Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Ruhe, die

Grammatik Substantiv (Femininum) · Genitiv Singular: Ruhe · wird nur im Singular verwendet
Aussprache 
Worttrennung Ru-he (computergeneriert)
eWDG

Bedeutungen

1.
das Aufhören der Bewegung, der Stillstand
Beispiele:
ein Körper, eine Maschine ist, befindet sich in Ruhe
der Wechsel zwischen Ruhe und Bewegung
Die Lampe über dem Tisch kam zur Ruhe [ U. BecherMänner28]
2.
Zustand des Ungestörtseins
in gegensätzlicher Bedeutung zu Unruhe
a)
äußere, durch keinen Lärm gestörte Stille
Beispiele:
eine friedliche, tiefe, träumerische, unheimliche, vollkommene, nächtliche, feiertägliche Ruhe
die Ruhe des Waldes
die Ruhe in der Natur
gegen Abend trat draußen Ruhe ein
die Ruhe suchen
er braucht Ruhe bei der Arbeit
das Dorf lag in beschaulicher Ruhe
nach Ruhe verlangen
sich nach Ruhe sehnen
»Ruhe!« sagte der Lehrer
bitte einen Augenblick Ruhe
Ruhe schaffen
jmdn. zur Ruhe bringen, ermahnen
Eine geisterhafte Ruhe hatte sich über Platz und Straßen ausgebreitet [ Wasserm.Gold189]
ungestörter ordnungsgemäßer Zustand
Beispiele:
die Ruhe stören
Ruhe geben, halten (= nicht stören)
ich möchte jetzt meine Ruhe haben (= ungestört bleiben)
jmdm. keine Ruhe lassen (= jmdn. dauernd stören)
seine Arbeiten in Ruhe (= ungestört) fortsetzen
umgangssprachlichlass mich in Ruhe!
in Ruhe und Frieden leben
die ungestörte öffentliche Ordnung und Sicherheit
Beispiel:
nach dem Putschversuch herrschte in der Hauptstadt wieder Ruhe, waren Ruhe und Ordnung wiederhergestellt
bildlich
Beispiel:
umgangssprachlichdie Ruhe vor dem Sturm (= gespannte Atmosphäre vor einer kommenden Auseinandersetzung)
b)
innere Ausgeglichenheit
Beispiele:
eine heitere, gesammelte, erzwungene, erstaunliche, bewundernswerte Ruhe
die Ruhe des Gemüts
gehobener strahlt Ruhe aus
Ruhe geht von ihm aus, erfüllt ihn
Ruhe kommt über ihn
die Ruhe verließ ihn
jmdm. die Ruhe geben, nehmen, rauben
jmdn. aus seiner Ruhe aufschrecken
ihr Unglück brachte ihn um seine Ruhe
nach vielen Wirrnissen kam er endlich zur Ruhe
gehobenMeine Ruh ist hin, / Mein Herz ist schwer [ GoetheFaustI 3374]
Gleichmut
Beispiele:
eine gelassene, gemessene, überlegene, unerschütterliche, behäbige, lässige, gespielte, kalte, eisige, aufreizende, gefährliche, apathische Ruhe
ihm fehlt die nötige Ruhe
Ruhe besitzen
er zeigte eine gleichmütige Ruhe
die Ruhe behalten, bewahren, verlieren
aus der Ruhe kommen
sich nicht aus der Ruhe bringen lassen
umgangssprachlichimmer mit der Ruhe! (= nicht so hastig!)
den Ereignissen in aller Ruhe entgegensehen
etw. in Ruhe besprechen
mit größter Ruhe abwarten
sich zur Ruhe zwingen
sprichwörtlichnur die Ruhe kann es bringen
Der General hörte mit stoischer Ruhe den Bericht des Offiziers [ WelkHoher Befehl516]
übertragen
Beispiele:
er ist die Ruhe selbst, in Person
salopper hat die Ruhe weg (= ihn kann nichts erschüttern)
umgangssprachlichnun hat die liebe Seele Ruh (= nun ist man endlich zufrieden)
3.
das Ausruhen
a)
Muße, Erholung
Beispiele:
eine kurze, behagliche, wohltuende, wohlverdiente Ruhe
viel Ruhe brauchen
sich [Dativ] nach der Arbeit Ruhe gönnen
