meist historisch Schwächung der militärischen Stärke des Landes, etwa durch Kriegsdienstverweigerung, Selbstverstümmelung, das Nähren (5) von Zweifel am eigenen Sieg o. Ä.
Der in der Zeit des Nationalsozialismus bestehende und
während des Zweiten Weltkrieges tausendfach angewandte Straftatbestand
Zersetzung der Wehrkraft
steht symbolisch für den disziplinierenden Terror gegen die eigene Bevölkerung. Die
(in der Gegenwart gelegentlich polemische) Verwendung dieses Begriffes assoziiert
unweigerlich das rücksichtslose Vorgehen eines totalitären Regimes gegen Widerspruch
und Zweifel.
Kollokationen:
in Präpositionalgruppe/-objekt: Todesurteile, Verurteilungen, Verfahren wegen Wehrkraftzersetzung; jmd. wird wegen Wehrkraftzersetzung verhaftet, verurteilt
in Koordination: Fahnenflucht, Desertion, Feindbegünstigung, Kriegsdienstverweigerung und Wehrkraftzersetzung
Beispiele:
Am 26. August 1939, wenige Tage vor Beginn des Zweiten Weltkrieges,
war im Dritten Reich die »Kriegssonderstrafrechtsverordnung« in Kraft
getreten. Diese Verordnung führte in Paragraf 5 den Straftatbestand der
»Wehrkraftzersetzung« ein. Jeder Versuch der
Wehrdienstentziehung war demnach mit dem Tode zu bestrafen. [Neue Zürcher Zeitung, 08.09.2009]
Volksgesundheit, das ist kein Rechtsgut von Individuen, zu dessen
Schutz das Strafrecht in einer Demokratie üblicherweise allein dienen darf.
[…] Man kennt diesen
ungewöhnlichen Gedanken sonst nur vom Militär: von den Soldaten nämlich, die
einst wegen »Wehrkraftzersetzung« bestraft werden
konnten, wenn sie sich selbst verletzten (heute heißt der Straftatbestand,
trotz Freiwilligenarmee, »Wehrpflichtentziehung durch Verstümmelung«). [Süddeutsche Zeitung, 23.05.2018]
Bei der nächsten Versammlung des Komsomol, des kommunistischen
Jugendverbandes, kritisierte
G[…]
die missglückte Aktion. Deshalb wurde ihm wegen
»Wehrkraftzersetzung« und »antisowjetischer
Propaganda« der Prozess gemacht. [Der Spiegel, 08.05.2010 (online)]
Nach Angaben der Kampagne [gegen Wehrpflicht] wurden über 46.000 Todesurteile wegen
Wehrkraftzersetzung, Desertion und
Kriegsdienstverweigerung während des nationalsozialistischen Regimes
ausgesprochen und mindestens 20.000 Urteile vollstreckt. [die tageszeitung, 21.07.1998]
Regimekritische Äußerungen oder Witze über Repräsentanten des Regimes
(Flüsterwitz) wurden als »Heimtücke« verfolgt. Während des Krieges konnte
dies ebenso wie Zweifel am Endsieg als
Wehrkraftzersetzung oder wie das Abhören
ausländischer Sender als Rundfunkverbrechen mit dem Tode bestraft werden. [Eiber, Ludwig: Verfolgung. In: Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1997], S. 676]
Daß die Bundeswehr sowohl den Angriffs‑ als auch den Bürgerkrieg
probt, ist längst kein Geheimnis mehr. Wer jedoch darüber aufklärt und
dagegen agitiert, muß neuerdings wieder damit rechnen, vor Gericht gestellt
und abgeurteilt zu werden. Wegen Wehrkraftzersetzung. [konkret, 2000 [1988]]
Ein Delikt, das in Deutschland noch aus der Kriegszeit her in
Erinnerung ist, in Frankreich aber bisher […] ein papierenes Dasein im
Strafgesetzbuch fristete, ist mit dem Krieg in Algerien zu einer
beängstigenden Wirklichkeit geworden: die
Wehrkraftzersetzung. [Der Spiegel, 02.05.1956]