Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Agitation, die

Grammatik Substantiv (Femininum) · Genitiv Singular: Agitation · Nominativ Plural: Agitationen · wird selten im Plural verwendet
Aussprache  [agitaˈʦi̯oːn]
Worttrennung Agi-ta-ti-on
Wortzerlegung agitieren -ation
Wortbildung  mit ›Agitation‹ als Erstglied: Agitationsarbeit · Agitationseinsatz · Agitationsfilm · Agitationsgruppe · Agitationsmaterial · Agitationsmittel · Agitationsredner · Agitationstätigkeit
 ·  mit ›Agitation‹ als Letztglied: Hausagitation · Massenagitation · Sichtagitation · Wahlagitation
Herkunft aus agitationengl ‘lebhafte politische Wirksamkeit’ < agitātiōlat ‘Bewegung, unablässige Beschäftigung’
ZDL-Vollartikel

Bedeutungen

1.
abwertend Versuch, mithilfe aggressiver, mitreißender Sprache die Meinung anderer zu beeinflussen, starke Emotionen zu schüren
siehe auch Propaganda (1)
Kollokationen:
mit Adjektivattribut: antisemitische, antisowjetische, demokratiefeindliche, hemmungslose, nationalistische, parteipolitische, plumpe Agitation
als Akkusativobjekt: Agitation betreiben
in Koordination: Hetze, Polemik, Propaganda und Agitation
in Präpositionalgruppe/-objekt: etw. für Agitation ausnutzen, missbrauchen
hat Präpositionalgruppe/-objekt: Agitation gegen Flüchtlinge, Zuwanderer
Beispiele:
Das Sicherheitsthema hat nochmals vor Augen geführt, […] dass mit Blick auf Hasskriminalität im Internet […] neue Straftatbestände erforderlich sind, um rechtsextremistische und linksextremistische Agitation im Netz mit den Mitteln des Rechtsstaates zu bekämpfen. [Die Welt, 27.08.2019]
Die Nazis stellten fest, dass es zwar für die politische Agitation völlig ausreichte, gegen »die Juden« zu hetzen, aber eine wissenschaftlich anerkannte Methode, um zu bestimmen, was eigentlich genau »jüdisch« sei, gab es nicht. [Süddeutsche Zeitung, 26.03.2018]
Unter Reform verstehe ich die geistliche und geistige Erneuerung der Kirche in Christus und nicht die Durchsetzung einer Agenda, die mit Agitation statt mit Argumenten betrieben wird. [Die Zeit, 12.01.2018]
Der politische Extremismus, gleich welcher ideologischen Ausrichtung, hält an seinem Ziel der Überwindung unserer verfassungsmäßigen Ordnung fest und verfolgt dieses Ziel in vielfältiger Weise, von aggressiver Agitation bis hin zu offener Gewalttätigkeit. [Archiv der Gegenwart, 2001 [1997]]
Dieser hatte bekundet, Lodomez sei im Jahre 1880 vier Wochen lang sein Berliner Agent gewesen; er habe jedoch, da Lodomez seine Firma durch seine antisemitische Agitation kompromittierte, ihn wieder entlassen müssen. [Friedländer, Hugo: Ein Presse-Skandal. In: ders.: Interessante Kriminal-Prozesse. Berlin: Directmedia Publ. 2001, S. 2998 [1913]]
Die Türkei werde gewarnt, ihr Hoheitsgebiet für provokatorische Agitationen der USA mißbrauchen zu lassen. [Archiv der Gegenwart, 2001 [1970]] ungewöhnl. Pl.
2.
besonders DDR politische Aufklärungstätigkeit, Werbung für politische Ziele
Kollokationen:
in Präpositionalgruppe/-objekt: eine Abteilung, ein Sekretär für Agitation [und Propaganda]
in Koordination: Agitation und Propaganda
Beispiele:
Wir haben es nach zehn Jahren Kampf und Agitation geschafft, das Kindschaftsrecht zu verbessern, und Kinder unverheirateter Eltern haben heute die gleichen Rechte wie die ehelichen. [Süddeutsche Zeitung, 02.06.2018]
Im November 1972 hatte das Politbüro einen Beschluß über »Die Aufgaben von Agitation und Propaganda« gefaßt und darin zum Fernsehen festgestellt: »Starke Einwirkungen auf das politische und geistig‑kulturelle Leben der Gesellschaft gehen vom Fernsehen aus. Das stellt hohe Anforderungen an die Schöpfer der Fernsehprogramme […] [Herbst, Andreas [u. a.]: Lexikon der Organisationen und Institutionen. In: Enzyklopädie der DDR. Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1994], S. 9751]
Ist nicht ein gutes Buch, ein Bild, eine Theateraufführung, ein Gedicht oder ein Film die beste Agitation für den Sozialismus? Haben nicht Maxim Gorki, Scholochow, Majakowski, Brecht, Becher, Wolf, Weinert und viele andere Künstler ihre Kunst als politische Massenarbeit, als Parteiarbeit verstanden? [Neues Deutschland, 26.05.1977]
Er habe im Jahre 1903 bei der Wahl eine Agitation für den nationalliberalen Kandidaten betrieben[…]. [Freie deutsche Presse, 01.01.1905]
Die Agitationen für den Ausbau der Flotte beginnen von neuem. [Vossische Zeitung (Abend-Ausgabe), 02.03.1914] ungewöhnl. Pl.

