barmen
Vb.
‘mit Mitgefühl erfüllen’
(selten),
‘jammern, klagen, lamentieren’
(
nordd. und
omd.).
Die
got. Kirchensprache bildet zur Übersetzung von
griech.
eleé͞in
(
ἐλεεῖν)
‘bemitleiden, Mitleid, Erbarmen haben’
nach dem Muster von gleichbed.
lat.
miserēre
bzw.
miserērī
(zu
lat.
miser
‘elend, kläglich, bejammernswert, arm’)
ein von
got.
arms
‘beklagenswert, elend’
abgeleitetes Verb
got.
arman
‘sich erbarmen’.
Ein an das Adj.
ahd.
arm
‘gering, hilflos, schwach, besitzlos, arm’
(s.
↗
arm)
sich anschließendes Verb
ahd.
armēn
(9. Jh.)
bedeutet
‘arm werden, Not leiden’,
so daß die Kirchensprache zur Wiedergabe von
‘sich erbarmen, Mitleid erregen’
präfigiertes
ahd.
*bi-armën
benutzt,
belegt
(10. Jh.)
in der adverbial gebrauchten Partizipialform
barmēnto
‘erbarmend, voll Erbarmen’
(für
lat.
miserando);
vgl. mit anderem Präfix und anderer Stammbildung
aengl.
ofearmian
‘mitleidig sein, Erbarmen zeigen’
(zu
aengl.
earmian
‘bemitleiden, bedauern’,
von
aengl.
earm
‘arm’).
Zusammengezogenes und darum als Einheit empfundenes
ahd.
barmēn
wird im Hinblick auf seine durativ-inchoative Bedeutung erneut präfigiert,
so daß
ahd.
irbarmēn,
nhd.
erbarmen
(s. unten)
entsteht.
Diese Weiterbildung wird zum geläufigen Verb im
Dt.;
mhd.
barmen
‘(sich) erbarmen, Mitleid erregen’
bleibt selten,
nhd.
barmen
wird weithin in die Mundarten abgedrängt
und entwickelt im
Nordd. und
Omd.
die oben angegebene Bedeutung
‘jammern, klagen, kläglich tun’,
mit der es im 19. Jh. auch in die Literatursprache eingeht.
erbarmen
Vb.
‘jmds. Mitleid erregen, jmdm. leid tun’,
(reflexiv)
‘sich aus Mitleid und Barmherzigkeit jmds. annehmen, mildtätig sein’.
Ahd.
irbarmēn
‘sich zu jmdm. herablassen, sich die Not eines anderen zu eigen machen, Mitleid empfinden oder erregen’
(9. Jh.),
mhd.
erbarmen
‘Mitleid haben, gerührt werden, rühren’.
Weiterbildung mit dem Präfix
ahd.
ir-
(s.
↗
er-)
von
ahd.
barmēn
(s. oben).
Erbarmung
f.
‘Barmherzigkeit, Mitleid’,
ahd.
irbarmunga
(10. Jh.),
mhd.
erbarmunge.
Erbarmen
n.
‘Mildtätigkeit, Mitleid’,
mhd.
erbarmen,
substantivierter Infinitiv.
erbärmlich
Adj.
‘elend, ärmlich, nichtswürdig’
(16. Jh.),
ahd.
irbarmalīh
‘Erbarmen erregend’
(um 1000);
vgl.
mhd.
erbarmeclich
‘barmherzig, erbarmenswert’.
barmherzig
Adj.
‘mitfühlend, mitleidsvoll, mildtätig’
(gegenüber Bedürftigen),
mhd.
barmherzec,
Weiterbildung von
mhd.
barmherze,
ahd.
barmherzi
‘voll Erbarmen’,
eigentlich
‘ein barmendes Herz habend’
(11. Jh.),
das unter dem Einfluß von
ahd.
(ir)barmēn
aus
ahd.
armherz
‘barmherzig’
als Eigenschaft Gottes und der nach seinem Willen handelnden Menschen
(9. Jh.)
hervorgegangen ist
(vgl. auch
ahd.
armherzīg,
11. Jh.).
Dies ist eine Bildung aus
ahd.
arm
(s. oben)
und
ahd.
herza
(s.
↗
Herz)
unter dem Einfluß der
got. Kirchensprache,
die einem nach dem Muster von
lat.
misericors
‘mitleidig’
(eigentlich
‘ein mitleidiges Herz habend’,
zu
lat.
miserēre,
-ērī
bzw.
miser
und
cor
‘Herz’)
entstandenen
got.
armahaírts
folgt;
vgl. auch
aengl.
earmheort
neben (umgebildetem)
anord.
aumhjartaðr.
Weitere Überlegungen zur Bildungsweise des
got. Adjektivs bringt
Beck
in: ZfdPh
98 (Sonderheft 1979) 109 ff.
Barmherzigkeit
f.
‘Erbarmen, Mitgefühl, Mildtätigkeit’,
mhd.
barmherzekeit;
vgl. daneben
got.
armahaírtiþa,
ahd.
armherzida
(8. Jh.),
mhd.
barmherzede
sowie
got.
armahaírtei,
ahd.
armherzī
(9. Jh.).