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Parlament, das

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GrammatikSubstantiv (Neutrum) · Genitiv Singular: Parlament(e)s · Nominativ Plural: Parlamente
Aussprache  [paʁlaˈmɛnt]
Worttrennung Par-la-ment
Herkunft zu parlementafrz ‘Unterredung, (Gerichts-)Verhandlung, Gerichtshof, Adelsversammlung’ < parlerafrz ‘sprechen, reden’ (parlieren), vgl. parliamentengl ‘höchstes gewähltes Staatsorgan, Volksvertretung’
Dieses Stichwort finden Sie im DWDS-Themenglossar zur Bundestagswahl 2021.
ZDL-Vollartikel

Bedeutungen

1.
in demokratischen Staaten mit Gewaltenteilung   vom Volk (2) gewähltes, aus einer bestimmten Zahl von Abgeordneten gebildetes gesetzgebendes Organ (4) eines Staates oder Gliedstaates, das meist das Budgetrecht (1) hat, das Regierungsoberhaupt oder hohe Funktionsträger wählt sowie die Exekutive kontrolliert; zusammenfassende Bezeichnung für das aus zwei Kammern (II 1) gebildete gesetzgebende Organ (4) eines Staates mit einem Zweikammersystem
Kollokationen:
mit Adjektivattribut: das deutsche, französische, kalifornische Parlament; die nationalen Parlamente
als Akkusativobjekt: das Parlament wählen, einberufen, informieren, beteiligen, übergehen, missachten, entmachten, auflösen
als Dativobjekt: dem Parlament angehören, vorstehen
in Präpositionalgruppe/-objekt: ein Sitz, ein Mandat, die Abgeordneten, Parteien, die Sitzverteilung, stärkste Fraktion, Opposition im Parlament; die Debatte, Anhörung, Abstimmung, Mehrheit im Parlament; die Kontrolle durch das Parlament; eine Rede vor dem Parlament; [ein Gesetz] in das Parlament einbringen
mit Genitivattribut: das Parlament der Bundesrepublik, des Gesamtstaates, der Einzelstaaten, der Bundesländer, des Bundesstaates
in Koordination: Parlament und Regierung, Öffentlichkeit
mit Prädikativ: das Parlament ist der Gesetzgeber, die Legislative; das Parlament ist beschlussfähig, beschlussunfähig; das Parlament als Volksvertretung, gesetzgebende Versammlung, Kontrollorgan
mit Aktivsubjekt: das Parlament tritt zusammen, tagt, debattiert, berät [ein Gesetz o. Ä.], stimmt ab, verabschiedet, billigt, beschließt, ratifiziert [ein Gesetz o. Ä.], lehnt etw. ab
als Genitivattribut: die Abgeordneten, das Mitglied, der Präsident, ein Untersuchungsausschuss, der Haushaltsausschuss des Parlaments; das Budgetrecht, die Zustimmung des Parlaments
Beispiele:
In der repräsentativen Demokratie ist das Parlament das einzige Organ, das direkt vom Volk gewählt wird. Und damit genießt es hohe Legitimität. [Süddeutsche Zeitung, 02.08.2011]
In beiden Kammern des [US-amerikanischen] Parlaments, dem Senat und dem Repräsentantenhaus, erreichten Kandidaten der republikanischen Partei wichtige Erfolge […]. [Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.11.2004]
Die Wahl zum Bundestag umfaßt das Mandat zu allen Funktionen, die das Parlament auszuüben hat: Gesetzgebung, Regierungsbildung und ‑kontrolle. [Der Spiegel, 04.04.1994]
Letztlich aber wird auch Bulgarien eine stabile Regierungsmehrheit brauchen, die vom Parlament kontrolliert wird und die großen Aufgaben, vor denen das Land steht, angeht. [Süddeutsche Zeitung, 15.07.2021]
Was mit dem Geld passiert, das nach dem Umverteilungssystem in der Kasse eines ärmeren Bundeslandes landet, ist grundgesetzlich geschütztes Budgetrecht der jeweiligen Parlamente. [Die Zeit, 05.02.2013]
Das Parlament hat mit sehr großer Mehrheit (mehr als 90 Prozent der Abgeordneten) das Gesetz über die Neuregelung des Arbeitsmarktes beschlossen[…]. [Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.01.1994]
Gewiß gehört es zum Wesen der parlamentarischen Demokratie, daß sich der Bundeskanzler auf eine Fraktion oder Koalition stützt, die im Parlament über die Mehrheit verfügt. [Archiv der Gegenwart, 2001 [1963]]
a)
allgemeiner einem Parlament (1) ähnliches Organ (4) der politischen Vertretung, das hinsichtlich seiner demokratischen Legitimation bzw. seiner Rechte eingeschränkt ist
Kollokationen:
mit Adjektivattribut: das Europäische Parlament; die kommunalen Parlamente
mit Genitivattribut: das Parlament der Region, des Landkreises, des Europarats
in Koordination: Parlament und Europäische Kommission, Ministerrat
Beispiele:
Die Kritik an überaus grosszügigen, luxuriös erscheinenden Bauten war […] immer lauter geworden – in den Medien, aber auch im städtischen Parlament, dem Gemeinderat. [Neue Zürcher Zeitung, 30.09.2015]
Hariri ist der wichtigste Anführer des sunnitischen Blocks [im Libanon]. Seine Zukunftsbewegung ist mit 33 Mandaten stärkste Kraft im Parlament, dessen Sitze ebenfalls nach religiösem Proporz aufgeteilt sind. [Süddeutsche Zeitung, 17.07.2021]
