Ding
n.
‘germanische Volks- und Gerichtsversammlung, Sache, Gegenstand, Angelegenheit’,
ahd.
thing
(8. Jh.),
mhd.
dinc,
asächs.
thing,
mnd.
mnl.
dinc,
nl.
ding,
aengl.
þing,
engl.
thing,
anord.
þing,
schwed.
ting
und
(im grammatischen Wechsel)
got.
þeihs
‘Zeit’
gehen zurück auf die zur Wurzel
ie.
*ten-
‘dehnen, ziehen, spannen’
gehörende Gutturalerweiterung
ie.
*tenk-
‘ziehen, dehnen, spannen, Zeitspanne’.
Zur gleichen Wurzel stellen sich
lat.
tempus
‘Zeitabschnitt, Zeit’
und
air.
tan
‘Zeit’.
Westgerm. und
nordgerm.
*þenga-
bezeichnet die
‘Volksversammlung aller Freien’,
die über Krieg und Frieden beschließt,
den Heerführer oder König wählt
und in der Recht gesprochen wird.
Got.
þeihs
als Übersetzung für
griech.
kairós
(
καιρός)
meint
‘eine für einen bestimmten Zweck festgelegte Zeit’.
So bedeutet auch
germ.
*þenga-
in vorliterarischer Zeit
(wie noch
ahd.
thing
in seinen ältesten Belegen)
‘Zeitpunkt’,
dann die zu einem bestimmten Zeitpunkt angesetzte allgemeine Volksversammlung.
Die gesellschaftlichen Veränderungen nach der Völkerwanderungszeit,
wie sie sich deutlich in der Errichtung des fränkischen Feudalstaates zeigen
und zum Zerfall der alten Volksversammlung führen,
lassen sich an der Bedeutung von
ahd.
thing
nachweisen:
thing
ist vor allem die
‘Gerichtsversammlung’,
an der ein bestimmter Personenkreis teilnimmt;
daraus abgeleitet bezeichnet es den
‘Versammlungs- oder Gerichtstermin und -platz’,
die
‘Gerichtsverhandlung’
und deren Ergebnis
‘Urteil, Vertrag’,
dann auch
(unter dem Einfluß von
lat.
causa, rēs, negōtium)
die zu verhandelnde
‘Rechtssache’,
den
‘Fall’,
‘Ursache’,
‘Grund’.
Damit hat sich
thing
von der alten Bedeutung
‘Volksversammlung’
gelöst,
und der Weg zu
(
nhd. herrschendem)
‘Sache, Gegenstand, Angelegenheit, Geschehen’
ist beschritten;
als Terminus der mittelalterlichen Logik kann es für
‘Wesen, Begriff’
u. dgl. stehen;
vgl.
Karg-Gasterstädt
Ahd. Thing – Nhd. Ding
(1958).
Eine ähnliche Entwicklung
erlebt das Wort in allen germ. Sprachen
(vgl.
aengl.
þing
‘Beratung, Versammlung, Gerichtshof, Prozeß, Tat, Ursache, Gegenstand’,
engl.
thing
‘Ding, Sache, Wesen, Angelegenheit’).
Jünger ist die Verwendung für Personen oder Sachen,
die nicht benannt werden können oder sollen
(14. Jh.)
und der
(umgangssprachlich und mundartlich übliche)
herabsetzende Gebrauch,
vgl.
kleines,
armes,
grünes Ding
‘Mädchen’
(17. Jh.),
Plural
Dinger.
Ding
als philosophischer Erkenntnisgegenstand
(18. Jh.);
Ding an sich
(Reimarus
1760);
mit rechten Dingen zugehen
‘auf natürliche Weise geschehen’
(18. Jh.).
Unding
n.
‘etw. Widersinniges, Torheit’,
mhd.
undinc
‘Böses, Schlechtes, Übel, Unrecht’,
zusammengesetzt mit verneinendem
un-
(s. d.).
dinglich
Adj.
‘gegenständlich’,
mhd.
dinclich;
vgl.
ahd.
thinglīh
(10. Jh.),
mhd.
dingelich
‘gerichtlich’.
Dings
n.
m.
f.
distanzierende oder abschätzige Bezeichnung
für Personen und Sachen
(16. Jh.),
Ersatzwort für Eigennamen
(18. Jh.),
vgl. auch
Dingsda
n.
m.
f.
(19. Jh.).
dingfest
Adj.
vorwiegend
dingfest machen
‘festnehmen, in seine Gewalt bekommen’
(19. Jh.);
vgl. dazu das Gegenwort
mhd.
dincvlühtec
‘sich dem Gericht entziehend’.
Dingwort
n.
‘Substantiv’
(um 1900).
dingen
Vb.
‘in Dienst nehmen’,
ahd.
thingōn
‘Gericht halten, Urteil sprechen, streben’
(8./9. Jh.)
und
thingen
‘streben, hoffen, Gericht halten, eine Entscheidung herbeiführen’
(9. Jh.),
mhd.
dingen,
auch
‘durch Verhandlung ausbedingen, mieten’,
woraus sich die heute noch geläufige Bedeutung entwickelt.
abdingen
Vb.
‘abmieten, abhandeln, vom Preis herunterhandeln’,
mhd.
abedingen
‘ein Übereinkommen treffen, abhandeln’.