Angehöriger des jüdischen Volkes bzw. Anhänger der jüdischen Religion
Als Angehöriger des jüdischen Volkes gilt nach
herkömmlicher Auffassung, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde, ungeachtet
der Tatsache, dass auch das Judentum (vor allem in historischer Zeit nicht
unbedeutende) Konversionen kannte und kennt. Wohl weil die Abstammung für die
Religionszugehörigkeit eine stärkere Rolle als in anderen Religionen wie dem
Christentum spielt, wird sprachlich zwischen den Dimensionen der Abstammung und des
Bekenntnisses meist nicht konsequent unterschieden, auch wenn die Abstammung sowohl
in der Eigenbetrachtung (nämlich für die Frage, ob jemand nach den Religionsgesetzen
als Jude gilt) als auch in der Fremdbetrachtung (beispielsweise im
Nationalsozialismus für die Frage, ob jemand als Jude der Abstammung nach
diskriminierenden Gesetzen unterliegt, auch wenn er der jüdischen Religion nicht
anhängt) durchaus im Vordergrund stehen kann. Der jüdischen Religionsgemeinschaft
gehört an, wer den in der Tora (den fünf Büchern Mose des christlichen Alten Testamentes entsprechend)
niedergelegten und in Talmud und Halacha diskutierten und ausgeführten Gesetzen und Lehren folgt, was nach
herkömmlicher Ansicht wiederum nicht völlig losgelöst von der Volkszugehörigkeit
möglich ist. Die Ansichten über die Volks- und Religionszugehörigkeit gehen im
Einzelfall innerhalb der verschiedenen Strömungen des Judentums sehr
auseinander.
Kollokationen:
mit Adjektivattribut: deutsche, russische Juden; orthodoxe, ultraorthodoxe Juden; die verfolgten, deportierten, ermordeten Juden
als Akkusativobjekt: Juden hassen, töten, umbringen, ermorden, aufnehmen, retten, verstecken
in Präpositionalgruppe/-objekt: der Mord, Völkermord, Massenmord an den [europäischen] Juden; die Deportation, die Ermordung von, die Verbrechen an den Juden; das Denkmal für die [ermordeten] Juden [Europas]
in Koordination: Juden und Christen, Deutsche, Muslime, Araber
als Genitivattribut: der Zentralrat der Juden (= Dachorganisation jüdischer Gemeinden und Landesverbände in Deutschland); die Geschichte, das Leben, die Emanzipation, das Schicksal, die Verfolgung, die Vertreibung, die Deportation, die Ermordung, die Vernichtung, die Ausrottung der Juden
Beispiele:
Wer eine jüdische Mutter hat, ist Jude. Die
jüdischen Religionsvorschriften kennen aber auch die Möglichkeit, zum
Judentum zu konvertieren. [Hamburger Abendblatt, 17.03.2014]
Von den Nationalsozialisten wurde er als Jude
eingestuft, obwohl er schon als junger Mann zum Christentum konvertiert war. [Basler Zeitung, 28.12.2021]
Die Kaschrut, ein Abschnitt der Tora, legt die Speisegesetze für
gläubige Juden fest. Es wird unterschieden zwischen
Lebensmitteln, die koscher und somit zum Verzehr erlaubt sind, und solchen,
die als treife, das heißt als unerlaubt gelten. [Neue Westfälische, 02.12.2021]
Das neue Israel ist entstanden, weil viele
Juden nach Jahrhunderten der Verfolgung glaubten,
dass sie niemals wirklich sicher sein würden, wenn nicht in einem eigenem
Staat, und zwar einem wehrhaften. [Der Tagesspiegel, 23.05.2021]
Auschwitz – dieser Name steht für das grauenhafteste Verbrechen der
Menschheitsgeschichte, für den vom nationalsozialistischen Deutschen Reich
organisierten und verübten millionenfachen Mord an den europäischen
Juden. [Der Tagesspiegel, 31.01.2021]
Jeder Jude hat das Recht auf eine
Staatsbürgerschaft in Israel, auf eine Allya, eine vom Staat gesponserte
Zeit, in der ein Jude Israeli wird, Hebräisch lernt
und über Geschichte und Politik erfährt. [Daily Routine, 03.11.2012, aufgerufen am 01.09.2020]
Der bedeutendste Vertreter der jüdischen mittelalterlichen Theologie
und Philosophie ist Moses Maimonides (*1135 in Córdoba; †1204 in Kairo).
