Bewusstseinsstrom, der
GrammatikSubstantiv (Maskulinum) · Genitiv Singular: Bewusstseinsstrom(e)s · Nominativ Plural: Bewusstseinsströme
Aussprache [bəˈvʊstzaɪ̯nsˌʃtʀoːm]
Worttrennung Be-wusst-seins-strom
Wortzerlegung Bewusstsein Strom
Ungültige Schreibung Bewußtseinsstrom
Rechtschreibregel § 2
Bedeutungsübersicht
- 1. [Psychologie] ungeordnete Folge von Bewusstseinsinhalten
- 2. [metonymisch, Literaturwissenschaft] Erzähltechnik, bei der die scheinbar ungeordnete Folge der Bewusstseinsinhalte einer oder mehrerer Figuren wiedergegeben wird
DWDS-Vollartikel
Bedeutungen
1.
Psychologie ungeordnete Folge von Bewusstseinsinhalten
Beispiele:
In unseren Gehirnen kombinieren sich pausenlos die Gedanken, Bilder, Wünsche, Absichten. Ein irrwitziges Geschehen im Kopf – die Buddhisten nennen es »den verrückten Affen«. Das Dauerfeuer der Neuronen löst den Bewußtseinsstrom aus, doch nur ein Bruchteil des Gedankenflusses hält vor, bis er eine Handlung steuert. [Die Zeit, 08.10.1998]
Den Begriff prägte der amerikanische Psychologe und Philosoph William James (1842–1910): den Begriff vom Bewusstseinsstrom, vom »Stream of Consciousness«, der dann ja auch bald die Kunst, vor allem natürlich die Literatur nachhaltig prägen sollte. [Leipziger Volkszeitung, 30.10.2019]
Die meisten Wissenschaftler, auch die Psychologen, halten unseren Bewußtseinsstrom für zu subjektiv, um ihn erforschen zu können, aber im Grunde stellt er die objektivste Gegebenheit dar, auf die wir zugreifen können. [Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.07.2001]
Ein besonders wichtiger Beitrag ist die Analyse der subjektiven Sinngebung (Schütz, 1974). Im spontanen Hinleben des Bewußtseinsstromes hat mein Erleben noch keinen Sinn. Erst wenn ich mich diesem Erleben in reflexiver Einstellung zuwende, lassen sich daraus vergangene oder künftige Erfahrungen ausgrenzen. [Asanger, Roland / Wenninger, Gerd (Hg.): Handwörterbuch der Psychologie. Weinheim [u. a.]: Beltz 1980, S. 109]
Die Qualitäten, die als Inhalte des Bewußtseinsstromes auftreten, lassen sich nicht aussagen, beschreiben, ausdrücken, mitteilen, sondern nur im Erlebnis aufzeigen. [Carnap, Rudolf: Logische Syntax der Sprache. Wien: Springer 1934, S. 242]
2.
metonymisch, Literaturwissenschaft Erzähltechnik, bei der die scheinbar ungeordnete Folge der Bewusstseinsinhalte einer oder mehrerer Figuren wiedergegeben wird
Kollokationen:
in Koordination: Bewusstseinsstrom und innerer Monolog
Beispiele:
Die […] abgehakten [sic!], kurzen Sätze, die teilweise an die Erzähltechnik des Bewusstseinsstroms erinnern, spiegeln die Gedanken der handelnden Personen wieder: sprunghaft, ungefiltert, manchmal die Wahrheit verleugnend, aber immer im Kontext der personeneignen Psyche für die jeweiligen Individuen wahr. [Rezension zu Annika Reichs Erzählung »Teflon«, 16.05.2012, aufgerufen am 31.08.2020]
»Milkwishes« ist ein schmaler Band mit drei Kurzgeschichten – es sind drei unaufgeregte Bewusstseinsströme, und in allen geht es um einen umstrittenen Augenblick. [Süddeutsche Zeitung, 13.11.2020]
Also verrät der Erzähler die Fluchtpläne des Freundes. Jahre später fürchtet er, durch Andreas’ Stasi‑Akte aufzufliegen. Der Leser folgt fassungslos dem Bewusstseinsstrom, in dem sich die Hauptfigur voller Selbstgerechtigkeit reinzuwaschen sucht: »Andreas wäre im Westen nicht glücklich geworden«[…]. [Saarbrücker Zeitung, 24.08.2020]
Daneben birgt ein Handlungsgerüst, das überwiegend aus einem Gedankenreport im Bewußtseinsstrom besteht, zwangsläufig den Nachteil, daß sich kein Spannungsbogen aufbauen kann. Nicht einmal der eigentlich übliche Urlaubsflirt ereignet sich in »Leichtes Licht«, aber die Handlungsarmut ist vom Autor beabsichtigt. [Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.06.2005]
Am interessantesten sind die […] Beschreibungen des subjektiven Zeitflusses in der Literatur (Bewußtseinsstrom von Joyce und Virginia Woolf). [Schwanitz, Dietrich: Bildung. Frankfurt a. M.: Eichborn 1999, S. 343]
letzte Änderung:
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Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›Bewußtseinsstrom‹.
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