 2019 auf die prekäre Situation von Freibädern aufmerksam machen. Aus der finanziellen Vorsorge der Kommunen entlassen, werden viele Freibäder heute von Vereinen getragen, viel ehrenamtliches Engagement ist dabei. Damals wusste man aber noch nicht, dass den Freibädern von ganz anderer Seite Gefahr drohte: Corona. Selbst im entspannten Sommer 2022 bleiben Freibäder zu: Es gibt nicht mehr genügend ausgebildete Bademeister. Da geht auch so manche Kommune (nicht mehr) baden.

[] busseln, Verb

jmdn. oder etw. (mit geschlossenen Lippen) küssen, z. B. zur Begrüßung oder als Zeichen von Zuneigung oder Verehrung

Am heutigen internationalen Tag des Kusses richten wir unseren Blick nach Österreich. Dort (und im angrenzenden Bayern) sagt man statt „küssen“ auch gern „busse(l)n“. Dabei handelt es sich um eine Ableitung des im Oberdeutschen um 1600 gebildeten, lautmalenden Substantivs „Buss“ ‚Kuss‘. Aber nicht nur im Bairisch-Österreichischen findet man eine solche Bildung. So gibt es verwandte Wörter z. B. auch im Litauischen („bučiuoti“ ‚küssen‘), Polnischen („buzia“ ‚Mund, Kuss‘) und Albanischen („buzë“ ‚Lippe, Mund‘). Durch den Sprachvergleich lässt sich somit eine immer wieder lautmalerisch erneuerte Wurzel „*bu(s)-“ ‚Kuss‘ rekonstruieren. Lippe bzw. Mund sind dann die „Küsser“.

[] klonen, Verb

in genetisch identischer Form vermehren

Dolly, das wohl berühmteste Schaf der Welt, wurde am 5. Juli 1996 in Schottland geboren. Wenig später schmückte es die Titelseiten vieler Zeitungen als erstes aus einer reifen Zelle geklontes Säugetier. Ausgangspunkt war das Erbmaterial einer adulten Euterzelle, eingesetzt in eine zuvor entkernte Eizelle. Nach 277 Versuchen gelang dieser sogenannte Kerntransfer. Dolly war die (fast) exakte Kopie eines bereits verstorbenen Schafs – ein Durchbruch in der Entwicklungsbiologie. Die Technik wird noch heute angewendet, etwa zur kommerziellen Tierzucht oder zu medizinischen Zwecken. Das Klonen von Menschen ist in der Praxis bisher nicht gelungen und wird im Großteil der Welt als ethisch nicht vertretbar eingestuft.

[] lossagen, Verb

sich von jmdm., etw. lossagen: seine (engen) Beziehungen zu etw., jmdm. für gelöst erklären

„Wir halten die nachfolgenden Wahrheiten für klar an sich …: daß alle Menschen gleich geboren; daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt sind ...“ Inspiriert vom Geist der Aufklärung war die Unabhängigkeitserklärung, mit der sich die nordamerikanischen Kolonien am 4. Juli 1776 vom britischen Empire lossagten, eine Kampfansage an die Monarchien und den Untertanengeist des alten Europas. In den deutschen Fürstentümern allerdings verschliefen die Bürger das weltbewegende Ereignis schlicht und einfach. Übersetzungen waren schwer erhältlich oder wurden kaum beachtet. Erst im Zuge der 1848er Revolution wurde man sich der Bedeutung dieser Erklärung bewusst.

[] Ballon, der

metonymisch: Luftfahrzeug, das von einem mit heißer Luft oder Gas gefüllten Ballon getragen wird

Schneller, höher, weiter – das Leben des amerikanischen Unternehmers Steve Fossett war geprägt von Superlativen und einer nicht zu bändigenden Abenteuerlust. Mehr als 100 Rekorde stellte er im Laufe seines Lebens auf, zu Land, zu Wasser und zu Luft. Einer seiner luftgestützten Rekorde jährt sich heute zum zwanzigsten Mal. Am 19. Juni 2002 brach er nach fünf gescheiterten Versuchen von Australien zu einer Allein-Nonstop-Weltumrundung in einer Rozière, einer Kombination aus Gas- und Heißluftballon, auf. In den Morgenstunden des 3. Juli, knapp 30.000 km und zwei Wochen später, landete er gelassen und zufrieden wieder auf australischem Grund.

[] Maus, die

kleines (oft graues oder braunes) Säugetier mit dünnem, schwach behaartem Schwanz

Mit Mäusen stand er auf vertrautem Fuß, er wusste, was sie am Donnerstag denken, und an jedem anderen Tag: „Wir sitzen und plaudern / von tausend Sachen, / Sachen zum Schaudern, / Sachen zum Lachen. / Und was bekommt die Maus von mir? / Ein Stücklein Wurst, ein Schlücklein Bier.“ Das Sujet seiner Gedichte waren Tiere, vor allem kleine, und sein Publikum kleine Menschen. Seine Kinderbücher sind zu Recht preisgekrönt. Heute vor hundert Jahren wurde Josef Guggenmoos in Irsee im Ostallgäu geboren.

[] die Lacher auf seiner Seite haben, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: durch geistreiches, humorvolles, schlagfertiges Auftreten Gelächter, Beifall hervorrufen, Sympathien gewinnen

Am heutigen Internationalen Witzetag fragen wir uns, was eigentlich einen guten Witz ausmacht. Um die Lacher auf seiner Seite zu haben, braucht man zunächst eine gemeinsame Wissensgrundlage mit seinem Publikum – gemeinsames kulturelles oder sprachliches Wissen beispielsweise. Soll ein Witz dann wirklich zünden, ist vor allem eines essenziell: eine überraschende Pointe. Hier ein Versuch: Was ist weiß, cremig und kann fliegen? – Die Biene Mayo! Na ja, es mag nicht bei allen geklappt haben, schließlich sind Witze auch Geschmackssache. Und oft sind es eher die kleinen, komischen Situationen des Alltags, die uns am meisten überraschen und zum Lachen bringen.

[] Weltalter, das

gehoben: Zeitalter, Epoche, langer Zeitraum

Nicht nur in Film und Kunst, auch in der historischen Realität waren Tjoste, mit scharfen Waffen geführte Schaukämpfe zwischen gepanzerten Rittern, im Mittelalter ein beliebtes Ereignis für die herrschende Klasse. Am 30.06.1559 bereitete ein tragisches Unglück in Frankreich dieser Tradition ein jähes Ende und setzte einen symbolischen Schlussstrich unter die auslaufende Epoche: Der Splitter einer gebrochenen Lanze dringt dem erfolgreichen König Heinrich II. durch den Helm und verletzt ihn tödlich. Ironischerweise sollte mit dem Zweikampf ein Friedensvertrag begangen werden, stattdessen versinkt Frankreich in dynastischem Chaos, und Tjoste werden verboten.

[] Federstrich, der

Strich mit der Schreibfeder, Zeichenfeder

Die spitze Feder war sein Markenzeichen – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne: Mit hauchfeinen Strichen, die Umrisslinien andeuteten oder sich je nach Sujet zum Gespinst auswachsen konnten, spießten die Karikaturen Paul Floras bürgerliche Großmannssucht, militaristische Ehrpusseligkeit und die Lächerlichkeit menschlicher Leidenschaften auf. Ein Kindheitserlebnis erschloss ihm eine heiter-morbide Phantasiewelt des Ewiggestrigen – das Leichenbegräbnis eines k. u. k. Kaiserjägergenerals: „Ich ... sah die Überreste von Alt-Österreich durch eine kahle Kastanienallee, von Raben umkrächzt, unter düsterem Himmel dem Friedhof entgegenwanken.“ Heute vor 100 Jahren wurde der Karikaturist und Grafiker in Tirol geboren.

[] Rasselbande, die

umgangssprachlich, scherzhaft: lärmende, übermütige, zu gemeinsamen Streichen aufgelegte Schar von Kindern

Im thüringischen Blankenburg wurde heute vor 182 Jahren der erste Kindergarten der Welt eröffnet. Sein Gründer Friedrich Fröbel wollte damit nicht einen weiteren Ort zur „Aufbewahrung“ der Kinder schaffen, während die Eltern tagsüber bei der Arbeit waren. Der Kindergarten sollte ein Ort sein, an dem die Kinder sich spielerisch entwickeln können und gehegt werden wie kleine Blumen in einem Garten. Dieses Konzept hat sich mit leichten Variationen weit über Deutschland hinaus verbreitet. Und so können wir sie vielerorts fröhlich toben und lärmen hören, die Rasselbanden dieser Welt.

[] Idolatrie, die

Religion: Verehrung göttlicher oder mit den Göttern verbundener Wesen in bildlichen Darstellungen (als Götzendienst)

Heute beschäftigen wir uns einmal nicht mit der Inhalts-, sondern der Ausdrucksseite des Stichworts: Idolatrie geht auf altgriechisch eídōlon „Abbild“ und latreía „Gottesdienst“ zurück. Aber da fehlt bei der Zusammensetzung doch was. Ebenso ist der „Zauberin“ im Vergleich zum „Zauberer“ eine Silbe abhanden gekommen. Und der „Ismus“ des Narziss ist nur bei Überkorrekten der „Narzissismus“. Dieses aus allen Sprachen und Zeiten bekannte Phänomen, dass man wie in diesen Fällen aus zwei ähnlichen oder gleichen Silben eine macht, hat natürlich einen wissenschaftlichen Namen: Haplologie. Man ist versucht, stattdessen „Haplogie“ zu sagen …

[] Berliner, der

Person, die in Berlin geboren und aufgewachsen ist; Person, die in Berlin wohnt

Das Sprechen fremder Sprachen ist voller Tücken: Amerikaner amüsieren sich, wenn Deutsche am Tee-aitch scheitern. Deutsche wiederum haben ihren Spaß, wenn bei Anglophonen statt eines Ich-Lauts nur ein Ick- oder Isch-Laut herauskommt. Wie ähnlich sich die Phoneminventare beider Sprachen trotz allem sind, zeigen zwei Sätze, die heute vor 59 Jahren fielen. US-Präsident John F. Kennedy ließ sich für seine berühmte, auf Englisch gehaltene Rede in Westberlin auch zwei deutsche Sentenzen in englischen Graphemen transkribieren. Zu lesen war: „Ish bin ein Bearleener“ und „lusd z nach Bearleen comen“. Verständnisprobleme gab es keine, die Worte gingen im Jubel unter.

[] Kunstmärchen, das

von einem bestimmten Autor erfundenes und gestaltetes Märchen (im Gegensatz zum überlieferten Volksmärchen)

„Nun sah Nathanael, wie ein paar blutige Augen auf dem Boden liegend ihn anstarrten.“ Dass in der Epoche der Romantik neben Sehnsucht, Liebe und tiefer Melancholie auch das Unheimliche ein dominierendes Motiv war, wird an E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann“ deutlich. Manche ordnen sie in die Gattung des Kunstmärchens ein, von denen Hoffmann tatsächlich einige geschrieben hat. Im Gegensatz zum überlieferten Volksmärchen kommen darin Handlung und Figuren vielschichtiger daher, verschwimmen zuweilen die Grenzen von Gut und Böse und wir müssen uns nicht selten auf ein tragisches Ende gefasst machen. Hoffmann ist heute vor 200 Jahren nach schwerer Krankheit gestorben.

[] langer Atem, Mehrwortausdruck

große Ausdauer (bei einer Sache, einem Vorhaben o. Ä.); langfristiges, nachhaltiges Handeln

Nur selten gelingt es einem Künstler, einen so breiten Diskurs auszulösen“, stellt der Bundestagsabgeordnete Konrad Weiß in einer eher ungewöhnlichen Bundestagsdebatte fest. Abgestimmt wurde über eine Kunstaktion des Künstlerehepaars Christo und Jeanne-Claude. In der Tat war das Projekt Verhüllter Reichstag umstritten (292 Ja-Stimmen gegenüber 223 Nein-Stimmen), seine Realisierung, gelinde gesagt, langwierig. Am 24. Juni 1995 – nach über 20 Jahren Überzeugungsarbeit – war es dann so weit: Das Reichstagsgebäude wurde für 14 Tage mit einer Hülle aus Polypropylengewebe dem Blick der Öffentlichkeit entzogen und war doch so sichtbar wie nie.

[] Dame, die

Schach: Königin

Obwohl Schach seit jeher alle Menschen fasziniert, hielt sich lange Zeit die Ansicht, dass Schach eher „was für Männer“ sei. So lässt ein Beitrag aus der Schachspalte einer Leipziger Zeitung vom 8.2.1896 tief in das Geschlechterbild dieser Zeit blicken: „Dem scharfen und anhaltenden Nachdenken abhold, pflegt das schöne Geschlecht nur selten die Reize des Schach[s] zu begreifen und in dem edlen Spiel eine Erholung zu suchen.“ Doch es lag auch Veränderung in der Luft. Nur ein Jahr später fand ab dem 23.6.1897 in England das erste internationale Schachturnier für Damen statt. Überragende Siegerin des Turniers war die Engländerin Mary Rudge, die sich bereits in Schachkreisen einen Namen gemacht hatte. Zuletzt erfuhr das Spiel der Könige (und Damen!) u. a. im Lockdown und durch den Erfolg der Serie „Das Damengambit“ eine Renaissance.

[] Abolitionismus, der

Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei in Großbritannien und Nordamerika im 18. und 19. Jahrhundert

Man weiß nur wenig über ihn, und doch steht seine Person für einen historischen Wendepunkt. Als vermutlich Achtjähriger wird er in Westafrika von Sklavenhändlern verschleppt, gerät an den Schotten Charles Stewart, der ihn 20 Jahre später, er heißt jetzt James Somerset, mit nach England nimmt. Dort kommt es 1771/72 nach einem Fluchtversuch zum Prozess gegen ihn. Mit Hilfe von Bürgern, die sich dem Abolitionismus verschrieben haben, klagt Somerset gegen seinen „Besitzer“ und erhält Recht. Der Zustand der Sklaverei sei so abscheulich, so der Richter, dass diese nur durch positives Recht eingeführt werden könne, und da ein solches Gesetz fehle, konstatierte er: „therefore the black must be discharged“.

[] Dackelblick, der

einen treuherzigen Eindruck machender oder machen wollender Blick

Wir neigen dazu, menschliche Gefühle in den Gesichtsausdruck von Tieren hineinzudeuten. Viele Katzen schauen grimmig und können nichts dafür. Viele Hunde, z. B. Dackel, haben das Kindchenschema drauf, der Ausdruck in ihren Augen ist einfach nur „süüüüüüß“. Ist das etwa ein Trick? Eine Studie in der Zeitschrift Plos One weist nach: So ist es wohl. Tiere, die den diesen Blick erzeugenden Mechanismus draufhaben, haben einen Überlebensvorteil – als Schoßhündchen. Heute, am Tag der Dackel, können Sie den Dackelblick vielleicht einmal selbst bei den Liebsten ausprobieren, wenn Sie ihn beherrschen.

[] filtern, Verb

(durch einen Filter gehen lassen und) bestimmte Feststoffe (Schadstoffe, unerwünschte Partikel o. Ä.) aus Flüssigkeiten oder Gasen zurückhalten oder aussondern

„Kaffeefilter mit auf der Unterseite gewölbtem und mit Vertiefung versehenem Boden sowie mit schräg gerichteten Durchflusslöchern“. Die trockene Beschreibung einer neuartigen Vorrichtung, eingereicht am 20. Juni 1908 beim Kaiserlichen Patentamt zu Berlin, bedeutete für Kaffeetrinker eine kleine Revolution. Denn Melitta Bentz hatte nach mehreren Versuchen mit einem Messingbecher und Löschpapier endlich eine Lösung für bequemen Kaffeegenuss gefunden – ohne Kaffeekrümel zwischen den Zähnen oder lästigen Kaffeegrund im Abfluss. Es war der Startschuss für eine bemerkenswerte und höchst erfolgreiche Unternehmerinnenkarriere im Kaiserreich.

[] Diabolo, das

Spielgerät, das aus einem sanduhrförmigen Körper aus Hartgummi o. Ä. besteht und das mithilfe einer an zwei Handgriffen befestigten Schnur jongliert wird

Der Teufel steckt beim Jonglieren im Detail. Und das nicht nur, weil einige Tricks eine geradezu millimetergenaue Präzision erfordern, die eigentlich nur durch einen Pakt mit dem Teufel zu erklären ist. Aber auch einige Jongliergeräte suggerieren eine Verbindung zur Unterwelt – man denke an den Devilstick oder das Diabolo. Letzteres geht allerdings wie auch der Teufel auf das griechische „διαβάλλειν“ (diabállein) ‚durcheinanderwerfen‘, ‚hinüberwerfen‘ zurück. Mehr Chaosstifter als Höllenfürst also. Dem Jongleur liegt dagegen lat. „ioculātor“ ‚Spaßmacher‘ zugrunde (vgl. auch „Jux“). Verbinden Sie doch also mal das Spaßige mit den Nützlichen und werfen ein paar Bälle (oder Socken, Orangen, …) durcheinander, denn das Jonglieren hat nachgewiesenermaßen eine positive Wirkung auf unsere kognitive Leistungsfähigkeit.

[] Sushi, das

aus der japanischen Küche stammendes Gericht aus gekochtem, mit Reisessig gesäuertem und erkaltetem Reis und weiteren Zutaten

Aus seltenen oder weiter entfernten Sprachen sind meist nur wenige Wörter in das Deutsche entlehnt worden. Oft beziehen sich diese auf Spezialitäten aus den Küchen der Länder, in denen diese Sprache gesprochen wird. Das ist auch beim Sushi (jap. 寿司 oder すし) der Fall. Dabei handelt es sich ursprünglich nicht um etwas Japanisches und auch nicht um ein Gericht. Zunächst wurde damit eine Konservierungsmethode für Fisch an den Ufern des Flusses Mekong bezeichnet. Erst im 18. Jahrhundert wurde daraus in Edo (heute: Tokio) der Name für ein Gericht. In vermutlich über 1000 Restaurants wird in Deutschland heute Sushi angeboten. Varianten, die ohne Fisch auskommen, nehmen dabei einen immer größeren Raum im reichhaltigen Angebot ein.

[] in flagranti, Mehrwortausdruck

bei der Tat; während der Ausführung einer verbotenen oder verwerflichen Handlung, sodass leugnen zwecklos ist

„Es ist nicht so, wie es aussieht!“ – „Der Tresor war schon offen“ – „Ich dachte, sie wäre du“: Wer auf frischer Tat ertappt wird, gerät in Erklärungsnot, entsprechend dämlich sind oft die Ausreden. Dem Geschädigten hingegen gaben die Rechtsordnungen lange Zeit (in stark abgeschwächter Form bis heute) weitreichende Selbsthilferechte an die Hand. Meist ging es dabei um Ehebruch. In der Antike durfte ein gehörnter Ehemann den Liebhaber (sofern niedrigeren Standes) dann umstandslos umbringen. In dieser Tradition hat sich ausgehend vom Codex Iustitianus auch die Formel des römischen Rechts: „in (crīmine) flagrānti“ (= während des heißen Verbrechens) bis heute im Sprachgebrauch erhalten.

[] abwarten und Tee trinken, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: geduldig sein und zunächst beobachten, wie sich eine Lage entwickelt

Der vom unvergleichlichen Patrick Stewart gespielte Jean-Luc Picard, Kapitän der Enterprise-D in der Serie „Star Trek – Das nächste Jahrhundert“, unterscheidet sich von seinem Haudrauf-Vorgänger James T. Kirk u. a. in seiner ruhigen, überlegten Art. Eine Tasse seines Lieblingsgetränks Earl Grey (heiß) braucht er besonders am 16. Juni 2370 (Sternzeit 47457,1), als Kinder seiner Crew (mit denen er eher wenig am Hut hat) ihm am „Captain-Picard-Tag“ ihre Kunstwerke präsentieren. Trekkies sagten sich vor einigen Jahren, dass man den fiktiven Feiertag auch im wahren Leben feiern kann, „Make it so!“, woran wir uns heute anschließen.

[] Roaminggebühr, die

Informations- und Telekommunikationstechnik: Gebühr, die ein Mobilfunkbetreiber für das Roaming erhebt

Die Urlaubssaison steht wieder ins Haus, und was auf der Packliste der meisten nicht fehlen dürfte, ist das Handy. Doch bei der Nutzung desselben schmolz das Urlaubsbudget bis vor einigen Jahren noch schneller als eine Kugel Eis in der Mittagssonne. Erst am 15. Juni 2017, heute vor fünf Jahren, wurden die Roaminggebühren in den 27 EU-Staaten (plus Liechtenstein, Norwegen und Island) endgültig abgeschafft, nachdem sie davor bereits Jahr für Jahr gesenkt wurden. Frei nach dem Motto „roam like at home“ kann seither ohne schlechtes Gewissen zum Inlandstarif telefoniert, gesimst und gesurft werden. Schauen Sie sich aber trotzdem ab und zu mal die Landschaft am Urlaubsort an!

[] frisches Blut, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: neue (zumeist junge) Kollegen, Mitglieder, Teilnehmer; Nachwuchskräfte in einem Unternehmen, einer Mannschaft o. Ä.

„Frisches Blut“ wird nicht nur in Form von neuen Mitgliedern in Teams oder Vereinen gebraucht, sondern auch im wörtlichen Sinne. Darauf will der heutige Weltblutspendetag aufmerksam machen. Um die Sicherheit der Spendenden als auch der Empfangenden zu gewährleisten, darf nicht jede Person spenden. Beschränkungen können Alter, Gewicht, Medikation, Erkrankungen, aber auch längere Auslandsaufenthalte sein. Eine noch recht junge Neuerung: In Bezug auf das sexuelle Risikoverhalten werden weniger Unterschiede zwischen den Geschlechtern gemacht als zuvor, jeder und jede wird zum tatsächlichen Verhalten befragt. Noch vor 2017 durften Männer, die Sex mit Männern haben, unter keinen Umständen spenden.

[] Irisch, das

in Irland beheimatete Sprache aus dem (insel)keltischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie

Das Irisch-Gälische, eine inselkeltische Sprache (nicht zu verwechseln mit dem irischen Englisch), ist offiziell erste Amtssprache der Republik Irland. Faktisch haben sich nur im äußersten Westen der Grünen Insel letzte Sprachgebiete gehalten, nachdem „Gaeilge“ im 19. Jh. durch die Politik der britischen Oberherren von einer Mehrheitssprache an den Rand des Aussterbens gebracht wurde. Doch Irland kämpft weiterhin für die Erhaltung und Wertschätzung seines Symbols der Selbstständigkeit: Am 13. Juni 2005 bewirkte es den Beschluss, Irisch zur vollberechtigten EU-Amtssprache zu machen, was ab 2007 in die Praxis umgesetzt wurde.

[] Olympiagelände, das

Gelände, auf dem sich die für die Austragung der Olympischen Spiele erforderlichen Gebäude und Anlagen befinden

„Der Krieg war zu Ende, und irgendetwas musste ich ja machen“. So beschreibt der Architekt Günter Behnisch den Beginn seines Wirkens. Er gab dem Sport ein sensationelles Dach, auf dem Münchner Olympiagelände, und der bundesdeutschen Demokratie einen würdigen Rahmen, mit dem Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Bonn. Neue Räume für die Bildung und die Religion gestaltete er ebenso. Der Bundesrepublik der Nachkriegszeit gab er ein neues, frisches architektonisches Gesicht. Heute vor 100 Jahren wurde Günter Behnisch in Lockwitz bei Dresden geboren.

