Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Kalkül, der oder das

Grammatik Substantiv (Maskulinum, Neutrum) · Genitiv Singular: Kalküls · Nominativ Plural: Kalküle
Aussprache  [kalˈkyːl]
Worttrennung Kal-kül
Wortbildung  mit ›Kalkül‹ als Letztglied: Entscheidungskalkül · Nutzenkalkül
Herkunft zu calculuslat ‘Rechenstein auf dem Rechenbrett, Berechnung’ < calxlat ‘Stein, Kalkstein, roher oder gelöschter Kalk’ ( Kalk), vgl. calculfrz ‘Kalkül, Berechnung’
eWDG und ZDL

Bedeutungen

1.
vorausschauende Überlegung, kühle Abwägung (der Vor- und Nachteile) von etw.
Kollokationen:
mit Adjektivattribut: taktisches, strategisches, wahltaktisches Kalkül; kühles, nüchternes, rationales, zynisches Kalkül; kommerzielles, politisches, wirtschaftliches Kalkül
als Dativobjekt: einem Kalkül entsprechen, entspringen, folgen
als Akkusativobjekt: Kalkül unterstellen, vermuten
in Präpositionalgruppe/-objekt: zum Kalkül gehören; ins Kalkül passen
mit Genitivattribut: das Kalkül der Investoren, der Partei, der Regierung
in Koordination: Kalkül und Leidenschaft
mit Prädikativ: das Kalkül ist einfach, klar, simpel
als Aktivsubjekt: das Kalkül geht auf
Beispiele:
etw. geschieht aus, steht unter verstandesmäßigem, kaufmännischem, diplomatischem KalkülWDG
Ein genauer Blick in die Kulturgeschichte des Radios scheint […] einen düsteren Befund zu ergeben: Denn die Entwicklung jenes »wunderbaren Werkzeuges der Mitteilung« (Albert Einstein) verdankt sich nicht zuletzt einem militärisch‑strategischen Kalkül. So besitzt bereits die Vorgeschichte des Radios ein militärisches Antlitz. [Das Radio als Demokratie-Apparat?, 13.02.2023, aufgerufen am 14.02.2023]
[…] steckt hinter ihrer neusten Entscheidung, einen zweiten »OnlyFans«‑Account zu eröffnen, knallharter Kalkül oder pure Verzweiflung? [Dieser Schritt spricht Bände, 03.02.2022, aufgerufen am 08.11.2022]
Die Geschichte des Brexits liest sich dato als eine Abfolge fehlgeleiteter politischer Kalküle und nicht‑intendierter Folgen, die sich immer mehr zum Fiasko entfalteten. [Nordirland zwischen Frieden und Brexit, 07.02.2022, aufgerufen am 08.11.2022]
Wirtschaftliches Kalkül nimmt in unserem Leben einen immer größeren Raum ein. [Die Zeit, 17.02.2000]
Tell läßt sich nicht auf die verschlungenen Wege politischer Berechnung und Kalküle ein, er taktiert nicht. [Safranski, Rüdiger: Friedrich Schiller. München / Wien: Carl Hanser 2004, S. 623]
Niemand soll sagen, Wir hätten das Gesetz der Liebe / politischem Kalkül geopfert […] [ HochhuthStellvertreterIV]WDG
etw. ins Kalkül (einbe)ziehen, einsetzen (= etw. bedenken, mit in Betracht ziehen, berücksichtigen)
Beispiele:
der verantwortungsvolle Autofahrer bezieht alle vorstellbaren Gefahrenmomente in das Kalkül einWDG
Derzeit werden nach wie vor die verschiedenen Varianten untersucht, die die Sanierung der beiden Brunnen vorsehen, die Erschließung eines neuen Brunnens in Betracht ziehen oder einen Anschluss an das Wasserwerk Mittelstreu ins Kalkül ziehen. [Versorgungssicherheit ist das Thema Nummer eins, 08.02.2023, aufgerufen am 09.02.2023]
[…] vermutlich zieht der Verein bei allen Sparüberlegungen erneut eine richtige Doppelbesetzung ins Kalkül, wenn ab 2024 im Jagdhaus Kössern wieder eine Tourist‑Information Besucher empfängt und das wunderschöne Ambiente für rauschende Hochzeitsfeste gebucht werden kann. [Leipziger Volkszeitung, 20.01.2023]
Dass betroffene Länder auf die Sanktionen reagieren, hat es schon bisher gegeben und muss bei einer Abschätzung der Instrumente ins Kalkül einbezogen werden. [Neue Zürcher Zeitung, 06.09.2018]
[…] das [seine Unberechenbarkeit] wollen wir ins Kalkül ziehn […] [ WeiskopfAbschied v. Frieden1,454]WDG
Eine solche Wendung wird von Tag zu Tag dringlicher, seitdem das Entstehen des Gemeinsamen Europa‑Marktes mit ins Kalkül eingesetzt werden muß. [Die Zeit, 13.02.1958] ungewöhnl.
2.
Mathematik, Logik formales System aus Regeln, mit denen sich aus gegebenen Aussagen (den Axiomen) weitere Aussagen ableiten lassen
Grammatik: Genus Maskulinum
Kollokationen:
mit Adjektivattribut: ein mathematischer Kalkül
als Genitivattribut: die Anwendung, Aufstellung, das Ergebnis, eine Formel des Kalküls
Beispiele:
Mit den formalen Kalkülen der Mathematik bin ich bis heute überfordert. [Die »biologische Kränkung«, 17.05.2020, aufgerufen am 31.08.2020]
Ein Kalkül (z. B. der der Arithmetik, des Rechnens mit natürlichen Zahlen) besteht dabei aus einem Zeichenvorrat, aus daraus bildbaren »Formeln«, aus Schlussregeln und aus gewissen unhinterfragt bleibenden Aussagen (»Axiomen« des Kalküls). [Der Standard, 01.03.2002]
Gödels »Unvollständigkeitssätze« aus dem Jahre 1931 zeigten auf der Basis von formalen Kalkülen, daß ein arithmetisches Axiomensystem und darüberhinaus jede logische Formalsprache niemals zugleich vollständig und widerspruchsfrei sein kann, man also entweder nicht alle in einer basalen Logiksprache formulierbaren Sätze beweisen kann oder auch falsche. [Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.01.2002]
Die Prädikatenlogik kennt eine große Anzahl möglicher Kalküle (auch wenn sie alle miteinander verwandt sind). [C’t, 1990, Nr. 6]
In seiner »Begriffsschrift« von 1879 hatte der damals 31jährige Frege die Logik durch fundamentale Neuerungen revolutioniert: Den ersten aussagenlogischen Kalkül auf der Basis der Wahrheitsfunktionen, die Analyse von Sätzen in Argument und Funktion (statt der traditionellen Einteilung in Subjekt und Prädikat), eine Theorie der Quantifikation – die Grundlage der Prädikatenlogik der ersten Stufe –, schließlich eine ganz neue zweidimensionale Schrift, mit deren Hilfe logische Verknüpfungen von Sätzen durchsichtig wurden. [Die Zeit, 17.06.1983]
Im Gegensatz zum formalistischen Standpunkt vertrat Frege die Auffassung, daß die logische Grundlegung der Mathematik die Aufgabe habe, nicht nur einen Kalkül aufzustellen, sondern vor allem auch über die Bedeutung der mathematischen Zeichen und Sätze Rechenschaft zu geben. [Carnap, Rudolf: Logische Syntax der Sprache. Wien: Springer 1968 [1934], S. 253]
gemeinsprachlich Mit dem globalen Siegeszug des Computers und des Internets nämlich erfasste das mathematische Kalkül auch noch den letzten Menschen. [Frankfurter Rundschau, 19.02.2013]

