dem Anschein nach, wie es scheint
anscheinend
Bedeutungsübersicht
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
Etymologie
scheinen · erscheinen · Erscheinung · wahrscheinlich · anscheinend · anscheinen · Schein · bescheinigen · Bescheinigung · scheinbar · unscheinbar · scheinheilig · scheintot · Scheintod · Scheinwerfer
scheinen
Vb.
‘leuchten, glänzen’,
übertragen
‘aussehen als ob, zu Vermutungen Anlaß geben’.
Das mit Nasalformans gebildete gemeingerm. Verb
ahd.
skīnan
(8. Jh.),
mhd.
schīnen
‘strahlen, glänzen, leuchten, erscheinen, sichtbar werden, dem Schein nach (aber nicht in Wirklichkeit) sein’,
asächs.
skīnan,
mnd.
schīnen,
mnl.
scīnen,
nl.
schijnen,
afries.
skīna,
aengl.
scīnan,
engl.
to shine,
anord.
skīna,
schwed.
skina,
got.
skeinan
(verwandt mit
Schemen,
schier2,
schimmern,
s. d.)
führen auf
germ.
*skīnan
und stellen sich
(wie
Schein,
s. unten)
mit
aind.
chāyā́
‘Schatten, Widerschein’,
griech.
skiá
(σκιά)
‘Schatten’,
aslaw.
sěnь,
russ.
sen’
(сень)
‘Schatten’,
aslaw.
sịjati,
russ.
siját’
(сиять)
‘strahlen, glänzen’
zu einer Wurzel
ie.
*sk̑āi-,
*sk̑i-
‘gedämpft schimmern, Schatten’.
scheinen
bezeichnet anfangs vor allem
das Leuchten der Himmelskörper,
steht dann
(bereits ahd.)
für
‘zum Vorschein kommen, sichtbar werden’
(im Nhd. dafür
erscheinen,
s. unten).
Aus der Wendung
mir scheint,
mhd.
eʒ schīnet mir
‘mich dünkt’
und aus Vergleichen
‘aussehen wie etw. (ohne Übereinstimmung mit der Wirklichkeit)’
entwickelt sich der moderne Gebrauch
‘den Eindruck erwecken, zur Vermutung Anlaß geben’.
erscheinen
Vb.
‘zum Vorschein kommen, sichtbar werden, hervortreten, veröffentlicht werden’,
ahd.
irskīnan
‘offenbar werden, sich zeigen, leuchten’
(um 800),
mhd.
(stark)
erschīnen,
daneben
(schwach und kausativ)
erscheinen
‘leuchten lassen, deutlich machen, zeigen’;
Erscheinung
f.
‘Aussehen, Aufmachung, Vision, Gespenst, Veröffentlichung, Wahrnehmung’,
spätmhd.
erschīnunge.
wahrscheinlich
Adj.
‘vermutlich’
(17. Jh.),
nach
nl.
waarschijnlijk,
einer Übersetzung von
frz.
vraisemblable,
das seinerseits dem
lat.
vērī similis
nachgebildet ist,
wofür im Dt. zuvor
der Wahrheit gleich,
wahrähnlich
(16. Jh.),
der Wahrheit ähnlich
(17. Jh.).
anscheinend
Adv.
‘offenbar, offensichtlich’
(18. Jh.),
eigentlich Part. Präs. zu
anscheinen
Vb.
‘beleuchten, -strahlen’,
älter
‘sichtbar werden, sich zeigen’,
ahd.
anaskīnan
(um 1000),
mhd.
aneschīnen
‘bescheinen, beleuchten, sichtbar sein bzw. werden’.
Schein
m.
‘Lichtstrahl, Glanz, Schimmer, äußeres Aussehen, Trugbild, schriftlicher Nachweis, Bestätigung, Banknote’,
ahd.
skīn
(9. Jh.),
mhd.
schīn
‘Strahl, Glanz, Helligkeit, Sichtbarkeit, sichtbarer Beweis’,
woraus
‘schriftlicher Beweis, Urkunde, Dokument, schriftliche Bestätigung’
(15. Jh.),
asächs.
skīn
‘Licht, Glanz’,
mnd.
schīn,
mnl.
scijn,
nl.
schijn,
aengl.
scīn,
engl.
shine,
(ablautend)
anord.
skin,
schwed.
sken.
bescheinigen
Vb.