[] außerirdisch, Adj.

zu einem Bereich außerhalb des Planeten Erde gehörend, dort vorkommend; von außerhalb des Bereichs des Planeten Erde stammend

„E.T. nach Hause telefonieren“ (orig. „E.T. phone home“) ist der wohl berühmteste ungrammatische Satz der Filmgeschichte. In den US-amerikanischen Kinos wurde er zum ersten Mal am 11. Juni 1982 geäußert – von einem drolligen, liebenswerten Wesen aus dem All, das auf der Erde zurückgelassen wurde. Motive wie Freundschaft, Toleranz, Empathie, Abschied und Heimweh machen Steven Spielbergs Meisterwerk „E.T. – Der Außerirdische” zu einem Klassiker von zeitloser Universalität, der einem auch 40 Jahre später Tränen in die Augen treibt.

[] Enfant terrible, das

bildungssprachlich: jmd., der gegen die geltenden (gesellschaftlichen) Regeln verstößt und dadurch seine Umgebung oft schockiert oder in Verlegenheit bringt

Als „Bürgerschreck“ bezeichnete ihn Schauspielerin Hanna Schygulla einmal in einem Interview. Rainer Werner Fassbinder war Enfant terrible, Antityp – und zugleich bewundertes Allround-Genie der deutschen Film- und Theaterszene. Mit nur 37 Jahren ist der Regisseur, Schauspieler und Drehbuchautor am 10. Juni 1982 gestorben, im Blut ein ganzer Cocktail an Drogen. Doch war er in seiner kurzen Schaffenszeit unfassbar produktiv: Über 40 Filme und Fernsehserien voller Verzweiflung, Sehnsucht und kalter Grausamkeit hat er hinterlassen. Und auch wenn sein Werk – genau wie seine Person – das Publikum gespalten hat, erreichte Fassbinder doch sein großes Ziel: Einzigartigkeit.

[] Wahlrecht, das

Befugnis bzw. gesetzlich festgelegter Anspruch, als wahlberechtigte und als wählbare Person an der Wahl von Körperschaften oder Amtsträgern teilzunehmen

„You’re old enough to kill, but not for votin’“ – Der markante Vers im Protestsong „Eve of Destruction“ (1965) betraf nicht nur die USA: Auch in der Bundesrepublik erreichten junge Menschen mit 18 Jahren die Volljährigkeit, waren geschäftsfähig, konnten eine Familie gründen und Männer wurden zur Bundeswehr eingezogen. Von der Teilhabe an der politischen Willensbildung waren sie bis zum 21. Lebensjahr gleichwohl ausgeschlossen. Ein unhaltbarer Zustand, da waren sich erstaunlicherweise von links bis konservativ die Bundestagsabgeordneten einig: Und so wurde mit der „Änderung des Bundeswahlgesetzes“ heute vor 50 Jahren das Wahlalter auf 18 Jahre gesenkt. Es gab keine Gegenstimme.

[] Vermüllung, die

durch unsachgemäßes Wegwerfen von Abfall verursachte, zunehmende Verunstaltung, Verschmutzung, Belastung von etw.

Seit 2009 wird der heutige 8. Juni als Welttag der Ozeane begangen, in Andenken an den sog. „Erdgipfel“ der Vereinten Nationen 1992 in Rio de Janeiro, der auf die Unabdingbarkeit sauberer Meere wie der gesamten natürlichen Umwelt für das Überleben der Menschheit hinwies. Trotz aller Versuche, die Bewusstheit und das Verantwortungsgefühl für den Schutz der Ozeane zu vermehren, wird deren Zustand nicht nur durch den Klimawandel, sondern durch die fortgesetzte Vermüllung von Jahr zu Jahr schlimmer, gewaltige Müllstrudel besonders aus Plastik strömen um den Globus. Es ist höchste Zeit für die Notbremse, wir alle können etwas tun.

[] Ehe, die

in Deutschland seit 2017: gesetzlich geschlossene dauerhafte, eine Lebensgemeinschaft bildende Verbindung von zwei volljährigen Menschen unterschiedlichen oder gleichen Geschlechts

1989 gilt in Deutschland als Jahr des Mauerfalls. Darüber gerät leicht in Vergessenheit, dass im selben Jahr noch eine ganz andere Mauer fiel: Dänemark verabschiedete als erstes Land der Welt die „registreret partnerskab“, mit der Schwule und Lesben ihre Partnerschaft registrieren lassen konnten – ein entscheidender Schritt zur Ehe für alle: Seit dem 7. Juni, heute vor 10 Jahren dürfen gleichgeschlechtliche Paare dort auch ganz traditionell heiraten, die eingetragene Partnerschaft wurde abgeschafft. In Deutschland dauerte es etwas länger: Am 1. Oktober 2017 standen die ersten homosexuellen Paare vor den Standesbeamten.

[] unterirdisch, Adj.

unter der Erdoberfläche gelegen, verlaufend oder stattfindend

Der heutige „Internationale Tag der Höhlen und der unterirdischen Welten“ soll unsere Aufmerksamkeit auf die vom Tageslicht verborgenen Naturphänomene lenken. Karsterscheinungen und unterirdische Höhlensysteme sind Forschungsgegenstände der Speläologie, einem Fachbereich, dem sich weltweit nur wenige hauptberuflich verschrieben haben. Dabei gibt es dort im Verborgenen viele faszinierende Lebewesen zu entdecken: Insbesondere Fische, Insekten und Amphibien, die oft kaum pigmentiert sind und deren Augen sich zurückgebildet haben, leben dauerhaft in der Dunkelheit. Überdurchschnittlicher Geruchs- und Tastsinn, geringe Körpergröße oder ein herabgesetzter Stoffwechsel helfen ihnen dabei, unter diesen harschen Lebensbedingungen zu bestehen.

[] Aggregatzustand, der

Physik, Chemie: Zustandsform eines Stoffes

Die drei klassischen Aggregatzustände – fest, flüssig und gasförmig – kennt wohl jeder, nicht nur aus dem Alltag. Doch unter Extrembedingungen, die teils in der Natur und teils im Labor auftreten, sind noch weitere Zustandsformen möglich. Plasma, das z. B. in der Sonne, in Blitzen und im Nordlicht auftaucht, ist eine davon. Das Bose-Einstein-Kondensat, das Eric Allin Cornell, Wolfgang Ketterle und Carl Edwin Wieman am 05.06.1995 erstmals herstellten und dafür 2001 den Nobelpreis für Physik bekamen, ist ein anderer nicht-klassischer Aggregatzustand. Er entsteht, wenn Atome fast auf den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt werden. Sie verlieren dadurch nahezu ihre gesamte Energie, was dazu führt, dass alle Atome dieselben physikalischen Eigenschaften haben und sich wie ein einziges Superatom verhalten.

[] Droschke, die

leichtes, von Pferden gezogenes oder motorisiertes Gefährt, das Einzelpersonen (gegen Bezahlung) befördert

Es war eine kleine Sensation, als am 4. Juni 1928 die Droschke von Gustav Hartmann in Paris einfuhr, denn der Kutscher war in zwei Monaten die über 1000 km aus Berlin angereist. Die Werbeaktion für Pferde- und gegen Kraftfahrzeuge war zwar für Hartmann selbst erfolgreich – Hans Fallada setzte dem „Eisernen Gustav“ 1938 ein Roman-Denkmal –, dennoch sind Droschken schnell aus dem Straßenbild verschwunden. Mit ihnen verblasst auch ihr Name, und das ist bedauerlich: Ist doch „Droschke“, das über das Baltikum aus „drožki (дрожки)“ kam, dem Namen einer leichten Kutsche, eines der wenigen modernen russischen Lehnwörter im Deutschen.

[] Bergfex, der

umgangssprachlich, oft scherzhaft: Person, die gerne und oft klettert, in den Bergen wandert, sich gerne dort aufhält

Am 5. Mai 1810 schrieb Goethe ins Tagebuch: „Fexe werden im Salzburgischen mehr oder weniger imbecille [= schwachsinnige] Menschen genannt.“ Dementsprechend war der „Bergfex“ das alpine Gegenstück zum Dorftrottel. Eine Verunglimpfung, die wohl auch dem Umstand geschuldet war, dass das Hochgebirge bis über das 17. Jh. hinaus als zivilisationsferne, ja schreckliche Welt wahrgenommen wurde, in der zu leben keinem vernunftbegabten Menschen einfallen mochte. Mit beginnender Idealisierung der Bergwelten im 18. und dem im 19. Jh. einsetzenden Touristenansturm erfolgte eine Umwertung der Verbalinjurie. Dem tumben, unter Höhenangst leidenden Flachländer nötigten die schwindelerregenden Kletterkünste einheimischer Bergfexe nun Respekt ab.

[] Zauberwürfel, der

Ausdauer und Geschicklichkeit förderndes Spielzeug in Form eines Würfels, der aus verschiedenfarbigen kleineren Würfeln zusammengesetzt ist, die in drei sowohl horizontal als auch vertikal drehbaren Ebenen angeordnet sind

Klein und unschuldig kommt er daher – ein in Höhe, Breite und Tiefe jeweils in drei Ebenen unterteilter und beweglicher, sechsfarbiger Würfel – doch hat er viele schon auf eine harte Geduldsprobe gestellt: der Zauberwürfel. Erfunden wurde er von dem ungarischen Architektur- und Designprofessor Ernő Rubik, ursprünglich um das räumliche Denkvermögen seiner Studierenden zu verbessern. Seine Karriere als Spielzeug begann eher schleppend, als zu intellektuell und kompliziert für die Allgemeinheit wurde er eingeschätzt. Doch die Spielzeugindustrie sollte sich täuschen, die Nachfrage war enorm. Am 2. Juni 1980, sechs Jahre nach seiner Erfindung, kam der Zauberwürfel auf den deutschen Markt und das Würfelfieber konnte auch hierzulande um sich greifen.

[] Jogging, das

Dauerlauf in langsamem oder mäßigem Tempo als Konditionstraining

Jogging, so nennt man den Dauerlauf heute, geht auf das englische Verb „to jog“ zurück, was Wolfgang Pfeifer in seinem „Etymologischen Wörterbuch“ ganz treffend mit „sich ruckweise bewegen, hoppeln, holpern, mühsam gehen, rütteln“ ins Deutsche überträgt. Am heutigen „Tag des Laufens“ wollen wir all jenen fast sechs Millionen Deutschen einen sportlichen Gruß zurufen, die regelmäßig schnaufend und ächzend über Straßen und Felder, durch Wälder, Wiesen und Auen holpern. Ihr seid nicht allein!

[] Jieper, der

besonders D-Nord: plötzlich erwachende Gier, große Lust (auf etw., nach dem man süchtig ist)

Man raucht nicht – man pafft, qualmt, quarzt, schmaucht oder schmökt zu allen Zeiten und in allen Schichten. Doch immer mehr vor allem junge Menschen können ihren Jieper nach diesem Suchtmittel beherrschen oder sie verfallen ihm erst gar nicht. Bei ihnen ist, so das Bundesgesundheitsministerium, ein deutlicher Rückgang in der Raucherquote (von 27,5 % im Jahr 2001 auf 6,6 % 2018) zu beobachten. So können wir am heutigen Nichtrauchertag die erfreuliche Prognose wagen: In Zukunft wird weniger blauer Dunst unsere Köpfe vernebeln.

[] bilingual, Adj.

Sprachwissenschaft: zweisprachig, zwei Sprachen verwendend

Bon anniversaire! Am 30. Mai 1992 sendete der Kulturkanal ARTE zum ersten Mal in deutsche und französische Haushalte. Das in Europa Einzigartige an dem öffentlich-rechtlichen Kanal mit Sitz in Straßburg? Er sendet bilingual, also in beiden Sprachen. Ziel war und ist es, das französische und das deutsche Publikum an die Kultur des Nachbarn heranzuführen, aber auch den europäischen Zusammenhalt insgesamt zu fördern. Und aus dem bilingualen wird zunehmend ein multilingualer Ansatz, denn inzwischen untertitelt ARTE seine Programminhalte in vier weiteren Sprachen.

[] Keks, der

salopp: Kopf, Gehirn

Auch wenn Kekse heutzutage in aller Munde sind, gibt es das Wort selbst noch gar nicht so lange im Deutschen. Erst Ende des 19. Jh. entlehnte ein Hersteller des trockenen Kleingebäckstücks das Wort aus dem englischen „cake(s)“. Doch haben wir es hier mit demselben Keks wie in der Redewendung „jemandem auf den Keks gehen“ zu tun? Eher nicht. Einer Theorie zufolge prägte die Gaunersprache das Wort Keks, angelehnt an das hebräische גַּג gag („Dach“), das später eine Bedeutungsübertragung zu „Kopf, Verstand“ durchmachte. Einer anderen Theorie zufolge entstammt es der Jugendsprache, die in der Redewendung „jmdm. auf den Geist gehen“ den Geist scherzeshalber durch beliebige Wörter ersetzte (vgl. „jmdm. auf den Zeiger, Wecker gehen“).

[] Brettspiel, das

Spiel, bei dem meist mehrere Personen ein Spielbrett oder einen Spielplan und dazu Spielfiguren, Spielkarten o. Ä. verwenden

Nicht umsonst verbringen Kinder so viel Zeit mit dem Spielen; so können sie sich mit allen Sinnen die Welt erschließen, ihre Gesetzmäßigkeiten verstehen lernen, Grenzen austesten. Auch für Erwachsene noch interessant ist zum Beispiel die Welt der Brettspiele. Wer einmal eingetaucht ist, wird neben Klassikern wie Halma und Monopoly Erstaunliches finden: Bretter, die sich je nach Kampagne immer neu zusammensetzen lassen, 12-seitige Würfel, gruselige Miniaturen zum Bemalen und Anleitungen, die über 100 Seiten lang sind. Das Doofe daran ist, dass man nachher alles wieder zusammenpacken muss. Können wir bitte morgen aufräumen? Heute ist doch Weltspieltag!

[] Bürgerrecht, das

Grundrecht, das allen Staatsbürgern durch die Verfassung garantiert wird

Was macht man, wenn die Obrigkeit Demonstrationen und andere Formen der Insubordination verbietet und unterdrückt? Man feiert stattdessen ein Fest. Desgleichen taten Bürger vor dem Hambacher Schloss. Das Fest begann heute vor 190 Jahren und dauerte 6 Tage. Man forderte Bürgerrechte und schwenkte die revolutionäre Fahne in Schwarz-Rot-Gold, die Presse war durch zahlreiche Blätter und ihre Korrespondenten vertreten. So konnte dieses „Fest“, eine politische Manifestation einer aufstrebenden Schicht, eine Wirkung entfalten, die uns auch heute vielleicht mit etwas Wehmut an diese Zeit des demokratischen Aufbruchs denken lässt.

[] Ätti, der

regional, familiär: Vati, Papa

Am heutigen Feiertag Himmelfahrt (Schweiz/Liechtenstein: Auffahrt) erinnern die Christen an die Rückkehr Jesu in den Himmel, 39 Tage nach der Auferstehung am Ostersonntag. Für viele ist der Feiertag aber zum weltlichen „Vatertag“ geworden, für uns ein Anlass, auf die vielen Koseformen für den Vater hinzuweisen. Denn außer dem „Papa“, der letztlich aus dem Französischen stammt (bisweilen noch „Papá“ ausgesprochen), findet sich gerade im Osten „Vati“, wie „Papi“ mit verniedlichendem -i, oder in der Schweiz „Ätti“, aus dem Lallwort „atta“ (so auch im Gotischen und Hethitischen). Im Sudetenland fand sich gar „Tati“, nach Tschechisch „táta“ oder Mittelhochdeutsch „tate“.

[] Thriller, der

Roman oder Film, der beim Leser oder Zuschauer über den gesamten Handlungsverlauf Spannung und Nervenkitzel hervorruft

Was man in Buch oder Fernsehen Spannendes über Spionage konsumieren kann, verblasst bisweilen gegenüber wahren Agentengeschichten. Eine der spektakulärsten fand heute vor 109 Jahren ihr Ende: Der österreichisch-ungarische Oberst Alfred Redl, eine der wichtigsten Personen des Evidenzbüros, wurde in den Selbstmord gedrängt, nachdem durch bloßen Zufall aufgedeckt worden war, dass er seit Jahren höchste militärische Geheimnisse v. a. an Russland verkauft hatte, um seinen extravaganten Lebensstil zu finanzieren. Bis heute streiten Historiker darüber, welche Bedeutung Redls Verrat für das Desaster der k. k. Armee zu Beginn des Ersten Weltkriegs hatte.

[] Ainu, das

auf Hokkaido, Sachalin und den Kurilen beheimatete, zu keiner bekannten Sprachfamilie gehörende Sprache mit nur noch sehr wenigen Sprechern

Das im Norden Japans gesprochene Ainu gehört zu den Sprachen, die innerhalb kurzer Zeit in der Moderne an den Rand des Aussterbens gebracht wurden. Denn als Hokkaido 1869 Japan einverleibt wurde, begann eine hundertjährige aggressive Assimilationspolitik gegen das gleichnamigen Volk der Ainu. Es blieben nur wenige Dutzend meist Ältere, die dieses mit keiner anderen Sprache sicher verwandte Idiom noch beherrschen. Am 26.04.2019 verabschiedete das japanische Parlament erstmals ein Gesetz, das die Ainu als Ureinwohner Japans anerkennt und die Regierung zum Erhalt ihrer Kultur verpflichtet. Ob dieses Umdenken aber noch rechtzeitig kommt, wird die Zukunft zeigen.

[] Grundgesetz, das

die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, die durch einen Grundrechtekatalog und die wichtigsten Rechtsnormen zur Staatsorganisation die Beziehung zwischen Bürger und Staat sowie die politische Ausrichtung und den Aufbau des Staates grundlegend bestimmt; grundlegende Gesetzmäßigkeit, fundamentaler Zusammenhang in der Natur oder Gesellschaft

Provisorien halten bekanntlich länger: Am 23. Mai 1949 verkündete der Parlamentarische Rat das „Grundgesetz“ für die Bundesrepublik. Gedacht war es als Übergangslösung für eine noch zu erarbeitende Verfassung nach einer Wiedervereinigung Deutschlands. Der Begriff „Grundgesetz“ war zwar einerseits gut gewählt, veranschaulicht er doch, dass es die grundlegenden Normen für alle weiteren Gesetze und nicht zuletzt die Grundrechte umfasst. Andererseits steht der Begriff eben auch für Dauerhaftes. Man denke an die ewigen Grundgesetze der Physik oder das „Kölsche Grundgesetz“ mit seinen ewigen ‚Weisheiten‘, z. B. § 1 „Et es wie et es“.

[] Gothic, der, das oder die

Szene oder Genreform, deren Mitglieder ein gemeinsames Interesse an eher schwermütigen Themenkomplexen wie Tod, Vergänglichkeit, Mystik oder Psychopathologie teilen und deren typisches Erscheinungsbild vor allem durch die Farbe Schwarz geprägt ist

Sie mögen es düster, tragen Schwarz, hören Bauhaus. Diese klischeehafte Beschreibung mag wohl auf die meisten Anhänger der Gothic-Szene zutreffen, wird ihrer Diversität aber nicht gerecht. Jedes Jahr am 22. Mai, am „World Goth Day“, feiern Gothics sich selbst – für das Gemeinschaftsgefühl, mehr Sichtbarkeit und Toleranz. An diesem Tag soll sich alles um die ausgefallene Ästhetik, die meist schwermütige, aber dennoch facettenreiche Musik und die finstere, mystische oder romantische Kunst und Literatur ihrer Subkultur drehen. Weltweit finden dazu verschiedene Veranstaltungen statt, auch bei Sonnenschein.

[] Akademie, die

Vereinigung, Gesellschaft (von Gelehrten) zur Förderung der Forschung und Vertiefung wissenschaftlicher oder künstlerischer Studien

Die Geschichte der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften reicht zurück bis ins Jahr 1700. Damals wurde sie als Kurfürstlich Brandenburgische Sozietät der Wissenschaften gegründet, mit Gottfried Wilhelm Leibniz als ihrem ersten Präsidenten. Nicht nur große Persönlichkeiten wie die Brüder Grimm und Humboldt, Lise Meitner und Albert Einstein, sondern auch die wechselhafte deutsche Geschichte prägen die Akademie über die Jahrhunderte. So, wie wir sie heute kennen, existiert sie seit 1992. Dazu unterzeichneten vor genau 30 Jahren die Länder Berlin und Brandenburg den Staatsvertrag zu ihrer Neukonstituierung als „Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (vormals Preußische Akademie der Wis­senschaften)“.

[] Schwänzeltanz, der

Zoologie: tanzartige Bewegung der Honigbiene, mit der sie Informationen über Richtung, Entfernung und Ergiebigkeit von in größerer Distanz zum Bienenstock befindlichen Nahrungsquellen übermittelt

Der Drang und die Notwendigkeit für Kommunikation ist im Tierreich allgegenwärtig. Für den Menschen ist das Mittel der Wahl für gewöhnlich die Sprache, seien es nun gesprochene, Gebärden- oder Pfeifsprachen. Bienen nutzen ein anderes Medium zur Informationsübertragung: Mithilfe des Schwänzeltanzes (und anderen Tänzen) teilen vom Ausschwärmen zurückgekehrte Bienen ihren Kolleginnen im Stock mit, wo Nahrungsquellen zu finden sind. Der Tanz enthält präzise Informationen zu Entfernung und Richtung der Futterquelle. Am heutigen Weltbienentag gedenken wir nicht nur dieser einzigartigen Kommunikationsform, sondern auch der Rolle, die die Bienen als Bestäuberinnen für die Biodiversität der Erde haben.

[] Luftpostbrief, der

mit dem Flugzeug beförderter Brief

Die Anfänge technologischer Durchbrüche sind oft wenig spektakulär: Heute vor 110 Jahren startete in Heidelberg eine Rumpler-Taube gen Mannheim. Im Gepäck transportierte der federleichte Flieger einen kleinen Postsack. Fast zeitgleich hoben mit gleichem Auftrag ein Jeannine-Eindecker und ein Wright-Doppeldecker ab. Das Ganze war Teil einer PR-Aktion der Deutschen Reichspost, die extra für diesen Tag Luftpostkarten mit eigener Briefmarke herausgebracht hatte. Die Aktion war allerdings so erfolgreich, dass die schwachbrüstigen Flugzeuge nur eine kleine Ladung befördern konnten. Der Löwenanteil der vermeintlichen Luftpostsendungen musste per Bahn transportiert werden.

[] die Latte hoch legen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: an jmdn., etw. hohe Maßstäbe legen (um ein bestimmtes Ziel zu erreichen oder eine bestimmte Erwartung zu erfüllen); hohe Ansprüche, Anforderungen stellen, denen man nur schwer genügen kann

Alle wollten sie hoch hinaus, doch der kalifornische Sportler George Horine legte die Latte höher als alle, die vor ihm kamen. Am 18.05.1912 überquerte er als Erster die Zwei-Meter-Marke im Hochsprung. Dies gelang ihm vor allem durch eine ihm eigene Technik, den Western Roll, die sich durch einen niedrigeren Körperschwerpunkt auszeichnete und zu deutlich besseren Ergebnissen als die bisher verwendeten Hock- oder Schersprünge führte. Der Western Roll hielt sich bis in die 1950er-Jahre, als er zunächst vom Tauchwälzer und dann vom Fosbury Flop abgelöst wurde. Horines Weltrekord hielt ganze zwei Jahre; sonderlich viel Ruhm wurde ihm allerdings nie zuteil, möglicherweise auch deshalb, weil sein Weltrekord im angloamerikanischen Maßsystem nur unrunde 6 Fuß 7 Zoll betrug.

