Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Märchen, das

Grammatik Substantiv (Neutrum) · Genitiv Singular: Märchens · Nominativ Plural: Märchen
Aussprache  [ˈmɛːɐ̯çən]
Worttrennung Mär-chen
Wortzerlegung Mär -chen
Mehrwortausdrücke  Märchen erzählen
eWDG

Bedeutungen

1.
auf Volksüberlieferungen beruhende, oft auch als literarisches Kunstwerk gestaltete, kurze Erzählung, in der von wunderbaren und phantastischen Begebenheiten berichtet wird
Beispiele:
ein altes, bekanntes, verbreitetes Märchen
die Märchen der Brüder Grimm
eine Sammlung russischer, orientalischer Märchen
die Großmutter erzählte den Kindern Märchen
Märchen sammeln, herausgeben, erforschen
so etw. gibt es nur im Märchen
was er mir versprach, klang wie ein Märchen
das ist (fast) so schön wie im Märchen (= das ist wunderschön)
umgangssprachlichdas ist das reinste Märchen (= das ist wunderschön)
2.
salopp unwahre, erfundene Geschichte, Lüge
Beispiele:
jmdm. ein Märchen aufbinden
erzählen Sie hier (bloß) keine Märchen!
ich lasse mir kein Märchen erzählen, glaube solche Märchen nicht
das Märchen kannst du deiner Großmutter erzählen (= das glaube ich nicht)
was er über seine Erfolge berichtete, war ein Märchen
Dieses Wort ist Teil des Wortschatzes für das Goethe-Zertifikat B1.
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Märchen · Mär
Märchen n. im Volk überlieferte Erzählung, in der von wunderbaren Begebenheiten in Verbindung mit übernatürlichen Mächten berichtet wird (in dieser Bedeutung vor allem seit den Kinder- und Haus-Märchen, gesammelt durch die Brüder Grimm, 1812 ff.), zuvor frühnhd. (md.) mergin, merechyn (15. Jh.) für kleine (in Versen abgefaßte) Erzählungen erfundenen Inhalts, sich gegen mhd. mærelīn ‘Geschichtchen, Erdichtetes’, frühnhd. (obd.) Märlein durchsetzend. Das den beiden Deminutivbildungen zugrundeliegende Substantiv ist ahd. māri n. ‘Nachricht, Kunde, Erzählung’ (9. Jh.), mhd. mære n. ‘Kunde, Nachricht, Bericht, dichterische Erzählung, Gerücht’ bzw. (bis ins Nhd. fortlebendes) ahd. mārī f. ‘Ruhm, Berühmtheit, Gerücht’ (um 1000), mhd. mære f. ‘Berühmtheit, Rede, Kunde, Erzählung’, nhd. Mär f. seltener Märe ‘Kunde, Erzählung’ (bis ins 19. Jh. geläufig). Dies sind Abstrakta zum Verb ahd. māren ‘verkünden, sagen’ (8. Jh.), mhd. mæren ‘verkünden, bekannt-, berühmt machen’, asächs. mārian, aengl. mǣran ‘erklären, rühmen’, anord. mæra ‘preisen, loben’, got. mērjan ‘verkünden’, seinerseits ein Faktitivum (germ. *mērijan) zum Adjektiv ahd. māri ‘bekannt, berühmt, hervorragend, glänzend’ (8. Jh.), mhd. mære ‘gern und viel besprochen, bekannt, berühmt, berüchtigt’, asächs. māri, aengl. mǣre, anord. mærr, got. -mēreis in waílamēreis ‘wohllautend, löblich’ (germ. *mērija-). Allgemein wird die Wortgruppe mit air. mār, mōr ‘groß’ und griech. -mōros ‘groß’ in enchesímōros (ἐγχεσίμωρος) ‘mit dem Speer kämpfend, speerberühmt’ verglichen und auf die mit r-Suffix erweiterte Wurzel ie. *mē-, *mō- ‘groß, ansehnlich’ zurückgeführt (s. mehr). Andererseits wird auch Verbindung mit griech. marmá͞irein (μαρμαίρειν) ‘glänzen, flimmern’, lat. merus ‘bloß, rein’, ursprünglich wohl ‘klar, hell’, und Anschluß an die Wurzel ie. *mer- ‘flimmern, funkeln’ (s. Morgen) erwogen und eine Kreuzung von ie. *mer- und *mē- vermutet.

Thesaurus

Synonymgruppe
Fabel · Geschichte · Märchen · Saga · Sage
Oberbegriffe
Assoziationen
Synonymgruppe
Fabel · Fantasy-Story · Legende · Mythos · Mythus · Märchen · Saga · Sage · Überlieferung  ●  Mär  altertümelnd · Narrativ (von)  Modewort · (nur eine) schöne Geschichte  ugs.
Oberbegriffe
Unterbegriffe
  • Krak · Krakus
  • Großstadtlegende · Wandermärchen · Wandersage · moderne Sage · moderner Mythos · urbane Legende · urbaner Mythos · urbanes Märchen  ●  urban legend fachspr., engl.
  • Dolchstoßlüge  ●  Dolchstoßlegende auch figurativ
  • Blutanklage · Blutbeschuldigung · Blutgerücht · Blutlüge · Ritualmordfabel · Ritualmordlegende · Ritualmordvorwurf
  • Langemarck-Mythos · Mythos von Langemarck
Assoziationen
Antonyme
Synonymgruppe
Ammenmärchen · Aufschneiderei · Bluff · Erdichtung · Erfindung · Lügengeschichte · Münchhauseniade · Münchhausiade · Räuberpistole · Schwindel · Schwindelei · Seemannsgarn · Windei  ●  Märchen  fig. · Anglerlatein  ugs. · Flunkerei  ugs. · Geflunker  ugs. · Jägerlatein  ugs. · wilde Geschichte(n)  ugs.
Oberbegriffe
Assoziationen

Typische Verbindungen zu ›Märchen‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›Märchen‹.

Verwendungsbeispiele für ›Märchen‹

maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora

Die Steigerung der Produktivität bei Ford liest sich in dürren Zahlen tatsächlich wie ein Märchen. [Kurz, Robert: Schwarzbuch Kapitalismus, Frankfurt a. M.: Eichborn 1999, S. 375]
Nach einer solchen Vorbereitung wird es leicht sein, den Kindern das Märchen zu erzählen. [Brumme, Gertrud-Marie: Muttersprache im Kindergarten, Berlin: Volk u. Wissen 1981 [1966], S. 65]
Hier gewinnt das Märchen von den speziellen Methoden seine entscheidende Funktion. [Feyerabend, Paul: Wider den Methodenzwang, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1976, S. 402]
Von der I. klingt etwas nach im Märchen von dem Mann, der das Gruseln lernen wollte. [Dörrie, H.: Inkubation. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1959], S. 19409]
Natürlich – auch Märchen haben ihren wahren Kern – gibt es sie, die reformbereiten Professoren. [Die Zeit, 20.04.2000, Nr. 17]
Zitationshilfe
„Märchen“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/M%C3%A4rchen>.

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