Die VAE (= Vereinigte Arabische Emirate) sind eine Föderation von sieben absolutistisch regierten Emiraten. Das Parlament hat nur eine beratende Funktion. [Der Standard, 18.11.2015]
Es gibt zwar demokratische Wahlen für Europa, und im europäischen Parlament werden auch Mehrheiten organisiert. Aber es gibt keine Regierung im engeren Sinne, die durch diese Mehrheiten bestimmt wird. Noch weniger […] gibt es eine Opposition[…]. [Süddeutsche Zeitung, 15.05.2013]
Zwei Dutzend Parlamentarier des bisherigen Legislativrats [in Hongkong] weigerten sich, das von Peking eingesetzte provisorische Parlament zu akzeptieren, und riefen zum demokratischen Widerstand auf. [Die Zeit, 04.07.1997]
[…] getrieben von gesellschaftlichem Aufruhr hat sich die Volkskammer der DDR in ein Parlament verwandelt, das zwar nicht demokratisch gewählt ist, aber dennoch zu demokratischer, argumentativer Auseinandersetzung in der Lage scheint. [die tageszeitung, 15.11.1989]
In Rheinland‑Pfalz und in Hessen fanden am 23. Oktober Wahlen zu den Kreistagen und den Parlamenten der kreisfreien Städte statt[…] […] [Archiv der Gegenwart, 2001 [1960]]
b)
übertragen Versammlung bzw. Beschlussgremium von Vertretern oder Delegierten bestimmter Institutionen, gesellschaftlicher Gruppen o. Ä.
Kollokationen:
mit Genitivattribut: das Parlament der Ärzteschaft, der Landeskirche, der Jüdischen Gemeinde
Beispiele:
Alle sechs Jahre wählen sie [Arbeitgeber und Arbeitnehmer] […] die Parlamente der Sozialversicherung: die Vertreterversammlung bei den Rentenversicherern […] und die Verwaltungsräte bei den Krankenkassen. [Welt am Sonntag, 22.05.2005]
Am Donnerstag hielt er [der Präsident der Deutschen Rentenversicherung] vor dem Parlament der Rentenversicherung, der Bundesvertreterversammlung, seine erste Grundsatzrede […]. [Süddeutsche Zeitung, 06.12.2013]
Die Studierenden wählen [bei der Wahl zur Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft] für ihr Parlament ihre repräsentativen Abgeordneten, die sich in den (hochschul‑)politischen Diskurs im Land einbringen. [Der Standard, 27.05.2011]
Die Synode ist das Parlament und damit das höchste Entscheidungsgremium der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sie hat 120 Mitglieder. Davon sind 100 durch die Synoden der 23 Landeskirchen gewählt, weitere 20 wurden vom Rat der EKD berufen. [Berliner Zeitung, 05.11.2005]
Das Parlament der Kassenzahnärztlichen Vereinigung […], die Vertreterversammlung, beschloß […], daß an der umstrittenen Honorarverteilung nicht gerüttelt wird. [Berliner Zeitung, 23.11.1994]
[…] es ist in den letzten Monaten in erhöhtem Maße festzustellen, daß die gewerkschaftlichen Parlamente, also die Delegiertenversammlungen, Marschrouten für ihre Vorstände beschließen, die immer näher an das Rätesystem herankommen. [Die Zeit, 24.02.1955]
2.
Gebäude, in dem ein Parlament (1) seinen Sitz hat und üblicherweise tagt
Kollokationen:
als Akkusativobjekt: das Parlament stürmen, belagern
in Präpositionalgruppe/-objekt: vor dem Parlament demonstrieren
Beispiele:
Vor dem Parlament demonstrierten zeitgleich mit der Abstimmung […] zehntausende Menschen gegen die Regierung. [Der Standard, 01.12.2004]
Die Angreifer randalieren, verwüsten Räume des Parlaments und liefern sich Auseinandersetzungen mit dem überforderten Sicherheitspersonal. [Süddeutsche Zeitung, 09.01.2021]
Gebaut wurde das Nationalmuseum in unmittelbarer Nachbarschaft zu Parlament und Oberstem Gerichtshof […]. [Süddeutsche Zeitung, 30.08.2010]
[…] wer dieser Tage in der Frühlingssonne auf der Place du Luxembourg [in Brüssel] gleich hinter dem Europäischen Parlament am Espresso nippt oder sein […] Geuze‑Bier zischt, […] der wird, wenn er es nicht längst war, wirklich gläubig. Hauptstadt Europas, ach wie schön, und so friedlich. [Die Zeit, 19.05.2004]
In Minsk standen sich auf dem Platz vor dem Parlamentsgebäude Anhänger der Opposition und Lukaschenkos [des Präsidenten] gegenüber. Im Parlament wurde […] getagt – allerdings war die Kammer mit 97 von 199 anwesenden Abgeordneten nicht beschlußfähig. [Süddeutsche Zeitung, 22.11.1996]
Die Putschisten hätten Gasmasken und Stahlhelme aufgesetzt und damit das Parlament gestürmt, wo gerade die erste reguläre Sitzungswoche begonnen habe. [Archiv der Gegenwart, 2001 [1987]]
Im Parlament debattieren Schatzkanzler und Unterhaus über den Staatshaushalt, vor dem Parlament läßt das kommerzielle […]Fernsehen seine Kameras und Mikrophone lauern[…]. [Der Spiegel, 28.03.1962]