[] Eierschecke, die

aus Sachsen stammender Kuchen (meist aus Rührteig oder Hefeteig) mit einer dicken Schicht gelben Schaums aus Ei, Butter, Zucker und Vanillepudding und oft einer zweiten, weißen Schicht aus Quark, Ei, Zucker und Milch

Man nehme: Butter, Quark, Pudding, Mehl, Zucker – und sagenhafte sechs bis acht Eier. Nicht umsonst nennt man sie „Eierschecke“, ein käsekuchenähnliches Backwerk, das vor allem im sächsischen und thüringischen Raum verbreitet ist. „Schecke“ leitet sich wohl von einem mittelalterlichen Leibrock für Herren ab, der durch einen Taillengürtel optisch dreigeteilt war. Auch die (Dresdner) Eierschecke hat diese Dreiteilung: einen Mürbeteigboden, eine Quarkcremeschicht und eine Masse aus Vanillepudding, Ei, Butter und Zucker. Es gibt aber zig Variationen des Kuchens, die nicht nur wohlschmeckend, sondern auch Gegenstand regionalen Gerangels sind. Über Leidenschaften kann man eben herrlich streiten.

[] Elektrische, die

Straßenbahn, die von elektrischem Strom angetrieben (und nicht von Pferden gezogen) wird

Eigentlich sollte sie als Hochbahn in der Berliner Friedrichstraße verkehren, die erste „elektrische Eisenbahn“, wie ihr Erfinder Werner von Siemens sie nannte. Doch Anwohner klagten erfolgreich dagegen. Sie führten die Gefahren herabtropfenden Schmieröls und herabstürzender Wagen sowie das durch die Verdunkelung der Straße entstehende Ungemach ins Feld. So nahm die erste „Elektrische“ schließlich in Groß-Lichterfelde ihren Probebetrieb auf, heute vor 141 Jahren. Am 14. Februar 1930 wurde der Betrieb eingestellt.

[] Technikmuseum, das

öffentliche Sammlung von Schaustücken, die die Geschichte oder besondere Aspekte der Technik repräsentieren

Museen können mit den verschiedensten Exponaten aufwarten, von immateriell bis riesengroß, und ebenso vielfältig sind die Gebäude, die sie beherbergen. In nur seltenen Fällen ist aber das Gebäudeensemble und Gelände selbst auch gleichzeitig so ein passendes Sammlungsobjekt wie im Fall des Deutschen Technikmuseums Berlin. Diese Institution, die dutzende ältere, teils kriegsgeschädigte Sammlungen zu allen Bereichen der Technologie vereint, wurde 1983 auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter Güterbahnhofs eröffnet und umfasst neben einem Neubau u. a. alte Lokschuppen, das Beamtenhaus, die Ladestraße. Gegründet wurde sie heute vor 40 Jahren als „Museum für Verkehr und Technik“.

[] Wandervogel, der

Vogel, der im jahreszeitlichen Rhythmus zwischen Winterquartier und Brutgebiet hin- und herwechselt

Was haben Wanderfreunde und Zugvögel gemeinsam? Beide nehmen für die Suche nach optimalen Bedingungen bisweilen bis zu mehreren tausend Kilometern Weg auf sich. Außerdem besteht für beide heute Grund zur Freude, denn es wird nicht nur der Tag des Wanderns, sondern auch der Weltzugvogeltag begangen. Letzterer widmet sich in diesem Jahr dem Problem der nächtlichen Lichtverschmutzung, die bei Zugvögeln zu Orientierungsschwierigkeiten führt. Auch wenn nicht vollständig geklärt ist, wie die Vögel im Detail navigieren, ist man sich doch einig, dass sie neben dem Erdmagnetfeld und der Sonne auch die Sterne zur Orientierung nutzen. Das Motto des diesjährigen Weltzugvogeltags lautet daher: „Dimmen Sie nachts das Licht für Vögel!“

[] Cocktail, der

(eisgekühltes) Mischgetränk, das in der Regel eine oder mehrere Spirituosen und meist weitere Zutaten wie z. B. Fruchtsäfte enthält, oft mit Früchten garniert

Die englische Leidenschaft für das Pferderennen hat den internationalen Wortschatz um so einige Ausdrücke bereichert, man denke nur an „Jockey“ oder „Doping“. Aber auch der „Cocktail“ soll über ein paar semantische Ecken auf den Pferdesport zurückgehen: Rennpferden mit einem Makel im Stammbaum wurde zum Zeichen ihrer nicht ganz so edlen, gemischtrassigen Herkunft der Schweif gestutzt, der nun an die Schwanzfedern eines Hahns erinnerte. Das „cock-tailed horse“ wurde zum festen Begriff und der Ausdruck „cocktail“ um 1800, anfangs wohl eher abwertend (im Sinne von ‚verwässerter Drink‘), auf das alkoholische Mischgetränk übertragen.

[] Pflegezeit, die

Gesundheitswesen in Deutschland: (befristete) Zeitdauer, während der Arbeitnehmer eine Freistellung von der Arbeit beantragen können, um pflegebedürftige Angehörige in ihrer häuslichen Umgebung zu betreuen

Am heutigen Internationalen Tag der Pflegenden würdigen wir den Einsatz der Menschen, die sich um die 4,1 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland kümmern – auch wenn klar ist, dass es mit Lob und Klatschen nicht getan ist. Neben dem Pflegepersonal in Krankenhäusern, Heimen und im mobilen Dienst sind auch viele Privatpersonen im Pflegeeinsatz. Für die verbesserte „Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf“ gibt es seit 2008 das Pflegezeitgesetz. Wer nahe Angehörige zu Hause pflegt, kann sich bis zu sechs Monate ganz oder zum Teil von der Arbeit freistellen lassen. Zum Ausgleich kann für diese Zeit ein zinsloses staatliches Darlehen beantragt werden.

[] uralt, Adj.

sehr alt

Heute vor 130 Jahren gründete Hugo Asbach in Rüdesheim seine Weinbrennerei, um deutschen Cognac („Weinbrand“) auf den Markt zu bringen. 1905 ließ er sich die Marke „Asbach uralt“ als Warenzeichen eintragen. Da ahnte er sicher nicht, was die Sprachgemeinschaft aus dieser Wortmarke machen würde. Der Ausdruck „Asbach uralt“ wurde zum nicht allzu schmeichelhaften Prädikat für altbekannte Ideen, Witze, Nachrichten usw. Und das Zitat ließ sich sogar weiter verkürzen. Heutzutage ist etwas gelegentlich nur „Asbach“. Sicher nicht im Sinne des unfreiwilligen Namensgebers.

[] Kalendergeschichte, die

Literaturwissenschaft: Form didaktischer, unterhaltender Kurzprosa, die ursprünglich auf die Rückseite von Kalenderblättern gedruckt wurde und sich später zu einem eigenen literarischen Genre entwickelte

Zu den ersten Drucken, mit denen Johannes Gutenberg die Medienwelt revolutionierte, zählte auch eine ausgesprochen erfolgreiche Textsorte: Kalender. Als Volkskalender erreichten sie nahezu alle Schichten und dienten der Bevölkerung mit ihren Anekdoten und Schwänken nicht zuletzt auch der Unterhaltung. Ein Meister, der diese Kalendergeschichten zu literarischen Höhen führte, wurde am 10. Mai 1760 in Basel geboren. Es ist der auch als alemannischer Mundartdichter bekannte Johann Peter Hebel. Eine seiner Schöpfungen kennen Sie bestimmt: „Kannitverstan“, die Geschichte jenes Tuttlinger Handwerksburschen, der in Amsterdam grandios am Niederländischen scheitert.

[] Emanzipationsbewegung, die

politische, gesellschaftliche o. ä. Bewegung, die die Emanzipation einer gesellschaftlichen Gruppe zum Ziel hat

Dass Gerechtigkeit, Frieden, Demokratie und Gleichberechtigung trotz aller Widrigkeiten am Ende triumphieren, konnte kaum ein Mensch so gut symbolisieren wie Nelson Mandela. Der Freiheitskämpfer, der im Westen noch in den 1980ern als „Terrorist“ bezeichnet wurde, saß wegen seines Engagements gegen das südafrikanische Apartheidregime 27 Jahre in Haft (bis 1990). Nach dem Wahlsieg seines African National Congress in den ersten freien Wahlen 1993 wurde er heute vor 29 Jahren zum ersten schwarzen Präsidenten des Landes gewählt und setzte danach seine Autorität für die Versöhnung zwischen den verfeindeten Gruppen ein.

[] Hotel Mama, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, scherzhaft, besonders in Bezug auf junge Erwachsene: das Elternhaus als Unterkunft mit vielen Annehmlichkeiten, insbesondere der Abnahme der Hausarbeit (traditionell vor allem durch die Mutter)

Wer den Eintritt ins Erwachsenenalter schon länger hinter sich hat und noch bei den Eltern wohnt, bekommt schnell den Stempel des unselbstständigen Nesthockers aufgedrückt, der sich im „Hotel Mama“ vollumfänglich bedienen lässt. Interessant ist, dass letzterer Ausdruck von recht konventionellen Rollenmustern ausgeht (was für eine Rolle spielt Papa eigentlich in diesem Hotel?), obwohl er wahrscheinlich erst seit den 90ern in Gebrauch ist. Und ebenso interessant ist, wie viele gute Gründe es in der Praxis gibt, länger bei den Eltern zu wohnen – ob es der schwierige Wohnungsmarkt ist, Heimatverbundenheit oder eine Hilfsbedürftigkeit der Eltern. Heute ist es für diejenigen, die mit Muttern unter einem Dach wohnen, jedenfalls viel einfacher, ihr das Frühstück ans Bett zu bringen, sie zu drücken und ihr alles Liebe zum Muttertag zu wünschen.

[] Fünfliber, der

umgangssprachlich: Münze im Wert von fünf Franken

Schweizurlauber kennen es: das umgangssprachlich „Fünfliber“ genannte 5-Franken-Stück. Der auf das französische „livre“ (Pfund) zurückgehende Begriff spiegelt auch die numismatische Geschichte der Schweiz wider. Denn dort herrschte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein regelrechtes Münzchaos. Jedem Kanton oder gar jeder Stadt mit Münzrecht stand es frei, eigene Münzen in den verschiedensten Währungen und Nominalwerten zu prägen. Zusätzlich zirkulierten im Handel auch noch ausländische Währungen. Diesem Chaos wurde am 7.5.1850 Einhalt geboten. Das eidgenössische Münzgesetz sprach das alleinige Münzprägerecht dem Bund zu und führte den „Franken“ als Währung ein. Damit war dann auch die Frage geklärt, ob man sich mit dem neuen Münzsystem lieber am süddeutschen Gulden oder dem französischen Franc orientieren sollte.

[] Goldgräberfieber, das

mit Besessenheit betriebene Suche nach Gold (in einem Gebiet, in dem Gold gefunden wird)

Das 19. Jahrhundert war in den USA eine Zeit des Goldrauschs. Während dieser Periode verließen etliche Menschen ihre Heimat, um in vielversprechenden Gegenden nach Edelmetall zu suchen, so auch im heutigen Bundesstaat Colorado. In Schwung kam der „Colorado Gold Rush“, nachdem am 6.5.1859 ein gewisser John H. Gregory dort auf eine der ersten großen Goldadern gestoßen war. In den folgenden Monaten pilgerten tausende Goldsucher zur Fundstelle, um auch ihr Glück zu versuchen. Der Rausch brachte große Veränderung für die Region. Zehntausende Weiße siedelten sich an, Städte wie Denver und Boulder wurden gegründet, die Industrie boomte. Jedoch wurde großen Teilen der indigenen Bevölkerung durch die Vereinnahmung ihrer Gebiete die Lebensgrundlage entzogen.

[] Maifeiertag, der

einer der Feiertage, die in den Mai fallen, z. B. Christi Himmelfahrt, Pfingstsonntag, Pfingstmontag

Der Monat Mai ist überaus reich an Feiertagen. Wenn man von „dem“ Maifeiertag hört, dann denkt man hierzulande meist an den Tag der Arbeit vom vergangenen Sonntag, danach folgen Christi Himmelfahrt oder die Pfingstfeiertage. Über dem Großen Teich ist das anders: Ähnlich wie die Iren in den USA ihren Saint Patrick’s Day begehen, feiern die Mexikaner dort – interessanterweise aber kaum in Mexiko selbst – heute den „Cinco de Mayo“ (schlicht und einfach: 5. Mai). An diesem Tag vor heuer genau 160 Jahren besiegten die mexikanischen Republikaner bei Puebla eine überlegene Expeditionsarmee der Franzosen, die ihnen eine fremde Regierung aufzwingen wollten.

[] Brandbekämpfung, die

das Löschen oder Ersticken von gefährlichen Bränden

Dass die Feuerwehr ausgerechnet zum heutigen Datum international gefeiert wird, hat seinen Grund. Der 4. Mai gilt als Todestag des heiligen Florian von Lorch. Selbst im Funkverkehr findet der Name des spätantiken Märtyrers als Rufname der Feuerwehr Verwendung (z. B. „Florian 21/1 ruft Florian 40/1!“). Aber wie kam Florian zu seiner „Anstellung“? Wenn Heilige zu Schutzpatronen werden, hat dies meist mit ihrem Lebenswandel oder Tod zu tun. Bei Florian ist dies allerdings unklar. Überliefert ist nur eine Tätigkeit als hochrangiger römischer Beamter, der seines christlichen Bekenntnisses wegen wohl um 304 mit einem Mühlstein um den Hals ertränkt wurde. Gleichwohl ist er auf bildlichen Darstellungen häufig als Legionär mit einem Wasserkübel als „Feuerlöschgerät“ zu sehen.

[] Spam, der, das oder die

Gesamtheit der vom Empfänger weder erbetenen noch erwünschten E-Mails; einzelne E-Mail, die versandt wird, obwohl deren Erhalt vom Empfänger weder erbeten wurde noch erwünscht ist

Sie sind ein Fluch der modernen Informationsgesellschaft und vergällen den Blick ins E-Mail-Postfach: Spammails. Doch die erste dokumentierte Spammail nahm einen bescheidenen Anfang. Gary Thuerk, Mitarbeiter der Marketingabteilung einer Computerfirma, wollte nur ein neues Produkt seiner Firma bewerben und schickte daher am 3.5.1978 eine E-Mail an gerade einmal 600 Adressaten (die damals jedoch rund ein Viertel aller Internet- bzw. Arpanetuser ausmachten). Da er allerdings seine eigene E-Mail-Adresse als Absender angegeben hatte, traf ihn der Sturm der Entrüstung postwendend. Doch die Aktion brachte ihm nicht nur Ärger: Nach eigenen Angaben führte sie zu einem Umsatzplus von ca. 12 Millionen Dollar.

[] Überfischung, die

übermäßige Verminderung des Fischbestandes von Gewässern durch extensiven Fischfang mit der Folge, dass nicht ausreichend Fisch nachwachsen kann

Die Bezeichnung „Thunfisch“ ist eine Entlehnung aus dem gleichbedeutenden lat. t(h)unnus, thynnus, das wiederum auf das altgriechische thýnnos (θύννος) zurückgeht; thýnō (θύνω) bedeutet „ich eile“ oder „ich rase“. Aufgrund ihrer Größe und ihrer Geschwindigkeit haben Thunfische nur wenige Fressfeinde. Nichts davon aber hilft gegen die Schleppnetze der Fischer, denn der Fisch ist, da fettreich und schmackhaft, ein bei den Menschen begehrtes Nahrungsmittel. So könnte diese Fischart bald auch ein Opfer der Überfischung werden. Vor dieser Gefahr möchte der 2017 ins Leben gerufene „Welttag des Thunfischs“ am 2. Mai warnen und die Weltgemeinschaft zu einer nachhaltigeren Form des Fischfangs auffordern. Sonst ist „der Schnelle“ unter den Fischen bald verschwunden.

[] prokrastinieren, Verb

etw. (als unangenehm Empfundenes) aufschieben, hinausschieben, sich mit etw. Zeit lassen

Text folgt …

[] Findelkind, das

in hilfloser Lage aufgefundenes, meist ausgesetztes Kind

Ein Findelkind, der verlorene Erbprinz von Baden oder schlicht ein Betrüger – um das Phänomen Kaspar Hauser ranken sich bis heute Gerüchte und Verschwörungstheorien. Auf die Bildfläche trat er 1828 in Nürnberg als etwa 16-jähriger (laut einem Brief, den er bei sich trug, wurde er am 30.4.1812 geboren), verstörter und geistig scheinbar zurückgebliebener Junge. Trotz beschränktem Wortschatz konnte man ihm entlocken, dass er zeit seines Lebens in einem dunklen Raum bei Wasser und Brot gefangen gehalten worden sei. Seine Herkunft blieb jedoch ungeklärt und seine Grabinschrift resümiert treffend: „Hier liegt Kaspar Hauser, Rätsel seiner Zeit, unbekannt die Herkunft, geheimnisvoll der Tod 1833.“

[] aus der Reihe tanzen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: sich nicht an vereinbarte Regeln, Konventionen o. Ä. halten; die vorgegebene Ordnung, Reihenfolge o. Ä. nicht einhalten; auffallen

Wer ab und zu mal einen Rappel kriegt, in seiner Bude die Musik aufdreht und wild umhertanzt, hat dabei (fast) alle Freiheiten. Bei den meisten offiziellen Tanzformen wie Bühnen-, Schau- und Gesellschaftstanz müssen jedoch bestimmte Regeln eingehalten werden: Sich im Takt zu bewegen, an Schrittfolgen zu halten und möglichst den anderen nicht auf die Füße zu treten gehört dazu. Und beim mittelalterlichen „Reihen“, später auch „Reigen“ genannt, hätte ein Verlassen des Kreises oder der Kette die Tanzunternehmung der Gruppe wohl erheblich gestört. Wer heutzutage im übertragenen Sinne aus der Reihe tanzt, fällt ebenfalls durch unkonventionelles oder regelwidriges Verhalten auf – aber tatsächlich nicht immer negativ.

[] Fisimatenten, nur im Plural

umgangssprachlich, abwertend: von jmdm. ausgehende unnötige, störende, behindernde Schwierigkeiten oder Umständlichkeiten; törichter Unfug

Wenn man zum ersten Mal im Leben von jemandem hört, man solle keine „Fisimatenten“ machen, dann ist das zwar überhaupt nicht freundlich – das exotische, faszinierende Wort aber dürfte sich ins Gedächtnis einprägen und die Frage nach der Herkunft aufkommen lassen. Hartnäckigst hält sich die urbane Legende, der Ausdruck sei eine Verballhornung von „visitez ma tente“ (besuchen Sie mein Zelt), womit napoleonische Besatzungssoldaten in Berlin und anderswo Damen angesprochen hätten. Tatsächlich ist der Ausdruck mehr als 200 Jahre älter und wahrscheinlich eine spöttische Verwendung von „*visae patentes (litterae)“ (ordnungsgemäß geprüfte Patente).

[] Revolution, die

die bestehende politische und soziale Ordnung grundlegend verändernder, oft gewaltsamer Umsturz oder Umwälzungsprozess

Anders als in der Geschichte von David und Goliath muss sich im echten Leben auch die sympathischste Streitmacht meist einem Gegner geschlagen geben, wenn dieser überlegen ist. So geschah dies auch am 27.04.1848, als die aus Frankreich kommende „Deutsche Demokratische Legion“ im Gefecht bei Dossenbach in Südbaden württembergischen Truppen unterlag. Innerhalb einer Woche waren so alle drei motivierten, aber schlecht ausgerüsteten und unerfahrenen Züge der Republikaner von der Reaktion besiegt worden und die erste Phase der Badischen Revolution zu Ende. Im Mai 1849 sollte sie endgültig scheitern.

[] Super-GAU, der

umgangssprachlich: nicht mehr beherrschbarer Störfall in einem Kernkraftwerk, der zur Kontamination der Umwelt führt

Als russische Invasionstruppen am 24. Februar das Gelände des ehemaligen Kernkraftwerks bei Čornobyl' (Tschernobyl) besetzten, kamen bei vielen Erinnerungen an ein einschneidendes Ereignis der 1980er hoch: In der Nacht vom 26. April 1986 ereignete sich bei einer grundlegende Sicherheitsbestimmungen verletzenden Simulation eines Stromausfalls eine Kernschmelze mit Explosion, die hochradioaktives Material in die Atmosphäre brachte, mit Auswirkungen bis nach Westeuropa. Obwohl die Kernkraftwerke in Deutschland schon rein baulich in keinem „größten anzunehmenden Unfall“ dieser Art enden können, führte die Katastrophe letztlich zum deutschen Ausstieg aus der Kernenergie.

[] watscheln, Verb

umgangssprachlich: sich mit nachgezogenen, plumpen Füßen schwerfällig und nach der Seite schwankend fortbewegen

Adrett gekleidet, doch ein tollpatschiger Gang: Am heutigen Weltpinguintag soll darauf aufmerksam gemacht werden, wie der Klimawandel und die Vermüllung der Meere den Lebensraum der watschelnden Frackträger zunehmend gefährdet. Das Datum des Aktionstags geht vermeintlich darauf zurück, dass Forscher der McMurdo-Station in der Antarktis jedes Jahr auf den Tag genau am 25. April beobachten konnten, wie Adéliepinguine auf ihrer Insel an Land gingen. Sie passierten die Forschungsstation auf dem Weg von ihren Brutstätten auf dem antarktischen Festland ins nördlich gelegene Packeis, wo sie dank der besseren Jagdmöglichkeiten die Wintermonate verbrachten.

[] Versuchskaninchen, das

umgangssprachlich, abwertend: jmd., mit dem man etw. erprobt

Der Tierversuch ist nach wie vor eine Standardmethode in der Erforschung von Arzneimitteln und Chemikalien. An das damit verbundene Tierleid erinnert der heutige Internationale Tag des Versuchstiers. Im Jahr 2020 sind bundesweit rund 1,9 Mio. Tiere für Versuche verwendet und davon ein Drittel getötet worden. Besonders oft herhalten müssen kleine Nager: 2020 sind 70,6 Prozent der Versuchstiere Mäuse gewesen, 3,7 Prozent Kaninchen. Warum es dann ausgerechnet das Versuchskaninchen und nicht die Versuchsmaus oder -ratte als Metapher in den deutschen Wortschatz geschafft hat (erste Belege finden sich schon vor 1900), darüber können wir nur spekulieren. Vielleicht kann man sich mit dem flauschigen Kaninchen besser identifizieren?

[] aufmüpfig, Adj.

umgangssprachlich, leicht scherzhaft: mit Trotz, Widerspruch oder Widerstand reagierend, gegen etw. aufbegehrend

Während die Abspaltung der Südstaaten 1861 einen blutigen Bürgerkrieg auslöste, sorgte eine Sezession in Florida vor genau 40 Jahren für positive Gefühle und Folgen: Im sich hinziehenden Streit um eine den Tourismus behindernde Polizei-Kontrollstelle erklärte sich die Inselkette Key West am 23.04.1982 als „Conch Republic“ für unabhängig, erklärte den USA den Krieg und kapitulierte umgehend mit der Bitte um eine Milliarde Dollar Wiederaufbauhilfe. Der PR-Stunt war erfolgreich, die Kontrollstelle wurde aufgegeben. Als augenzwinkernde Folklore existiert die „Fechterschneckenrepublik“ übrigens bis heute.

