biegen
Vb.
‘in eine von der Geraden abweichende Form bringen, krumm machen’
(reflexiv)
‘sich krümmen, sich beugen’,
intransitive Verwendung heute nur im Sinne von
‘bogenförmig die Richtung ändern, einen Bogen machen’,
stets mit einer durch Präposition angeschlossenen Ortsangabe
(z. B.
um die Ecke,
in eine Nebenstraße biegen).
Ahd.
biogan
(8. Jh.),
mhd.
biegen
‘biegen, beugen, krümmen’
(und nicht gesichertes
asächs.
biogan)
entspricht
got.
biugan
‘beugen’.
In den übrigen westgerm. Sprachen
weist das starke Verb ablautende Präsensformen
(mit Dehnung der Tiefstufe)
auf,
vgl.
asächs.
būgan
‘sich beugen’,
mnd.
būgen
‘beugen, verbiegen, sich biegen, ausweichen’,
mnl.
būghen
‘beugen, wenden, unterwerfen, sich beugen, geneigt sein’,
nl.
buigen
‘biegen, beugen, sich biegen, sich beugen’,
aengl.
būgan
‘sich beugen, sich unterwerfen, sich wenden, nachgeben, zurückweichen, fliehen’
(woraus
engl.
to bow
‘beugen, krümmen, sich beugen, sich verneigen’
mit schwacher Flexion).
Für das
Anord. kann nach den belegten Präteritalformen
bugu
‘sie bogen’,
boginn
‘gebogen’
ein Infinitiv
*bjūga
oder
*būga
angesetzt werden
(vgl. aber schwach flektierendes
schwed.
buga sig
‘sich verbeugen’,
vielleicht unter
mnd. Einfluß).
Germ.
*beug-,
*būg-
setzt
ie.
*bheugh-
voraus,
während außerhalb des Germ.
aind.
bhujáti
‘biegt, krümmt sich’
(Part. Perf.
bhugna-
‘gebogen, krumm’)
und wohl auch
air.
fidbocc
‘hölzerner Bogen’
auf
ie.
*bheug-
zurückführen,
das gleichfalls für semantisch entferntere Bildungen wie
griech.
phé͞ugein
(
φεύγειν),
lat.
fugere
‘fliehen’
und wohl auch für
lit.
bū́gti
‘erschrecken’
gilt.
Wahrscheinlich muß von einer Wurzel
ie.
*bheug(h)-
‘biegen’
ausgegangen
und eine spätere Bedeutungsentwicklung zu
‘zurückweichen, fliehen’
vermutet werden
(vgl. auch
‘ausweichen’
im
Mnd. und
‘zurückweichen, fliehen’
im
Aengl.).
Das ursprünglich intransitive
germ. Verb,
von dem das unter
beugen
(s. d.)
dargestellte Kausativum abgeleitet ist,
wird im
Hd.
(im Unterschied zu den meisten anderen germ. Sprachen,
s. oben)
seit Beginn der Überlieferung
vorwiegend transitiv gebraucht;
biegen
stimmt daher in seinen Verwendungen oft mit
beugen
überein.
Im älteren
Nhd.
konkurriert es mit diesem auch als grammatischer Terminus
(
biegen
‘flektieren’
vom 15. bis ins 18. Jh.).
Zur Wortgruppe von
biegen
gehören ferner
Bogen,
Bucht,
Bügel,
bücken
(s. d.).
Biegung
f.
‘im Bogen verlaufende Stelle, Krümmung, Kurve’,
namentlich in älterer Sprache auch als Vorgangsbezeichnung
‘das Biegen, Beugen’
(jetzt nur
‘bogenförmige Richtungsänderung’,
vgl.
eine Biegung machen),
spätmhd.
biegunge
‘das Beugen, Verbeugung’;
als Fachwort der Grammatik
(neben
Beugung,
s. d.)
seit dem 15. Jh.
‘Flexion’,
so bis ins 18. Jh.
und gelegentlich noch im 19. Jh.
Biege
f.
‘Kurve, Bogen’
(2. Drittel 20. Jh.),
eine wohl im Jargon der Flieger aufkommende,
scherzhaft-lässige Bildung,
die nicht unmittelbar an älter
nhd.
(16. bis 18. Jh.)
Biege
f.,
mhd.
biege
f.
‘Beugung, Biegung, Neigung’
(zuvor
ahd.
biogo
m.
‘Biegung, Krümmung, Bogen, Bucht’,
10. Jh.)
anschließt.
biegsam
Adj.
‘leicht zu biegen, geschmeidig’,
mit Bezug auf Charaktereigenschaften
‘äußeren Einflüssen zugänglich, fügsam’,
vereinzelt im 15. Jh. nachzuweisen
(
md.
byegsam,
1440),
geläufig seit Ausgang des 17. Jhs.;
dazu
Biegsamkeit
f.
‘Elastizität, Geschmeidigkeit’
(18. Jh.).