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Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
Parlament · Parlamentarier · parlamentarisch · unparlamentarisch · Parlamentarismus
Parlament n. ‘aus Wahlen hervorgegangene gesetzgebende Körperschaft eines demokratischen Staates, Abgeordnetenhaus’, mhd. parlament, parlemunt ‘Besprechung, Verhandlung, Versammlung’ (2. Hälfte 13. Jh.), wohl unter Einfluß von mlat. parlamentum ‘(feierliche) Besprechung, Unterredung’ entlehnt aus afrz. parlement ‘Unterredung, (Gerichts)verhandlung, Gerichtshof, Adelsversammlung’, einer Substantivbildung zu afrz. parler, paroler ‘sprechen, reden’ (frz. parler, s. parlieren). Im älteren Nhd. ist Parlament ‘Versammlung des Rates einer Stadt, Vertretung eines Landes, rechtsprechende Behörde oder gesetzgebende Körperschaft’, auch ‘höchster Gerichtshof’. Das ursprünglich der Verwaltungssprache angehörende Wort bekommt seine politische Bedeutung als ‘höchstes gewähltes Staatsorgan, Volksvertretung’ von engl. parliament (aus afrz. parlement), das semantisch auch auf frz. parlement zurückgewirkt hat. Auf deutsche Verhältnisse bezogen, wird Parlament in diesem Sinne erst durch das Frankfurter Parlament (1848) geläufig. – Parlamentarier m. ‘Mitglied eines Parlaments, Abgeordneter’ (2. Hälfte 19. Jh.), nach gleichbed. engl. parliamentarian, das ursprünglich denjenigen bezeichnet, der im englischen Bürgerkrieg (17. Jh.) auf der Seite des Parlaments stand, und in dieser Verwendung schon Ende des 18. Jhs. als Parlamentarier ins Dt. gelangt. parlamentarisch Adj. ‘das Parlament betreffend, vom Parlament gebildet oder ausgehend, in ihm üblich’ (Ende 18. Jh.), nach gleichbed. engl. parliamentary, anfangs auf englische, dann auch auf französische, im Zusammenhang mit der Frankfurter Nationalversammlung auch auf deutsche Verhältnisse angewandt (Mitte 19. Jh.); dazu unparlamentarisch Adj. (selten Ende 18. Jh., häufiger Mitte 19. Jh.), engl. unparliamentary. Parlamentarismus m. ‘Staatsform, bei der das Parlament durch sein Gesetzgebungsrecht, durch die Mitwirkung an der Regierungsbildung und durch Kontrolle der Regierung Einfluß auf die Leitung des Staates besitzt’ (Mitte 19. Jh.), latinisierende Bildung, zunächst mit Bezug auf die damals als vorbildlich angesehene englische Verfassung; vgl. (hiernach oder nach frz. parlementarisme, 1852) jüngeres engl. parliamentarism (1870).

Bedeutungsverwandte Ausdrücke

Politik
Abgeordnetenhaus · Nationalversammlung · Parlament · Volksvertretung  ●  Abgeordnetenkammer südtirolerisch · Bundestag bundesdeutsch · Große Kammer schweiz. · Landtag liechtensteinisch · Nationalrat österr., schweiz. · Herzkammer der Demokratie ugs., fig. · heilige Hallen der Demokratie ugs.
Oberbegriffe
Unterbegriffe
Assoziationen

Typische Verbindungen zu ›Parlament‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›Parlament‹.

Zitationshilfe
„Parlament“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Parlament>.

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