letzte Änderung:

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Agitator · Agitation · agitieren
Agitator m. ‘Aufklärer, der auf das politische Denken und die Stimmung der Volksmassen aktiv einwirkt’ ist eine Entlehnung (90er Jahre 18. Jh., in frz. Schreibweise) von (aus engl. agitator stammendem) frz. agitateur, zunächst in der Bedeutung ‘Aufwiegler’, bleibt aber ohne nachhaltige Wirkung. Zu Beginn der 30er Jahre des 19. Jhs. wird Agitator nach engl. agitator ‘Volksredner’ (zuvor ‘Soldatenvertreter, Agent’) ein zweites Mal entlehnt, anfangs mit ausdrücklicher Beziehung auf the great agitator, den Iren O’Connell. Zugrunde liegt lat. agitātor ‘Viehtreiber, Wagenlenker’, auch (spätlat.) ‘Anstifter, Verführer’ (zu lat. agitāre, s. unten). Die heutigen Bedeutungen von Agitator, Agitation, agitieren beruhen vielfach auf einer durch Lenin vorgenommenen begrifflichen Präzisierung. – Agitation f. ‘politisches Einwirken auf Bewußtsein und Stimmung der Volksmassen’; seit Mitte der 30er Jahre des 19. Jhs. als politisches Schlagwort in Umlauf nach engl. agitation ‘lebhafte politische Wirksamkeit’ (zuerst 1828 in dieser Bedeutung), das auf lat. agitātio (Genitiv agitātiōnis) ‘Bewegung, unablässige Beschäftigung’ beruht. Im Dt. werden die neuen Begriffe anfangs durch Volksagitation und Volksagitator verdeutlicht. In der heute veralteten Bedeutung ‘Bewegung, Gemütsbewegung, Aufregung’ ist Agitation wie auch Agitator für ‘Treiber, Beweger’ schon seit dem 16. Jh. als direkte Entlehnung aus lat. agitātio bzw. agitātor nachweisbar. agitieren Vb. ‘politische Aufklärung betreiben’, entlehnt (Mitte 40er Jahre 19. Jh.) aus engl. to agitate ‘politisch werben und wirken’, das zum Part.adj. lat. agitātus ‘erregt, geweckt, lebhaft’ gebildet ist; vgl. lat. agitāre ‘in Bewegung setzen, (an)treiben, an-, auf-, erregen, in Verwirrung bringen, eifrig betreiben’, Intensivum zu lat. agere (s. agieren). Das engl. Verb ist zunächst im Sinne von ‘(die Gedanken, Gefühle) stören’, dann ‘in Bewegung sein, tätig sein’ bezeugt, woraus im 17. Jh. die Bedeutung ‘als Vertreter, Agent wirken’ entsteht, die zu engl. agitator ‘Vertreter, Agent’ führt. Die Bedeutung ‘politische Agitation treiben’ ist seit 1822 belegt. Zuvor begegnet im Dt. als direkte Entlehnung aus dem Lat. agitieren im Sinne von ‘an-, auf-, erregen’ (seit 16. Jh.).

Thesaurus

Synonymgruppe
(politische) Hetze · Agitation
Synonymgruppe
Agitation · Hetze · Manipulation · Propaganda · Täuschung · Vernebelung der Gehirne  ●  Volksverdummung  ugs.
Unterbegriffe
Assoziationen
Medizin
Synonymgruppe
Agitation · Agitiertheit
Oberbegriffe
Assoziationen

Typische Verbindungen zu ›Agitation‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›Agitation‹.

Zitationshilfe
„Agitation“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Agitation>.

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