[] der blaue Planet, Mehrwortausdruck

der Planet Erde

„Ich sehe die Erde! Ich sehe die Wolken, es ist bewundernswert, was für eine Schönheit!“ So schwärmte Kosmonaut Juri Gagarin, der als erster Mensch die Erde vom All aus betrachten durfte. Und seitdem das von Apollo 17 aufgenommene Foto die Erdkugel sogar in Vollansicht zeigt, weiß jeder: Unser Planet strahlt in tiefem Blau. Verantwortlich dafür ist das Wasser der Ozeane und die Atmosphäre, aus denen das gebrochene und gestreute Sonnenlicht bläulich zurückstrahlt. Geahnt hatte dies schon der französische Dichter Paul Éluard, der 1929 als poetisch surrealistisches Vexierspiel dichtete: „la terre est bleue comme une orange“ – Die Erde ist blau wie eine Orange.

[] Spielkonsole, die

elektronisches Gerät für Computerspiele, das mobil benutzt oder an den Fernseher angeschlossen wird

Kennen Sie das: Töne, Düfte, Fotos, aber auch alte Spielsachen, die Erinnerungen an „die gute alte Zeit“ wecken? Für einige Menschen dürfte der Gameboy, der heute vor 33 Jahren erstmals verkauft wurde, solche Anflüge der Nostalgie auslösen. Seither hat es viele weitere Generationen des Gameboys und anderer tragbarer Konsolen gegeben: kleiner, leichter, bunter, fortschrittlicher. Doch an dem klobigen Ur-Gameboy von 1989 mit dem grünlichen Display hängen die Herzen. Manche Eltern dürften die in Dauerschleife gespielten 8-Bit-Sounds halb in den Wahnsinn getrieben haben, während ihre Kinder sich stundenlang am selben Level von „Super Mario Land“ versuchten. Was für eine schöne Zeit das doch damals war!

[] Chinesisch, das

jede der in China beheimateten sinitischen Sprachen der sinotibetischen Sprachfamilie, besonders das auf dem Mandarin basierende Hochchinesisch; Standardchinesisch

Um kulturelle Diversität und Mehrsprachigkeit in den Fokus zu rücken, riefen die Vereinten Nationen 2010 für jede ihrer sechs Amtssprachen einen Weltsprachentag ins Leben, so auch den heutigen internationalen Tag der chinesischen Sprache. Und das Chinesische hat auch im Deutschen Spuren hinterlassen. Neben Kulturimporten wie Kungfu, Tai-Chi, Qigong und Feng Shui wurde unser Wortschatz vor allem kulinarisch bereichert: Tofu, Dim Sum, Litschi und Tee entstammen alle dem Hochchinesischen oder einer der anderen chinesischen Sprachen. Umgekehrt haben im 20. Jhd. vorwiegend deutsche Begriffe aus Wissenschaft, Technik und Medizin Einzug in das (Hoch-)Chinesische gefunden.

[] Schnaufer, der

tiefer, kräftiger und deutlich hörbarer Atemzug

Wenig weiß man von John J. McDermott, aber eines ist sicher: Er gewann am 19. April 1897, heute vor 125 Jahren, den ersten Boston-Marathon. Dieser Marathon ist das älteste nichtolympische Event seiner Art. Den letzten Schnaufer auf dieser Strecke machte McDermott nach 2 Stunden und 55 Minuten, mit Blut und Blasen an den Füßen, wie die Chronik zu berichten weiß. Wann McDermott den letzten Schnaufer in seinem Leben tat, ist wie vieles andere über ihn nicht bekannt. Nur eines ist mit Sicherheit überliefert: Es war tatsächlich eine Lungenkrankheit, die ihn zu diesem allerletzten Atemzug zwang.

[] Waschsalon, der

Laden mit Waschmaschinen und elektrischen Wäschetrocknern, die Kunden gegen Bezahlung benutzen können, um ihre Wäsche selbst zu waschen und zu trocknen

Heute vor 88 Jahren ist angeblich im texanischen Fort Worth (oder in Chicago) der erste Waschsalon eröffnet worden – ein Segen für die Leute, die bis dahin viel Zeit und Kraft darauf verwendet hatten, ihre Wäsche von Hand zu waschen. Eine eigene Waschmaschine konnte sich damals kaum jemand leisten. Und da das öffentliche Waschen eine gewisse Zeit in Anspruch nahm, wurde der Waschsalon auch zu einem Ort der Begegnung, des Austauschs und des Innehaltens. Einige Betreiber banden die Wartezeiten geschickt in ihre Geschäftskonzepte ein. So können Sie auch heute noch in manchen Salons einen Kaffee trinken, an der Bar sitzen oder sogar eine Kunstausstellung bewundern, während Sie auf Ihre maschinenreine XXL-Kuscheldecke warten.

[] nicht alle Eier in einen Korb legen, Mehrwortausdruck

Vermögen in mehrere Geldanlagen investieren, breiter streuen (um so Risiken zu minimieren)

Manche Katastrophen sind vorhersehbar. Wo immer in einer Wilhelm-Busch-Bildergeschichte ein Korb voller Eier herumsteht, kann sich der Leser „ausmalen“ was folgt: eine große Sauerei mit jeder Menge Rührei. Was seit über hundert Jahren für Lacher sorgt, gilt bei Börsianern als metaphorisches Beispiel für einen Totalverlust, meist gefolgt von der Mahnung, seine Investments doch besser zu diversifizieren, also seine „Eier“ niemals nur in einen Korb zu legen. Vielleicht lässt sich dies ja auch auf die familiäre Ostereiersuche umwidmen: Verteilt auf viele Verstecke, haben die Sprösslinge mehr Spaß an der Suche nach Schokohase & Co. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen ein frohes Osterfest.

[] Ostersamstag, der

Religion: Samstag nach Ostern

Vielleicht werden Sie unserer Definition widersprechen: Ostersamstag (bzw. -sonnabend) ist doch heute, der Tag zwischen Karfreitag und Ostersonntag! Umgangssprachlich heißt es zwar tatsächlich so, aber aus Sicht der Kirche, die eine komplexe, ausführliche Einteilung für die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten hat, ist heute der Karsamstag, und der Ostersamstag eben erst in einer Woche, als erster Samstag nach dem Hochfest, vor dem Weißen Sonntag als erstem Oktavtag. Besonders bei Verabredungen mit theologisch bewanderten Menschen ist es daher angeraten, beim „Ostersamstag“ nochmal das kalendarische Datum hinzuzusetzen.

[] auf dem falschen Dampfer sein, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: sich irren, auf einem Irrweg befinden; einer Fehleinschätzung unterliegen

Auf dem sprichwörtlichen falschen Dampfer sitzen wir alle von Zeit zu Zeit. Die kleinen alltäglichen Irrtümer und Fehleinschätzungen gehören zum Leben dazu. Eine der großen und auf tragische Art berühmtesten Fehleinschätzungen der neueren Geschichte hängt mit dem heutigen Jahrestag zusammen. Heute vor 110 Jahren versank der Luxusdampfer „Titanic“ nach dem nächtlichen Zusammenprall mit einem Eisberg im Atlantik. Er riss etwa 1500 Menschen in den Tod, nur rund 700 konnten gerettet werden. Zuvor wurde die Titanic von der Öffentlichkeit noch als unsinkbares Schiff gefeiert und verklärt. Dass sich diese Annahme als Irrtum herausstellte, erschütterte das Vertrauen in den technischen Fortschritt nachhaltig.

[] Maultasche, die

Kochkunst: den italienischen Ravioli ähnelnde, aber deutlich größere Nudelteigtasche, die mit gehacktem Fleisch, Kräutern, Gemüse und anderen Zutaten gefüllt wird und als Suppeneinlage oder mit Beilagen wie Salat, Kartoffelsalat o. Ä. gegessen wird; regionale Spezialität in Schwaben

Obwohl in der Karwoche kein Fleisch gegessen werden durfte, wollte ein Mönch des Maulbronner Klosters vor über 500 Jahren nicht darauf verzichten. Daher versteckte er es vor den Augen Gottes kleingehackt und mit anderen Zutaten vermengt in einer Hülle aus Nudelteig. Er wollte den Herrgott also, salopp ausgedrückt, bescheißen. Ob diese Erzählung über die Entstehung der Maultasche der Wahrheit entspricht, ist nicht geklärt. Dennoch kommen an Gründonnerstag bei vielen Schwaben traditionell die im Schwäbischen auch als „Herrgottsbscheißerle“ bekannten Teigtaschen auf den Tisch – vorzugsweise selbstgemacht.

[] Verstoß, der

Übertretung, Verletzung eines Gesetzes, einer Vorschrift, Bestimmung oder Regel, Vergehen, Fehler

Verstöße gegen Grammatik werden meist mit Hohn und Spott geahndet, manchmal aber auch geadelt, so 1844: Nachdem ein in seiner Ehre gekränkter Bürgermeister geglaubt hatte, König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen ermorden zu müssen (er schoss aber daneben), dichtete ein kreativer Flugblattschreiber: „Der verruchte Uebelthäter, Hochverräther, Attentäter“. Er wendete dabei die Wortbildungsregel für das einheimische Substantiv „Tat“ (wird zu „Täter“) schlitzohrig auf das nach französischem Vorbild gebildete Fremdwort „Attentat“ an. Im Französischen existiert das Wort „l'attentat“ weiterhin, den „Attentäter“ dagegen gibt es nur im Deutschen.

[] Kernwaffenverzicht, der

freiwillige Abschaffung, Reduktion oder Nicht-Anschaffung nuklearer Sprengkörper

Nicht erst seit Hiroshima und Nagasaki hatte wissenschaftlicher Fortschritt sehr reale soziale und politische Auswirkungen. Als Bundeskanzler Konrad Adenauer daher am 5.4.1957 verkündete, die Bundeswehr nuklear bewaffnen zu wollen, regte sich erstmals öffentlicher Protest von Seiten der Wissenschaft. Die Göttinger Achtzehn – eine Gruppe der führenden Atomphysiker des Landes – stellten sich in der am 12.4.1957 veröffentlichten Göttinger Erklärung vehement gegen die nukleare Politik der BRD. Politisch hatten sie damit zunächst keinen Erfolg, doch das hervorgerufene Medienecho führte letztlich zur Gründung der Anti-Atom- und Friedensbewegung.

[] tote Hose, Mehrwortausdruck

langweilige Person, Langweiler, Versager

Der Punk ist in die Jahre gekommen und manch einer der Protagonisten zu Ruhm und Reichtum. Das passt so gar nicht zu einer Richtung, die Lustlosigkeit, „null Bock“ und Versagen als Lebenshaltung zu kultivieren wusste. Eine der frühen, prägenden Gestalten der deutschen Punk-Szene war Campino, Frontmann und Sänger der Gruppe „Die Toten Hosen“ aus Düsseldorf. Die Band gab heute vor vierzig Jahren im Bremer „Schlachthof“ ihr Debüt-Konzert, damals irrtümlich als „Die Toten Hasen“ angekündigt (steckte Joseph Beuys hinter diesem Fehler?). Schon 2001 reichte die eingespielte Kohle, um in einer aufsehenerregenden Aktion den lokalen Fußballverein Fortuna Düsseldorf vor der Insolvenz zu retten.

[] Sicherheitsnadel, die

gebogene Nadel mit einem die Spitze verdeckenden Verschluss, mit der man etw. feststecken, zusammenstecken kann

Niemand erfüllt das Klischee des mittellosen Erfinders besser als der Amerikaner Walter Hunt. Trotz unzähliger Patente konnte er nie Kapital aus seinen Erfindungen schlagen. Ein Erfinder mit Leib und Seele eben und kein Geschäftsmann. So wurde auch seine berühmteste Erfindung, die am 10.4.1849 patentierte Sicherheitsnadel, eher aus einer finanziellen Not heraus geboren. Da er einem Musterzeichner, den er für frühere Patente engagiert hatte, noch 15 Dollar schuldete, verkaufte er die Rechte an der Sicherheitsnadel prompt nach ihrer Patentierung an dessen Firma – für 400 Dollar. Kein kluger Schachzug, denn die Sicherheitsnadel erwirtschaftete dem Unternehmen Gewinne in Millionenhöhe.

[] pikiert, part. Adj.

gekränkt, leicht beleidigt

Aus alt mach neu – Recycling beschränkt sich nicht auf die Welt der Dinge, auch Wörter können bisweilen neu belebt werden. Unabhängig davon, ob Sie sich „pikiert“ fühlen, einen „Piks“ bekommen oder im Skat mit „Pik“ stechen: alle diese ‚spitzigen‘ Begriffe gehen zurück auf „Pike“ (Spieß) bzw. „pikieren“ (stechen), die wiederum aus französisch „piquer“ oder „pique“ übernommen wurden. (Weiteres hier.) Da die Pike als Kriegswaffe im 18. Jh. außer Gebrauch kam, wurde das Wort frei für zivilere Lesarten. Die Entlehnung aus dem Französischen hatte jedoch Folgen. Während der „Pieps“ orthografisch folgerichtig mit „ie“ geschrieben wird, muss der kleine „Piks“ (so auch „piken“) bis heute ohne auskommen.

[] Romani, das

Sprachwissenschaft: Sprache der Roma, die zur indoarischen Unterfamilie des Indogermanischen gehört und in unterschiedlichen Dialekten vorkommt

Heute ist der internationale Tag der Roma, von deren Namen sich die Sammelbezeichnung „Romani“ für die von bis zu sechs Millionen Menschen gesprochenen Varietäten dieser größten ethnischen Minderheit Europas ableitet. Die Sprache hat aber nichts mit dem Rumänischen zu tun, sondern basiert vielmehr auf indoarischen Dialekten, die mit ihren Sprechern vor vielen Jahrhunderten über Vorderasien nach Europa kamen. Wie eine Schatzkiste (für Linguisten) hat die Sprache dabei Lehnwörter aus dem Persischen, Armenischen, Mittelgriechischen und vielen anderen Kontaktsprachen aufgesammelt, aber auch andere Sprachen bereichert, Deutsch z. B. um „Zaster“ und „Kaff“.

[] Biber, der

in Europa und Nordamerika heimische Gattung relativ großer Nagetiere mit braunem Fell, kräftigen Zähnen und plattem Schwanz, die am und im Wasser (in Biberburgen) lebt und sich pflanzlich ernährt

Heute ist der internationale Tag des Bibers. Mit dem Datum wird nicht nur das größte Nagetier Nordamerikas und Europas, sondern gerade auch die am 07.04.1894 geborene US-amerikanische Forscherin Dorothy Richards geehrt, die sich für den Schutz der Biber eingesetzt hat. Denn durch Jagd waren die Bestände einst extrem zurückgegangen. Begehrt waren besonders das Fell, das sog. Bibergeil und nicht zuletzt das Fleisch, das Katholiken auch freitags essen durften. Heute ist der fleißige Dammbauer in Europa geschützt und wieder häufiger anzutreffen, nicht immer zur Freude der Land- und Forstwirte. Man wird sich arrangieren.

[] Ballgefühl, das

Ballsport: Fähigkeit eines Spielers, mittels gut koordinierter Körperbewegungen den Ball beim Spielen kontrollieren zu können

Tischtennis ist nicht nur ein faszinierender Sport, sondern auch ein bewährtes Mittel zur Deeskalation diplomatischer Spannungen. Ein kleiner Blick in die Geschichte: Die Annäherung Chinas an die USA verlief in den 1950er- und 60er-Jahren eher schleppend. Doch dann freundeten sich 1971 während der Tischtennisweltmeisterschaft in Nagoya der Amerikaner Glenn Cowan und der Chinese Zhuang Zedong an. Was mit einer Einladung der amerikanischen Spieler zu Freundschaftsspielen nach China begann, kulminierte im Treffen hochrangiger Politiker, die die Lage entschärfen konnten. Diese als Ping-Pong-Diplomatie in die Geschichte eingegangenen Ereignisse nahm die „International Table Tennis Federation“ 2015 zum Anlass, den heute begangenen Welttischtennistag ins Leben zu rufen.

[] Skulptur, die

körperhaftes, dreidimensionales Bildwerk, das durch Meißeln, Schnitzen, Hauen aus Materialien wie Holz, Marmor, Bronze o. Ä. geschaffen wurde

Heute vor 300 Jahren sichtete ein Matrose einer Flotte der Niederländischen Westindienkompanie Land. Da man gerade Ostern feierte, nannte man das neu entdeckte Eiland folgerichtig „Osterinsel“ – und kam aus dem Staunen nicht heraus, wie der mitreisende Carl Friedrich Behrens in seinem Bericht (1735) beschrieb. Riesige Steinskulpturen zierten die eher karge Insel: „Diese Götzen-Bilder waren alle aus Steinen gehauen, und der Form nach, wie ein Mensch, mit langen Ohren (...) doch alles nach der Kunst gemacht, worüber wir uns nicht wenig verwunderten.“ Bis heute ist diese Bewunderung für die polynesischen Siedler, denen es gelang, dem Fels die tonnenschweren Kunstwerke abzutrotzen, geblieben.

[] Nato, die

militärisch-politisches Bündnis von europäischen und nordamerikanischen Staaten mit dem Ziel der Gewährleistung der eigenen Sicherheit und weltweiter politischer Stabilität

An kaum einer Organisation dürften sich die Geister so scheiden wie am Verteidigungsbündnis North Atlantic Treaty Organization (NATO). Im Kalten Krieg, dessen erste Krisen Anlass für die Gründung waren, galt sie den einen als Garant für Sicherheit vor dem Ostblock, den anderen als imperialistische Bedrohung. Nach 1990 wird sie von den einen als überholt und aggressiv angesehen, von den anderen als wichtiges Element der weltweiten Sicherheitsarchitektur. Am 4. April 1949 wurde der Nordatlantikpakt zur gegenseitigen militärischen Unterstützung von den USA, Kanada und 10 Ländern Westeuropas unterschrieben, heute zählt er 30 Mitglieder.

[] Arschkarte, die

Sport: rote Karte für den Platzverweis in Mannschaftssportarten, besonders im Fußball

Auch in der Fußball-Bundesliga war die Phase der ungesühnten Revanchefouls, der Beleidigungen, der Blutgrätschen und des Trikotziehens abrupt zu Ende, als der Bochumer Schiedsrichter Wilfried Hilker am 3. April 1971 zum ersten Mal in die Gesäßtasche griff und die rote Karte zückte. Die wurde vorher schon international und in unteren Ligen eingesetzt. Es ist eine hübsche, aber nicht sicher belegbare Geschichte, dass auch die Bezeichnung „Arschkarte“ sich ursprünglich auf die Gesäßtasche des Schiedsrichters bezog. Belegbare und verlässliche Informationen zum Wortschatz des Fußballs bieten wir Ihnen übrigens mit unserem Fußballglossar.

[] Prinzessin auf der Erbse, Mehrwortausdruck

abwertend, gelegentlich scherzhaft: (meist weibliche) übermäßig empfindliche, sensible Person

Es ist heutzutage kein Kompliment, wenn einen jemand als Prinzessin auf der Erbse bezeichnet. Eher bedeutet es: Du bist ja eine Mimose! Sei nicht so empfindlich! Der Ausdruck stammt aus dem gleichnamigen Märchen von Hans Christian Andersen, der heute vor 217 Jahren geboren wurde. Im Märchen sucht der heiratswillige Prinz nach seiner Traumfrau – „eine wirkliche Prinzessin“ soll es sein. Schließlich findet und erkennt er sie, und zwar daran, dass sie eine winzige Erbse durch 20 Matratzen und 20 Federbetten hindurch erspüren kann. Ihre große Empfindsamkeit macht sie zur wirklichen Prinzessin. Vielleicht kennen Sie ja auch eine Prinzessin auf der Erbse mit so einer ungewöhnlichen Fähigkeit …

[] Spaßbremse, die

abwertend, scherzhaft: Person oder Institution, die durch Verweis auf problematische Aspekte, Humorlosigkeit oder übertriebenen Ernst anderen die Freude an einer Sache schmälert

Der Bierschnegel ist wieder da! Die gebietsweise als ausgestorben geltende Nacktschneckenart wurde (schon im April 2017) in einer Hamburger Brauerei wiederentdeckt: Das hopfensaftliebende Weichtier hält sich mit Vorliebe in feuchten Wirtshauskellern auf, ist dort wegen zunehmender Hygiene aber immer seltener anzutreffen. April, April? Tja, leider müssen wir Sie enttäuschen: Den bierseligen Bierschnegel (Limacus flavus) gibt es tatsächlich. Ja, ernsthaft! Angesichts grassierender Falschnachrichten haben wir uns entschlossen, am 1. April mal auf die Scherzbremse zu treten. Schließlich kann man auch ohne Fake News Spaß haben.

[] Backup, das oder der

das Schützen von elektronisch gespeicherten Daten durch Kopieren zur Vorbeugung vor eventuellem Verlust

Wenn der stets zu Scherzen aufgelegte Kollege am 1. April aus einem Txt ll Vkl lscht oder wenn eine Schadsoftware ganze Festplatten verschlüsselt, dann ist man der Systemadministratorin dankbar, die rechtzeitig für eine Sicherungskopie gesorgt hat und die die Daten daraus wiederherstellen kann. Um das Bewusstsein für solche nicht seltenen Vorfälle und Missgeschicke zu stärken, hat der IT-Experte Ismail Jadun den „World Backup Day“ ins Leben gerufen. Dies soll keine Werbung sein für entsprechende Werkzeuge und Dienstleistungen, denn im Homeoffice sind vielleicht Sie selbst dafür verantwortlich, dass die Früchte ihrer Arbeit am Ende nicht verloren

[] Fluglärm, der

Lärm von Flugzeugen, Hubschraubern o. Ä. (besonders beim Starten und Landen)

Für einen erholsamen Schlaf in der Nacht und konzentriertes Arbeiten am Tag ist eins unerlässlich: Ruhe. Davon können insbesondere die ein Lied singen, die im Einzugsbereich eines Flughafens leben. Mit dem aufkommenden zivilen Luftverkehr seit Ende der 1950er-Jahre und der Ausdehnung der Städte in Richtung der Flughäfen sahen sich daher mehr und mehr Leute einer erhöhten Lärmbelästigung ausgesetzt. Justitia reagierte darauf mit dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm. Das am 30. März 1971 verabschiedete und 2007 novellierte Gesetz definiert verschiedene, mit verschiedenen (Bau-)Verboten und Auflagen versehene, Lärmschutzbereiche.

[] poppig, Adj.

den Pop, die 1960er und 1970er Jahre betreffend; Stil- und Gestaltungselemente der Pop-Art und Popmusik aufweisend; bunt, auffallend, modern

Beflügelt vom Erfolg ihres englischsprachigen Popsongs „She's My Kind of Girl“ in Japan beschlossen Björn Ulvaeus und Benny Andersson, weiterhin auf Popmusik zu setzen. Heute vor 50 Jahren nahmen sie daher mit ihren damaligen Lebensgefährtinnen Agnetha Fältskog und Anni-Frid Lyngstad die Single „People Need Love“ auf, die sie als „Björn & Benny, Agnetha & Anni-Frid“ veröffentlichten. Es sollte jedoch noch zwei Jahre dauern, bis dem schwedischen Quartett 1974 mit „Waterloo“ der internationale Durchbruch gelang. Für die dann unter dem Namen ABBA bekannte Band begann damit eine der erfolgreichsten Karrieren der Musikgeschichte.