‘(durch eine schriftliche Bestätigung) bezeugen’
(18. Jh.),
‘(mit Hilfe von Schriftstücken) beweisen’,
mnd.
beschēnigen
(14. Jh.),
niederrhein.
bescheinigen
(15. Jh.),
seit dem 16. Jh. geläufig;
Bescheinigung
f.
‘Nachweis, Beweis’
(16. Jh.),
‘schriftliche Bestätigung’
(18. Jh.).
scheinbar
Adj.
‘nicht wirklich, nur vorgetäuscht’,
ahd.
skīnbāri
‘glänzend, leuchtend, offenbar, sichtbar’
(um 1000),
mhd.
schīnbære.
unscheinbar
Adj.
‘unauffällig’,
eigentlich
‘nicht glänzend’
(15. Jh.).
scheinheilig
Adj.
‘sich heilig stellend, Aufrichtigkeit oder Frömmigkeit vortäuschend, heuchlerisch’
(um 1580),
nl.
schijnheilig
(1557),
nach
die scheynenden heilgen
(Luther
1518).
scheintot
Adj.
‘nur dem Schein nach, nicht wirklich tot’,
Scheintod
m.
‘Zustand, in dem alle Lebensäußerungen aufgehört zu haben scheinen’
(beide 19. Jh.).
Scheinwerfer
m.
‘einen gebündelten Lichtstrahl aussendende Lichtquelle’
(Campe
1791 für
frz.
réverbère
‘Reflektor, Hohlspiegel’).
Thesaurus
Synonymgruppe
anscheinend
·
aussehen nach
·
hindeuten (auf)
·
möglicherweise
·
offenbar
·
offenkundig
·
offensichtlich
·
scheinen zu
·
vermutlich
·
wahrscheinlich
·
wohl
·
womöglich
●
(alles) spricht für
variabel
·
ich könnte mir vorstellen (dass ...)
floskelhaft
·
scheinbar
ugs., fälschlich
Assoziationen |
|
Synonymgruppe
anscheinend
·
es scheint (so zu sein) dass
·
es scheint an dem zu sein, dass
·
es scheint sich so zu verhalten dass
·
nach allem was man hört
·
so scheint es
·
so scheint's (Einschub)
Assoziationen |
|
Typische Verbindungen zu ›anscheinend‹ (berechnet)
beabsichtigen
befürchten
begreifen
bemerken
bereit
besitzen
endlos
entgehen
entschließen
erwägen
fühlen
gelingen
genügen
glauben
herumsprechen
interessieren
kennen
mitbekommen
reichen
stören
trauen
unaufhaltsam
unausrottbar
unerschöpflich
unlösbar
unvermeidlich
vergessen
verstehen
übersehen
überzeugen
Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›anscheinend‹.
Verwendungsbeispiele für ›anscheinend‹
maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora
Anscheinend war es ihnen angenehm, dieses schätzbare Recht auch stets vor Augen zu haben.
[Brief von Arthur Groeben vom 19.03.1915. In: Witkop, Philipp (Hg.), Kriegsbriefe gefallener Studenten, München: Müller 1928 [1915], S. 78]
Anscheinend kommt das hier alles meinem wahren Wesen viel mehr entgegen.
[Simmel, Johannes Mario: Es muß nicht immer Kaviar sein, Zürich: Schweizer Verl.-Haus 1984 [1960], S. 42]
Es gleitet anscheinend über die Objekte, die seinem Ziel niemals passen, achtlos hinweg.
[Jung, Carl Gustav: Psychologische Typen. In: ders., Gesammelte Werke, Bd. VI, Zürich u. a.: Rascher 1967 [1921], S. 420]
Äußerst großzügig hat er anscheinend in Ur geplant, doch konnte er die Bauten nicht vollenden.
[Soden, Wolfram von: Der Nahe Osten im Altertum. In: Propyläen Weltgeschichte, Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1962], S. 17905]
Sie wissen anscheinend, daß drei plus vier größer ist als zwei plus drei.
[Die Zeit, 20.08.1998, Nr. 35]
Zitationshilfe
„anscheinend“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/anscheinend>.
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