Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Stimmvieh, das

Grammatik Substantiv (Neutrum) · Genitiv Singular: Stimmviehs · wird nur im Singular verwendet
Aussprache [ˈʃtɪmfiː]
Worttrennung Stimm-vieh
Wortzerlegung stimmen Vieh
Dieses Stichwort finden Sie im DWDS-Themenglossar zur Bundestagswahl 2021.
DWDS-Vollartikel

Bedeutung

verächtlich Masse der Wähler, deren Meinung und Verhalten die Parteien oder Kandidaten nur im Hinblick auf das Abstimmungsergebnis interessiert
Kollokationen:
mit Adjektivattribut: dummes Stimmvieh
in Präpositionalgruppe/-objekt: jmdn. zum Stimmvieh degradieren; jmdn. als Stimmvieh missbrauchen
Beispiele:
Jahrzehntelang haben sich die Parteien höchstens einige Wochen vor Wahlen für die Meinung des im politischen Betrieb auch schon einmal als »Stimmvieh« verunglimpften Volkes interessiert. [Der Spiegel, 28.03.2012 (online)]
Vor Wahlen würden Migranten von allen Parteien als Stimmvieh umgarnt, danach seien ihre Probleme wieder vergessen. [Neue Zürcher Zeitung, 15.05.2017]
Das Stimmvieh begehrt auf, will in Entscheidungen eingebunden werden und selbst Politik machen. [Die Zeit, 27.11.2014]
Ein schönes Gefühl ist es trotzdem, einmal nicht als Stimmvieh und Steuerzahler, sondern als moralische Person angesprochen zu werden. [Die Zeit, 08.03.2007]
Es sind keineswegs nur die politisch urteilslosen Kreise, die sich auf diese Weise als Stimmvieh zwischen den Parteien hin‑ und hertreiben lassen und bald hier, bald dort eingefangen werden. [Schultze-Pfaelzer, Gerhard: Propaganda, Agitation, Reklame. Berlin: Stilke 1923, S. 194]

letzte Änderung:

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Stimme · Stimmrecht · Stimmvieh · Stimmenmehrheit · stimmen · anstimmen · abstimmen · beistimmen · umstimmen · zustimmen · übereinstimmen · Stimmung · stimmungsvoll · stimmig · einstimmig · mehrstimmig
Stimme f. ‘mit Hilfe der Stimmbänder erzeugte Laute, Fähigkeit zur Erzeugung solcher Laute, Meinung, Urteil’, ahd. stimna, stimma (8. Jh.), stemna, stemma (9. Jh.), mhd. stimme, asächs. stemna, mnd. stemne, stem(me), stimme, mnl. stemme, stēvene, nl. stem, aengl. stefn, stemn, engl. (mundartlich) steven, afries. stifne, stemme, got. stibna, mit sekundärem Labial mnd. stempne, frühnhd. stimb, aus germ. *stemnō (mit aus ƀn entstandenem mn), ohne gesicherte außergerm. Entsprechungen. Verwandtschaft mit griech. stóma (στόμα) ‘Mund, Maul, Mündung, Front, Spitze, Schneide’ (ie. *stomen- ‘Mund, Spalte’, zu einer Wurzel ie. *(s)tem- ‘schneiden’) ist möglich; vgl. Wennerberg in: Die Sprache 18 (1972) 24 ff. Stimme in der Sprache der Musik im Sinne von ‘Singstimme, Singbegabung’ ist bereits ahd., dazu vgl. Fügungen wie hohe, tiefe Stimme (vor allem seit dem 18. Jh. geläufig); auch ‘Teil einer mehrstimmigen (Vokal)komposition’ (16. Jh.). Stimme für ‘Entscheidung für jmdn., etw., Votum’ bei einer Abstimmung, Beratung ist seit dem 14. Jh. bezeugt, vgl. Sitz und Stimme (‘das Recht, ein Votum in einem bestimmten Kreis abgeben zu können’) haben (18. Jh.), Stimmen haben ‘das Votum anderer zugunsten der eigenen Wahl haben’ (16. Jh.), eine Stimme (‘das Recht zu urteilen’) haben (18. Jh.), jmdm. die, seine Stimme geben ‘sich für ihn entscheiden’ (16. Jh.). – Stimmrecht n. ‘Recht, an Abstimmungen und Wahlen teilzunehmen’ (18. Jh.). Stimmvieh n. ‘politisch unentschiedene, unkritische und abhängige Wähler, die bei Wahlen zu erwünschten Entscheidungen veranlaßt werden können’ (2. Hälfte 19. Jh.), nach amerik.-engl. voting cattle, zuerst auf amerikanische Verhältnisse bezogen. Stimmenmehrheit f. (18. Jh.). Vom Substantiv abgeleitet stimmen Vb. ‘zusammenpassen, richtig sein, übereinstimmen’, mhd. stimmen ‘eine Stimme hören lassen, rufen, mit einer Stimme versehen, erfüllen, anstimmen, nennen, festsetzen, abschätzen’ und ahd. gistimnen ‘zusammen-, anstimmen’ (8. Jh.); in der Musik ‘die Höhe der einzelnen Töne kontrollieren’ (16. Jh.), ‘seine Stimme, sein Votum für jmdn., etw. abgeben’ (17. Jh.), ‘jmdn. in eine bestimmte Gemütslage versetzen’ (18. Jh.), anstimmen Vb. ‘zu singen beginnen, einen Termin festsetzen’ (16. Jh.). abstimmen Vb. ‘in Einklang bringen, harmonisch, passend machen’ (17. Jh.), ‘die Stimme, das Votum abgeben’ (18. Jh.), älter ‘Münzen abwerten’ (schweiz., 15. Jh.), ‘nicht übereinstimmen mit etw. oder jmdm.’ (16. Jh.), ‘überstimmen’ (18. Jh.). beistimmen Vb. ‘recht geben, beipflichten’ (17. Jh.). umstimmen Vb. ‘anders stimmen, die Meinung ändern’ (17. Jh.). zustimmen Vb. ‘übereinstimmen, beipflichten’ (16. Jh.). übereinstimmen Vb. ‘den gleichen Klang haben, zusammenpassen, einer Meinung sein’ (16. Jh.). Stimmung f. ‘Gemütslage, -zustand, innere Disposition’ (18. Jh.), ‘Kolorit, Milieu’, besonders auf Ausstrahlung von Kunstwerken, Landschaften u. dgl. bezogen (19. Jh.); dazu stimmungsvoll Adj. (19. Jh.). stimmig Adj. ‘übereinstimmend, zusammenpassend, richtig’ (18. Jh.), zuerst ‘was Stimme hat, zur Stimme gehört’ (17. Jh.). einstimmig Adj. musikalisch ‘aus nur einer Stimme bestehend’ (17. Jh.), ‘ohne Gegenstimme’ (18. Jh.); vgl. ahd. einstimmi ‘einmütig’ (9. Jh.). mehrstimmig Adj. ‘aus mehreren Stimmen bestehend’ (beim Gesang, 19. Jh.).

Thesaurus

Politik
Synonymgruppe
Urnengänger · Wahlberechtigte · Wahlvolk · Wähler · Wählerschaft  ●  Stimmbürger  schweiz. · Stimmvolk  schweiz. · Elektorat  fachspr. · Stimmvieh  derb · Urnenpöbel (meist selbstironisch)  derb · Wahlvieh  derb

Typische Verbindungen zu ›Stimmvieh‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›Stimmvieh‹.

Zitationshilfe
„Stimmvieh“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Stimmvieh>.

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