[] Propaganda, die

veraltend: systematische Verbreitung eigener politischer, philosophischer und anderer Lehren, Ideen und Meinungen mit dem Ziel der Beeinflussung des öffentlichen Bewusstseins

Leider wieder aktuell: Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer. Totalitäre Regime setzen Propaganda (ein Ausdruck, der ursprünglich keinen negativen Beigeschmack hatte) aber auch schon im Frieden ein, um sich zu legitimieren und die Gesellschaft nach ihrer Ideologie zu formen. Eines der bekanntesten Einzelbeispiele hierfür ist der inszenierte Dokumentarfilm „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl über den Reichsparteitag der NSDAP 1934, der am 28.03.1935 uraufgeführt wurde. Inhaltlich völlig indiskutabel, ist der künstlerische Wert des Werks nicht zu leugnen, so dass seine Einflüsse noch lange erkennbar waren.

[] Zugangsbeschränkung, die

Beschränkung der Erlaubnis, an einem Ausbildungsgang teilzunehmen, auf eine bestimmte Zahl ausgewählter Personen, meist durch Auswahl der Kandidaten mit den besten Noten

Geplant war er ausdrücklich als „zeitlich begrenzte Notmaßnahme“, doch er erweist sich als erstaunlich langlebig – der Numerus clausus: Am 27. März 1968 präsentierte die Westdeutsche Rektorenkonferenz einen Maßnahmenkatalog, der angesichts der wenigen Studienplätze die Zahl der Bewerber begrenzen sollte (deshalb auch lat. numerus clausus = ‚beschränkte Anzahl‘). Bei den Studenten stieß dies in der aufgeheizten Stimmung des Jahres 1968 auf wenig Gegenliebe. Im Grunde aber bedeutete der NC eine Vereinheitlichung, da bis dahin jede Fakultät ihre Plätze nach eigenen Kriterien vergeben hatte, was bundesweit einen wirren Flickenteppich an Regelungen zeitigte.

[] Indie, das oder der

Firma, die sich der massenhaften Kommerzialisierung widersetzt und unabhängig vom allgemeinen Zeitgeist unkonventionelle (künstlerische) Produkte für Personen mit einem besonderen Anspruch oder Geschmack vertreibt, besonders im Bereich Musik und Film

Seit 2013 wird in Deutschland, Österreich und der Schweiz am heutigen Tag der „Independent Book Day“ begangen. Die Initiative eines kleinen Hamburger Verlags zielt darauf, die Aufmerksamkeit für die Produkte kleiner Verlage zu wecken, die ansonsten in der Masse der prominenteren Publikationen untergehen würden. Vielleicht können wir den diesjährigen Gedenktag dazu nutzen, einen Blick in die Programme der 26 ukrainischen Verlage zu werfen, die auch in diesen schwierigen Zeiten ihrem Geschäft nachgehen, die Bevölkerung mit unabhängigen Informationen und schöner Literatur zu versorgen. Vielleicht finden Sie ja eine Gelegenheit, die Arbeit dieser Verlage zu unterstützen. Oder Sie erwerben das Buch einer ukrainischen Autorin, das in einem Kleinverlag hierzulande erscheint. Dann gewinnen beide.

[] US-Dollar, der

nationale Währung der USA

Dass der mächtige US-Dollar etymologisch seine Heimat im beschaulichen Erzgebirge hat, merkt man ihm heute nicht mehr an. Tatsächlich aber prägten die böhmischen Grafen Schlick 1519 in Joachimsthal eine Silbermünze, die im Wert dem rheinischen Goldgulden entsprach: den Joachimst(h)aler. Ohne es beabsichtigt zu haben, schufen sie mit dem bald nur noch T(h)aler genannten Zahlungsmittel eine neue Währungseinheit, die sich schnell zur Leitwährung im Deutschen Reich entwickelte. Selbst in den Niederlanden, in Dänemark oder England akzeptierte man den „daler“. Wobei im Englischen ab 1600 die Schreibung zu „Dollar“ mutierte. Ein Wort, mit dem die nordamerikanischen Siedler zunächst den spanischen Peso, später ihre eigene Währung bezeichneten.

[] Durchblick, der

freie Sicht zwischen zwei Gegenständen oder durch einen transparenten Gegenstand hindurch

Vor der Einführung der Windschutzscheibe blies den frühen Autofahrern der Wind (und alles, was dieser so mit sich führte) noch ungehindert um die Nase. Trotz der schützenden Wirkung waren aber nicht alle begeistert von dieser Neuerung. Denn die eigentlich durchsichtige Scheibe wurde durch Staub- und Schmutzablagerungen schnell „undurchsichtig“; der Durchblick bei Regen nahezu unmöglich. Diesen „Übelstand“ beseitigte Heinrich von Preußen, begeisterter Automobilist und Bruder von Kaiser Wilhelm II., mit Erfindergeist. Am 24.03.1908 wurde ihm das Patent für „Aus einem nach Art eines Freiträgers ausladenden Abstreichlineal bestehenden Scheibenreiniger für die vordere Schutzscheibe eines Kraftfahrzeugs“ bewilligt. Zu Deutsch: ein manuell betriebener Scheibenwischer.

[] Stein des Anstoßes, Mehrwortausdruck

Ursache eines Ärgernisses, des Missfallens; Anlass für (wiederkehrende) Diskussionen, Auseinandersetzungen o. Ä.

Bekanntermaßen sind es am Ende Kleinigkeiten, die ein Fass endgültig zum Überlaufen bringen. In diesem historischen Fall war gewissermaßen ein alter Hut Stein des Anstoßes: Karl III., seit 1759 König von Spanien, wollte sein Reich mit Hilfe eines Ministers modernisieren. Da viele dieser Ambitionen Steuererhöhungen zur Folge hatten, wuchs der Unmut. Dass der Minister dann auch noch den traditionellen „sombrero rodondo“ (den breitkrempigen Hut) und die „carpa larga“ (den langen Umhang) bei Strafe verbot, löste am 23. März 1766 den „Madrider Hutaufstand“ aus. 50.000 erboste Bürger verprügelten Polizisten, demolierten Paläste und jagten den verhassten Minister ins Exil.

[] Kopf und Kragen riskieren, Mehrwortausdruck

sein Leben, seine Existenz gefährden; ein hohes Risiko eingehen, etw. Gefährliches tun

Wer „Kopf und Kragen“ riskierte, setzte damals wie heute sein Leben, seine Existenz aufs Spiel. Dass der „Kragen“ dabei nicht für das Kleidungsstück steht, sondern für den Hals, kann man an verwandten Wendungen (z. B. „einer Gans den Kragen umdrehen“) erkennen. Allerdings handelt es sich nicht um eine Bedeutungsübertragung vom Kleidungsstück auf den Körperteil – es ist genau umgekehrt. Im Mittelhochdeutschen meinte man mit „krage“ vielmehr: Hals, Kehle, Schlund und Nacken. So wie es noch in einer frommen Leichenpredigt im 16. Jh. zu hören war: „Die beste Kost jag durch den Kragn/ Mit Bier und Wein stets fül dein Magn“, was natürlich abschreckend gemeint war.

[] Vers, der

metrisch, rhythmisch gestaltetes, oft gereimtes sprachliches Gebilde in gebundener Rede, das meist eine Zeile in einem Gedicht, einer Strophe, in einem Drama oder Epos bildet

Der Hexameter gilt als der Griechen trefflichstes Versmaß.
Ein Pentameter drauf trifft auch den guten Geschmack.
Doch ein Binnenreim darf auch mal sein,
Und ein Limerick ist immer schick:
Ein trauriger Elch aus Finnland,
den hielt es nicht länger im Inland.
Er zog in die Welt,
doch das ward ihm vergällt.
Jetzt hängt sein Geweih an ’ner Pinnwand.

Ob Sie den heutigen Welttag der Poesie in deren höchsten Höhen oder tiefsten Tiefen verbringen, wir wünschen Ihnen damit den ungebrochenen Spaß, den diese Form der Sprache uns allen seit Urzeiten bereitet!

[] besser ein Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach, Mehrwortausdruck

sprichwörtlich: es ist manchmal klüger, sich mit etwas Geringerem zufriedenzugeben, als schwer oder nicht Erreichbares zu erhoffen, anzustreben

Heute ist der Welttag des Sperlings, wie der Spatz auch genannt wird. Im oben zitierten Mehrwortausdruck ist der hellbraune Mini-Dinosaurier Stellvertreter für eine Sache, die zwar gering, aber besser als nichts (bzw. eine reine Wunschvorstellung) ist – bestimmt auch, weil er als genügsamer Kulturfolger fast überall in großen Mengen zu finden ist. Dieser Umstand hat ihm aber nicht nur Glück gebracht: die Sperlinge wurden zu Unrecht als Schädlinge verschrien, so dass ihnen sogar mehrfach der Krieg erklärt wurde – mit verhängnisvollen Folgen: Ohne die fleißigen Räuber kam es im Folgejahr stets zu Insektenplagen.

[] Gebärdensprache, die

aus körperlichen Zeichen, besonders Gestik und Mimik, bestehende menschliche Sprache mit definierter Grammatik und Lexik, die besonders von Schwerhörigen und Gehörlosen verwendet wird

Gehörlose hatten es früher noch schwerer – bis weit über die 1980er Jahre hinaus versuchte man sie mehr schlecht als recht an die lautsprachliche Mehrheitsgesellschaft anzupassen. Einen großen Schritt stellte das 2002 verabschiedete Behindertengeichstellungsgesetz dar, das die Deutsche Gebärdensprache (DGS) erstmals als eigenständige Sprache anerkannte. Als wesentlicher Teil der Gehörlosenkultur und -geschichte hat die Deutsche Gebärdensprache nicht nur eine identitätsstiftende Wirkung, sondern sorgt auch für eine gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft. Heute vor einem Jahr wurde der DGS eine besondere Ehre zuteil: Sie wurde in das Immaterielle UNESCO-Kulturerbe in Deutschland aufgenommen.

[] den Seinen gibts der Herr im Schlaf, Mehrwortausdruck

scherzhaft: es gibt Menschen, die Erfolg haben, ohne sich dafür anstrengen zu müssen

Ob von Pädagogen, die sich über schlummernde Schüler mokieren, oder Neidhammeln, die über vermeintlich faule Menschen lästern – wenige Bibelsprüche wurden so lustvoll zweckentfremdet wie der berühmte Vers aus Psalm 127. Doch seine tatsächliche Intention bleibt rätselhaft. Als eines der 15 sogenannten Aufstiegslieder steht der Psalm für die Hinwendung zu Gott, ohne dessen Beistand alle Mühen vergeblich sind. Doch ist tatsächlich gemeint, dass Gott im Schlaf alles schenkt? Ein Psalmenkenner übersetzte ganz anders: „Ganz gewiss gibt er seinen Geliebten guten Schlaf.“ Ein solcher sei unseren Lesern am heutigen Weltschlaftag herzlich gegönnt.

[] Kleeblatt, das

meist aus drei, selten aus vier Teilen bestehendes Blatt des Klees; beliebtes Motiv in der Heraldik und als Marken- oder Firmenzeichen

Er brachte das komplizierte Problem der Dreieinigkeit von Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist so elegant auf den Punkt wie kein Zweiter: der irische Missionar St. Patrick – so zumindest will es die Legende: Ein Druide machte sich einst auf einer Clanversammlung über die heilige Dreifaltigkeit lustig und zeichnete diese als dreiköpfiges Monster. Patrick präsentierte stattdessen ein Kleeblatt, gewann so den Disput und die Iren für das Christentum. Das Kleeblatt gilt seither nicht nur als inoffizielles Nationalsymbol Irlands, auch das englische „shamrock“ (= Kleeblatt) geht auf irisch „seamrog“ zurück und natürlich steht es heute am Sankt-Patricks-Tag im Mittelpunkt.

[] Breitensport, der

von Menschen aller Altersgruppen in der Freizeit zur Förderung der Gesundheit, der körperlichen Leistungsfähigkeit o. Ä. ausgeübte sportliche Betätigung

Sie führen Ihren Hund auf schmalem Waldweg aus. Von hinten nähert sich Ihnen jemand mit hartem Schritt und schnaufend wie eine Dampflokomotive. Kurz darauf zieht ein schwitzendes und Aerosol-sprühendes Wesen an Ihnen vorbei. Ärgern Sie sich nicht, sondern freuen Sie sich über dieses späte Produkt einer „Bewegung“ (im Sinn des Wortes), die der deutsche Sportbund am 16. März 1970 ins Leben rief. Es galt, der wirtschaftswunderlich verfetteten Bevölkerung der BRD die gesundheitsfördernde Wirkung des Breitensports wieder nahezubringen. Der Aktion wurde ein Motto gegeben, das aus heutiger Sicht vielleicht etwas infantil und anbiedernd wirken mag: Trimm Dich – durch Sport!

[] Pate, der

Oberhaupt einer im Stil einer Familie geführten Organisation, besonders einer Mafia-Organisation

Über die Mafia, den Inbegriff des organisierten Verbrechens, gibt es nicht nur zahlreiche, sondern auch zahlreiche richtig gute Filme. Primus inter Pares ist aber zweifelsohne ein Film, der heute vor fünfzig Jahren in den USA uraufgeführt wurde: „Der Pate“, gespickt mit Stars (wie Marlon Brando) oder solchen, die es werden sollten (wie Al Pacino), war ebenso ein kommerzieller wie künstlerischer Erfolg. Bis heute wird er in Hommagen und Parodien zitiert. Der auf dem Buch Mario Puzos beruhende Film Francis Ford Coppolas sah zwei Fortsetzungen (mit Vor- und späterer Geschichte) und prägte unsere Vorstellung von der Mafia wie kein zweiter.

[] Pi mal Daumen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, scherzhaft ungefähr, schätzungsweise; auf der Basis von Erfahrungs- oder näherungsweise ermittelten Zahlenwerten (grob geschätzt)

Nichts verspricht so viel Präzision, wie die bis dato 62,8 Billionen bekannten Nachkommastellen von Pi. Dem gegenüber steht in der Wendung „Pi mal Daumen“ eine denkbar ungenaue Größe. Aber ganz so unnütz ist der Daumen in Schätzfragen doch nicht, zumindest beim sogenannten Daumensprung: Bei dieser Faustregel zur Bestimmung der Distanz zu einem Objekt, peilt man ein Objekt zunächst mit einem Auge über den Daumen an. Man wechselt dann auf das andere Auge und der Daumen springt scheinbar nach rechts oder links. Aufgrund des Strahlensatzes und den Verhältnissen des menschlichen Körpers ergibt diese Distanz multipliziert mit 10 näherungsweise die Distanz zum Objekt.

[] Planetarium, das

System aus speziellen Projektoren, das den Sternenhimmel bzw. die Bewegung von Planeten, Sternen und anderen astronomischen Erscheinungen auf das Innere einer Kuppel projiziert

Sie zeigen uns die weiteste Ferne und vergegenwärtigen so, welch winziger Punkt im Kosmos die Erde ist: Planetarien. Am heutigen zweiten Märzsonntag werden sie weltweit mit einem internationalen Tag für ihre Forschungs- und Bildungsarbeit, die auch in den Zeiten computeranimierter Kosmos-Modelle weitergeht, geehrt. Doch es gibt heute noch ein weiteres astronomisches Ereignis zu feiern: Am 13.03.1781 wurde, völlig unerwartet, als erster nicht schon seit der Antike bekannter Planet Uranus entdeckt – von keinem Geringeren als Wilhelm Herschel, der ihn mit seinem selbst konstruierten Teleskop aufspürte.

[] Hyperlink, der

in der grafischen Darstellung auf einem Display oder einem Bildschirm meist optisch hervorgehobene, anklickbare Verknüpfung4 eines Textteiles oder grafischen Elementes mit einem anderen Text oder einer Mediendatei

Im Frühjahr 1945 publizierte der US-amerikanische Ingenieur Vannevar Bush in der Zeitschrift „Atlantic Monthly“ den Entwurf für eine universelle Wissensmaschine. Memex hieß dieser virtuelle Vorläufer des World Wide Web. Etwa 40 Jahre später griff der britische Physiker Tim Berners-Lee die Idee auf. Anders als Bush konnte er für die Realisierung seines Plans auf eine Schar miteinander vernetzter Rechner zurückgreifen. Die dort gespeicherten Dokumente sollten durch Hyperlinks leichter für die Forschung zugänglich gemacht werden. Am 12. März 1989 stellt er das Konzept an der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) in Genf vor. Heute ist die Wikipedia eine der reinsten Ausprägungen dieser Idee.

[] Kolumne, die

kurzer, stets von einem bestimmten Journalisten oder prominenten Autor verfasster und regelmäßig an einer bestimmten Stelle einer Zeitung oder Zeitschrift erscheinender Meinungsbeitrag

Kolumnen sind für viele Zeitungs- und Magazinleser ein wichtiger Grund, sich für dieses oder jenes Druckwerk (heutzutage natürlich auch in elektronischer Form) zu entscheiden, stehen sie doch für eine Kontinuität nicht nur in der Struktur der Ausgabe, sondern durch ihre namhaften Autoren auch in Thematik und Qualität. Als erster Zeitungskolumnist der Welt gilt der Brite John Hill, der ab dem 11. März 1751 für die „London Advertiser and Literary Gazette“ schrieb. Er war eigentlich Apotheker, aber auch tätig als Belletrist, bedeutender Botaniker und gar Mediziner, der als Erster den Zusammenhang von Tabakkonsum und Krebs beschrieb.

[] jmdm. Rede und Antwort stehen, Mehrwortausdruck

sich jmds. Fragen stellen und sie vollständig beantworten; die eigene Position, Meinung erläutern und verteidigen; Rechenschaft ablegen, sich rechtfertigen, verantworten

Ein altes Rechtssprichwort besagt: „Eines Mannes Rede sei keines Mannes Rede, man soll sie billig hören beede“ oder in vornehmem Juristenlatein: „audiatur et altera pars“ (auch der andere Teil soll gehört werden). Das Gericht als Ursprungsort dieser Wendungen verweist darauf, dass mit „Rede“ keine beliebige Äußerung gemeint war, sondern eben die Klage oder Anklage vor dem Kadi. Wohingegen man unter der „Antwort“ die Gegenrede oder Verteidigung verstand. Damit wird auch der ursprüngliche Sinn von „Rede und Antwort stehen“ durchsichtig. Heute wird die Wendung allgemein für „Rechenschaft ablegen“ verwendet, im Mittelalter bedeutete sie: „sich einem Prozess stellen“.

[] dritte Zähne, Mehrwortausdruck

meist herausnehmbare Zahnprothese

Bei einem Streifzug durch die Geschichte der Zahnheilkunde überkommt einen angesichts der schauerlichen Schicksale einiger Patienten unwillkürlich der Drang, sofort zu Zahnbürste und Zahnseide zu greifen. Lücken im Gebiss versuchte man wahlweise mit Zahnersatz aus Holz, Elfenbein, Knochen, Edelmetallen oder „freiwillig“ gespendeten Menschenzähnen zu füllen. Seit Ende des 18. Jh. läuteten Porzellangebisse einen Wandel in der Prothetik ein. In diese Phase fällt auch ein am 9. März 1822 in New York bewilligtes Patent zur verbesserten Konstruktion von Zahnersatz von Charles M. Graham. Ob dies das Leid der Zahnkranken mindern konnte, ist jedoch unklar, denn ein Brand im Patentamt vernichtete alle Dokumente außer einer Liste der in diesem Jahr bewilligten Patente.

[] per Anhalter, Mehrwortausdruck

als unentgeltlich in einem Personen- oder Lastkraftwagen mitgenommener Mitfahrer

Science-Fiction war lange meist in zwei Ausprägungen zu finden: Als von außen kommende Apokalypse wie in „Krieg der Welten“ oder als positiver Zukunftsentwurf wie in „Star Trek“. Was man auf BBC Radio 4 am 8. März 1978 aber zu hören bekam, war ganz anders: Mit der ersten Folge des Hörspiels „The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“ (dt. „Per Anhalter durch die Galaxis“) eröffnete der Autor Douglas Adams ein Universum voller Absurditäten und humorvoller Parodien auf allzu Menschliches, erzähltechnisch in einen fiktiven Reiseführer eingebettet. Die erfolgreiche Romanversion zeitigte mehrere Fortsetzungen.

[] Morgestraich, der

in der Schweizer, besonders der Basler Fasnacht: Karnevalsumzug am frühen Morgen mit lautstarker Trommelmusik durch meist nur von mitgeführten Laternen beleuchtete Straßen

Nach Aschermittwoch können Karnevalisten ihre Kostüme in der Regel für ein Jahr einmotten. Nicht so aber in einigen Ecken in der Schweiz, denn dort geht der Spaß erst am Montag darauf so richtig los. Vor allem die Basler Fasnacht wartet mit einem ganz besonderen Brauch auf: Um Punkt 4 Uhr morgens werden mit dem Morgestraich die „drey scheenschte Dääg“ (drei schönsten Tage) eingeleitet. In einer stockdunklen Stadt – dafür sorgen die Stadtwerke – setzen sich auf das Kommando „Morgestraich, vorwärts, marsch!“ die verschiedenen Fasnachtsgruppen in Bewegung. Das einzige Licht stammt dann von den riesigen, mit gesellschaftskritischen Sujets versehenen Laternen der „Cliquen“. Musikalisch untermalt wird das Spektakel von Piccoloflöten und Trommeln.

[] Tiefkühlpizza, die

vorgebackene und tiefgefrorene Pizza, die vom Käufer noch fertiggebacken werden muss

Fällt das Stichwort Tiefkühlkost, werden viele zunächst an Tiefkühlpizza denken. Ihren Anfang nahm die Technik des Schockgefrierens auf einer Forschungsreise des Biologen Clarence Birdseye nach Labrador. Dort wurde er Zeuge davon, wie der frisch gefangene Fisch der Einheimischen bei −45 °C sofort gefror und – im Gegensatz zu den ihm bekannten Konservierungsmethoden durch Kältetechnik – auch nach der Zubereitung noch frisch schmeckte. Birdseye erkannte, dass das A und O wohl das schnelle Gefrieren durch besonders tiefe Temperaturen sei. Er entwickelte daraufhin den Plattenfroster und bot am 6.3.1930 in ausgewählten Supermärkten in Springfield, Massachusetts erstmals seine Tiefkühlkost zum Verkauf an.

[] grüne Fee, Mehrwortausdruck

aus Wermut, Anis, Fenchel und weiteren Kräutern hergestelltes, stark alkoholisches Getränk (das meist mit Wasser verdünnt genossen wird)

In Paris galt es um 1860 als chic, sich zur grünen Stunde am frühen Abend im Café zu treffen und dort in Gemeinschaft, um einen Wasserspender herum sitzend, der grünen Fee, dem Absinth, zu huldigen. Noch heute, genauer: heute wieder, kann man, wenn man der Spur des Zuckerwassers in der grünen Flüssigkeit aufmerksam folgt, in Meditation geraten über die kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Verwerfungen, die diese ursprünglich in der Medizin verwendeten Droge seit ihrem Aufkommen im 18. Jahrhundert hervorgerufen hat. Lange Zeit moralisch verteufelt und verboten, darf die grüne Fee nun überall in der westlichen Welt wieder an den Tisch gebeten werden – in den USA seit genau 15 Jahren wieder: am 5. März 2007 wurde dort das Verbot des Absinth-Konsums aufgehoben.

