Leid
n.
‘großer Kummer, seelischer Schmerz’,
ahd.
leid
(9. Jh.),
mhd.
leit
‘das angetane Böse, Unrecht, Schädigung, Kränkung, Beleidigung, Sünde’,
dann auch
‘durch Schädigung hervorgerufener Kummer, Schmerz, Betrübnis, Sorge’,
asächs.
lēð
‘Leid, Böses, Sünde’,
mnd.
lēt
‘Leid, Schmerz’,
mnl.
leet,
nl.
leed
‘Böses, Beleidigung, Verdruß, Kummer, Schaden’,
aengl.
lāþ
‘Leid, Schmerz, Unglück, Beleidigung, Plage’.
Das Neutrum ist eine Substantivierung des in
nhd.
leid
(s. unten)
vorliegenden
germ. Adjektivs
*laiþa-;
vgl. die an dieses ebenfalls anzuschließenden femininen Bildungen
anord.
leiða
‘Unlust, Widerwille’,
schwed.
leda,
dän.
lede
‘Überdruß, Ekel’,
im
Westgerm.
ahd.
leida
‘Anklage, Verfolgung’
(8. Jh.),
mhd.
leide
‘Leid, Schmerz, Feindseligkeit’,
mnd.
lēde
‘Leid, Schmerz, Trauer, Angst, Bangigkeit’,
mnl.
lēde
‘Leid, Verdruß, Böses’.
–
leid
Adj.
‘schmerzlich, bedauerlich, widerwärtig’,
ahd.
leid
(8. Jh.),
mhd.
leit
‘nicht lieb, betrübend, widerwärtig, verhaßt, schmerzlich’,
asächs.
lēð
‘verhaßt, feindlich, widerwärtig, böse’,
mnd.
lēt
‘betrübend, böse, verhaßt’,
mnl.
leet,
nl.
leed
‘unangenehm, lästig, verhaßt’,
aengl.
lāþ
‘verhaßt, feindlich, boshaft, schädlich’,
engl.
loath,
loth
‘abgeneigt, nicht willens’,
anord.
leiðr
‘feindlich, verhaßt’,
schwed.
led
‘überdrüssig, böse, leidig’,
dän.
led
‘häßlich, widerlich’.
Das für das
Westgerm. und
Nordgerm.
allgemein bezeugte Adjektiv
germ.
*laiþa-
‘schädigend, kränkend, widerwärtig, unangenehm’
läßt sich mit
griech.
alé͞itēs
(
ἀλείτης)
‘Frevler’,
alité͞in
(
ἀλιτεῖν)
‘freveln, fehlen, sündigen’,
air.
li(u)s
‘Ekel, Widerwille’
vergleichen
und daher wohl zur Wurzel
ie.
*leit-
‘verabscheuen, freveln, Böses tun’
stellen.
Während in den frühen
dt. Sprachstufen
auch attributiver Gebrauch durchaus üblich ist
(so noch
schweiz. im Sinne von
‘unangenehm, schlecht, böse’),
bleibt
leid
heute auf die festen Fügungen
leid tun,
sein,
werden
(mit Dativ der Person)
beschränkt,
die bis zum Zusammenfall beider Formen im älteren
Nhd.
ein Schwanken zwischen prädikativem Adjektiv
ahd.
leid,
mhd.
leit,
frühnhd.
leid
(dieses nicht sicher zu scheiden vom gleichlautenden Substantiv,
das an der Entstehung der Fügungen vermutlich auch beteiligt ist)
und Adverb
ahd.
leido
(um 1000),
mhd.
frühnhd.
leide
zeigen:
etw., jmd. tut jmdm. leid
‘jmd. bedauert etw., jmdn.’
(
mhd.
daʒ tuot mir leit
‘das schmerzt mich’,
daneben aber
einem leit/leide tuon
‘jmdm. Schaden zufügen’);
etw. ist, wird jmdm. leid
‘etw. ist, wird jmdm. lästig, zuwider, verhaßt’
(bereits
ahd.),
dann auch
‘jmd. bedauert, bereut etw.’.
Dazu kommt in jüngster Zeit die Wendung
jmd. ist, wird etw., jmdn. leid
‘jmd. ist, wird einer Sache, Person überdrüssig’
(zunächst in Sätzen wie
ich bin es leid,
wo das ursprünglich genitivische
es
als Akkusativ aufgefaßt wird).
leidig
Adj.
‘lästig, unangenehm’
(nur attributiv,
in dieser Verwendung
leid
ablösend),
ahd.
leidīg,
leidag
‘betrübt, beunruhigt, verwirrt, einer Sache überdrüssig’
(um 1000),
mhd.
leidec,
leidic
‘betrübt, schmerzend, böse, widerwärtig’,
abgeleitet vom Substantiv
(s. oben);
seit dem 18. Jh. in der jetzigen Bedeutung.
beleidigen
Vb.
‘kränken, verletzend behandeln’,
spätmhd.
beleidegen
‘verletzen, schädigen’;
präfigierte Variante von
ahd.
leidigōn
‘Leid zufügen, betrüben, verwirren’
(um 1000),
mhd.
leidegen,
leidigen
‘betrüben, kränken, verletzen’
(dieses vom Adjektiv
ahd.
leidīg,
mhd.
leidec,
s. oben);
dazu
Beleidigung
f.
‘Kränkung’,
spätmhd.
beleidigunge
‘Schädigung, Kränkung’
neben älterem
ahd.
leidigunga
‘Schaden, Unheil’
(um 1000),
spätmhd.
leidegunge
‘Beleidigung, Verletzung’.
verleiden
Vb.
‘die Freude an etw. verderben, die Sympathie für jmdn. nehmen’
(mit Dativ der Person),
mhd.
verleiden
‘verhaßt machen’,
Präfixbildung zu gleichbed.
ahd.
(8. Jh.),
mhd.
leiden,
Faktitivum zu
ahd.
leid
Adj.
(s. oben);
vgl. dagegen
ahd.
firleidōn
(um 1000),
mhd.
verleiden
‘anklagen, beschuldigen’,
das zu
ahd.
leidōn
(8. Jh.),
mhd.
leiden
‘anklagen, Leid zufügen’
gehört
(zu unterscheiden von
nhd.
leiden,
s. d.).
Beileid
n.
‘Mitgefühl, Anteilnahme an einem Todesfall’,
zuerst in der Bedeutung
‘mitempfundenes Leid’
mehrfach bei
Fleming
(1631/32)
nachzuweisen,
im 18. Jh. noch allgemein für
‘Mitleid, Bedauern, Anteilnahme am Schicksal anderer’
im weitesten Sinne,
doch gelegentlich schon mit Bezug auf Todesfälle verwendet,
gegen Ende des 18. Jhs. eingeengt
auf das den Hinterbliebenen gegenüber zum Ausdruck gebrachte Mitgefühl.
leider
Adv.
‘bedauerlicherweise, unglücklicherweise’,
ahd.
leidōr
(9. Jh.),
mhd.
leider,
mnd.
lēder,
leider,
eigentlich Komparativ des Adverbs
(
ahd.
leido,
mhd.
leide,
s. oben)
mit verstärkender Funktion,
seit Beginn der Überlieferung
oft als Ausruf des Bedauerns und der Klage gebraucht;
auffällig ist die steigernde Fügung
leider Gottes
(17. Jh.),
die nach
Andresen
in: ZfdA
(1886) 417 f.
wahrscheinlich auf Umbildung der Beteuerungsformel
(beim) Leiden Gottes
beruht
(s.
Leiden).