Soziologie Kind, das während seiner frühen Entwicklungsphase ohne Kontakt zu anderen Menschen aufwuchs, in der Wildnis von Wölfen und anderen Tieren aufgezogen wurde und deshalb ein von der Norm menschlichen Zusammenlebens abweichendes Sozialverhalten und kognitives Leistungsvermögen aufweist
Beispiele:
Wolfskinder nennt man jene menschlichen Geschöpfe,
die nicht von ihren Eltern, sondern in der Wildnis von einem Rudel Wölfe
aufgezogen werden: Das sind Kinder, die keine Sprache kennen, die nie
lernen, die Stimme wie ein Mensch zu handhaben, tiernah. [Beyer, Marcel: Flughunde, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1995, S. 168]
Die Tatsache bleibt: Meistens beginnt der Leidensweg für das Wolfskind erst bei den Menschen. So auch beim bekanntesten Wolfskind der Literaturgeschichte, bei Mogli, den Rudyard Kipling 1894 mit dem »Dschungelbuch« in die Welt entließ. [Süddeutsche Zeitung, 01.09.2018]
Das Wolfskind aus dem Aveyron hat eine
Lebensgemeinschaft mit anderen Menschen nicht gekannt, als man es im Jahre
1800 in Südfrankreich fing und wurde nach der Untersuchung durch Experten zu
einem hoffnungslosen Fall erklärt. [Der Tagesspiegel, 31.03.2000]
Nachdem die großen Wölfe vertrieben waren, fand er in einer Höhle
zwei kleine Wölfe und zwei seltsame menschenähnliche Wesen mit großen runden
Köpfen und glänzenden Augen. Die vier waren wie eine Kugel zusammengerollt;
nur mit Mühe bekam man sie auseinander. Pfarrer Singh brachte die
»Wolfskinder« ins Dorf. [Schmidt-Rogge, Carl H.: Dein Kind – Dein Partner, München: List 1973 [1969], S. 135]
Diese Wolfskinder sollen nur auf Händen und
Füßen gelaufen sein und rohes Fleisch verschlungen haben, ohne dabei die
Hände zu Hilfe genommen zu haben. [Berliner Zeitung, 12.04.1961]
übertragen, historisch Bezeichnung für ein Kind, das am Ende des Zweiten Weltkrieges elternlos war und aus dem nördlichen Ostpreußen, auf sich allein gestellt, ins Baltikum flüchtete
Beispiele:
In der Nachkriegszeit vagabundierten Tausende deutsche
Kriegswaisen als sogenannte Wolfskinder durch
Litauen. [Süddeutsche Zeitung, 02.01.2018]
Elli ist ein sogenanntes Wolfskind, eines
von Tausenden ostpreußischen Kindern, die sich nach dem Einmarsch der
Roten Armee irgendwie durchschlagen mussten. [Der Spiegel, 23.12.2017 (online)]
Wolfskinder nannte man jene Kinder, die auf der
Wanderung nach Westen verloren gegangen waren und sich seitdem irgendwo
im Osten allein oder in kleinen Banden durchschlagen mussten: ohne
Schule, ohne Liebe, ohne Zukunft. [Die Welt, 02.04.2016]
[…] und dann gab es
auch noch die Wolfskinder, die sich im Sommer
1946 durch Litauen schlagen und auf der Flucht vor sowjetischen
Besatzungssoldaten notgedrungen animalische Überlebensinstinkte
entwickeln mussten. [Die Welt, 28.08.2014]
In den Wäldern bei Tilsit haben ein paar elternlos streunende
»Wolfskinder« vom Kriegsende, vom 8. Mai,
nichts gemerkt, der sechsjährige Dieter aus Mednicken wird nach dem Tod
der Mutter, der Schwestern fast eineinhalb Jahre so in der Wildnis zu
überleben versuchen. [Die Zeit, 07.05.2009]