Sitte
f.
‘Brauch, Gewohnheit, (moralischer) Anstand’,
ahd.
situ
(8. Jh.),
mhd.
site
‘Art und Weise, wie man lebt und handelt, Volksart, -brauch, Gewohnheit, Beschaffenheit, Anstand’
(ursprünglich m.,
durch häufigen pluralischen Gebrauch bereits
spätmhd. f.),
asächs.
sidu,
mnd.
sēde,
sedde,
mnl.
sēde,
nl.
zede,
afries.
side,
aengl.
sidu,
anord.
siðr,
schwed.
sed,
got.
sidus
(
germ.
*sedu-
m.).
Herkunft nicht geklärt.
Die übliche Herleitung vergleicht
aind.
svadhā́
‘Eigenheit, Eigenkraft, Charakter, gewohnte Art, Gewohnheit’,
griech.
éthos
(
ἔθος,
aus
*ϝέθος,
ie.
*su̯édhos)
‘Gewohnheit, Brauch, Übung’,
lat.
sodālis
‘Genosse, Kamerad, Gefährte, Mitglied einer Gemeinschaft’
und geht von
ie.
*su̯ē̌dh-
aus,
in dem eine Bildung zum Pronominalstamm
ie.
*seu̯e-
(s.
↗
sich)
gesehen wird.
Dagegen erklärt
Wissmann
in: Münchener Studien zur Sprachwiss.
6 (1955) 129
das stammhafte
i
in
aengl.
sidu
und
anord.
siðr
für alt
(also nicht aus
e
hervorgegangen).
Aus dem gleichen Grunde lehnt
Trier
Lehm
(1951) 41
die oben vorgetragene Etymologie (also auch die Verbindung mit
griech.
éthos)
ab
und schließt die
germ. Formen von
Sitte
an die unter
↗
Saite
und
↗
Seil
(s. d.)
behandelten Substantive an,
so daß
Sitte
(im Ablaut zu
Saite
stehend)
als
‘Verbindendes, Bindung’
gedeutet werden kann.
Unsitte
f.
‘Anstand und Benehmen Zuwiderlaufendes’,
ahd.
unsitu
(9. Jh.),
mhd.
unsite
‘üble Gewohnheit, Aufgebrachtheit, Zorn, unfeines oder grobes Benehmen’.
sittlich
Adj.
‘der Sitte, Moral entsprechend, moralisch’
(15. Jh.),
ahd.
situlīh
(um 800),
mhd.
sitelich
‘dem Brauch gemäß, ruhig, milde, bescheiden, anständig’.
Sittlichkeit
f.
‘Wohlanständigkeit, Moral’
(Anfang 16. Jh.).
unsittlich
Adj.
‘unanständig, anstößig, unmoralisch’,
ahd.
unsitulīh
(um 800),
mhd.
unsitelich
‘ungehörig, unziemlich, unpassend’.
sittsam
Adj.
‘brav, ehrbar, geziemend’
(15. Jh.),
ahd.
situsam
‘passend, geeignet’
(8. Jh.).
Sittenlehre
f.
‘Lehre von den Sitten, der Moral und Ethik, Moralphilosophie’
(17. Jh.).