letzte Änderung:

Zum Originalartikel des WDG gelangen Sie hier.

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

kalkulieren · Kalkül · Kalkulation · Kalkulator
kalkulieren Vb. ‘berechnen, veranschlagen, planen’, im 16. Jh. in die Kaufmannssprache entlehnt aus spätlat. calculāre ‘berechnen, zusammenrechnen’, einer Ableitung von lat. calculus ‘Steinchen, Spielstein, Rechenstein auf dem Rechenbrett, Berechnung’, Deminutivum zu lat. calx (s. Kalk). – Kalkül n. m. ‘Berechnung, Überschlag’. Im 17. Jh. wird lat. calculus m. in die Kaufmannssprache entlehnt und vielfach zu Calcul m. gekürzt. Dieses nimmt nach frz. calcul im 18. Jh. frz. Aussprache und danach die Schreibweise Kalkül an. Kalkulation f. ‘Berechnung’ (16. Jh.), spätlat. calculātio (Genitiv calculātiōnis). Kalkulator m. ‘Berechner, Planer’ (18. Jh.), spätlat. calculātor ‘Rechner, Rechnungsführer’.

Thesaurus

Militär
Synonymgruppe
Ablaufplan · Kalkül · Masterplan · Plan · Strategie · Vorgehensweise  ●  Drehbuch  fig. · Fahrplan  fig. · Schlachtplan  ugs., fig. · Strategem  geh.
Oberbegriffe
Unterbegriffe
Assoziationen
Synonymgruppe
Assoziationen

Typische Verbindungen zu ›Kalkül‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›Kalkül‹.

Zitationshilfe
„Kalkül“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Kalk%C3%BCl>.

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