[] Schulgrammatik, die

für den Schulunterricht verfasste, didaktisch vereinfachte Beschreibung der Strukturen und Elemente einer Sprache; didaktische Grammatik

Heute wird in den USA der „National Grammar Day“ begangen. Das Stichwort „Grammatik“ dürfte je nach Bildungsbiografie unterschiedliche Assoziationen wecken: Während die einen schaudernd auf Deklinationstabellen des Lateinischen oder den Dschungel des französischen Konjunktivs zurückblicken, denken besonders Linguisten an den Zauber eines ineinandergreifenden komplexen Regelwerks, durch das Wörter erst in eine Ordnung kommen. In solch hohen Sphären schwebten die Initiatoren des Feiertags nicht, der „Society for the Promotion of Good Grammar“ geht es nur darum, dass die Menschen „ordentlich“ im Sinne der Schulgrammatik sprechen.

[] Suffragette, die

historisch: Vertreterin der Bewegung für die Rechte, besonders das Stimmrecht der Frau, in England und Amerika zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Die sogenannte Suffragettenparade (nach engl. suffrage = Wahl-, Stimmrecht) vom 3. März 1913 war wenig spektakulär. Sie wurde dennoch gleichermaßen zum Skandal und historischen Wendepunkt: Denn die 8000 Frauen, die mit Fahnen und Transparenten auf den Straßen Washingtons demonstrierten, wurden von einem gewalttätigen Mob angegriffen. Die Polizei sah tatenlos zu. Der Mehrheit allerdings wurde mit diesem Ereignis klar, dass die Zeit überreif war. Schon seit Mitte des 19. Jh. hatten sich Frauenverbände für die Gleichberechtigung engagiert. Erfolg hatten sie erst 1920, als der 19. Verfassungszusatz endgültig festlegte, dass niemandem wegen seines Geschlechts das Wahlrecht verweigert werden darf.

[] Kletterturm, der

schmale, hohe Anlage, an der das sportliche Klettern geübt werden kann

Das Publikum, das die Testvorführung von „King Kong“ zu sehen bekam, war so geschockt, dass einige der „echt“ wirkenden Stop-Motion-Animationen herausgeschnitten wurden. Bis heute gilt der Film auch wegen seiner genial in Szene gesetzten Miniaturmodelle als Meilenstein der Tricktechnik. An den Kinokassen spielte die Mutter aller Trashfilme nach seiner Premiere am 2. März 1933 Rekordsummen ein. Im kollektiven Gedächtnis blieb der Film aber auch, weil Kong für den Showdown das Empire State Building als Kletterturm „missbrauchte“ und der Blockbuster mit einer knackigen Schlusssentenz abschloss: „No, it wasn't the airplanes. It was beauty killed the beast“.

[] Nationalpark, der

meist ausgedehntes, staatlich ausgewiesenes und verwaltetes Schutzgebiet, das umfangreiche Naturräume mitsamt den vorkommenden Arten und Ökosystemen langfristig schützen (sowie für Zwecke der Forschung, Bildung, Besichtigung zur Verfügung stehen) soll

Europa hatte Burgen und Schlösser, die von seiner reichhaltigen Geschichte zeugten. Die noch jungen Vereinigten Staaten hatten nichts dergleichen. Dies änderte sich, als Präsident Ulysses S. Grant Wind von einer Expedition bekam, die Ferdinand Vandeveer Hayden, begleitet von 34 anderen Abenteurern, durch ein schwer zugängliches Gebiet der Rocky Mountains rund um den Fluss Yellowstone unternahm. Schwer beeindruckt von den Tagebucheinträgen, Fotos, Bildern und Karten, die Hayden mitbrachte, erließ der Präsident ein Gesetz, das das Yellowstone-Gebiet vor der zunehmenden Ausbeutung der Natur im Zuge der Industrialisierung schützen sollte. Die Unterzeichnung des Gesetzes am 1. März 1872 macht den Yellowstone-Nationalpark zum ältesten Nationalpark der Welt.

[] Nationalepos, das

(Helden-)‍Epos, das für eine Nation von besonderer Wichtigkeit ist

Das 19. Jahrhundert war die Zeit des Nationalismus und damit der Nationalepen. Während in Deutschland (Nibelungenlied) oder Indien (Mahābhārata und Rāmāyaṇa) bestehende Dichtungen zu solchen erklärt wurden, schufen andere ihre neu: So beschrieb Adam Mickiewicz 1834 in „Pan Tadeusz“ aktuelle polnische Ereignisse. 1835 erschien im damals russischen Finnland die Erstfassung des „Kalevala“, das hingegen auf alten Volksmythen beruhte und großen Einfluss auf die Herausbildung der finnischen Identität ausübte. Der 28.02., an dem Elias Lönnrot sein Vorwort unterzeichnete, wird in Finnland bis heute als Kalevala-Tag begangen.

[] von altem Schrot und Korn, Mehrwortausdruck

aufrichtig, rechtschaffen, anständig; pflichtbewusst, fleißig

Die große Inflation von 1923 liegt fast 100 Jahre zurück – ihr Schrecken hallt bis heute nach. Eine andere, historische Geldentwertung hat selbst noch nach 400 Jahren ihre Spuren im Wortschatz hinterlassen, und zwar in der Wendung „von altem Schrot und Korn“: Im 16. und 17. Jh. hofften chronisch klamme Landesherren, ihre Finanzmisere durch die Ausgabe von Münzen mit geringerem Edelmetallgehalt beheben zu können und stolperten, da der Geldwert damals dem Metallwert entsprach, in eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise. Als man den Irrtum schließlich einsah, wurden wieder Münzen nach „altem (auch: echtem) Schrot und Korn geprägt. „Schrot“ bezog sich dabei auf das Rau- bzw. Gesamtgewicht und „Korn“ auf den Feingehalt der Münze.

[] stilbildend, Adj.

einen neuen Stil (in der Kunst, Architektur, Musik, im Design o. Ä.) prägend, verbreitend

Die schauerliche Geschichte eines somnambulen Mörders in fantastisch-bizarren Bildern: Am 26. Februar 1920 sahen die Zuschauer im Berliner Marmorhaus etwas Bahnbrechendes – darüber war sich die Presse nach der Premiere des Stummfilms „Das Cabinet des Dr. Caligari“ einig. Mit verzerrten Perspektiven, starken Kontrasten, beunruhigenden Schattenspielen und grotesk anmutenden Protagonisten wurde eine albtraumhafte Atmosphäre geschaffen, die den filmischen Expressionismus begründen und damit die Filmgeschichte nachhaltig prägen sollte. Ob Horror- oder fantastischer Film, Film noir oder Psychothriller: Der Einfluss des Meisterwerks von Robert Wiene auf diese Genres ist unbestreitbar.

[] Solidarität, die

auf das Wissen um gemeinsame Interessen und Ziele oder das Zusammengehörigkeitsgefühl sich gründendes Zusammenhalten von Personen oder Personengruppen und ihr Eintreten füreinander sowie die darauf beruhende gegenseitige Unterstützung

Es herrscht Krieg in der Ukraine. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat den gestrigen Tag als Datum bezeichnet, das als schwarzer Tag in die Geschichte Europas und die gesamte zivilisierte Welt eingehe. In ihrer Rede fiel auch ein Begriff, der mit Sicherheit bald an Bedeutung gewinnen wird: Solidarität. Solidarität mit den Menschen, die Krieg und Zerstörung ausgesetzt sind.

[] Inklusion, die

Soziologie, Pädagogik: gleichberechtigte (und selbstbestimmte) Teilhabe aller (insbesondere von Menschen mit Behinderungen, von Einwanderern o. Ä.) am gesellschaftlichen Leben, am gemeinsamen Schulunterricht o. Ä. (durch Schaffung entsprechender institutioneller und alltagspraktischer Voraussetzungen)

Das von der UNO-Generalversammlung verabschiedete und am 24.2.2009 von Deutschland ratifizierte „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ konkretisierte erstmals die universellen Menschenrechte hinsichtlich der besonderen Lebenssituationen von Menschen mit Behinderungen. Ein wichtiger Teil davon: Zugang zu inklusiver Bildung. Doch genau an diesem Punkt entzündete sich Kritik – nicht an der Sache selbst, sondern an der deutschen Übersetzung. Während im englischen Original ein „inclusive education system“ gefordert wird, ist im Deutschen nur von einem „integrativen Bildungssystem“ die Rede (vgl. Integration). Betroffene und Vertreter veröffentlichten daraufhin eine „Schattenübersetzung“.

[] Christenverfolgung, die

juristische, gesellschaftliche oder persönliche Diskriminierung, Bedrohung, Bestrafung oder Vernichtung von Personen oder Gemeinschaften wegen deren christlichen Glaubens

Gegenüber fremden Kulten, Religionen und Gottheiten nahm das Römische Reich eine erstaunlich tolerante Haltung ein. Im Monotheismus des Christentums allerdings sahen viele Kaiser eine Bedrohung ihrer göttlichen Legitimationsbasis. Eine Gefahr, der sie durch Verbote, Verfolgungen und Hinrichtungen zu begegnen suchten. Der letzte Anlauf, die Ausbreitung endgültig zu stoppen, setzte mit dem Edikt ein, das Diokletian und seine Mitkaiser am 23. Februar 301 erließen. Trotz der folgenden zahllosen Gräueltaten erreichten die Imperatoren jedoch das genaue Gegenteil. Die Kirche ging gestärkt hervor und mit der sogenannten Mailänder Vereinbarung von 313 endeten die staatlichen Nachstellungen.

[] Schnapszahl, die

umgangssprachlich, scherzhaft: Zahl (besonders ein kalendarisches Datum), die aus mehreren aufeinanderfolgenden gleichen oder gespiegelten Ziffern(gruppen) besteht

Warum man die Abfolge gleicher Ziffern oder gespiegelter Ziffernfolgen genau „Schnapszahl“ nennt, ist nicht ganz klar: Doppeltes Sehen nach Alkoholgenuss? Trinkspiele? Jedenfalls bietet der heutige 22.02.2022 (lang) bzw. 22.2.22 (kurz) ein wirklich selten schönes Beispiel für diese besonders gut zu memorierenden Zahlen. Und da manche Leute ja Schwierigkeiten mit dem Merken von Daten haben, herrscht heute vermutlich Hochbetrieb in den Standesämtern, da viele Paare für sich einen Hochzeitstag mit einem so besonderen Datum ergattern wollen, das man nicht so leicht vergessen kann.

[] Artensterben, das

das Aussterben bzw. Verschwinden von Tier- und Pflanzenarten (als natürlicher oder von Menschen verursachter bzw. beschleunigter Prozess)

Der Karolinasittich, Exemplar einer geselligen Papageienart, hockte gerne mit Artgenossen eng beieinander. „Ich habe Äste gesehen, die so dicht von ihnen bedeckt waren, wie es nur möglich war“, schrieb der Vogelkundler James Audubon 1827. Das machte es Jägern leicht, ganze Schwärme zu erlegen und das Tier Anfang des letzten Jahrhunderts als „Schädling“ erfolgreich auszurotten. Das letzte zahme Exemplar starb heute vor 103 Jahren in einem Zoo in Cincinnati. Einer von zahlreichen Beiträgen zum immer bedrohlicher werdenden, von Menschen verursachten Artensterben.

[] Vulkan, der

oft kegelförmige geologische Struktur (Berg, Hügel o. Ä.) mit einem Krater, Spalten oder Bruchstellen, durch den bzw. durch die in Zeiten vulkanischer Aktivität Magma sowie andere feste und gasförmige Stoffe aus dem Erdinneren an die Oberfläche treten

Bereits seit der Antike versuchen Wissenschaftler die furchteinflößenden, vermeintlich gottgegebenen Vulkane und ihre Ausbrüche zu studieren und zu verstehen. Die bis dato einzigartige Gelegenheit, den gesamten Lebenszyklus eines Vulkans zu beobachten, bot sich Vulkanologen in Mexiko ab dem 20.2.1943. Der Bauer Dionisio Pulido war gerade dabei, sein Maisfeld für den Frühling vorzubereiten, als sich mitten im Feld eine Spalte auftat, aus der schwefeliger Rauch austrat: die Geburtsstunde des Vulkans Paricutín. Nach einem Tag war der Schlackenkegel bereits 10 Meter hoch, nach einer Woche maß der Vulkan 100–150 m und neun Jahre später, nach dem letzten Ausbruch, sogar 424 m.

[] Paradigmenwechsel, der

Ablösung eines Paradigmas durch ein neues; Änderung der grundsätzlichen Denkrichtung

Sein Name steht für ein Weltbild und zugleich für eine radikale Wende im Denken: Nikolaus Kopernikus. Mit seinem Werk „De revolutionibus orbium coelestium“, erschienen 1543, im Jahr seines Todes, verbannte der am 19. Februar 1473 geborene Arzt, Mathematiker und Domherr die Erde aus dem Zentrum des Alls. Nur noch als fünfter Planet (von der Sphäre der Fixsterne aus gezählt) umkreiste sie das neue Zentrum, die Sonne. Kopernikus’ astronomisches Modell war allerdings abstrakt mathematisch konzipiert und war von eher geringer Aussagekraft. Denn er ging von idealen kreisförmigen Umlaufbahnen aus. Erst Johannes Kepler vollendete die kopernikanische Wende, indem er die elliptische Form der Planetenbahnen beschrieb.

[] eine Schraube locker haben, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: (anscheinend) nicht ganz bei Verstand sein, leicht verrückt sein

Die Sprache bedient sich oft der Metaphern für eine verloren gegangene Ordnung, um seltsame Personen zu beschreiben: Jemand ist „ver-rückt“ oder hat „eine Schraube locker“. Dass diese sprachlichen Bilder ihre Grundlage in der realen Welt haben, zeigt ein Ereignis vom 18.02.1976: Ein einzelner defekter Bolzen brachte einen kompletten Stahlrohrgittermast bei Magdeburg zum Einsturz. Der 350 Meter hohe „SL-3“ hatte zuvor seit 1968 zur Ausstrahlung von Radio Wolga, dem Rundfunksender für die Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, gedient. Hier sorgte die lockere Schraube für mehr als nur Kopfschütteln: Der Mast wurde nie wieder aufgebaut.

[] jmdn., etw. auf den Hund bringen, Mehrwortausdruck

zugrunde richten; zerstören, ruinieren

Das Römische Reich ist lange perdu, seine Einflüsse sind dagegen bis heute präsent. Doch wer oder was für den Untergang verantwortlich ist, darüber streiten sich Gelehrte bis heute. Über 200 denkbare „Schuldige“ (Blei im Trinkwasser, Vulkanausbrüche, Steuerhinterzieher) wurden in der jahrhundertelangen Debatte schon ins Feld geführt. Eine Debatte, die auch mit seinem Namen verknüpft ist: Edward Gibbon. Der britische Historiker veröffentlichte heute vor 246 Jahren den ersten von 6 Bänden zur „History of the Decline and Fall of the Roman Empire“. Besonders skandalös für seine Zeit: Der erklärte Anhänger der Aufklärung machte für den Niedergang Roms auch das Christentum verantwortlich.

[] Lebenspartnerschaft, die

juristisch der herkömmlichen Ehe ähnliche Beziehung zwischen zwei Partnern desselben Geschlechts

Seit fünf Jahren ist die Zivilehe für alle Zweierbeziehungen unabhängig vom Geschlecht geöffnet. Aus dieser Sicht ist das frühere „Lebenspartnerschaftsgesetz“ nurmehr eine Episode mit bürokratisch langem Namen, doch vor gut zwanzig Jahren war es eine Zeitenwende: Nach langem Kampf schwul-lesbischer Aktivisten um eine Form der rechtlichen Anerkennung ihrer Beziehungen wurde durch diese von Rot-Grün durchgesetzte Rechtsform erstmals eine offiziell weitgehend der Ehe gleichgestellte Gemeinschaft für Homosexuelle in Deutschland ermöglicht. Am 16.02.2001 unterzeichnete Bundespräsident Rau das Gesetz, bald darauf gab es die ersten Trauungen.

[] sich einen Namen machen, Mehrwortausdruck

bekannt werden; sich auf einem Gebiet, in einer Branche einen (guten) Ruf, Anerkennung verschaffen

Manchmal liegt ein gewisses Talent in der Familie. So auch bei den Brontës: Alle vier Geschwister wandten sich schon früh der Schriftstellerei zu. Da sie einen Großteil ihrer Kindheit in einem abgeschiedenen Pfarrhaus in West Yorkshire verbrachten, blieb ihnen nur die Flucht in Fantasiewelten. Auch wenn die frühen gemeinsamen Werke eher mäßigen Erfolg hatten, hörten Charlotte, Emily und Anne Brontë nicht auf zu schreiben. Und nachdem sich ihre Wege im frühen Erwachsenenalter trennten, machten sie sich in der Literaturszene mit ihren Solowerken einen Namen. Ihren Zeitgenossen waren sie allerdings nur als Currer, Ellis und Acton Bell bekannt, denn aus Angst, nicht ernst genommen zu werden, veröffentlichten sie zeitlebens unter männlichen Pseudonymen.

[] weitab vom Schuss, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: sehr abgelegen, außerhalb vom Zentrum eines Geschehens

1977 wurde die Raumsonde Voyager 1 auf eine lange Reise geschickt. Missionsziele waren u. a. die Erforschung der äußeren Planeten und des daran anschließenden interstellaren Raumes. Nachdem der erste Teil der Mission erfüllt war und die Kamera der Sonde aus Energiespargründen abgeschaltet werden sollte, regte der Astronom Carl Sagan an, noch eine letzte Fotoserie aufzunehmen. Neben dem sechs Planeten abbildenden „Familienporträt“ erreichte aber vor allem ein Foto großes Aufsehen: Das Bild unserer Erde, aufgenommen am 14.2.1990 aus sechs Milliarden Kilometern Entfernung. Die Erde ist darauf kaum mehr als ein blasser blauer Punkt, weswegen das Bild als „Pale Blue Dot“ in die Geschichte einging.

[] Klarname, der

tatsächlicher Name einer Person, durch den sie identifiziert werden kann

Das Ändern des eigenen Namens hat, zum Beispiel als Künstler-Pseudonym, eine lange Tradition. Der neue Name kann der Verwirrung des Publikums dienen – man denke etwa an die vielen Pseudonyme von Kurt Tucholsky – oder auch dem eigenen Schutz vor Nachstellungen. In diese Richtung geht ein Urteil des Bundesgerichtshofs, dem zufolge Facebook die Verwendung von Pseudonymen zulassen muss, wenn der Klarname sicher hinterlegt ist. In den USA wird der Trend zum Pseudonym am 13. Februar mit dem „Ändere-deinen-Namen“-Tag gewürdigt.

[] Selektion, die

Biologie: (natürliche) evolutionäre Auslese bzw. das Überleben der am besten an das jeweilige Lebensumfeld angepassten Individuen als Grundlage der Weiterentwicklung von Arten und der Entwicklung der Lebensvielfalt

„Im Salon konkurriert es mit dem neuesten Roman und im Studierzimmer beunruhigt es gleicherweise Wissenschaftler, Ethiker und Theologen“, so ein anonymer Rezensent über Charles Darwins bahnbrechendes Werk. Denn dieser erklärte die biologische Vielfalt und – besonders verstörend – den Menschen selbst als Ergebnis eines langen, auf Selektion beruhenden Entwicklungsprozesses. Was wütende Gegner als „Wissenschaftsmärchen“ abtaten, veränderte unser Weltbild und öffnete ein Fenster in unsere evolutionäre Vergangenheit: Wie jedes Jahr am 12. Februar feiert die Wissenschaftsgemeinde den Geburtstag des Revolutionärs (wider Willen) als den „Darwin-Day“.

[] Wissenschaftszeitschrift, die

Zeitschrift, in der Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse veröffentlichen bzw. die überwiegend wissenschaftliche Themen (für ein breiteres Publikum) präsentiert

​​Dass die dem Namen nach unteilbaren Atome regelrecht „zerplatzen“ können, war bis ins 20. Jh. undenkbar. Daher waren die Chemiker Otto Hahn und Fritz Straßmann auch am Ende ihres Lateins, als sie Uranatome mit Neutronen beschossen und Bariumatome vorfanden. Da Barium etwa halb so schwer wie Uran ist, musste es durch eine Kernspaltung entstanden sein. Hahn bat daher seine langjährige Kollegin, die Physikerin Lise Meitner, um Rat. Meitner deutete die Ergebnisse richtig und veröffentlichte zusammen mit ihrem Neffen Otto Frisch am 11.2.1939 die physikalische Erklärung der Kernspaltung in der Wissenschaftszeitschrift „Nature“. Der Nobelpreis für diese bahnbrechende Erkenntnis blieb ihr jedoch verwehrt.

[] jmdn. an der Nase herumführen, Mehrwortausdruck

jmdn. täuschen, irreführen, hereinlegen; jmdm. etw. vormachen

Sie war der Stolz der britischen Marine: Die 1906 in Dienst gestellte HMS Dreadnought („Fürchtenichts“) deklassierte alle bisherigen Linienschiffe und wurde Namensgeber für eine ganze Klasse von Großkampfschiffen. Klar, dass man am 07.02.1910 der Bitte einer Delegation abessinischer (äthiopischer) Adliger stattgab, das Schlachtschiff zu besichtigen. Doch die fünf mit militärischen Ehren empfangenen vermeintlichen Royals erwiesen sich als verkleidete Mitglieder der pazifistischen Künstlervereinigung Bloomsbury Group, darunter die junge Virginia Woolf. Die blamierte Marine strebte eine Bestrafung an, es fand sich aber kein Paragraf für den Streich.

[] Minimalismus, der

Stilrichtung und Formenrepertoire in bildender Kunst und Musik, die durch Reduktion und Konzentration auf klare, einfache Grundstrukturen und serielle Wiederholungen charakterisiert sind

„Da, da, da!“ (Trio, 9.2.1982)

[] Bildersturm, der

soziale Bewegung oder Aktion (besonders in der Reformationszeit), die mit der (systematischen) Zerstörung religiöser Bilder und Skulpturen die bildliche Darstellung von Göttern, Heiligen o. Ä. sowie die Bilderverehrung bekämpft

Er fühlt sich bestimmt einsam, der heilige Laurentius, der heute im Basler Museum steht. Denn die bunt gefasste, spätgotische Holzskulptur ist vermutlich das einzige hölzerne Bildwerk, das den Basler Bildersturm von 1529 überstanden hat. Es war ein Aufstand, der sich vom 8. zum 9. Februar während der Fastnachtsfeierlichkeiten spontan entwickelte: Über 200, meist junge Männer, verärgert über die zögerliche Einführung der Reformation, stürmten die Kirchen. Sie zerhackten, zerbrachen, zerschnitten und köpften, was sie an sakralem Bildwerk vorfanden und waren dabei so gründlich, dass am Ende nichts mehr zu retten war. Was an Holz übrigblieb, wurde auf dem Münsterplatz aufgeschichtet und öffentlich verbrannt.

