(allzu) großes Vertrauen auf menschliche Vernunft, das vernunftgemäße Handeln der Menschen
Beispiele:
Wer kannte Trauer besser als das 17. Jahrhundert? Krieg und Pest
wüteten in
Europa[,]
während der Widerstreit zwischen aufkeimendem
Vernunftglauben der Neuzeit und Religiosität des
Mittelalters die Menschen zerriss. [Der Tagesspiegel, 24.03.2004]
Die beiden schlimmsten Spielarten des Aberglaubens, mit dem die
großäugigen Barbaren aus dem Westen unser Volk von Samhan
(= Korea) infiziert haben, sind zweifelsohne
Wissenschaft und Vernunftglaube. […] denn wozu
bedarf es der Vernunft, wenn man sich auf eine uralte konfuzianische und
taoistische Überlieferung stützen kann? Und wozu eine neue Ideologie, wenn
man mit seiner alten bestens auskommt? [Süddeutsche Zeitung, 07.07.2009]
Gläubig zu sein[…] war auch um 1800 keine Selbstverständlichkeit mehr[…]. Die Philosophie der Aufklärung mit ihrem naturwissenschaftlichen Vernunftglauben hatte in den Jahrzehnten zuvor an Terrain gewonnen. [Welt am Sonntag, 17.04.2005]
[Der amerikanische Medienwissenschaftler Neil] Postman predigt keinen sterilen
Vernunftglauben, sondern erinnert die wachsende
Cyberspace‑Gemeinde ganz im Gegenteil daran, dass die instrumentelle
Vernunft aus sich heraus nie Fragen nach dem Warum und Wozu lösen kann. Dazu
bedarf es einer Reflexionsleistung, zu der nur der Mensch imstande ist. Ohne
moralisch‑ethisch motiviertes und wertebewusstes Denken und Handeln ist
Fortschritt für den Zeitdiagnostiker Postman nur eine Illusion. [Die Zeit, 12.08.1999, Nr. 33]
Eine Freilassung [des gefangenen Jesus] hingegen bringt unkalkulierbare Risiken mit sich, Aufruhr droht. Gebietet die Staatsräson vielleicht doch eine schnelle Hinrichtung? Im Vernunftglauben der Stoiker erzogen, doch von schwachem und schwankendem Charakter, grübelt [der römische Statthalter in Judäa] Pilatus über einen Ausweg[…]. [Der Spiegel, 12.04.1993]