Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.
eWDG

Bedeutungen

1.
jmd., dem es (in einer Situation) an Vernunft mangelt (und der sich lächerlich macht), Tor
Beispiele:
ich (armer) Narr, wie konnte ich das nur glauben!
du wärst ein Narr, wenn …
sei doch kein Narr, lass das!
ich möchte nicht als Narr dastehen
ich möchte mich nicht zum Narren machen
jmdn. für einen (ausgemachten, eitlen) Narren halten
sprichwörtlichKinder und Narren sagen die Wahrheit
sprichwörtlichein Narr fragt mehr, als zehn Weise beantworten können
sprichwörtlichwer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben lang
sprichwörtlichHoffen und Harren macht manchen zum Narren
vielleicht war ich ein Narr, daß ich das alles verlassen … wollte [ Hesse3,321]
das Gelächter hinter dem Rücken des alten Narren, der geglaubt hatte, ein solches Geschöpf für sich zu besitzen [ I. KurzVanadis588]
Das ist auch so ein Narr, der sich das Herz abjagt nach dem Glück [ EulenbergSonderbare Geschichten179]
Der Kerl war ein Narr oder ein Schuft [ StormSchimmelr.7,223]
vertraulichWas leide ich denn, Närrchen? (= Was leide ich denn, Dummchen?) [ G. Hauptm.Einsame MenschenIII]
Der harmlose Narr (= Sonderling) war stadtbekannt. Er sammelte alles … an Goethe‑Reliquien, dessen er habhaft werden konnte [ G. Hauptm.4,540]
2.
Possenreißer, Spaßmacher
a)
jmd., der im Theater, an einem Fürstenhof, als literarische Figur andere unterhält, belustigt (und ihnen Wahrheiten sagt)
Beispiele:
der Narr in Shakespeares ›König Lear‹
sprichwörtlichjedem Narren gefällt seine Kappe
die engaufliegende Kopfbedeckung mit den langen Eselsohren … wies ihn unzweideutig als Narren aus [ ZuchardtNarr5]
ein kleines Extravergnügen … wie es die umherziehenden Narren und Schauspieler machen: eine richtige knallige Szene [ ZuchardtStunde56]
b)
scherzhaft jmd., der sich kostümiert hat und ausgelassen mit vielen zusammen Fasching feiert
Beispiele:
unter dem Beifall von einigen Hundert Narren eröffnete Prinz Karneval den Maskenball
der Büttenredner begann seine Rede: »Liebe Narren und Närrinnen!«
3.
jmdn. zum Narren haltenjmdn. anführen, zum Besten haben
Beispiele:
es ist alles nicht wahr, er will dich bloß zum Narren halten
Ich habe es satt, ich lasse mich nicht länger zum Narren haben [ Th. MannZauberb.2,491]
salopp an jmdm., etw. einen Narren gefressen habenfür jmdn., etw. eine übertriebene Vorliebe haben, in jmdn., etw. vernarrt sein
Beispiele:
ich verstehe nicht, warum er einen Narren an mir gefressen hat
Horst hat einen Narren an Maschinen gefressen [ NollHolt2,328]
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Narr · Narrenhaus · Narrenkappe · narren · vernarren · närrisch · Narrheit · Narretei
Narr m. ‘Tor, einfältiger Mensch’. Die Herleitung von ahd. narro (8. Jh.), mhd. mnd. narre, nhd. (bis um 1800) Narre (nl. nar, dän. nar, schwed. narr sind aus dem Dt. entlehnt) ist unklar. Vielleicht ist ahd. narro eine Entlehnung aus spätlat. *nario ‘Nasenrümpfer, Spötter’? Oder gehört das Wort mit frühnhd. narren, nerren ‘knurren’ (15. Jh.) sowie nörgeln, (mit s-Anlaut) schnarren, schnurren (s. d.) zu der schallnachahmenden Wurzel ie. *(s)ner-, *(s)nur- ‘murren, knurren’? Das Substantiv bezeichnet in früherer Zeit auch den Geisteskranken, vgl. Narrenhaus n. ehemals ‘Käfig zur Schaustellung Geisteskranker’ (15. Jh.), ‘Räumlichkeit zur Verwahrung Geisteskranker’ (17. Jh.), Narrenkappe f. ‘Schellenkappe’ (15. Jh.), Hofnarr (s. d.). Hierzu die Wendung an jmdm. einen Narren gefressen haben ‘närrische Vorliebe für jmdn. haben’ (16. Jh.). – narren Vb. ‘irreführen, täuschen’ (16. Jh.); vgl. ahd. irnarrēn ‘sich der Torheit überlassen’ (10. Jh.), spätmhd. ernarren ‘zum Narren werden, sich wie ein Narr benehmen’. vernarren Vb. (reflexiv) ‘sich für etw. beigeistern, sich heftig verlieben’ (16. Jh.), mhd. vernarren ‘ganz zum Narren, zum Toren werden’. närrisch Adj. ‘unvernünftig’, mhd. nerrisch, auch ‘verkehrt’. Narrheit f. ‘närrischer Streich, Einfalt, Dummheit’ (16. Jh.); vgl. ahd. narrraheit ‘törichtes Benehmen’ (8. Jh.) und mhd. narrecheit. Narretei f. ‘Scherz, Posse, übermütiges Treiben, Unsinn’, Narr(e)they (Anfang 17. Jh.), hervorgegangen aus Narrenteiding ‘Verhandlung der Narren, Narrengeschwätz, Torheit’ (16. Jh.); zum Grundwort s. verteidigen.