[] an etw. Anstoß nehmen, Mehrwortausdruck

etw. beanstanden, missbilligen; empört auf etw. reagieren

Jahrelang hatte Gustave Flaubert unbeachtet von der Öffentlichkeit für die Schublade geschrieben, doch als er 1856 eines seiner Werke als Serie in „La Revue de Paris“ veröffentlichte, schlug dieses gleich heftig ein: „Madame Bovary“ moralisierte, lobte oder verteufelte nicht, sondern beschrieb mit neutralem Realismus die Geschichte einer Ehefrau, die an ihren Affären und Geheimnissen zerbricht. Während der Roman heute als Weltliteratur gilt, wurden Flaubert und die Zeitschrift von Moralisten vor Gericht gezerrt, wegen „Verherrlichung des Ehebruchs“. Der Freispruch am 07.02.1857 bedeutete gute Werbung für das Buch, das auch kommerziell erfolgreich wurde.

[] Runder Tisch, Mehrwortausdruck

Zusammenkunft von gleichberechtigten Gesprächspartnern bzw. Gesprächsparteien mit dem Ziel, sich zu einem (strittigen) Thema auszutauschen bzw. einen Konsens zu erzielen

Weder Kriegsrecht, noch Kampagnen noch Repressionen der kommunistischen Führung unter General Jaruzelski hatten etwas genutzt: Nach einem ganzen Jahrzehnt des Widerstands erreichte die polnische Opposition, die sich in der freien (und die meiste Zeit illegalen) Gewerkschaft Solidarność (Solidarität) mit ihrer „Galionsfigur“ Lech Wałęsa sammelte, Unerhörtes im Ostblock: Gespräche mit der Regierung auf gleicher Augenhöhe. Am „Runden Tisch“, zu dem man zuerst am 06.02.1989 zusammenkam, rang die Opposition den Machthabern nichts weniger als einen Systemwandel ab. Am 04.06.1989 fanden die ersten teilweise freien Wahlen statt.

[] Zeitzeichen, das

Zeitangabe durch Morsezeichen, besonders beim Rundfunk

Spätestens mit dem Aufkommen des internationalen Schienenverkehrs zum Ende des 19. Jh. wurde auch der Ruf nach einer einheitlichen Weltzeit laut. Für lange Zeit erfüllte die 1884 eingeführte „Greenwich Mean Time“ diese Funktion. Auf Anraten des Astronomen Sir Frank Watson Dyson sollte auch die britische Rundfunkanstalt BBC ihren Teil zur Verbreitung der Weltzeit beitragen. Die Idee: ein zu jeder vollen Stunde ausgestrahltes Tonsignal aus sechs Tönen, wobei der sechste Ton den Beginn der neuen Stunde markierte. Die Hörer konnten so ihre Uhren nach dem Signal stellen. Am 5.2.1924 wurde das erste Zeitzeichen ausgestrahlt.

[] Königreich, das

Staat mit einer monarchischen Regierungsform, an dessen Spitze ein König oder eine Königin steht

„Ein Pferd! Ein Pferd! Mein Königreich für’n Pferd!“, legt Shakespeare dem englischen König Richard III. in seiner Beschreibung des Kampfes gegen Heinrich Tudor in dem Mund, nachdem sein Schlachtross getroffen war. Tatsächlich fand Richard 1485 in der Schlacht von Bosworth gegen seinen Rivalen den Tod – und die langen Rosenkriege ihr Ende. Aber die Episode mit dem Pferd ist wohl genauso Hinzudichtung wie zahlreiche andere Berichte, die Richard als grausamen Gewaltherrscher darstellen. Heute vor neun Jahren konnte überraschend die Wiederauffindung von Richards Gebeinen in Leicester bekannt gegeben werden.

[] Ärztin, die

Berufsbezeichnung: weibliche Person, die auf Grundlage einer medizinischen Approbation beruflich mit der Prävention, Diagnose und Therapie von Krankheiten beschäftigt ist

Obwohl Frauen zu allen Zeiten in Heilberufen tätig waren, blieb der Beruf der akademisch ausgebildeten Ärztin ihnen über Jahrhunderte versperrt. Und wenn, dann waren es Frauen in besonders privilegierten Positionen wie die Arzttochter Dorothea von Erxleben (*1715), die auf Intervention Friedrichs des Großen in Medizin promovieren konnte und in Deutschland bis ins späte 19. Jh. die Ausnahme blieb. In Amerika erlangte Elizabeth Blackwell (1821–1910) als erste Frau 1849 den Universitätsabschluss in Medizin. An ihrem Geburtstag, dem 3. Februar, feiern die USA den „National Women Physicians Day“, an dem die Bedeutung weiblicher Ärzte im Gesundheitswesen hervorgehoben wird.

[] Bewusstseinsstrom, der

metonymisch, Literaturwissenschaft: Erzähltechnik, bei der die scheinbar ungeordnete Folge der Bewusstseinsinhalte einer oder mehrerer Figuren wiedergegeben wird

Auch die ganz großen Schriftsteller haderten gelegentlich mit ihrem eigenen Perfektionismus. Der irische Autor James Joyce schrieb bereits viele Jahre an seinem Monumentalwerk „Ulysses“, ein Ende war nicht in Sicht. Doch dann fasste er einen ehrgeizigen Plan: An seinem 40. Geburtstag, dem 2.2.1922, sollte das Werk erscheinen – der Plan ging auf. Die Handlung des Romans ist auf den ersten Blick unspektakulär, beschrieben wird der Alltag dreier Menschen an einem einzelnen Tag in Dublin. Doch der Teufel steckt im Detail. Nicht nur die äußeren Geschehnisse werden auf knapp 1000 Seiten minutiös geschildert, sondern auch die ungefilterten Gedankengänge der Protagonisten. Die Erzähltechnik des Bewusstseinsstroms, mit seinen wilden Assoziationssprüngen und Missachtung von Grammatik und Satzbauregeln, brachte seine Leserschaft jedoch an ihre Grenzen.

[] Entschleunigung, die

gezielte Verlangsamung einer (sich bisher ständig beschleunigenden) Entwicklung, einer Tätigkeit o. Ä.

Otto Julius Bierbaum, Journalist, Satiriker, Schriftsteller – er starb heute vor 112 Jahren –, unternahm 1902 auf Einladung eines Verlages eine denkwürdige Autoreise: In einem roten Phaeton der Adlerwerke wurde er mit seiner Frau von einem Fahrer als erster motorisierter Italientourist über die Alpen kutschiert. Die Reise mit dem nicht eben üppig motorisierten Cabriolet (1 Zylinder, 8 PS) war zur Freude Bierbaums eine eher gemütliche Angelegenheit: „Reisen sage ich, nicht rasen. ... Wir wollen mit dem modernsten aller Fahrzeuge auf altmodische Weise reisen“. Nachlesen lässt sich die vergnügliche Fahrt übrigens in „Eine empfindsame Reise im Automobil“.

[] schwul, Adj.

von Männern: (sexuelle) Neigung zum eigenen Geschlecht empfindend (und selbstbewusst im Verhalten zeigend), homosexuell

Der heute vor 50 Jahren erstmals im Fernsehen ausgestrahlte Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ von Rosa von Praunheim beleuchtete die schwule Subkultur der frühen 70er-Jahre und löste damit einen Sturm der Entrüstung aus. Obwohl Paragraph 175 drei Jahre zuvor entschärft worden war, herrschte in weiten Teilen der Gesellschaft noch immer ein homophobes Klima. Zwar reagierten auch viele Schwule mit Empörung auf den Film, aber die abschließende Botschaft – „Raus aus den Toiletten, rein in die Straßen!“ – zeigte Wirkung. Von Praunheims Appell an die eigene Community, öffentlich zu sein und solidarisch mit anderen für eine bessere Zukunft zu kämpfen, führte zur Gründung zahlreicher Homosexuelleninitiativen und damit zum Beginn der modernen Lesben- und Schwulenbewegung im deutschsprachigen Raum.

[] Massenhysterie, die

in großen Menschenansammlungen oder in großen Bevölkerungsgruppen auftretende, durch einen äußeren Anlass hervorgerufene starke Erregung

Eine geradezu lachhaft harmlos anmutende Epidemie nahm am 30. Januar vor 60 Jahren in Tanganjika (heute zu Tansania gehörend) ihren Anfang. Es gab keine Todesfälle. Doch für die fast ausschließlich weiblichen und jungen Betroffenen dürfte sie wohl schmerzhaft gewesen sein. Es gab mehrere Wellen, die an verschiedenen Orten zu Schulschließungen führten. Dieses Ereignis ist unter dem Namen Tanganjika-Lachepidemie bekannt geworden. In Ermangelung anderer erkennbarer Ursachen wird dieses Phänomen heute als Massenhysterie eingestuft. Wenn Sie das zum Lachen reizt, dann tun Sie dies bitte nicht in Gesellschaft. Wir haben Sie gewarnt.

[] Verbrennungsmotor, der

Technik: Kraftmaschine, bei der durch Verbrennung eines Kraftstoff-Luft-Gemisches im Inneren eines Brennraums mechanische Antriebskraft erzeugt wird

Heute feiert das erste Auto im modernen Sinn seinen 136. Geburtstag: Am 29.01.1886 meldete der Ingenieur Carl Benz sein „Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb“ zum Patent an. Die offene, dreirädrige Motorkutsche mit ca. 0,75 PS markiert den Beginn des motorisierten Individualverkehrs. Gerade dieser ist nach Jahrzehnten kritikloser Bewunderung in (West-)Deutschland nun einem tiefgreifenden Wandel unterworfen, sodass sich die Frage stellt, ob zumindest im Land seines Erfinders das fossil betriebene Verbrennungsmotor-Kraftfahrzeug sein 150. Jubiläum feiern wird. Die Ironie der Geschichte: Benz hatte eigentlich zuerst an eine Art Bus gedacht, also eher an den ÖPNV.

[] umsatteln, Verb

umgangssprachlich: ein anderes Studium beginnen, einen anderen Beruf ergreifen

Augen auf bei der Berufswahl: Als Rechtsanwalt war Heinrich Spoerl, obwohl promoviert, eine glatte Fehlbesetzung: In unpassenden Momenten wurde er von „drolligen Einfällen“ geplagt, sodass sich einmal bei einem Plädoyer Richter, Beisitzer und Publikum vor Lachen bogen. Wie so viele abtrünnige Jünger der Justitia verlegte sich Spoerl daraufhin aufs Schreiben. Und ausgerechnet der Plot für ein abgelehntes Drehbuch brachte den Durchbruch. Die Romanfassung, besonders aber die Verfilmung der „Feuerzangenbowle“ mit Heinz Rühmann – ihre Premiere war heute vor 78 Jahren – sind bis heute Kult. Und wenn es wieder heißt, „Nur ein wönziger Schlock“, weiß jeder Bescheid.

[] Einbruch, der

unerlaubtes, oftmals gewaltsames Eindringen in eine Örtlichkeit (Wohnung, Gebäude, befriedetes Gelände o. ä.), meist mit dem Ziel, Gegenstände zu entwenden oder Informationen zu erlangen

Eigentlich verfügten sie über genau die Soft Skills, die in jeder Leistungsgesellschaft nachgefragt sind: Sie waren smart, innovativ, unerschrocken, durchsetzungsstark. Doch die Brüder Franz und Erich Sass, die in der Weimarer Republik zu zweifelhafter Berühmtheit gelangten, waren leider auch notorisch kriminell. Das Knacken von Geldschränken war ihre Spezialität, wofür sie erstmals Schneidbrenner einsetzen. Ihr größter Coup war der Einbruch in den Tresorraum der Berliner Discontobank. Über einen Tunnel brachen sie am 27. Januar 1919 durch den Betonmantel und räumten 181 Schließfächer aus. Von der Beute von geschätzt zweieinhalb Millionen Reichsmark fehlt bis heute jede Spur.

[] Knall auf Fall, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, verstärkend: (sehr) plötzlich, (völlig) überraschend

An und für sich sollte es das nicht geben, dass angespülte Walkadaver unter dem Druck der inneren Fäulnisgase explodieren – das Gas sollte vielmehr langsam entweichen. Dennoch passierte genau das am 26.01.2004 auf Taiwan. Ein verendeter Pottwal platzte ausgerechnet beim Transport durch die Innenstadt von Tainan und besudelte Schaulustige und Häuser. Im lange als urbane Legende angesehenen, aber tatsächlich dokumentierten Fall, ebenfalls eines Pottwals in Oregon (USA), hatte man hingegen mit TNT nachgeholfen – mangels besserer (oder eher: guter) Ideen, den Kadaver zu beseitigen. Hier wie da kam zum Glück kein Mensch zu Schaden.

[] Lebensmittelmarke, die

Marke einer Lebensmittelkarte, die in Zeiten wirtschaftlicher Not mit Rationierung von Lebensmitteln zum Bezug einer bestimmten Menge von Lebensmitteln berechtigt; als Teil der staatlichen Unterstützung für Bedürftige ausgegebene Marke, die zum Bezug bestimmter Lebensmittel berechtigt

Als im August 1914 die Heere der europäischen Länder in den Ersten Weltkrieg zogen, glaubte man überall an einen kurzen (und natürlich siegreichen) Feldzug. Es kam anders, was besonders das nun von Importen abgeschnittene Deutschland traf. Schon ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn, am 21.01.1915, musste Brot rationiert werden, andere Lebensmittel und Konsumgüter folgten. Die auf Bezugskarten zusammengefassten Lebensmittelmarken, durch die die Abgabe kontrolliert wurde, wurden für lange Zeit immer wieder zum ungeliebten wie notwendigen Alltagsbegleiter. Zuletzt konnten sie 1958 in der DDR abgeschafft werden.

[] Nugget, das oder der

Klumpen, Klümpchen natürlichen, unbearbeiteten Goldes

„Gold – Gold war die Losung (...) Gold! Kein anderes Gespräch, kein anderer Gedanke war möglich.“ Am 24. Januar 1848 stieß der Arbeiter James W. Marshall in Kalifornien auf das Edelmetall und trat damit den „gold rush“ los. Mitten unter den Glücksrittern: der Schriftsteller Friedrich Gerstäcker. Der Abenteurer versorgte seine Leser im biedermeierlichen Deutschland nicht nur mit spannenden Geschichten, sondern auch mit exotischen Wörtern wie „Claim“, „Digger“ und eben „Nugget“ – „ein mit dem Gold gefundenes Wort, das noch in keinem Wörterbuch steht“. Auf diesen Begriff stieß er allerdings nicht in Amerika, sondern in Australien, wo er erstmals aufkam.

[] Zuckerschlecken, das

umgangssprachlich: Situation oder Tätigkeit, die angenehm, vergnüglich, einfach oder leicht zu bewältigen ist

Bis zum frühen 19. Jh. war das Süßen von Tee und Kaffee wahrlich kein Zuckerschlecken. Zucker lag damals nur in der Form von teils meterhohen, steinharten Zuckerhüten vor, aus denen mit Zuckerhämmern und anderem Spezialwerkzeug handliche Stücke herausgebrochen wurden. Der Österreicher Jacob Christoph Rad – zu diesem Zeitpunkt Leiter einer Zuckerfabrik – sah Verbesserungspotenzial. Auf Anraten seiner Frau Juliana schritt er zur Tat und erfand innerhalb weniger Monate die Würfelzuckerpresse. Am 23. Januar 1843 erhielt er für seine Erfindung ein fünfjähriges Patent. Mangels ausreichender Werbung konnten sich die Zuckerl mit 1,2–1,5 cm Kantenlänge zunächst nur schleppend durchsetzen.

[] Kulturbanause, der

abwertend: Person, die kulturelle Werke, Leistungen oder Veranstaltungen nicht zu würdigen weiß

Als am 22. Januar 1934 Dmitri Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ in Leningrad uraufgeführt wurde, entwickelte sie sich bei Publikum und Kritik zu einem überwältigenden Erfolg. Das änderte sich zwei Jahre später schlagartig, als Stalin eine Aufführung besuchte und wortlos verließ. Am 28. Januar 1936 erschien ein vernichtender Verriss, wohl aus der Feder des Diktators selbst, in der Prawda. Für Schostakowitsch bedeutete dieser nicht nur einen Karriereknick, sondern auch Gefahr für Leib und Leben. Der Liquidierung gerade noch entgangen, musste der Komponist über viele Jahre bedeutungslose, aber der Führung gefällige Werke verfassen.

[] Kochsendung, die

im Fernsehen, Internet oder Radio übertragene Sendung, in der Themen rund um das Zubereiten von Speisen behandelt oder bestimmte Gerichte zubereitet werden

Wer Kochshows für eine neumodische Erscheinung hält, liegt damit falsch. Wem bei diesem Wort noch Clemens Wilmenrod einfällt, ist vermutlich auch schon etwas älter. Aber auch dieser deutsche Fernsehkoch ist nicht der Erfinder des Kochens vor der Kamera. Bereits am 21. Januar 1937, also heute vor 85 Jahren, ließ der Koch Marcel Boulestin ein größeres Publikum im Abendprogramm der BBC in seine Töpfe und Pfannen schauen. Auf dem Programm stand der erste Teil eines Fünf-Gänge-Menüs: ein Omelett. Bei dieser „Cook’s night out“ fiel die Wahl des Senders auf einen Franzosen, sicher nicht ohne Grund.

[] Basketball, der oder das

meist in der Halle betriebenes Ballspiel, bei dem zwei Mannschaften nach bestimmten Regeln versuchen, einen Ball mit der Hand in den jeweils gegnerischen, in 3,05 Meter Höhe angebrachten Korb zu befördern

Die rauen Winter Neuenglands stellten die hauptsächlich Freiluftsport betreibenden Studenten vor ein Problem. Der kanadische Pädagoge James Naismith wurde daher damit beauftragt, einen wintertauglichen Hallensport zu entwickeln. Er ließ kurzerhand an zwei gegenüberliegenden Emporen der Sporthalle in 3,05 m Höhe Pfirsichkörbe anbringen, die ihm der Hausmeister zur Verfügung stellte. Ziel war es, einen Ball in den gegnerischen Korb zu befördern. Die Regeln des neuen Spiels – die sich kaum von den heutigen Regeln unterscheiden – veröffentlichte er in der Schulzeitung. Das erste offizielle Basketballspiel fand dann am 20.01.1892 an der YMCA Training School in Massachusetts statt.

[] ein Schelm, wer Böses dabei denkt, Mehrwortausdruck

ironisch: Ausspruch (oft begleitet von einem Augenzwinkern), der darauf hinweisen soll, dass ein scheinbar unbedenklicher Vorgang oder Vorfall nicht grundlos stattgefunden hat

Eine Medaille bekommt man um den Hals, einen Orden an die Brust, eine Krone aufs Haupt – nur in England kann man sich ein Ehrenzeichen auch ans Knie binden: Gestiftet wurde der „Most Noble Order of the Garter“, der Hosenbandorden, am 19. Januar 1348 von König Edward III. Angeblich soll sich der galante Herrscher das verlorene Strumpfband seiner Geliebten, um selbige vor peinlicher Bloßstellung zu bewahren, mit den Worten „Honi soit qui mal y pense“, selbst ans Bein gebunden haben. Tatsächlich bekräftigte der Monarch mit diesem, auf das französische Ritterideal der Courtoisie anspielenden Akt auch seinen Anspruch auf den französischen Thron.

[] Aufputschmittel, das

stark anregendes Mittel; zur Leistungssteigerung eingenommene Substanz

Als der Chemiker Lazăr Edeleanu am 18.01.1887 im Rahmen seiner Doktorarbeit in Berlin erstmals alpha-Methylphenethylamin, später Amphetamin genannt, synthetisierte, war das, ebenso wie dessen Derivat Methamphetamin 1893, zunächst nichts weiter als eine fachgeschichtliche Fußnote – berühmt wurde der Rumäne später durch ein Entschwefelungsverfahren. Erst 40 Jahre später begann man, die physiologischen Wirkungen dieser Aufputschmittel zu verstehen und zu nutzen – erst als Mittel gegen Appetit und Müdigkeit (und zwar in rauen Mengen), danach zunehmend als verbotene Droge, bekannt bis heute als „Speed“.

[] geteilte Freude ist doppelte Freude, Mehrwortausdruck

sprichwörtlich: wer andere an der eigenen Freude, an glücklichen Erfahrungen teilhaben lässt, kann sie umso mehr genießen

Die Illusion der „Zersägten Jungfrau“ gibt es in unzähligen Variationen: mit Kreis- oder Kettensäge, mit Kasten oder ohne. Die erste öffentliche Vorführung des Tricks erfolgte am 17.1.1921 in London. Der unter seinem Bühnennamen bekannte P. T. Selbit begeisterte das der älteren Zaubertricks überdrüssige (Fach-)Publikum mit seiner Innovation. Erstmals kam auch eine weibliche Assistentin zum Einsatz, was bisher aufgrund der voluminösen Kleidermode dieser Zeit undenkbar war. Der Trick verbreitete sich daraufhin wie ein Lauffeuer in der ganzen Welt. Sehr zu Selbits Leidwesen, denn der amerikanische Zauberer Horace Goldin patentierte den Trick umgehend. Selbit selbst geriet in Vergessenheit.

[] Lauschangriff, der

die als Angriff verstandene Aktion, bei der jmd. heimlich belauscht, abgehört, ausspioniert wird; bewilligte, von Polizei oder Nachrichtendienst durchgeführte heimliche Überwachungsmaßnahme

Was im Juristendeutsch präzise, aber oft euphemistisch formuliert wird, bringt der Volksmund pointiert und dabei selten wertneutral auf den Punkt. So wurde der im Grundgesetz (in Art. 13) neu eingefügte Absatz 3 zur „akustischen Wohnraumüberwachung“, der heute vor 24 Jahren die Abstimmung im Bundestag passierte, in der Öffentlichkeit und im Parlament – sehr zum Ärger von Ministerium und Kriminalpolizei – nur noch unter dem Label „Großer Lauschangriff“ diskutiert. Tatsächlich erklärte das Bundesverfassungsgericht 2004 zahlreiche Ausführungsbestimmungen für verfassungswidrig. Die Korrekturen ließen die jährlich erteilten Genehmigungen auf eine Handvoll zusammenschrumpfen.

[] verschachern, Verb

abwertend: etw. unter Feilschen, auf unehrenhafte Weise verkaufen, um einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen

Von Schiller in „Kabale und Liebe“ angeprangert, bis heute als beispielloser Akt der Unmenschlichkeit verdammt und dabei im feudalen Europa des 18. Jh. bitterer Alltag: König George III. hatte Geld, brauchte aber zur Bekämpfung der Rebellion in Amerika Soldaten. Die wiederum hatte sein Onkel, Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel, in seinem durchmilitarisierten Kleinstaat zur Genüge. Dafür war er ständig klamm. Am 15. Januar 1776 „verlieh“ der Landgraf 12.000 Hessen für den Krieg in der Fremde. Die Einnahmen flossen unter anderem in den Bau von Schloss Wilhelmshöhe, allerdings auch in einen Fonds zur Versorgung der Invaliden und Hinterbliebenen.

[] Wimmelbild, das

meist gemaltes Bild mit einer Fülle von Details und oft gleichzeitig ablaufenden Geschehnissen, die sich erst bei konzentrierter Betrachtung erschließen

Ein Blick vom Riesenrad auf das geschäftige Treiben voll unendlicher Details auf dem Rummel – das war für den jungen Alfons „Ali“ Mitgutsch ein Schlüsselerlebnis. Ab 1968 veröffentlichte der Grafiker ganz auf Texte verzichtende Kinderbücher mit prallvollen Bildern, gespickt mit interessanten, oft augenzwinkernden, aber dennoch alltäglichen Szenen, die ihre Betrachter auf der ganzen Welt nicht nur amüsiert, sondern auch zum Ausdenken und Weiterspinnen von Geschichten inspiriert haben. Am 10. Januar starb der Vater der Wimmelbücher in seiner Geburtsstadt München.

