Zyniker, der
GrammatikSubstantiv (Maskulinum) · Genitiv Singular: Zynikers · Nominativ Plural: Zyniker
Aussprache [ˈʦyːnikɐ]
Worttrennung Zy-ni-ker
Wortbildung
mit ›Zyniker‹ als Erstglied:
Zynikerin
Herkunft aus kynikósgriech
(κυνικός)
‘hündisch, bedürfnislos wie Hunde’ <
kýōngriech
(κύων)
‘Hund’
Bedeutungsübersicht
- 1. Person, die geltende Wert- und Moralvorstellungen bewusst, meist unverhohlen missachtet
- 2. bissiger, taktloser, die Gefühle anderer bewusst verletzender Spötter
- 3. [historisch] Anhänger einer Strömung der antiken Philosophie, deren prägendes Merkmal ein ethischer Skeptizismus verbunden mit Bedürfnislosigkeit war
DWDS-Vollartikel
Bedeutungen
1.
Person, die geltende Wert- und Moralvorstellungen bewusst, meist unverhohlen missachtet
Kollokationen:
mit Adjektivattribut: ein abgebrühter, kalter Zyniker
in Koordination: Zyniker und Skeptiker
Beispiele:
Sobald […] Soldaten
sterben, muss deren Opfer einen Sinn haben, sonst stehen die Politiker als
Zyniker da, die über Leichen gehen. [Neue Zürcher Zeitung, 14.04.2011]
Zyniker fragen
[im Hinblick auf politische Entscheidungen während der Corona-Pandemie]: Sollen wir die
gesamte Weltwirtschaft ruinieren, bloß um Leute zu schützen, die ohnehin
bald sterben? [Welt am Sonntag, 22.03.2020]
In der Gestalt des inzwischen zum Premierminister aufgestiegenen
Urquhart fesselt er
[der britische Schauspieler Ian Richardson]
die Nation dieser Tage wieder an den Bildschirm. Eiskalt, voll Arglist und
ohne Skrupel, ein Zyniker, der buchstäblich über
Leichen geht, um die Karriere zu fördern. [Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.12.1995]
Der Zyniker setzt sich mit Willen über die
übliche Ausdrucksform der S.haftigkeit
(= Schamhaftigkeit) hinweg und tut, als gehe ihm
jedes S.gefühl (= Schamgefühl) ab; und doch handelt er
gerade aus einem überempfindlichen S.gefühl heraus, indem er trotzig gegen
die herrschenden und leeren Formen des S.gefühls protestiert
[…]. [Løgstrup, K. E.: Scham. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Bd. 5. Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1961]]
2.
bissiger, taktloser, die Gefühle anderer bewusst verletzender Spötter
Beispiele:
Heute bezeichnet man als Zynismus zum einen die
sich durch teils absichtlich verletzende Äußerungen zeigende Haltung einer
Person (des Zynikers)[…]. [Freud und Leid, 23.11.2006, aufgerufen am 31.08.2020]
Die meisten Dinge in unserem Leben tun wir […] aus Feigheit und Furcht, würde der
Zyniker sagen. [Der Standard, 22.10.2016]
Newman gibt [in einem Spielfilm] jedoch
nicht nur den scharfzüngigen Zyniker, der seinen
beißenden Spott über sich und seine Mitmenschen ausgießt, sondern auch den
hoffnungslosen Romantiker. [Allgemeine Zeitung, 05.11.2015]
Selbst die sonst so träge ARD gedenkt nun ernsthaft darüber zu
diskutieren, ob sie die von Zynikern als Pharmaschau
verspottete und mit deutschen Gebührengeldern alimentierte Tour de France
nächstes Jahr tatsächlich noch live im Fernsehen zeigen will, nachdem der
nächste deutsche Fahrer nach Patrik Sinkewitz offenkundig enttarnt ist. [Die Welt, 08.10.2008]
Er
[der Autor Ilja Ehrenburg] entpuppte sich
als die frechste Spottdrossel des Kontinents: Ironiker, Satiriker und
Zyniker in einem, ohne Respekt vor heiligen
Kühen, selbst nicht vor der Oktoberrevolution. [Die Zeit, 12.12.1997]
3.