Durch Kommentare des Talmud und durch systematische Darstellungen
(»Wiederholung des Gesetzes«) suchte er die jüdische Lehre zu erklären und
dem einfachen Juden nahezubringen. [Jedin, Hubert (Hg.): Handbuch der Kirchengeschichte. Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1966], S. 6655]
Diese Juden, sagt er, haben Jesum ans Kreuz
geschlagen, mit Nägeln, Achtzöller. Er weiß das. Jetzt laufen sie rum auf
der ganzen Welt, sagt er, das Kainszeichen der Jesusmörder auf ihrer Stirn.
Das ist alles schon so alt, daß es aussieht wie eine leibhaftige Wahrheit. [Bobrowski, Johannes: Levins Mühle. Frankfurt a. M.: Fischer 1964, S. 173]
●
Schimpfwort
Die jahrhundertelange Leidensgeschichte der Juden spiegelt sich auch in der Geschichte ihrer sprachlichen Herabwürdigung. Sowohl für Angehörige des jüdischen Volkes als auch für Nichtjuden taucht der Volksname immer wieder auch als Schimpfwort auf. Der Verstoß gegen einen inzwischen dagegenstehenden, mehr oder weniger allgemein geltenden Konsens der Sprachgemeinschaft ist dabei heute so stark, dass dieser verschiedentlich berichtete Gebrauch außerhalb bestimmter, tendenziell muslimischer oder rechtsextremer Milieus in der Regel nicht geduldet wird.
Beispiele:
Nachdenklich stimmte die Mitteilung einer Schülerin, dass auf dem
Pausenhof »du Jude« als Schimpfwort benutzt
wird. [Meet a Jew, 01.12.2020, aufgerufen am 17.03.2021]
Ein anderer verpasst ihm eine Backpfeife.
»Jude, verpiss dich aus unserem
Bezirk.« [Berliner Morgenpost, 26.09.2018]
»Du Jude!« schreien sich auch die
Prenzl’berger‑Kids zu, wenn sie sich beleidigen wollen und die
Bio‑Eltern gerade nicht hinhören. [Die Verantwortung von HR in Zeiten rechter
Abgründe, 08.09.2018, aufgerufen am 01.09.2020]
»Hau ab, du Jude« – Antisemitismus in
Deutschland [Überschrift] Jahrelang wurde
ein jetzt 15‑Jähriger beleidigt, verprügelt, gemobbt, weil er Jude ist.
Erst seitdem er die Schule gewechselt hat, geht es ihm wieder
besser. [Das Erste / »Bericht aus Berlin«, 13.04.2018, aufgerufen am 01.09.2020]
Muslimische Teenager benutzen den Ausdruck »Du
Jude« als Schimpfwort. Auf einer
Palästina‑Solidaritäts‑Demonstration skandieren jugendliche Migranten:
»Wir wollen keine Judenschweine!« Arabische Schüler erklären im
Geschichtsunterricht, dass der Holocaust zu Recht stattfand. [»Angriff auf Rabbiner in Berlin«, 30.08.2012, aufgerufen am 01.09.2020]
Damals [bei einem Fußballspiel]
riefen Jugendliche Sprüche wie »Du Judenschwein«, »Fick deine Mutter, du
Judensau« und »Wir ziehen dir die Vorhaut runter, du
Jude« in Richtung der Spieler des Gastvereins
aus Chemnitz und des Schiedsrichter‑Gespanns. Die Wurzener
Vereinsverantwortlichen leugneten seinerzeit die Vorfälle, bis sie
schließlich nicht mehr abzustreiten waren. [Im Osten nichts Neues, 04.04.2008, aufgerufen am 01.09.2020]
Der Angeklagte räumte vor Gericht ein, daß er dem Studenten in
einem Cafe grundlos eine Ohrfeige versetzt und ihm dabei die Worte »Du
Jude, dich sollte man vergasen« zugerufen
habe. [die tageszeitung, 10.03.1995]