(Gesamtheit, Häufigkeit o. Ä. von) Straftaten, vor allem Wirtschaftsstraftaten, die für die teilweise undurchsichtige Umbruchssituation in der Zeit der deutschen Wiedervereinigung typisch sind
Kollokationen:
in Präpositionalgruppe/-objekt: ein Fall von Vereinigungskriminalität
Beispiele:
Niemand weiß […], welche Marken »made in Ostdeutschland« es noch geben könnte, wären die Unternehmen nicht im politischen und justiziellen Chaos nach der Wende einer fast systematischen Wirtschaftskriminalität zum Opfer gefallen. […] Der deutschen Wirtschaft gingen durch diese »Vereinigungskriminalität« drei bis zehn Milliarden Mark verloren, schätzte ein Untersuchungsausschuss des Bundestags im Jahr 1998. […] kurz nach der Wende herrschten in der ehemaligen DDR Zustände wie im Wilden Westen. [Die Welt, 02.10.2010]
Die Wunde, die da schwärt, wurde von der Treuhand, von den anarchischen Zuständen geschlagen, die Mitte der Neunziger in den damals noch halbwegs neuen Bundesländern herrschten. Als für eine kurze und wahnhafte Zeit alles erlaubt schien. Weil ein Wirtschaftsübergang organisiert werden musste, wie es ihn in der Form noch niemals gegeben hatte. Und weil das schnell nicht mit rechten Dingen zuging[…] wurde die ZERV gegründet, die Zentrale Ermittlungsgruppe für Regierungs‑ und Vereinigungskriminalität. [Die Welt, 26.09.2015]
Im »Goldrausch« kam es zu vielen Fällen von »Vereinigungskriminalität«. Einige Beispiele: […] der mit Schmiergeldern und Politikereinfluss vollzogene Poker um die am Ende von Elf Aquitaine übernommenen Leunawerke; die beim Verkauf der Döbelner Beschläge‑ und Metallwerke geflossenen Bestechungsgelder; die durch den westdeutschen Marktführer Schott verhinderte Fortführung der Glasring AG in Ilmenau sowie die Übernahme der VEB Holzhandel durch einen dubiosen Wiener Unternehmer. [Süddeutsche Zeitung, 25.06.2012]
In einem der größten Prozesse um Vereinigungskriminalität nach der Wende hat das Berliner Landgericht gestern einen Treuhand‑Manager zu drei Jahren Haft wegen Untreue verurteilt. Der Ex‑Geschäftsführer der Ost‑Berliner Wärmeanlagenbau (WBB, 1000 Mitarbeiter) ist für einen Schaden von 78 Millionen Mark bei der Privatisierung des Unternehmens verantwortlich. [Bild, 28.07.2001]
Neun Jahre nach ihrer Gründung stellt die Zentrale Ermittlungsstelle Regierungs‑ und Vereinigungskriminalität (ZERV) bei der Berliner Polizei ihre Arbeit zum Jahresende ein. […] Mehr als 500 Beamte von Bund und Ländern und 200 Ermittler der Berliner Polizei bearbeiteten seit dem 1. September 1991 bundesweit alle Straftaten, die im Zusammenhang mit der DDR‑Vergangenheit oder der Vereinigung standen. [Frankfurter Rundschau, 29.12.2000]
Gehen Betrüger und Absahner straflos aus, würde vor allem das Vertrauen der ostdeutschen Bürger in den demokratischen Rechtsstaat erschüttert. Deshalb muß der Bundestag die Verjährungsfristen für die Vereinigungskriminalität verlängern. [Die Zeit, 25.04.1997, Nr. 18]