Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

absehen

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GrammatikVerb · sieht ab, sah ab, hat abgesehen
Aussprache 
Worttrennung ab-se-hen
Wortzerlegung ab- sehen
Wortbildung  mit ›absehen‹ als Erstglied: Absehung · Absehunterricht · absehbar
 ·  mit ›absehen‹ als Grundform: Absehen · Absicht · abgesehen
eWDG

Bedeutungen

1.
durch aufmerksames (heimliches) Hinsehen
a)
etw. von jmdm. erlernen, abgucken
Beispiele:
jmdm. eine Fertigkeit, einen Kunst(griff) absehen
etw. von einem Modell, dem Leben absehen
b)
etw. (von jmdm.) unerlaubt abschreiben, abgucken
Beispiel:
der Schüler hat (von seinem Nachbarn) abgesehen
c)
jmdm. etw. ansehen
Beispiele:
jmdm. alles an den Augen absehen (= jeden unausgesprochenen Wunsch erfüllen)
[Gründe] die sie den Leuten am Gesicht absah [ G. Keller7,152]
sah er beinahe jedem seiner Kunden das, was er brauchte, an der Nase ab [ RaabeII 5,230]
etw. ablesen
Beispiele:
einen Laut am Mund absehen
etw. an der Kurve, am Test absehen
2.
etw. voraussehen, erkennen
Beispiele:
es ist kein Ende abzusehen
das Ende lässt sich nicht absehen
die Folgen dieser Handlung sind nicht abzusehen
etw. ist (noch gar) nicht abzusehen
er sah noch weniger ab, wo das geringste Mittagbrot herwachsen sollte [ G. KellerKleider machen Leute6,293]
3.
von etw. abstehen, etw. unterlassen
Beispiele:
von dem Kauf absehen
von der Klage, einer Bestrafung absehen
von seiner Anstellung absehen
davon wollen wir (jetzt ganz, diesmal noch) absehen
4.
über etw. hinwegsehen, etw. außer Acht lassen
Beispiele:
wenn man von dem Schaden, von dieser Eigenheit absieht
ist das nicht die beste Art, von der Erde und vom Leben abzusehen [ Th. Mann9,11]
5.
umgangssprachlich es auf etw., jmdn. absehen (= es auf etw., jmdn. anlegen, auf etw., jmdn. abzielen)
Beispiele:
er hat es darauf abgesehen (mich zu ärgern)
es war darauf, auf ihn abgesehen
er hat es auf mich abgesehen (= er will mich schädigen) (= er will mich gewinnen)
Nicht, daß ich es auf ein Schlaraffenleben absehe [ G. KellerFähnlein7,264]
er […] könnte es mit der Heirat bloß auf ihr Geld abgesehen haben [ BrochEsch212]
6.
veraltet etw. einsehen
Beispiele:
[ich] sah nicht ab, warum man mir […] das Größere entziehen wollte [ BüchnerDantonI 5]
daß sie gar nicht absehen und glauben könne, wie die Menschen unsterblich sein sollten [ G. KellerGr. Heinrich4,761]
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
sehen · Sehe · Seher · sehenswürdig · Sehenswürdigkeit · Sehkraft · absehen · absehbar · ansehen · Ansehen · Ansicht · Ansichtskarte · angesehen · ansehnlich · aufsehen · Aufsehen · Aufseher · Aufsicht · beaufsichtigen · aussehen · Aussehen · Aussicht · nachsehen · Nachsicht · vorsehen · Vorsehung · Vorsicht · vorsichtig · versehen · Versehen · Zuversicht
sehen Vb. ‘mit dem Gesichtssinn wahrnehmen’. Mit ahd. sehan (8. Jh.), mhd. sehen, asächs. sehan, mnd. sēn, mnl. sien, nl. zien, afries. sia, aengl. sēon, engl. to see, anord. sjā, schwed. se, got. saíƕan (germ. *sehwan) sind verwandt ahd. gisiuni ‘Anblick, Erscheinung, Aussehen’ (8. Jh.), asächs. siun ‘Auge’, aengl. sīen ‘Aussehen’, anord. sjōn ‘Blick, Auge’, got. siuns ‘Gesicht, Gestalt’; s. auch die Verbalabstrakta Sicht und Gesicht. Außergerm. sind vergleichbar air. rosc (aus *prosk‐ͧo-) ‘Auge, Blick’, alban. sheh ‘sieht’, hethit. šakuwa (Plur.) ‘Augen’ sowie auch griech. hépesthai (ἕπεσθαι) ‘folgen, begleiten’, aind. sácatē ‘begleitet, steht zur Seite, geht