Lumpenproletariat, das
GrammatikSubstantiv (Neutrum) · Genitiv Singular: Lumpenproletariat(e)s · wird nur im Singular verwendet
Aussprache [ˈlʊmpn̩pʀoletaˌʀi̯aːt]
Worttrennung Lum-pen-pro-le-ta-ri-at
Wortzerlegung Lump Proletariat
Herkunft Der Begriff Lumpenproletariat wurde von Karl Marx und
Friedrich Engels geprägt, unter anderem in den Schriften »Die deutsche Ideologie«
(1845–1846), »Manifest der Kommunistischen Partei« (1847–1848), »Der deutsche
Bauernkrieg« (1870).
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eWDG und ZDL
Bedeutung
Marxismus, abwertend gesellschaftliche Gruppe, die sich überwiegend aus Mitgliedern der (besitzlosen, erwerbslosen) Unterschicht (2) zusammensetzt, kein Klassenbewusstsein besitzt und in Abgrenzung zu einer progressiven, politischen Arbeiterbewegung als prinzipienlos und korrumpierbar dargestellt wird
siehe auch Kanaille (●)
Beispiele:
Den frühen Mob nannte Karl Marx das
»Lumpenproletariat«; er unterschied dessen
Pöbeleien strikt von den Aktionen des »Proletariats«, das sich in
Gewerkschaften und linken Parteien organisierte und
politisierte. [Süddeutsche Zeitung, 18.06.2016]
Es entstand ein zahlreiches männliches und weibliches Lumpenproletariat, das zur Landplage wurde […] [ BebelFrau121]WDG
Der Unterschicht wurde nicht erst mit der Agenda 2010 die Schuld für
gesellschaftliche Fehlentwicklungen gegeben. Um dem Arbeiter in der
gesellschaftlichen Hierarchie ein Upgrade zu verschaffen, machte Karl Marx,
Sohn einer bedeutenden Rabbinerfamilie, die Untersten der Unteren zum
»Lumpenproletariat«, das er als einen »Auswurf,
Abfall, Abhub aller Klassen« beschrieb, als »passive Verfaulung der
untersten Schichten der alten Gesellschaft«, nutzlos für den
Klassenkampf. [Die Zeit, 27.09.2012]
Michael Bakunin, entschiedener Gegner von Marx auf der I.
Internationalen
[Arbeiterassoziation],
hatte vor allem die Ärmsten der Armen, das
»Lumpenproletariat« im Sinne, um das Marx und
Engels sich nicht gekümmert haben.
Bakunin
haßte den Kommunismus seines Dogmatismus und Etatismus wegen. [Die Zeit, 07.10.1977]
●
allgemeiner, umgangssprachlich von struktureller Diskriminierung, sozialem Abstieg bzw. sozialer Ungleichheit betroffene, in ärmlichen bzw. wirtschaftlich unsicheren Verhältnissen lebende Gesellschaftsschicht
Beispiele:
Selbst als die Studentenzahlen in den siebziger und achtziger Jahren viel stärker stiegen als heute und alle schon ein akademisches Lumpenproletariat kommen sahen, hat sich das als falsch erwiesen. [Die Zeit, 25.11.2010]
Arbeitslose Architekten und Künstler, intellektuelles
Lumpenproletariat, das in großen Büros oder
unbeheizten Ateliers freiwillig unbezahlte Überstunden macht, um oftmals
am Ende vor […] Investitionsruinen zu
stehen, die zunehmend das Bild der Städte prägen, […]
[sind ein Sinnbild für den Bedeutungsverlust der Baukunst]. [Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.08.2004]
Schon damals [Anfang der 1990er Jahre] galten die Studentinnen mit Kindern als das
Lumpenproletariat unter den ohnehin meist
armen Alleinerziehenden. Das Sozialamt finanzierte keine Ausbildung, ein
unterbrochenes Studium wurde wertlos, einen Krippenplatz fürs Kind gab
es nur mit Studienplatz – insgesamt eine albtraumhafte Endlosschleife in
der Bürokratie. Ich hätte nicht gedacht, dass sich bis heute die Lage
der studierenden Mütter nicht verbessert hat. [Süddeutsche Zeitung, 16.07.2002]
Dem schwarzen Mittelstand, in vieler Hinsicht ein Kind der
Bürgerrechtsbewegung, steht eine wachsende schwarze Unterklasse
gegenüber, die alle Merkmale eines innerstädtischen
Lumpenproletariats aufweist und sich mit
Gelegenheitsarbeit über die Runden bringt. [Die Zeit, 14.02.1986]
Der Londoner Osten, die Gegend von Whitechapel und Bethnal Green,
war im 19. Jahrhundert ein Areal der Schrecknisse: In dunklen,
stinkenden Gassen hauste englisches
Lumpenproletariat dicht an dicht mit
jüdischen Einwanderern aus Osteuropa, […] gestrandeten indischen Lastträgern oder
bengalischen Matrosen[…]; Notzucht, Suff und Messerstecherei zu den
Melodien von Fiedeln und billigen Akkordeons, die aus Musikhallen
[…]
erklangen. [Die Zeit, 25.03.2004]
Der verbotene MTI (Mouvement de la tendance islamique
(= eine Vorgängerbewegung der islamisch-fundamentalistischen Nahda-Partei Rachid al-Ghannouchis in Tunesien))[…] fand Zulauf vor allem bei den 30.000 Studenten der
Universität Tunis und dem Lumpenproletariat der
Städte, das unterhalb der Armutsgrenze von 100 Dinar (etwa 220 Mark) im
Monat lebt und fast ein Drittel der Bevölkerung ausmacht. [Der Spiegel, 16.11.1987]
spöttischEin Kind zu bekommen gleicht in Deutschland einer unbedachten
Torheit, einem sicheren Absturz in die Gosse des
Lumpenproletariats, einer Einbahnstraße in
die intellektuelle Verwahrlosung. Glaubt man den alarmierenden Umfragen
in der Presse und den Gesprächen auf Berliner Spielplätzen, dann ist das
Kinderkriegen hier weder ein natürlicher Akt noch ein
Vergnügen
und eine Bereicherung des Lebens schon gar nicht. [Der Tagesspiegel, 24.01.2004]
letzte Änderung:
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