agitieren
GrammatikVerb · agitiert, agitierte, hat agitiert
Aussprache [agiˈtiːʀən]
Worttrennung agi-tie-ren
Wortbildung
mit ›agitieren‹ als Erstglied:
Agitation
·
mit ›agitieren‹ als Grundform:
Agitator · agitiert
Herkunft zu agitārelat
‘in Bewegung setzen, (an)treiben, an-, auf-, erregen, in Verwirrung bringen, eifrig betreiben’
Bedeutungsübersicht
- 1. [oft abwertend] ⟨jmd. agitiert (für, gegen etw.)⟩ Agitation betreiben
- 2. [seltener] [bildungssprachlich] ⟨jmd., etw. agitiert jmdn.⟩ jmdn. in Aufregung, Unruhe versetzen
ZDL-Vollartikel
Bedeutungen
1.
Kollokationen:
mit Adverbialbestimmung: aggressiv, heftig, offen, vehement agitieren
hat Präpositionalgruppe/-objekt: gegen Juden, die Regierung, das Regime, Schwule agitieren
in Koordination: agieren und agitieren
Beispiele:
Er hat die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen gegeneinander
aufgehetzt. Er hat mit Vorurteilen agitiert, und das
polarisiert noch immer. [Die Welt, 18.02.2019]
Sie wurde[…]
eine begeisternde Rednerin und agitierte in
Frankreich, Deutschland und den USA für den Sozialismus. [Süddeutsche Zeitung, 28.04.2018]
Auf Fox agitierten führende Moderatoren gegen
die da oben in Washington, vor allem gegen die Demokraten und hier am
liebsten gegen die Obama‑Washington‑Kalifornien‑Elite. [Die Zeit, 23.12.2017]
Wer […] im Jugendzentrum
religiös‑fundamentalistisch agitieren will, fliegt
raus. [Die Zeit, 02.01.2017]
Haben wir etwa jemals aufgehört, für den Achtstundentag zu
agitieren, weil der Gegenwartsstaat ihn nicht
gewähren wird? [Braun, Lily: Memoiren einer Sozialistin. In: Lehmstedt, Mark (Hg.): Deutsche Literatur von Frauen. Berlin: Directmedia Publ. 2001 [1911], S. 10454]
●
⟨jmd. agitiert (jmdn.)⟩jmdn. (durch Agitation (1, 2), mitreißende, emotionale Reden) von etw. zu überzeugen versuchen, zu Aktivitäten aufrufen; erregt auf jmdn. einreden
Beispiele:
Das Video dokumentiert, wie ein empörter Bewohner lautstark
seine Glaubensbrüder agitiert: »Nehmt ihr einfach
so hin, was mit Allahs Worten
geschieht?[«] [Welt am Sonntag, 06.10.2019]
Menschen ziehen sich zurück oder agitieren
teils aggressiv. [Bild, 11.07.2019]
Protestzüge wälzen sich [im Herbst 1918] durch München, [der Sozialdemokrat Kurt] Eisner
agitiert die Soldaten in den Kasernen. [Die Zeit, 06.01.2018]
[…] ständig wurden wir von den Epigonen
der 68er agitiert (auch so ein Wort, dass die
älter gewordenen Jung‑Akademiker von der von ihnen verehrten früheren
Arbeiterbewegung übernommen hatten), uns in den politischen Kampf
einzureihen. [Die Zeit, 12.06.2017 (online)]
Der Taxifahrer, der aus dem Iran stammen mochte,
agitierte mich während der Fahrt: Wir
Deutschen seien im Umgang mit Flüchtlingen einfach zu weich; wir hätten
keine Ahnung, wen wir da ins Land holten. [Die Welt, 27.10.2015]
Sie glauben, ihre Schwägerin sei durch mich veranlaßt oder
agitiert, Parteimitglied zu werden. [Neues Deutschland, 09.01.1965]
2.