Thesaurus

Assoziationen
  • (bei jemandem) fällt der Groschen in Pfennigen · Spätzünder · begriffsstutzig (sein) · keine schnelle Auffassungsgabe haben  ●  (echt ein) Blitzmerker ugs., ironisch · (ein) Brett vorm Kopf haben ugs. · (eine) lange Leitung haben ugs. · (sich) dumm anstellen ugs. · auf der Leitung stehen ugs. · eine Ladehemmung haben ugs., fig. · kein Blitzmerker ugs. · nicht die hellste Birne im Kronleuchter ugs., fig. · nicht die hellste Kerze auf der Torte ugs., fig. · schwer von Begriff (sein) ugs. · schwer von Kapee (sein) ugs.
  • (geistig) beschränkt · (geistig) minderbemittelt · blöd · blöde · dämlich · geistig nicht (mehr) auf der Höhe · idiotisch · irrsinnig · keinen Grips im Kopf (haben) · nicht besonders helle · nicht gerade helle · schwachköpfig · stockdumm · strohdumm · stupid · stupide · unintelligent · weiß nicht (mehr), was er sagt · weiß nicht (mehr), was er tut  ●  Stroh im Kopf (haben) fig. · dumm Hauptform · intellektuell überfordert verhüllend · talentfrei ironisch · (das) Pulver nicht erfunden haben ugs. · (die) Weisheit nicht mit Löffeln gegessen haben ugs. · (die) Weisheit nicht mit dem Schöpflöffel gegessen haben ugs. · (ein) Spatzenhirn haben ugs. · (jemandem) haben sie ins Gehirn geschissen derb · (jemanden) beißen (doch) die Schweine im Galopp ugs., Spruch · (so) dumm wie 10 Meter Feldweg ugs. · (so) dumm wie Bohnenstroh ugs. · (so) dumm, dass ihn die Gänse beißen ugs. · (so) dumm, dass ihn die Schweine beißen ugs. · (total) Banane (sein) ugs. · (voll) panne ugs. · Dumm geboren und nichts dazugelernt. ugs., Spruch · ballaballa ugs. · bedeppert ugs. · behämmert ugs. · bekloppt ugs. · beknackt ugs. · belämmert ugs. · bescheuert ugs. · beschruppt ugs. · besemmelt ugs. · bestusst ugs. · birnig ugs. · deppat ugs., bayr., österr. · deppert ugs., süddt. · doof ugs. · dumm wie Brot ugs. · dumm wie Schifferscheiße derb · dümmer als die Polizei erlaubt ugs. · gehirnamputiert derb · grenzdebil derb · hirnig ugs. · hohl ugs. · intellektuell herausgefordert geh., ironisch, verhüllend · kognitiv berausgefordert geh., ironisch, verhüllend · merkbefreit ugs. · naturblöd ugs. · nicht (ganz) bei Trost ugs. · nicht bis drei zählen können ugs. · nicht ganz dicht ugs. · saublöd ugs. · saudoof ugs. · saudumm ugs. · selten dämlich ugs., Verstärkung · strunzdoof ugs. · strunzdumm ugs. · strunzendumm ugs. · unterbelichtet ugs. · von allen guten Geistern verlassen ugs. · zu dumm, ein Loch in den Schnee zu pinkeln ugs.
Psychologie
Synonymgruppe
Harlekin · Hofnarr · Kasper · Komiker · Narr · Pausenclown · Possenreißer · Quatschmacher · Schalk · Schelm · Schäker · Schäkerer · Ulknudel  ●  Clown engl. · Witzling veraltend · Betriebsnudel derb · Faxenmacher ugs. · Scherzbold ugs. · Scherzkeks ugs. · Spaßkanone ugs. · Spaßmacher ugs. · Spaßvogel ugs., Hauptform · Vokativus geh., veraltet, lat. · Witzbold ugs.
Unterbegriffe
Assoziationen
Synonymgruppe
Dämlack · Halbgescheiter · Minderbemittelter · Tölpel  ●  Dummerjan veraltet · Dummkopf Hauptform · Gonzo abwertend · ('ne) hohle Nuss ugs. · (eine) geistige Null ugs. · Armer im Geiste (bibl.) geh. · Armleuchter ugs. · Arschkrampe derb · Bekloppter ugs. · Blitzbirne ugs., ironisch · Blödel ugs. · Blödi ugs. · Blödian ugs. · Blödmann ugs. · Dackel ugs., schwäbisch, abwertend · Denkzwerg ugs. · Depp ugs. · Dolm ugs., österr. · Dulli ugs. · Dummbart(el) ugs. · Dummrian ugs. · Dumpfbacke ugs. · Dumpfbatz derb · Dussel ugs. · Dämel ugs., regional · Dödel derb · Dösbaddel ugs., norddeutsch · Döskopp ugs., norddeutsch · Eierkopp ugs., norddeutsch · Eiernacken ugs. · Einfaltspinsel ugs. · Esel ugs. · Flachpfeife ugs. · Flitzpiepe ugs., abwertend · Halbdackel derb, schwäbisch, stark abwertend · Hein Blöd ugs., regional · Heini ugs., veraltet · Hirni ugs. · Hohlbirne ugs. · Hohlfigur ugs. · Hohlkopf ugs. · Holzkopf ugs. · Honk ugs. · Hornochse ugs. · Horst ugs. · Idiot derb · Klappspaten ugs. · Knallcharge geh. · Knallidiot ugs. · Knallkopf ugs. · Kretin geh., franz. · Lapp derb, österr. · Löli (Lööli, Lööl, Löu) ugs., schweiz. · Napfsülze ugs. · Narr geh. · Niete ugs., fig. · Nullchecker ugs., jugendsprachlich · Pannemann ugs. · Pappnase ugs. · Piesepampel ugs. · Rindvieh ugs. · Sacklpicker ugs., österr. · Schnellmerker ugs., ironisch · Schwachkopf ugs. · Schwachmat ugs. · Spacko ugs. · Spast ugs., jugendsprachlich · Spasti derb · Spaten ugs. · Spatzenhirn ugs. · Stoffel ugs. · Strohkopf ugs. · Tepp ugs. · Todel ugs., österr. · Torfkopf ugs. · Torfnase ugs., ostfriesisch · Trottel ugs. · Tuppe ugs., kärntnerisch · Volldepp ugs. · Vollidiot derb · Vollpfosten ugs. · Vollspast derb · Volltrottel derb · Zipfelklatscher ugs., süddt. · armer Irrer ugs. · dumme Nuss ugs. · dummes Schaf ugs. · dämlicher Hund ugs., veraltend · en Beschmierten ugs., ruhrdt. · geistiger Tiefflieger ugs. · keine Leuchte ugs. · taube Nuss ugs. · trübe Tasse ugs.
Unterbegriffe
  • Religiot · religiöser Idiot
Assoziationen
Synonymgruppe
Jeck · Karnevalist · Karnevalsjeck  ●  Narr männl. · Närrin weibl. · Närrinnen und Narrhalesen (Anrede auf Karnevalssitzung) ugs.
Assoziationen

