Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Gewissen, das

Grammatik Substantiv (Neutrum) · Genitiv Singular: Gewissens · Nominativ Plural: Gewissen
Aussprache 
Worttrennung Ge-wis-sen
eWDG

Bedeutung

sittliches Bewusstsein, innere Stimme, Fähigkeit des Menschen, Rechenschaft vor sich selbst abzulegen
Beispiele:
er hat ein ruhiges, reines, feinfühliges, böses, schuldbeladenes, weites, bedrücktes, robustes Gewissen
sein schlechtes Gewissen stand ihm im Gesicht geschrieben
er sieht aus wie das leibhaftige schlechte Gewissen
das verbietet ihm sein künstlerisches, wissenschaftliches Gewissen
das Gewissen lässt ihm keine Ruhe
das Gewissen peinigt, quält, plagt jmdn.
jmdm. schlägt das Gewissen
jmds. Gewissen regt sich, ist wach, schläft
die Ruhe des Gewissens
der Stimme, dem Ruf des Gewissens folgen
seinem Gewissen folgen
er hat kein Gewissen
er ist ein Mensch ohne Gewissen
sein Gewissen beruhigen, beschwichtigen, einschläfern, erleichtern, entlasten, beschweren, schärfen
jmds. Gewissen wachrütteln
etw. belastet jmds. Gewissen
sich [Dativ] ein Gewissen aus etw. machen (= etw. schwer nehmen)
sprichwörtlichein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen
mit Präposition
Grammatik: in Verbindung mit »an«
Beispiel:
an jmds. Gewissen rütteln, appellieren
Grammatik: in Verbindung mit »auf«
Beispiele:
jmdm. etw. auf das Gewissen binden
jmdm. fällt etw. auf das Gewissen
etw. auf sein Gewissen laden
jmdn. auf Ehre und Gewissen fragen
etw. auf Ehre und Gewissen beteuern
jmdn. auf dem Gewissen haben (= an jmds. Unglück, Tod, Untergang schuld sein)
Grammatik: in Verbindung mit »in«
Beispiel:
jmdm. ins Gewissen reden (= jmdm. Vorhaltungen machen)
Grammatik: in Verbindung mit »mit«
Beispiel:
das musst du mit deinem Gewissen ausmachen
Grammatik: in Verbindung mit »nach«
Beispiel:
nach bestem Wissen und Gewissen antworten
Grammatik: in Verbindung mit »vor«
Beispiel:
etw. vor seinem Gewissen verantworten können
Dieses Wort ist Teil des Wortschatzes für das Goethe-Zertifikat B1.
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Gewissen · gewissenhaft · Gewissenhaftigkeit · gewissenlos · Gewissenlosigkeit · Gewissensbiß · Gewissensehe · Gewissensfrage · Gewissensfreiheit
Gewissen n. ‘Vermögen des Menschen, sein Verhalten sittlich einzuschätzen’. Zu dem zu ahd. wiʒʒan (s. wissen) gehörigen Part. Prät. giwiʒʒan wird das Adjektivabstraktum ahd. giwiʒʒanī f. (11. Jh.) gebildet. Es ist der Versuch einer Wiedergabe von lat. cōnscientia ‘Bewußtsein moralischer Handlungen’, eigentlich ‘das Mitwissen’ (vgl. lat. scientia ‘Kenntnis, Wissen, Wissenschaft’ und s. kon-), das seinerseits dem griech. syné͞idēsis (συνείδησις) ‘Mitwissen, Bewußtsein, (gutes) Gewissen’ nachgebildet ist. Semantische Weiterentwicklung zeigt mhd. gewiʒʒen f. n. ‘Wissen, Kenntnis, Kunde, Erkenntnis dessen, was sich schickt’, das in Analogie zum substantivierten Infinitiv von wiʒʒen neutrales Genus annimmt. Der Begriff des Gewissens entsteht im antiken Griechenland aus der Vorstellung, daß es für alle Handlungen und Verhaltensweisen gegenüber Göttern und Menschen einen inneren „Mitwisser“ gibt. In der christlichen Ethik wird das Gewissen zu einem zentralen Begriff menschlichen sittlichen Verhaltens und des Vermögens, seine Handlungen selbst einzuschätzen. – gewissenhaft Adj. ‘genau, zuverlässig’ (17. Jh.). Gewissenhaftigkeit f. ‘Sorgfältigkeit, Genauigkeit’ (1. Hälfte 18. Jh.), zu gewissenhaftig Adj. (16. Jh., im 18. Jh. nicht mehr üblich). gewissenlos Adj. ‘ohne Gewissen, ohne Skrupel’ (um 1400, geläufig erst im 17. Jh.); dazu Gewissenlosigkeit f. ‘Bedenkenlosigkeit, Skrupellosigkeit’ (18. Jh.). Gewissensbiß m. (meist Plur.) ‘moralisches Bedenken, Schuldgefühl’ (17. Jh.), nach (im 17. Jh. häufig belegtem) lat. cōnscientiae morsus; vgl. auch mein Gewissen beißt (Luther), lat. cōnscientiā mordērī (Cicero). Gewissensehe f. ‘Ehe ohne amtlichen Nachweis’ (um 1800) für lat. mātrimōnium cōnscientiae. Gewissensfrage f. ‘eine moralische Entscheidung fordernde Frage’ (17. Jh.). Gewissensfreiheit f. ‘Recht, nicht unter Zwang, sondern nur nach dem Gewissen zu entscheiden, besonders seine Religion ungehindert auszuüben’ (17. Jh.), wohl nach frz. liberté de conscience.

Thesaurus

Synonymgruppe
Bewusstsein von Recht und Unrecht · Unrechtsbewusstsein  ●  Gewissen  Hauptform · moralischer Kompass  fig.

Typische Verbindungen zu ›Gewissen‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›Gewissen‹.

Verwendungsbeispiele für ›Gewissen‹

maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora

Tatsächlich rütteln diese Filme das Gewissen in den reichen Ländern auf. [P. M.: Peter Moosleitners interessantes Magazin, 1985, Nr. 7]
Selbst Behinderte, die masturbieren können, tun es mit einem schlechten Gewissen. [Klee, Ernst: Behinderten-Report, Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch-Verl. 1981 [1974], S. 178]
Er hat sein Amt uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten. [Eschenburg, Theodor: Staat und Gesellschaft in Deutschland, Stuttgart: Schwab 1957 [1956], S. 1058]
Aus der religiösen Freiheit der Gewissen haben sich die politisch‑moralischen Menschenrechte entwickelt. [Heimpel, Hermann: Luthers weltgeschichtliche Bedeutung. In: ders., Der Mensch in seiner Gegenwart, Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht 1957 [1946], S. 148]
Man kann in manchen Fragen einheitlich handeln, in anderen kann jeder einzeln nach dem Gewissen entscheiden. [Der Spiegel, 27.06.1983]
Zitationshilfe
„Gewissen“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Gewissen>.

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