seltener, bildungssprachlich ⟨jmd., etw. agitiert jmdn.⟩jmdn. in Aufregung, Unruhe versetzen
Beispiele:
Es kann aber auch Furcht sein, die ihn
agitiert. [Welt am Sonntag, 10.02.2019]
Man lässt sich vom Strom eines nervösen, dynamisch
agitierenden und dann wieder völlig entspannten,
stolzen, rätselhaft verschwiegenen Realismus mittragen. [Die Welt, 02.11.2017]
Schon übt sie heimlich aufrüttelnde Reden,
agitiert eine Rinderherde und trainiert beim
Wassertragen das Stolzieren mit weißen Stöckelschuhen. [Hinaus in die Wüste der Väter, 01.07.2004, aufgerufen am 18.08.2015]
Folgt man den Gedanken, mit denen der Philosoph Peter Sloterdijk
unlängst in einer »Berliner Lektion« die Hauptstädter verstört hat, dann
sind Nationen heute »thematische Erregungsgemeinschaften«, die von den
modernen Medien durch eine chronische, agitierende,
hysterisierende Massenkommunikation ins Dasein gerufen werden. [Der Spiegel, 25.05.1998]
Wenn eine Hausangestellte auf dem Platz von St. Louis tanzt, so
agitiert sie mitreißend ihr Publikum im Film und
vor der Leinwand. [Gerupfter Kontinent, 09.07.1993, aufgerufen am 18.08.2015]
Nur geringe Minderheiten agitierten und
provozierten einander; auf der einen Seite Fanatiker der Restauration,
rachsüchtige Hasser Napoleons und aller seiner Werke; auf der anderen treue
Anhänger des großen Verbannten, Offiziere auf Halbsold, unversöhnte
Patrioten. [Mann, Golo: Politische Entwicklung Europas und Amerikas 1815–1871. In: Propyläen Weltgeschichte. Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1960], S. 12497]
letzte Änderung:
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
Etymologie
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
Agitator · Agitation · agitieren
Agitator m. ‘Aufklärer, der auf das politische Denken und die Stimmung der Volksmassen aktiv einwirkt’ ist eine Entlehnung (90er Jahre 18. Jh., in frz. Schreibweise) von (aus engl. agitator stammendem) frz. agitateur, zunächst in der Bedeutung ‘Aufwiegler’, bleibt aber ohne nachhaltige Wirkung. Zu Beginn der 30er Jahre des 19. Jhs. wird Agitator nach engl. agitator ‘Volksredner’ (zuvor ‘Soldatenvertreter, Agent’) ein zweites Mal entlehnt, anfangs mit ausdrücklicher Beziehung auf the great agitator, den Iren O’Connell. Zugrunde liegt lat. agitātor ‘Viehtreiber, Wagenlenker’, auch (spätlat.) ‘Anstifter, Verführer’ (zu lat. agitāre, s. unten). Die heutigen Bedeutungen von Agitator, Agitation, agitieren beruhen vielfach auf einer durch Lenin vorgenommenen begrifflichen Präzisierung. – Agitation f. ‘politisches Einwirken auf Bewußtsein und Stimmung der Volksmassen’; seit Mitte der 30er Jahre des 19. Jhs. als politisches Schlagwort in Umlauf nach engl. agitation ‘lebhafte politische Wirksamkeit’ (zuerst 1828 in dieser Bedeutung), das auf lat. agitātio (Genitiv agitātiōnis) ‘Bewegung, unablässige Beschäftigung’ beruht. Im Dt. werden die neuen Begriffe anfangs durch Volksagitation und Volksagitator verdeutlicht. In der heute veralteten Bedeutung ‘Bewegung, Gemütsbewegung, Aufregung’ ist Agitation wie auch Agitator für ‘Treiber, Beweger’ schon seit dem 16. Jh. als direkte Entlehnung aus lat. agitātio bzw. agitātor nachweisbar. agitieren Vb. ‘politische Aufklärung betreiben’, entlehnt (Mitte 40er Jahre 19. Jh.) aus engl. to agitate ‘politisch werben und wirken’, das zum Part.adj. lat. agitātus ‘erregt, geweckt, lebhaft’ gebildet ist; vgl. lat. agitāre ‘in Bewegung setzen, (an)treiben, an-, auf-, erregen, in Verwirrung bringen, eifrig betreiben’, Intensivum zu lat. agere (s. agieren). Das engl. Verb ist zunächst im Sinne von ‘(die Gedanken, Gefühle) stören’, dann ‘in Bewegung sein, tätig sein’ bezeugt, woraus im 17. Jh. die Bedeutung ‘als Vertreter, Agent wirken’ entsteht, die zu engl. agitator ‘Vertreter, Agent’ führt. Die Bedeutung ‘politische Agitation treiben’ ist seit 1822 belegt. Zuvor begegnet im Dt. als direkte Entlehnung aus dem Lat. agitieren im Sinne von ‘an-, auf-, erregen’ (seit 16. Jh.).
Bedeutungsverwandte Ausdrücke
(ein) gutes Wort einlegen (für) ·
(etwas) tun für ·
(sich) bemühen (um) ·
(sich) einsetzen (für) ·
(sich) engagieren ·
(sich) starkmachen (für) ·
Partei ergreifen (für, gegen) ·
agitieren (für, gegen) ·
eintreten für ·
kämpfen (für, um) ·
propagieren ·
streiten (für) ·
werben (für) ●
(eine) Lanze brechen für fig. ·
(sich) aus dem Fenster hängen (für) ugs., fig.
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