nach, folgt’, lat. sequī ‘(nach)folgen, begleiten, verfolgen, gehorchen’, air. sechithir ‘folgt’. Man nimmt daher eine Bedeutungsentfaltung ‘folgen, mit den Augen folgen, sehen’ an, hervorgegangen aus der Wurzel ie. *seku̯- ‘wittern, spüren’ (vom Hund bei der Jagd), die sich in einem zweiten Bedeutungsstrang zu ‘zeigen, ankündigen’ (s. sagen) entwickelt hat. – Sehe f. ‘Pupille, Sehvermögen, Ansicht’, ahd. seha (9. Jh.), mhd. sehe; heute noch landschaftlich. Seher m. ‘Prophet’ (16. Jh.); vgl. mhd. sternseher. sehenswürdig Adj. ‘berühmt, außergewöhnlich und daher des Ansehens wert’ (18. Jh.); Sehenswürdigkeit f. (Anfang 19. Jh.). Sehkraft f. ‘Sehvermögen des Auges’ (Anfang 18. Jh.), älter Sehenskraft (Ende 17. Jh.). absehen Vb. ‘durch Beobachtung erlernen, woraus erkennen, merken, überblicken’ (16. Jh.), ‘auf etw. abzielen’ (17. Jh., dazu s. Absicht), ‘verzichten’ (18. Jh.), mhd. abesehen ‘hinabsehen’; absehbar Adj. ‘überschaubar, erkennbar’ (18. Jh.), in absehbarer Zeit ‘bald’ (Ende 19. Jh.). ansehen Vb. ‘seinen Blick auf etw. richten, betrachten’, ahd. anasehan (8. Jh.), mhd. anesehen; Ansehen n. ‘Erscheinung’, auch (seit 16. Jh.) ‘Achtung, Wertschätzung’, mhd. anesehen ‘Anblick, Angesicht’; Ansicht f. ‘Seite, von der etw. betrachtet wird, Anblick, Bild’, auch (seit 19. Jh.) ‘Meinung’, ahd. anasiht (9. Jh.), mhd. anesiht ‘Anblick’; Ansichtskarte f. ‘Postkarte mit Landschaftsbild’ (Ende 19. Jh.); angesehen Part.adj. ‘geachtet’ (Anfang 18. Jh.); frühnhd. angesehen, (daß) … ‘in Anbetracht’. ansehnlich Adj. ‘angesehen, stattlich, wohlgefällig anzusehen’ (Ende 15. Jh.). aufsehen Vb. ‘emporschauen’, ahd. ūfsehan (um 900), mhd. ūfsehen; Aufsehen n. ‘(öffentliche) Beachtung’, spätmhd. ūfsehen; Aufseher m. ‘Aufsichtführender, Wächter’, spätmhd. ūfseher; Aufsicht f. ‘das Aufpassen, Kontrolle’ (16. Jh.); beaufsichtigen Vb. ‘(über etw.) die Aufsicht haben, kontrollieren’ (Anfang 19. Jh.). aussehen Vb. ‘einen bestimmten Anblick bieten’ (16. Jh.), vgl. mhd. ūʒsehen ‘hinaussehen’; Aussehen n. ‘äußere Erscheinung’ (17. Jh.), ‘Aussicht, Ausblick’ (16. Jh.); Aussicht f. ‘Blick in die Ferne’ (17. Jh.), ‘Zukunftsmöglichkeit, Erwartung’ (18. Jh.). nachsehen Vb. ‘hinterherschauen’, mhd. nāchsehen, auch ‘nachforschen’ (17. Jh.), ‘duldend geschehen lassen, verzeihen’ (16. Jh.); Nachsicht f. ‘verzeihende Haltung’ (18. Jh.), ‘Beaufsichtigung’ (17. Jh.). vorsehen Vb. ‘sich in acht nehmen, planen, in Aussicht nehmen’, ahd. furisehan ‘vorhersehen’ (8. Jh.), forasehan ‘vorhersehen, bedenken’ (9. Jh.), mhd. vür-, vorsehen ‘vorwärts sehen, sich in acht nehmen, wofür Sorge tragen’; Vorsehung f. ‘Schicksal’, mhd. vürsehunge ‘Obsorge, Schutz, Schicksal’; Vorsicht f. ‘Achtsamkeit, Behutsamkeit’, ahd. forasiht ‘Voraussicht, Vorsehung’ (um 1000, für lat. prōvidentia), spätmhd. vorsiht; vorsichtig Adj. ‘achtsam, behutsam’, ahd. forasihtīg ‘vorherschauend, voraussehend’ (um 1000), mhd. vür-, vorsihtic ‘voraussehend, einsichtig, verständig’. versehen Vb. ‘sich um etw. kümmern, ausstatten, ausrüsten, sich irren’, ahd. firsehan ‘verachten, verschmähen’ (8. Jh.), sih firsehan ‘bedacht sein’ (9. Jh.), mhd. versehen ‘vorhersehen, vorherbestimmen, besorgen, ausstatten, versorgen, übersehen, verachten, hoffen auf’; Versehen n. ‘Irrtum, unbeabsichtigter Fehler’ (17. Jh.), häufig aus Versehen ‘ohne Absicht’ (Anfang 19. Jh.). Zuversicht f. ‘Vertrauen in die Zukunft’, ahd. zuofirsiht ‘ehrfurchtsvolles Aufschauen, Hoffen’ (um 1000), mhd. zuoversiht.