gehobender Kranke bedarf der Ruhe
veraltendder Ruhe pflegen
gehobenein Leben ohne Rast und Ruh (= ein ruheloses, unstetes Leben)
gehobenohne Rast und Ruh (= ständig) arbeiten
übertragen
Beispiele:
sich zur Ruhe setzen (= als privater Unternehmer, Geschäftsmann, selbständiger Handwerker oder freiberuflich Tätiger seine Tätigkeit aus Altersgründen aufgeben und von seinem Vermögen leben)
Militärin Ruhe (= Ruhestellung) liegen
MilitärWir zogen … nach hinten in Ruhe [ MarchwitzaJugend318]
b)
Schlaf
Beispiele:
eine gute, erquickende, bleierne Ruhe
im Bett keine Ruhe finden
zur Ruhe gehen (= schlafen gehen)
sich zur Ruhe legen
papierdeutschsich zur Ruhe begeben
angenehme Ruhe! (= Wunsch beim Schlafengehen)
gehoben, verhüllend, bildlich
Beispiele:
zur ewigen Ruhe eingehen (= sterben)
jmdn. zur letzten Ruhe tragen, betten (= jmdn. beerdigen)
Wir hatten Philipp auf dem einsamen Dorfkirchhof … zur letzten Ruhe gebracht [ WerfelVeruntreuter Himmel77]
Dieses Wort ist Teil des Wortschatzes für das Goethe-Zertifikat A2.
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Ruhe · ruhen · ruhelos · Ruhestatt · Ruhestätte · Ruhestand · ruhig · beruhigen · ruhsam · geruhsam · Unruhe
Ruhe f. ‘Stille, Untätigkeit, Entspannung’, ahd. ruowa (um 800), mhd. ruo(we), mnd. rouwe, rōwe, mnl. rouwe, rowe, aengl. rōw, anord. , schwed. ro ‘Ruhe’ setzen germ. *rōwō (ie. *rōu̯ā), ablautendes ahd. rāwa (9. Jh.), mhd. mnd. rāwe, mnl. rauwe dagegen germ. *rēwō (ie. *rēu̯ā) voraus. Außergerm. vergleichen sich awest. airime Adv. ‘still, ruhig sitzend’, griech. erōḗ (ἐρωή) ‘das Aufhören, Ruhe, Rast’, erōé͞in (ἐρωεῖν) ‘ruhen, rasten, nachlassen’, kymr. araf ‘ruhig, mild, langsam’. Erschließbar ist eine Wurzel ie. *erə-, *rē- ‘ruhen’ (wozu auch Rast, s. d.). – ruhen Vb. ‘Entspannung finden, still liegen, rasten, auf etw. fest liegen, stehen’, ahd. ruowēn (11. Jh.), mhd. ruo(we)n, mnd. ro(u)wen, mnl. rouwen, ruwen, daneben (ablautend) ahd. rāwēn (um 1000), mhd. mnd. rāwen ‘(aus)ruhen’ sind Bildungen zu den genannten Substantiven. ruhelos Adj. ‘von innerer Unruhe erfüllt, unstet, voll Unrast’, mhd. ruowelōs. Ruhestatt, Ruhestätte f. ‘Ruheplatz, Grabstätte’, mhd. ruowestat. Ruhestand m. ‘Zeit der Ruhe und des Friedens, Waffenstillstand’ (16. Jh.), ‘inneres Gleichgewicht’ (17. Jh.), ‘Lebensabschnitt nach dem Ausscheiden aus der beruflichen Tätigkeit’ (19. Jh.). ruhig Adj. ‘bewegungslos, still, nicht aufgeregt’, mhd. ruowec, ruowic, frühnhd. rūwig (15. Jh.). beruhigen Vb. ‘ruhig machen, zufriedenstellen, besänftigen’, reflexiv ‘ruhig werden, sich zufriedengeben’ (16. Jh.). ruhsam Adj. ‘ruhig, behaglich, ohne Eile, ohne Aufregung’ (15. Jh. ruosam, md. rusam, bei Luther rugsam); vgl. mnd. rou(we)sam; heute dafür geruhsam Adj. mhd. (md.) gerūgesam. Unruhe f. ‘anhaltende innere Erregung, Besorgnis, störende geräuschvolle Bewegung’, Unruhen (Plur.) ‘Empörung, Aufruhr einer größeren Gruppe von Menschen’, ahd. unruowa (8. Jh.), mhd. unruo(we), (md.) unrū sowie ahd. unrāwa (um 1000), mhd. unrāwe; auch ‘Uhrpendel’ (16. Jh.), dann ‘Schwungrad in Uhren, Gangregler’ (Mitte 17. Jh.).

