Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Gewissensbiss, der

Grammatik Substantiv (Maskulinum) · Genitiv Singular: Gewissensbisses · Nominativ Plural: Gewissensbisse · wird selten im Singular verwendet
Aussprache  [gəˈvɪsn̩sˌbɪs]
Worttrennung Ge-wis-sens-biss
Wortzerlegung Gewissen Biss
Ungültige Schreibung Gewissensbiß
Rechtschreibregeln § 2, § 25 (E1)
Herkunft aus gleichbedeutend cōnscientiae morsuslat
eWDG und ZDL

Bedeutung

umgangssprachlich Schuldgefühl, schlechtes Gewissen aufgrund eigenen, als falsch empfundenen Verhaltens; Bedenken, Skrupel im Vorfeld einer beabsichtigten, als falsch empfundenen Handlung
Kollokationen:
in Präpositionalgruppe/-objekt: von Gewissensbissen geplagt, befreit
Beispiele:
quälende GewissensbisseWDG
mit Gewissensbissen kämpfenWDG
Gewissensbisse haben, spürenWDG
Schon als Jugendlicher hat er seinen Großvater über den Zweiten Weltkrieg auszufragen versucht. Doch der blockte ab. […] Keiner der Enkel hatte je den Eindruck, dass den Großvater Gewissensbisse plagten. [Badische Zeitung, 08.04.2020]
Noch vor wenigen Jahren galt es noch als individuelle Freiheit, Mode, Trend und alltägliche Rebellion[…]. […] Viele Eltern rauchten […] ohne Gewissensbisse in Anwesenheit ihrer Kinder im Auto, zu Hause, auf dem Spielplatz … [Münchner Merkur, 01.06.2018]
Auf Zehenspitzen schlich er zum offenen Fenster hinüber. Einen Augenblick [lang] hatte er Gewissensbisse: Schon wieder belauschte er seine Großeltern, obwohl er doch wusste, dass es nicht okay war … [Toft, Di / Rothfuß, Ilse: Der Clan der Wolfen. In: Chicken House. Hamburg 2010]
Das Amtsgericht hat am Freitag Haftbefehl gegen den 26‑Jährigen erlassen, der am späten Donnerstagnachmittag die GE‑Bank […] überfallen hatte. […] Er war zunächst geflüchtet, hatte dann aber Gewissensbisse bekommen, seiner Mutter von dem Überfall erzählt und war dann gemeinsam mit ihr zur Polizei gegangen. [Rhein-Zeitung, 10.02.2007]
»Was soll ich anziehen, denn Männerhände sind ungeduldig?«, besangen sie [Künstlerinnen eines Kabarettduos] die Gewissensbisse vor dem One‑Night‑Stand […]. [Südkurier, 16.08.2004]
Leute, die unter Normalbedingungen nur die eigenen privaten Interessen sehen, begreifen sich [bei Eintritt herausragender nationaler Ereignisse] plötzlich als Mitglieder einer Gemeinschaft; für einen Moment gehen dann die Kriminalitäts‑ und Selbstmordraten rapide zurück, […] Kleinbürger rücken zur Unterstützung der Front das Familiensilber raus, der Taschendieb kriegt Gewissensbisse, einen Landsmann zu beklauen. [konkret, 2000 [1992]]
[…] [die andern schienen] keineswegs an übertrieben heftigen Gewissensbissen zu leiden […] [ KästnerEmil123]WDG
Wegen seines Verbrechens an seinem Bruder hatte der Angeklagte damals nicht die Spur eines Gewissensbisses. [Neues Deutschland, 05.04.1959] ungewöhnl. Sg.

letzte Änderung:

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Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Gewissen · gewissenhaft · Gewissenhaftigkeit · gewissenlos · Gewissenlosigkeit · Gewissensbiß · Gewissensehe · Gewissensfrage · Gewissensfreiheit
Gewissen n. ‘Vermögen des Menschen, sein Verhalten sittlich einzuschätzen’. Zu dem zu ahd. wiʒʒan (s. wissen) gehörigen Part. Prät. giwiʒʒan wird das Adjektivabstraktum ahd. giwiʒʒanī f. (11. Jh.) gebildet. Es ist der Versuch einer Wiedergabe von lat. cōnscientia ‘Bewußtsein moralischer Handlungen’, eigentlich ‘das Mitwissen’ (vgl. lat. scientia ‘Kenntnis, Wissen, Wissenschaft’ und s. kon-), das seinerseits dem griech. syné͞idēsis (συνείδησις) ‘Mitwissen, Bewußtsein, (gutes) Gewissen’ nachgebildet ist. Semantische Weiterentwicklung zeigt mhd. gewiʒʒen f. n. ‘Wissen, Kenntnis, Kunde, Erkenntnis dessen, was sich schickt’, das in Analogie zum substantivierten Infinitiv von wiʒʒen neutrales Genus annimmt. Der Begriff des Gewissens entsteht im antiken Griechenland aus der Vorstellung, daß es für alle Handlungen und Verhaltensweisen gegenüber Göttern und Menschen einen inneren „Mitwisser“ gibt. In der christlichen Ethik wird das Gewissen zu einem zentralen Begriff menschlichen sittlichen Verhaltens und des Vermögens, seine Handlungen selbst einzuschätzen. – gewissenhaft Adj. ‘genau, zuverlässig’ (17. Jh.). Gewissenhaftigkeit f. ‘Sorgfältigkeit, Genauigkeit’ (1. Hälfte 18. Jh.), zu gewissenhaftig Adj. (16. Jh., im 18. Jh. nicht mehr üblich). gewissenlos Adj. ‘ohne Gewissen, ohne Skrupel’ (um 1400, geläufig erst im 17. Jh.); dazu Gewissenlosigkeit f. ‘Bedenkenlosigkeit, Skrupellosigkeit’ (18. Jh.). Gewissensbiß m. (meist Plur.) ‘moralisches Bedenken, Schuldgefühl’ (17. Jh.), nach (im 17. Jh. häufig belegtem) lat. cōnscientiae morsus; vgl. auch mein Gewissen beißt (Luther), lat. cōnscientiā mordērī (Cicero). Gewissensehe f. ‘Ehe ohne amtlichen Nachweis’ (um 1800) für lat. mātrimōnium cōnscientiae. Gewissensfrage f. ‘eine moralische Entscheidung fordernde Frage’ (17. Jh.). Gewissensfreiheit f. ‘Recht, nicht unter Zwang, sondern nur nach dem Gewissen zu entscheiden, besonders seine Religion ungehindert auszuüben’ (17. Jh.), wohl nach frz. liberté de conscience.

Typische Verbindungen zu ›Gewissensbiß‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›Gewissensbiß‹.

quälend
Zitationshilfe
„Gewissensbiss“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Gewissensbiss>.

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