Bedeutungsverwandte Ausdrücke


absehen (von) · aussparen

(sich) beherrschen (etwas zu tun) · Abstand nehmen (von etwas) · absehen (von) · aufhören (mit / zu + Infinitiv) · nicht machen · nicht tun · unterlassen  ●  (etwas) bleibenlassen ugs. · (etwas) lassen ugs. · (sich etwas) verkneifen ugs. · (sich von etwas) fernhalten geh. · (von etwas) die Finger lassen ugs. · bleiben lassen ugs. · gar nicht erst versuchen ugs. · sausen lassen ugs. · sein lassen ugs.
Unterbegriffe
Assoziationen
  • (darauf) verzichten (noch ... zu) · (einer Sache) nicht weiter nachgehen · (es) bewenden lassen (mit) · auf sich beruhen lassen · es belassen (bei) · nicht weiterverfolgen  ●  (etwas) mag sein Bewenden haben (mit) geh., kommentierend · (etwas) nicht noch weiter (zu tun) brauchen ugs.
  • absagen (Termin) · ausfallen lassen (regelmäßige Termine) · streichen  ●  canceln engl. · abblasen (Feier, Veranstaltung) ugs.
  • (ein Vorhaben) nicht weiterverfolgen · vergessen (können)  ●  (sich etwas) aus dem Kopf schlagen fig. · (sich) verabschieden (von etwas) fig. · (sich etwas) abschminken ugs., fig. · (sich etwas) in die Haare schmieren können derb, fig. · (sich etwas) von der Backe putzen ugs., salopp · abhaken (können) ugs. · knicken können ugs., salopp · nicht weiter d(a)rüber nachdenken ugs.
  • (einer Sache) nichts hinzuzufügen (sein) · (es) belassen bei · es bewenden lassen (mit / bei) · sein Bewenden haben (mit / bei)  ●  (es) ist gut (mit) ugs. · (etwas) soll (mal) genug sein ugs.
  • gar nicht erst anfangen (etwas / mit etwas) · nicht antreten (Stelle, Ausbildung, Dienst) · nicht machen (Ausbildung, Fortbildung, Schulung ...) · sausen lassen (Studium, Ausbildung)
  • (jemanden) verschonen (mit) scherzhaft · (sich / jemandem etwas) ersparen floskelhaft · (sich etwas) schenken floskelhaft · (sich etwas) sparen floskelhaft · verzichten (auf) floskelhaft
  • (die) Finger lassen (von) · nicht anfassen · nicht anrühren  ●  nicht anpacken ugs. · nicht gehen an ugs.
  • (einer Sache) ein Ende machen · (sich) abwenden von · (sich) verabschieden von · aufgeben · beenden · fallen lassen · fallenlassen · hinter sich lassen · sausen lassen · stoppen · vergessen  ●  (einen) Schlussstrich ziehen fig. · Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. sprichwörtlich · beerdigen fig. · über den Haufen werfen (Planungen) fig. · (davon) Abschied nehmen ugs. · ablassen (von) geh. · abräumen (politische Position) ugs., fig. · ad acta legen geh., bildungssprachlich · an den Nagel hängen ugs., fig. · den Rücken kehren ugs., fig. · einstampfen ugs., fig. · sterben lassen ugs., fig. · zu Grabe tragen ugs., fig. · über Bord werfen ugs., fig.
  • nicht zur Nachahmung empfohlen  ●  (etwas) besser lassen ugs.

Typische Verbindungen zu ›absehen‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›absehen‹.

Verwendungsbeispiele für ›absehen‹

maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora

Abgesehen davon wäre es gewiß auch keine pädagogisch sinnvolle Lösung. [Kursbuch, 1971, Bd. 24]
Aber davon abgesehen erhalten heute nur noch Damen diese höfliche Auszeichnung, aber beileibe nicht alle Damen. [Meißner, Hans-Otto: Man benimmt sich wieder, Giessen: Brühl 1950, S. 222]
Abgesehen von einigen Übersetzungen haben die letzten anderthalb Jahrzehnte kaum europäische Arbeiten zur Geschichte des chinesischen Dramas hervorgebracht. [Franke, Herbert: Sinologie, Bern: A. Francke 1953, S. 169]
Der Lehrer muß von beiden seine Methode absehen, zuletzt also von Gott selbst. [Blättner, Fritz: Geschichte der Pädagogik, Heidelberg: Quelle & Meyer 1961 [1951], S. 48]
Wenn Sie erlauben, möchte ich da einmal von Personen absehen. [Der Spiegel, 28.01.1980]
Zitationshilfe
„absehen“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/absehen>.

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