Typische Verbindungen zu ›Narr‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›Narr‹.

Heilige Jeck Karnevalverein Krüppel Narrhalesen Närrin Phantast Weltfußball bissendorfer bornheimer bucklig eckenheimer giesemer glandorfer heddernheimer heechster hollageer iburger kostümiert lustringer miltzscher niederjosbacher oberhöchstädter oberurseler shakespearesch sindlinger steinbacher usinger verkleidet weise

Verwendungsbeispiele für ›Narr‹

maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora

Sonst war er ein Narr, der an das geglaubt hat, was andere predigten, ohne es zu glauben. [Bauer, Josef Martin: So weit die Füße tragen, Frankfurt a.M: Fischer 1960 [1955], S. 256]
Als aber hernach das erste wartende Schweigen kam, wollte der Narr noch immer nicht antworten. [Hauptmann, Gerhart: Der Narr in Christo Emanuel Quint, Berlin: Aufbau-Verl. 1962 [1910], S. 300]
Ein so großer Narr war ich nun auch wieder nicht. [konkret, 1986]
Wie ich zurückgekommen bin, ist er auf mich los wie ein Narr. [Der Spiegel, 17.03.1980]
Lange hält man es als ehrenamtlicher Narr an einem Ort nicht aus. [Die Zeit, 18.03.2013, Nr. 11]
Zitationshilfe
„Narr“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Narr>.

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