[] Polemik, die

wissenschaftlicher Meinungsstreit, der meist publizistisch ausgetragen wird, literarische Fehde

Der Inhalt von Fachvorträgen bleibt meist auf den Kreis der Wissenschaftler beschränkt. Was aber der Assyriologe Friedrich Delitzsch am 13.01.1902 unter dem suggestiven Titel „Babel und Bibel“ zu sagen hatte, schlug große Wellen bis hin zu Kaiser Wilhelm II. Den immer weiter erschlossenen Quellen aus dem Zweistromland aus vorbiblischer Zeit sei zu entnehmen, dass die Religion des Alten Testaments nichts als ein Epigone der assyrisch-babylonischen Hochkultur sei. Theologen reagierten entsetzt, Antisemiten nutzten den „Babel-Bibel-Streit“ als Instrument für ihre politische Agenda. Die Polemiken liefen erst mit dem Weltkrieg aus.

[] Clan, der

häufig scherzhaft: (Groß-)‍Familie

Als der US-Sender ABC am 12.01.1981 die erste Folge von „Dynasty“ (in Deutschland: „Der Denver-Clan“) ausstrahlte, ging damit eine Seifenoper an den Start, die das Konkurrenzprodukt „Dallas“ von CBS übertreffen sollte: Mehr Budget, mehr Luxus, mehr Intrigen, mehr Wirrungen und Zufälle. Die dick aufgetragene Geschichte um die Konkurrenz zweier Familien aus dem Erdölgeschäft wurde zunächst zu einem gewaltigen Erfolg und machte u. a. Joan Collins zum Star, endete dennoch nach langjährigem Niedergang 1989 – zwei Jahre vor der Konkurrenz aus Texas.

[] Großschanze, die

Sprungschanze, bei der die Entfernung zwischen Schanzentisch und dem Ende des Landebereichs zwischen 110 und 184 Meter beträgt

Ob nun 22 Leute einem Ball hinterherlaufen oder Rennwagen stundenlang ohrenbetäubend im Kreis fahren: Sport weckt entweder keine oder eben sehr große Emotionen. Die weiten Flüge der Skispringer machen dagegen auf jedermann Eindruck. Als Höhepunkt der Skisprungsaison hat sich die Vierschanzentournee auf den Großschanzen in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen (Deutschland), Innsbruck und Bischofshofen (Österreich) bald nach ihrem Beginn 1953 etabliert. Am 11.01.1953 wurde ihr erster Gesamtsieger, der legendäre Josef Bradl, gekürt.

[] jmdm. die Flötentöne beibringen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: bei jmdm. durch scharfen Tadel, Drohungen oder Gewalt ein bestimmtes, gewünschtes Verhalten erzwingen; (resolut) erzieherisch wirken, eingreifen

Kuriose Gedenk- und Festtage gibt es wie Sand am Meer, doch der seit 2007 jährlich am 10. Januar begangene Internationale Tag der Blockflöte weckt bei einigen unschöne Kindheitserinnerungen. Die eher schrillen Töne, die diesem „Einsteigerinstrument“ in der musikalischen Früherziehung entlockt werden, werden dem Potential der Blockflöte aber bei Weitem nicht gerecht. Die Vielseitigkeit zeigt sich schon an den Dimensionen der Blockflötenfamilie. Von der winzigen Garkleinblockflöte bis zur mehrere Meter großen Subkontrabassblockflöte lässt sich der Tonumfang eines ganzen Orchesters abdecken.

[] Touchscreen, der

Bildschirm (oft als Teil von Smartphones, Tablets o. Ä.), der durch Berühren mit den Fingern oder einem speziellen Stift bedient wird

Das Berühren der Figüren mit den Pfoten ist verboten – was einem mit teils drohendem, teils scherzhaftem Unterton mitgeteilt wird, wenn man den empfindlichen Putti aus Porzellan zu nahe kommt – in der Nähe eines Smartphones ist das nicht nur gewollt, sondern notwendig. Was einst auf dem Schreibtisch mit der Maus gesteuert wurde, dazu verwenden wir heute unsere Finger – egal, wie grob und fettig diese sind, der Touchscreen nimmt es gelassen hin. Heute vor 14 Jahren, am 9. Januar 2007, stellte Steve Jobs in San Francisco das erste iPhone mit Touchscreen vor. Kann sich noch jemand an die Handys mit Kleinst-Tastatur und Pfeiltasten erinnern?

[] auf die Füße fallen, Mehrwortausdruck

zum Problem werden, schaden

Sein Tod zählt zu den skurrilen Fußnoten der Musikgeschichte: Der Ausnahmemusiker Jean-Baptiste Lully war aufgrund seines halbseidenen Lebenswandels bei König Ludwig XIV. in Ungnade gefallen und ließ nun, um dessen Gunst wiederzuerlangen, am 8. Januar 1687 in seinem Namen sein großes Te Deum erklingen – auf eigene Kosten. Der Preis war weitaus höher als gedacht: Während des Konzerts verletzte er sich mit dem schweren Taktstock einen Zeh – die eigentlich leichte Verletzung entzündete sich schwer und der sich verstärkende Wundbrand führte wenige Wochen später zu Lullys vorzeitigem Tod.

[] Schieflage, die

Lage, Orientierung oder Ausrichtung im dreidimensionalen Raum, die nicht parallel oder im Winkel von 90 Grad zu einer anderen Linie (besonders der Senkrechten und der Waagrechten) ist

Als die reiche Handelsstadt Pisa im 12. Jahrhundert ihren Domplatz (im Volksmund auch „Platz der Wunder“ genannt) mit marmornen Prachtgebäuden bebaute, konnte man nicht wissen, dass der architektonisch bahnbrechende Campanile (freistehende Glockenturm) an der Stelle einer verlandeten Bucht errichtet wurde. Die bald einsetzende Neigung führte zu langen Bauunterbrechungen und einer Höhe von schließlich nur 54 statt 100 Metern. Nachdem der durch dieses Unglück inzwischen weltberühmte Turm sich immer stärker neigte, musste er am 07.01.1990 für Besucher gesperrt und bis 2001 aufwändig wieder etwas aufgerichtet werden.

[] Heilige Drei Könige, Mehrwortausdruck

Sterndeuter oder Wahrsager, die laut der christlichen Weihnachtsgeschichte Jesus kurz nach seiner Geburt besucht und ihm als König der Juden gehuldigt haben

Die Anbetungsszene der Heiligen Drei Könige gehört zu den zentralen, liebevoll inszenierten Motiven der Weihnachtsgeschichte. Dabei schweigt sich das Matthäusevangelium über deren Zahl, Namen oder Hautfarbe aus. Beschrieben werden sie nur als Magier (später übersetzt als Sterndeuter oder Weise) aus dem Morgenland. Es waren die explizit erwähnten Gaben Weihrauch, Myrrhe und Gold, die die Phantasie der Gläubigen anregten: Aus dem hohen Wert der Geschenke glaubte man auf die königliche Herkunft, aus deren Anzahl auf drei Personen schließen zu können. Im 6. Jahrhundert erhielten die Weisen schließlich auch ihre Namen, zunächst Thaddadia, Melchior und Balytora.

[] Sankt-Nimmerleinstag, der

scherzhaft: nicht näher benannter, höchstwahrscheinlich nie eintretender Zeitpunkt

„Warten auf Godot“, der Titel des wohl bekanntesten Bühnenstücks des irisch-französischen Literaturnobelpreisträgers Samuel Beckett, ist zum scherzhaften geflügelten Wort für endloses Warten geworden. Dabei sollte man das Drama um zwei vergeblich wartende Landstreicher, das am 5. Januar 1953 in Paris uraufgeführt wurde, nicht als bloße Absurdität lesen, sondern als Allegorie einer Gesellschaft, die sich weigert angesichts von Unrecht Verantwortung zu übernehmen. Im französischen Original ist dies durch Anspielungen auf das Schicksal von Juden im von den Nazis besetzten Frankreich sogar noch deutlicher als in der deutschen Fassung.

[] Identitätsdiebstahl, der

betrügerische, missbräuchliche Nutzung der personenbezogenen Daten eines anderen Menschen (besonders im Internet)

Was Ian Fleming 1964 als persönliche Widmung in sein neuestes Buch schrieb, kam einer, wenn auch harmlosen, Selbstbezichtigung gleich: „Dem echten James Bond vom Dieb seiner Identität“. Fleming war in den 1950er Jahren über der Lektüre von Vogelbüchern auf den Autorennamen James Bond gestoßen, dessen schmuckloser und männlicher Klang ihm für seinen neuen Helden passend erschien. Der Ornithologe Bond begeisterte sich allerdings weniger für Martinis, sondern war kulinarisch interessiert: Jeden Vogel, den er beschrieb, soll er auch auf dem Teller gehabt haben. Am 4. Januar 1900 wurde der Vogelkundler geboren.

[] Blockchain, die

über ein Netzwerk verteilte, mehrfach identisch gespeicherte Datenbank, die dazu dient, geschäftliche o. ä. Transaktionen fälschungssicher zu erfassen, indem die Datensätze (Blöcke) der einzelnen Transaktionen mittels kryptografischer Prüfsummen verkettet sind

Gibt es in unserer säkularisierten Welt noch so etwas wie eine Schöpfung? Kann es wirklich, in dieser besten aller Welten, in der alles vorhanden und zuhanden ist, noch etwas gänzlich Neues geben? Ja, es kann. Und es begab sich am 3. Januar 2009, dass ein heute noch unbekanntes Wesen, das sich selber den Namen Satoshi Nakamoto gab, den Genesisblock schuf, den Block 0 der Blockchain, und ihm dem Wert von 50 Bitcoin zusprach. Es war die Geburt der Kryptowährung, der bis heute populärsten und wertvollsten Anwendung der Blockchain-Technologie. Und Sakamoto sprach: Es werde Geld, und es ward Geld.

[] Depperltest, der

mundartlich, spöttisch, D-Südost (Altbayern): Begutachtung einer Person, um festzustellen, ob sie dafür geeignet ist, ein Kraftfahrzeug zu fahren

Was dem Christen das Buch des Lebens ist, in dem alle Verfehlungen vermerkt sind, ist dem Autofahrer die Verkehrssünderkartei in Flensburg. Das Fahreignungsregister, das heute vor 64 Jahren seine Arbeit aufnahm (bis 2014 als „Verkehrszentralregister“), dokumentiert Verfehlungen in Form von Punkten – seit 2021 wird beispielsweise die Teilnahme an einem illegalen Autorennen mit drei Punkten angekreidet. Verkehrssündern droht am Ende zwar nicht das Fegefeuer, wohl aber mit 8 und mehr Punkten der Entzug der Fahrerlaubnis und im Anschluss die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU), im Volksmund respektlos Idioten- oder weiter südlich Depperltest genannt.

[] den Hintern hochkriegen, Mehrwortausdruck

sich zu einer körperlichen Aktivität motivieren, antreiben, um etwas zu erreichen

Ein frohes neues Jahr! Silvester mag durch Corona schon zum zweiten Mal etwas weniger wild ausgefallen sein als üblich (in jedem Fall war es dank Böllerverbot ruhiger!), aber nach den vielen Süßigkeiten der Adventszeit und den für die meisten Leute freien Tagen zwischen den Jahren dürfte heute doch eine überdurchschnittliche Trägheit vorherrschen. Wir hindern Sie natürlich nicht am Ausruhen nach der kurzen Nacht, bitte denken Sie aber daran: Ein neues Jahr ist auch eine gute Gelegenheit, Dinge (endlich) in Angriff zu nehmen. Wir wünschen viel Energie und Erfolg dabei.

[] Schneeballschlacht, die

durch gegenseitiges Bewerfen mit Schneebällen (aus einer Deckung heraus) geführte spielerische Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehr Personen oder Gruppen

Was jeder Grundschüler weiß, haben jüngst Schweizer Wissenschaftler bewiesen: Die Aggregation (vulgo: das Zusammenpappen) von Schneekristallen funktioniert bei den für feuchten Schnee günstigen Temperaturen um null Grad am besten. Bei tieferen Kältegraden wird der Schnee mangels Feuchte pulvriger, der Zusammenhalt sinkt. Gleichwohl hatten die Menschen auch in kühleren Perioden, z. B. während der Kleinen Eiszeit (1300–1900), offenbar großen Spaß an Schneeballschlachten. So sehr, dass es der Stadtverwaltung von Amsterdam offenbar zu viel wurde. Am 31.12.1472 soll der Rat der Stadt das Werfen mit Schneebällen untersagt haben.

[] Datumsgrenze, die

im Pazifik zwischen Nord- und Südpol ungefähr dem 180. Längengrad folgende Linie, bei deren Überschreitung im Datum ein Unterschied von einem Tag auftritt

Was geschah am 30.12.2011 auf dem Inselstaat Samoa? Gar nichts, denn den Tag hat es nie gegeben. Durch Samoas Nähe zu der ungefähr entlang des 180. Längengrades verlaufenden Datumsgrenze entschied man sich aus wirtschaftlichen Gründen „die Seiten zu wechseln“. Handelskontakte in Neuseeland, Australien und Asien waren (zuungunsten des früheren Handelspartners Amerika) immer wichtiger geworden, doch da ein Freitag auf Samoa schon ein Samstag in Australasien war, ein Montag aber noch ein Sonntag, war der Handel nur an drei Tagen in der Woche möglich. Gegen den Sprung in die Zukunft entschied sich Amerikanisch-Samoa, das als Außengebiet der USA auf der östlichen Seite der Datumsgrenze verblieb.

[] Waschtag, der

Tag, an dem üblicherweise die Wäsche gewaschen wird

Sie haben in den letzten Tagen Wäsche gewaschen? Diese gar draußen aufgehängt? Das ist ganz schlecht, ja, es könnte für Ihre Nächsten lebensgefährlich werden. In einigen Gegenden Deutschlands fürchtet man großes Unglück, sollten sich Gott Odin und sein achtbeiniges Pferd Sleipnir auf der Wilden Jagd in einer Raunacht in der Wäscheleine verfangen. Das wäre eine unsanfte Landung für Odin und bedeutete, so geht die Sage, für den Übeltäter den Tod eines Verwandten.

[] Dichterling, der

abwertend: Verfasser schlechter Verse, Versemacher

Bei der Frage nach dem besten Dichter in englischer Sprache mag nicht jeder unumwunden mit William Shakespeare antworten, bei der Frage nach dem schlechtesten Verseschmied wird man aber fast nur einen Namen hören: William McGonagall (1825–1902). Der fragwürdige Ruf brachte dem Exzentriker zwar nicht die Anerkennung seiner Zeitgenossen, aber immerhin doch eine Art begrenzten Nachruhms. Sein wohl noch bestes Gedicht widmete er dem Einsturz der Brücke am Tay am 28.12.1879, das sich aus verständlichen Gründen hierzulande nicht gegen Fontanes geniale Bearbeitung des Stoffs durchsetzen konnte.

[] Raunacht, die

eine der zwölf Nächte zwischen Heiligabend und dem Dreikönigstag, in denen dem Volksglauben nach eine besondere Verbindung zur Geisterwelt herrscht und unter anderem Wohnungen und Ställe ausgeräuchert werden, um böse Geister zu vertreiben

Vielen Menschen, die noch die alten Bräuche (und die alte Rechtschreibung) kennen, wird eher die Schreibung „Rauhnächte“ bzw. die ältere Form „Rauchnächte“ geläufig sein. Aber was gab diesen gefürchteten, von Geistern, Hexen und Wiedergängern beherrschten Nächten eigentlich ihren Namen? Möglicherweise bezieht sich die Bezeichnung auf die rau(ch)en (= haarigen) Felle, mit denen die bösen Dämonen bekleidet waren, vielleicht aber auch auf den üppig gegen sie eingesetzten Weihrauch. Genaues weiß man leider nicht.

[] Stephanstag, der

Festtag zum Gedenken an den heiligen Stephanus (26. Dezember)

Heuer fällt der Zweite Weihnachtstag auf einen Sonntag und ist im Katholizismus daher das Fest der Heiligen Familie. In anderen Jahren wird heute aber eigentlich des Heiligen Stephanus gedacht, und das sogar ökumenisch in den ansonsten ja „heiligenscheuen“ lutherischen sowie in den orthodoxen Kirchen, denn Stephanus war der „Erzmärtyrer“ des jungen Christentums, der erste, der um das Jahr 40 wegen seines Glaubens an Jesus gesteinigt wurde. Mehrere Gebräuche in katholischen Gegenden, z. B. das „Stephanus-Steinigen“, bei dem man einen Stein in der Tasche mitführt, nehmen noch heute darauf Bezug.

[] Weihnachtsgans, die

im Ofen gebratene Gans, die meist mit Zutaten wie Äpfeln, Maronen, Backpflaumen und Zwiebeln gefüllt ist und mit Beilagen wie Rotkohl, Klößen sowie einer Bratensoße traditionell zum Weihnachtsfest serviert wird

Für viele gehört die sprichwörtliche Gans mit Rotkraut zu Weihnachten wie die Kugeln an den Christbaum. Wer aber in älteren Texten stöbert, stellt erstaunt fest, dass die klassische Weihnachtsgans so traditionell gar nicht ist, häufiger belegt ist sie erst seit Ende des 19. Jh. Tatsächlich fand der große Gänseschmaus früher an St. Martin statt. Denn Martini war im agrarisch geprägten Deutschland Zahltag: Knechte und Mägde erhielten ihren Lohn, fällige Abgaben an den Grundherrn mussten (oft in Form von Naturalien) geleistet werden. Das führte dazu, dass reichlich Geflügel am Markt war, das gegessen werden „wollte“. Aber wie schon Corvinus 1715 im Frauenzimmerlexikon schrieb: „Martini schmecken sie am besten … wiewohl sie auch zur andern Zeit nicht zu verwerffen, absonderlich wenn sie in der Küche recht zubereitet werden“.

[] früher war mehr Lametta, Mehrwortausdruck

in der (erinnerten) Vergangenheit war alles prachtvoller, beeindruckender, schöner

War früher wirklich mehr Lametta? Zeitlos komisch ist der Spruch, mit dem sich der quengelnde Opa Hoppenstedt alias Vicco von Bülow einen festen Platz im phraseologischen Wortschatz des Deutschen ergatterte, wohl auch deshalb, weil Loriots Figur in uns allen steckt. Psychologen sprechen hier vom „Reminiszenzhöcker“. Die Erfahrungen in der Zeit des Erwachsenwerdens werden in der persönlichen Entwicklung als besonders intensiv erlebt und in späteren Lebensjahren oft nostalgisch, verklärend erinnert. Im Kontrast dazu kann die Gegenwart bisweilen tatsächlich etwas blass aussehen. Ein bisschen Nostalgie schadet allerdings nicht: Menschen die sich öfter mal einen Blick zurück erlauben, gelten als ausgeglichener und zufriedener. In diesem Sinne wünschen wir allen unseren Lesern ein hoffentlich schönes, zufriedenes Weihnachtsfest.

[] Rauschgold, das

sehr dünn ausgewalztes und flachgeschlagenes, gebeiztes Messingblech mit knittriger, glänzender Optik, die Blattgold ähnelt

Der Spruch „es ist nicht alles Gold, was glänzt“ lässt sich durchaus auch auf die Wortbildung beziehen: Nicht alle Wörter, die „-gold“ als Element haben, verweisen tatsächlich auch auf das Edelmetall. Man denke nur an Katzen-, Rot-, Muschel-, Musiv- und nicht zuletzt an das weihnachtliche Rauschgold. Aus diesem Goldimitat schufen geschäftstüchtige Nürnberger Ende des 18. Jh. den berühmten Rauschgoldengel mit dem typischen kunstvoll gefältelten Gewand. Im Export war der Weihnachtsartikel ausgesprochen erfolgreich. Ästheten wie Johann Caspar Lavater oder Freiherr von Knigge rümpften über diesen „vernürnbergerten“ hässlichen, altmodischen Tand allerdings die Nase. Seiner Beliebtheit konnte das wenig anhaben.

[] Fun Fact, der

Tatsache bzw. Sachverhalt meist belangloser Art, deren Erwähnung Überraschung, Heiterkeit o. Ä. bei der Zuhörerschaft, Zuschauerschaft oder Leserschaft auslöst

Wo wurde wohl der erste Bergsteigerverband der Welt gegründet? In der Schweiz? Österreich? Italien? Frankreich? Einer anderen Alpennation? Weit gefehlt, denn – Fun Fact! – der erste Verband seiner Art wurde am 22.12.1857 in London gegründet. Der „Alpine Club“ verstand sich als höchst exklusiver Gentlemen’s Club (Frauen wurden erst 1974 zugelassen) und verschrieb sich der Fortentwicklung des Alpinismus, in dessen goldenes Zeitalter die Gründung des Vereins fiel. Neben der Erstbesteigung verschiedener bedeutender Gipfel in den Westalpen standen in den Anfangstagen auch wissenschaftliche Untersuchungen im Hochgebirge auf der Tagesordnung.

[] harte Nuss, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: eine schwer zu bewältigende, oft unangenehme, komplizierte Aufgabe

Der gebürtige Brite und Redakteur Arthur Wynne wollte sich etwas ganz Besonderes für die Weihnachtsausgabe der „New York World“ ausdenken. Angelehnt an die bis in die Antike zurückgehenden magischen Quadrate ersann er ein diamantförmiges Denkspiel mit leeren Kästchen in die, gegebenen Hinweisen entsprechend, Wörter eingetragen werden sollten. Das „Wortkreuz“, das wenige Wochen später aufgrund eines typografischen Fehlers zum „Kreuzwort“ wurde, war das erste Kreuzworträtsel der Welt und erschien am 21.12.1913. Mit seinem Rätsel traf Wynne den Zeitgeist: die Absatzzahlen seiner Zeitung stiegen rasant an und weltweit brach ein regelrechtes Rätselfieber aus.

[] schneeweiß, Adj.

weiß wie Schnee, von besonders reinem Weiß

„Und bald … bekam sie ein Töchterlein, so weiß wie der Schnee, so roth wie das Blut, und so schwarz wie Ebenholz, und darum ward es das Sneewittchen genannt.“ Das Märchen von S(ch)neewittchen (ndt. Snee ‚Schnee‘, witt ‚weiß‘), das am 20. Dezember 1812 in der Erstausgabe* der Kinder- und Hausmärchen von Jacob und Wilhelm Grimm erschien, zieht Jung und Alt bis heute in seinen Bann. Damals fand sich neben dem Titel noch eine Übersetzung ins Hochdeutsche. Später verzichteten die Grimms auf den eingeklammerten Titel Schneeweißchen – vermutlich, um Verwechslungen zu vermeiden.

[] Porajmos, der

vom nationalsozialistischen Deutschen Reich in seinem Machtbereich begangener systematischer Völkermord an den Sinti und Roma

Während sich der hebräische Eigenbegriff „Schoah“ für den nazistischen Völkermord an den europäischen Juden in den letzten 35 Jahren allgemein verbreitet hat, ist das Romani-Wort „Por(r)ajmos“ (wörtlich „Verschlingen“) kaum bekannt. Ebenso stiefmütterlich