Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Visionär, der

Grammatik Substantiv (Maskulinum) · Genitiv Singular: Visionärs · Nominativ Plural: Visionäre
Aussprache 
Worttrennung Vi-si-onär · Vi-sio-när
GrundformVision
DWDS-Vollartikel

Bedeutungen

1.
Person, die klare und realistische Vorstellungen von wichtigen, weitreichenden Entwicklungen in der Zukunft hat
Kollokationen:
mit Adjektivattribut: ein begnadeter, charismatischer, genialer, kühner, nüchterner, pragmatischer, politischer, radikaler Visionär
in Koordination: Pragmatiker, Realisten, Vordenker und Visionäre; Prophet und Visionär
in vergleichender Wort-/Nominalgruppe: jmdn. als Visionär feiern, loben, preisen, verehren, würdigen
Beispiele:
Natürlich nimmt der Visionär heldenhaft auch die Nachteile der Zukunft in Kauf – er hat ja den Trumpf, dass er die Zukunft deutlicher sieht als viele andere, die sich mit ihren trägen Ausreden in scheinbarer Sicherheit wiegen[…]. [Die Zeit, 22.04.2013, Nr. 17]
Aber als Visionär, als konzeptioneller Denker, der die Entwicklung des anerkannt brillanten Macintosh‑Computers ausheckte, hinterläßt Jobs eine schwer zu schließende Lücke bei Apple. [Die Zeit, 27.09.1985, Nr. 40]
So würdigte ihn [Lothar Späth] der jetzige Ministerpräsident Winfried Kretschmann […] als »Visionär im besten Sinne, weltoffen, mit Weitblick, mutig und bürgernah«. [Neue Zürcher Zeitung, 18.03.2016]
2.
abwertend Person, die aus Sicht der Zeitgenossen unrealistische Vorstellungen von der Zukunft hat
Kollokationen:
mit Adjektivattribut: ein verrückter Visionär
in Koordination: Phantasten, Träumer, Utopisten und Visionäre
Beispiele:
Linke Visionäre träumten davon, die Trennung von Arbeit und Freizeit aufzuheben. [Die Zeit, 10.11.2008, Nr. 45]
Ein Auto mit Treibstoff zu betanken, dessen Quellen niemals versiegen, es anzutreiben, ohne schädliche Emissionen zu erzeugen? Wer ein solches Szenario beschrieb, wurde lange Zeit als Visionär verspottet. [Berliner Zeitung, 09.08.1997]
[…] deine elende Beredsamkeit schreckt nicht davor zurück, dich als Visionär des Untergangs aufzuspielen. [Wilhelm Genazino, Die Liebesblödigkeit, München, Wien: Carl Hanser Verlag 2005, S. 84]
3.
Religion Person, der seherische Fähigkeiten zugesprochen werden
Kollokationen:
mit Adjektivattribut: ein apokalyptischer Visionär
in Koordination: Prophet und Visionär
Beispiele:
Vor allem aber zeigt er Berlin als Hort der Visionäre und Sonderlinge. So besucht er den Gedankenleser, der sich rühmt, eine Stecknadel inmitten der Millionenstadt aufspüren zu können. [Die Zeit, 05.05.2014, Nr. 17]
Da wir aufgrund unserer Erfahrungen absolut nichts darüber wissen, gibt jede Religion, jeder Prophet oder Visionär, jeder Weise, der dies Wissen zu besitzen glaubt oder vorgibt, es zu besitzen, […] seine eigene Antwort. [Der Tagesspiegel, 18.01.2004]
Ja, in diesem Roman erscheint die Epoche vor allem als eine Zeit der Gottsucher und religiösen Schwärmer, der Häretiker und ihrer […] Gegenspieler, der Astronomen und Astrologen, der Propheten, Visionäre und Utopiker, der Pansophen und Alchimisten, auch der Scharlatane. [Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.04.1994]
Schauende, die in die Eleusinischen Mysterien völlig Eingeweihten; daher auch […] Schwärmer, Visionäre (Seher). [Brockhaus’ Kleines Konversation-Lexikon. Leipzig: F. A. Brockhaus 1906, S. 523]

letzte Änderung:

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Vision · visionär · Visionär
Vision f. ‘Erscheinung, Trugbild’, mhd. visiōn, visiūn(e) f. ‘Traumgesicht’, entlehnt aus lat. vīsio (Genitiv vīsiōnis) m. ‘das Sehen, Ansehen, Anblick, Erscheinung, geistige Vorstellung, Idee’; zu lat. vidēre (vīsum) ‘sehen, wahrnehmen, erkennen’. Vision bezeichnet zuerst (Anfang 14. Jh., oft lat. flektiert) in der Sprache der Mystik (Meister Eckhart, Seuse) eine übernatürliche Erscheinung, die als religiöse Erleuchtung aufgenommen wird; danach allgemeiner ‘auf Einwirkung übernatürlicher Kräfte beruhende Erscheinung, Vorstellung, Ahnung’ (16. Jh.), heute besonders ‘auf Sinnestäuschung beruhendes Trugbild, Halluzination, Traumbild’. – visionär Adj. ‘nach Art einer Vision wahrgenommen, seherisch, traumhaft, auf Einbildung beruhend, unwirklich’ (Ende 18. Jh.), aus frz. visionnaire ‘(angeblich) Visionen habend, seherisch, schwärmerisch, versponnen’; im Frz. auch substantivisch, woraus Visionär m. ‘wer Visionen hat, Geisterseher, Träumer, Phantast’ (1. Hälfte 18. Jh.), anfangs vereinzelt latinisiert Visionarius und in vom Frz. beeinflußter Schreibung Vision(n)air(e).

Typische Verbindungen zu ›Visionär‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›Visionär‹.

Zitationshilfe
„Visionär“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Vision%C3%A4r>.

Weitere Informationen …

Diesen Artikel teilen:

alphabetisch vorangehend alphabetisch nachfolgend
Visionsradius
Vision
Visiervorrichtung
Visierung
Visierlinie
Visitatio
Visitation
Visitator
Visite
Visitenbillet

Worthäufigkeit

selten häufig

Wortverlaufskurve

Wortverlaufskurve 1600−1999
Wortverlaufskurve ab 1946

Geografische Verteilung

Bitte beachten Sie, dass diese Karten nicht redaktionell, sondern automatisch erstellt sind. Klicken Sie auf die Karte, um in der vergrößerten Ansicht mehr Details zu sehen.

Verteilung über Areale

Bitte beachten Sie, dass diese Karten nicht redaktionell, sondern automatisch erstellt sind. Klicken Sie auf die Karte, um in der vergrößerten Ansicht mehr Details zu sehen.

Weitere Wörterbücher

Belege in Korpora

Referenzkorpora

Metakorpora

Zeitungskorpora

Webkorpora

Spezialkorpora