Thesaurus

Synonymgruppe
Assoziationen
  • (jemandes) Lippen sind versiegelt · kein Wort (zu etwas) verlieren · keine Antwort geben · nichts sagen · stumm bleiben  ●  schweigen Hauptform · (das) Sprechen verlernt haben ugs., ironisch · (den) Mund halten ugs. · (sich) in Schweigen hüllen geh. · den Rand halten ugs. · kein Sterbenswörtchen sagen ugs. · keinen Mucks von sich geben ugs. · keinen Piep sagen ugs. · keinen Ton sagen ugs. · schweigen wie ein Grab ugs. · sein Herz nicht auf der Zunge tragen ugs., fig. · still schweigen (veraltet lit.) geh. · stumm wie ein Fisch sein (bildl.) ugs.
  • (ganz) leise · (ganz) still · totenstill  ●  mucksmäuschenstill ugs.
Synonymgruppe
Ruhe jetzt! · Ruhe! · leise! · still!  ●  sei still!  variabel · (jetzt ist aber) Ruhe im Karton!  ugs. · Ruhe da hinten auf den billigen Plätzen!  ugs., scherzhaft · Ruhe da hinten!  ugs. · Ruhe im Glied!  ugs., veraltend, militärisch · Silentium!  geh., bildungssprachlich, auch ironisch · bist stad!  ugs., bayr., österr. · gib endlich Ruhe!  ugs. · pscht!  ugs. · psst!  ugs. · pst!  ugs. · ruhig jetzt!  ugs. · schh!  ugs. · schhh!  ugs.
Assoziationen
  • halt dich (gefälligst) geschlossen!  ●  du redest zu viel variabel · Maul halten! derb · Noch ein Wort (und ...)! (drohend) derb · Schnauze! derb · Was! (drohstarrend) derb · einfach mal die Fresse halten ... derb · halt (mal) die Luft an! ugs., veraltend · halt dein Maul! derb · halt den Mund! ugs., variabel · halt den Rand! ugs. · halt den Schnabel! derb · halt die Backen! derb · halt die Fresse! vulg. · halt die Klappe! derb, variabel · ich würde (an deiner Stelle) jetzt lieber (mal) den Mund halten ugs., variabel · sag (jetzt) nichts ugs., variabel · sag einfach nichts ugs. · sei still! ugs., variabel · wer hat dich denn gefragt? ugs., variabel
  • fauchen · zischeln · zischen  ●  schhh machen ugs.
  • (jemand) weiß nichts mehr zu sagen · (jemandem hat es) die Sprache verschlagen · (jemandem) fehlen die Worte · (jemandem) gehen die Worte aus · (jemandem) verschlägt es die Sprache · jemand sagt nichts mehr (zu) · nichts mehr einfallen (zu) · sprachlos sein · verstummen  ●  (jemandem) bleibt (da) die Spucke weg ugs., fig. · (jemandem) fällt nichts mehr ein (zu) ugs. · Gö, jetzt bist stad! ugs., österr.
Synonymgruppe
(völliges) Ruhen · Entspannung · Frieden · Ruhe und Frieden  ●  Ruhe  Hauptform

Typische Verbindungen zu ›Ruhe‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›Ruhe‹.

Verwendungsbeispiele für ›Ruhe‹

maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora

Ich mußte jetzt nur Ruhe bewahren, nur raus aus der Situation. [Arjouni, Jakob: Chez Max, Zürich: Diogenes 2006, S. 173]
Genau das habe er gemeint, als er sagte, über einiges in Ruhe sprechen zu wollen. [Schulze, Ingo: Neue Leben, Berlin: Berlin Verlag 2005, S. 158]
Weil ihr schwach seid, habt ihr euch von uns Ruhe erkauft. [Schelsky, Helmut: Die skeptische Generation, Düsseldorf: Diederichs 1957, S. 618]
In einer fast zeitlosen Ruhe liegt die bürgerlich‑ständische Welt vor den Augen des Lesers. [Auerbach, Erich: Mimesis, Bern: Francke 1959 [1946], S. 416]
Wenn es brenzlig wird, behält er die Ruhe, weil er von seiner eigenen Stärke überzeugt ist. [Der Spiegel, 14.10.1991]
Zitationshilfe
„Ruhe“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Ruhe>.

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