Theater künstlerisches Verfahren des epischen Theaters, das mit verschiedenartigen Mitteln eine Distanzierung des Zuschauers bewirkt, um ihm die gesellschaftliche Funktion und das Wesen der Vorgänge auf der Bühne zu verdeutlichen
Verfremdung, die
Grammatik Substantiv (Femininum) · Genitiv Singular: Verfremdung · Nominativ Plural: Verfremdungen
Aussprache
Worttrennung Ver-frem-dung
Wortzerlegung verfremden -ung
Wortbildung
mit ›Verfremdung‹ als Erstglied:
Verfremdungseffekt
eWDG
Bedeutung
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
Etymologie
fremd · Fremder · Fremdling · Fremde · befremden · befremdlich · entfremden · Entfremdung · Fremdsprache · Fremdwort · Verfremdung · verfremden
fremd
Adj.
‘von auswärts stammend, nicht heimisch, nicht zugehörig, unbekannt’.
Das gemeingerm. Adjektiv
ahd.
fremidi
(8. Jh.),
mhd.
vremede,
vremde,
vröm(e)de,
asächs.
fremiði,
mnd.
vrȫmede,
mnl.
vreemde,
vremde,
vreemt,
nl.
vreemd,
aengl.
frem(e)de,
got.
framaþeis
ist mit dem (Bindevokal aufweisenden) Suffix
germ.
-iþja-
/
-iðja-
(ie.
-ti̯o-)
gebildet zu
(im Nhd. untergegangenem)
germ.
*fram,
belegt in
ahd.
fram
Adv.
(8. Jh.),
mhd.
fram
Adv.
‘vorwärts, fort, weiter, sogleich’,
Präp.
‘fort von, von … her’,
asächs.
fram
Adv.
‘hervor, weg, heraus’,
aengl.
fram,
from
Adv.
‘fort, vorwärts, weg’,
Präp.
‘weg von, von … her’,
anord.
fram
Adv.
‘vorwärts’,
got.
fram
Adv.
‘weiter’,
Präp.
‘von … her’,
so daß eine Grundbedeutung
‘entfernt, fern’
angenommen werden kann.
Germ.
*fram
ist wie
anord.
framr
‘tapfer, vorzüglich’,
aengl.
fram
‘stark, tüchtig, tapfer’
mit
griech.
prómos
(πρόμος)
‘Vorderster, Vorkämpfer, Führer, Fürst’,
umbr.
promom
‘zuerst, anfangs’
eine
m-Ableitung
(s. auch verwandtes
fromm)
von
ie.
*prō̌,
einer der Varianten von
ie.
*per
‘das Hinausführen über’,
womit vornehmlich Adverbien und Präpositionen gebildet werden
(s. z. B.
für,
vor,
ver-).
Aus dem Adjektiv substantiviert
Fremder
m.
‘Auswärtiger, Gast’,
mhd.
vremder.
Dafür auch
Fremdling
m.
mhd.
vremdelinc.
Fremde
f.
‘Ort, wo man nicht heimisch ist’,
mhd.
vrem(e)de
‘Entfernung’.
befremden
Vb.
‘unangenehm berühren, fremdartig anmuten’
(15. Jh.);
vgl.
ahd.
irfremiden
‘ausschließen, verstoßen’
(?;
8. Jh.),
gifremiden
‘jmdm. etw. entziehen, sich von jmdm. abwenden’
(9. Jh.),
mhd.
vremeden
‘abfallen, meiden’;
befremdlich
Adj.
‘verwunderlich, unerfreulich’
(16. Jh.).
entfremden
Vb.
‘fremd machen, entziehen’,
mhd.
enphremden,
entvremden;
Entfremdung
f.
‘Abkühlung, Lösung (einer Beziehung), Entfernung’
(15. Jh.).
Fremdsprache
f.
(19. Jh.).
Fremdwort
n.
(19. Jh.),
älter dafür
fremdes Wort
(16. Jh.).
Verfremdung
f.
Stilmittel des epischen Theaters
(20. Jh.,
Brecht);
dazu in entsprechendem Sinne
verfremden
Vb.
zuvor
‘fremd machen, entfremden, enteignen’
(15. Jh.).
Typische Verbindungen zu ›Verfremdung‹ (berechnet)
Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›Verfremdung‹.
Verwendungsbeispiele für ›Verfremdung‹
maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora
Die Verfremdung der Welt beginnt schon mit unserer basalen Wahrnehmung.
[Die Zeit, 21.12.2005, Nr. 52]
Und möglicherweise erfolgt die Renaissance des Stiefels nun durch seine komplette Verfremdung.
[Süddeutsche Zeitung, 12.04.2003]
Da ich vom epischen Theater komme, ist so etwas eine ganz normale Form der Verfremdung für mich.
[Süddeutsche Zeitung, 28.12.2002]
Im Alter hat der Mime zum Original gefunden, ohne Verfremdung.
[Süddeutsche Zeitung, 12.03.1998]
Auf dieser Verfremdung beruht das von Brecht konzipierte epische Theater.
[Reinhardt, Martin: Brecht. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Berlin: Directmedia Publ. 2001 [1973], S. 5136]
Zitationshilfe
„Verfremdung“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Verfremdung>.
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