historisch Anhänger einer Strömung der antiken Philosophie, deren prägendes Merkmal ein ethischer Skeptizismus verbunden mit Bedürfnislosigkeit war
Beispiele:
Die alten Griechen kannten mehrere philosophische
Schulen, z. B. die der Zyniker, […] der Epikureer usw. [Neues Deutschland, 19.02.1958]
Das Wort Zynismus entstammt der Denkrichtung der
Zyniker der griechischen Antike. Es ist eine
Philosophie, die durch materiellen Verzicht Reinheit und Unabhängigkeit zu
erreichen suchte – ein Gedanke, der, weil er auch etwas Zwingendes hat,
immer wieder in der Geschichte auftaucht, man denke nur an Franz von Assisi,
an Jesuiten, an die Fastenbewegung heute … Zynismus (Kynismus) leitet sich
vom griechischen Wort für Hund ab – es bedeutet Hündigkeit, leben wie ein
Hund, wegen der dem Kynismus eigenen Bedürfnislosigkeit. [Juni 2016 – Henrik Geyer – spirituell-philosophischer Blog, 18.06.2016, aufgerufen am 01.09.2020]
Die Überspannung des Prinzips der Bedürfnislosigkeit führte die
Zyniker bald zu einer Oppositionsstellung
gegenüber aller Zivilisation, einer Verherrlichung des die Tiere und den
Urmenschen zum Muster nehmenden Naturzustandes, wie sie in der
kulturgeschichtlich so bekannten Gestalt des Diogenes von Sinope († 323 zu
Korinth) sich darstellt: jenes Sonderlings mit seinem Bettlerleben, ohne
feste Wohnung, mit dürftigster Kleidung und Gerät und diese
Bedürfnislosigkeit gern zur Schau tragend, dabei derbwitzig, schlagfertig
und willensstark. [Vorländer, Karl: Geschichte der Philosophie. Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1913], S. 7145]
Meníppus, Zyniker, geb. in Gadara in
Palästina, wahrscheinlich im 3. Jahrh. v. Chr., behandelte Gegenstände aus
dem Gebiete der praktischen Philosophie in heiterm Tone. [Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon. Berlin: Directmedia Publ. 2001 [1906], S. 47920]
letzte Änderung:
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
Etymologie
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
zynisch · Zyniker · Zynismus
zynisch Adj. ‘die geltenden Wert- und Moralvorstellungen mißachtend und verhöhnend, spöttisch, bissig’ (1. Hälfte 19. Jh.), ‘die Regeln des Anstands verletzend, schamlos, unordentlich, grob’ (Mitte 18. Jh., wohl beeinflußt von frz. cynique), ‘zur kynischen Philosophie gehörend’ (1. Hälfte 18. Jh.), zuvor (selten) ‘ärmlich essend, ohne Wein’ (2. Hälfte 16. Jh.), entlehnt aus lat. cynicus, griech. kynikós (κυνικός) ‘hündisch, bedürfnislos wie Hunde’, zu griech. kýōn (κύων) ‘Hund, Hündin’, substantiviert (lat. Cynicus, griech. Kynikós, nhd. Kyniker) Bezeichnung für einen Anhänger der von Antisthenes gegründeten Philosophenschule, deren Ziel die Rückkehr zum Naturzustand und zu einem bedürfnislosen Leben ohne Ansprüche ist (vgl. die frühe dt. Bedeutung ‘ärmlich, anspruchslos, ohne Wein essend’). Auch Anknüpfung an das Gymnasium Kynósarges (Κυνόσαργες), wo Antisthenes lehrte, kann bei der Namengebung mitgespielt haben. – Zyniker m. ‘Anhänger der kynischen Philosophie’ (2. Hälfte 16. Jh., geläufig 18. Jh.), vornehmlich aber, dem Gebrauch des Adjektivs folgend, ‘zynischer, spöttischer, bissiger, ehrfurchtsloser Mensch’ (um 1800), aus lat. Cynicus (bis zur Mitte des 18. Jhs. nur in dieser lat. Form in dt. Texten, seit der 2. Hälfte des 18. Jhs. Cyniker, dann Zyniker, um 1900), griech. Kynikós (Κυνικός) ‘kynischer Philosoph’. Zynismus m. ‘Moral- und Wertvorstellungen mißachtende Gesinnung, Unsauberkeit, Schamlosigkeit, Spottsucht’ (2. Hälfte 18. Jh.), ‘schamlose Redeweise’ (Mitte 19. Jh.). Vgl. spätlat. cynismus, griech. kynismós (κυνισμός) ‘der kynischen Philosophie entsprechende Denk- und Handlungsweise’.
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