Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

diskursiv

Grammatik Adjektiv · Komparativ: diskursiver · Superlativ: am diskursivsten, Steigerung selten
Aussprache 
Worttrennung dis-kur-siv
Wortzerlegung Diskurs -iv
Wortbildung  mit ›diskursiv‹ als Grundform: Diskursivität
Duden, GWDS, 1999 und DWDS

Bedeutungen

1.
Philosophie von Begriff zu Begriff methodisch fortschreitend; schlussfolgernd
in gegensätzlicher Bedeutung zu intuitiv
Kollokationen:
als Adjektivattribut: diskursives Denken
Beispiele:
In der Philosophie beruht die häufige Beschreibung der Intuition auf dem Polaritätspaar intuitiv versus diskursiv. […] Während diskursives Erkennen auf Sinneswahrnehmungen und aufeinander aufbauenden Schlussfolgerungen beruht, ist intuitives Erkennen eine rein geistige Anschauung, eine transzendente Funktion des Menschen. [Classic Bowman Magazine, 18.01.2016, aufgerufen am 14.09.2018]
[Der Philosoph] Tugendhat bleibt in »Egozentrizität und Mystik« diskursiv, begriffsanalytisch bestimmend und auf eine eigenwillige Weise in seiner Sprache und im Denken ganz und gar unmystisch. Böse und grob könnte man annehmen, Tugendhat zeige sich seinem Gegenstand nicht gewachsen, weil er in der Art, wie er diskursiv an die Mystik herangeht, ihren Zauber des Außer‑sich‑seins, die Versenkung als Punkt‑Konzentration und als Transgression jeglicher Grenzen verfehlt. [AISTHESIS, 09.03.2015, aufgerufen am 14.09.2018]
Wenn die Denkinhalte in ihrem Dasein an und für sich als platonische Ideen erfasst werden, werden sie gedacht. Solches Denken ist nicht ein diskursives Folgern, sondern ein unmittelbares geistiges Ergreifen des Gedachten. [Dude, 28.03.2013, aufgerufen am 14.09.2018]
Weil er die Gedanken nicht nach den Regeln einer diskursiven Logik entwickelt, sondern auch der Spontaneität subjektiver Phantasie einen breiten Raum zugesteht, fordert der Essay eine hochgradige Intensität. […] »Essay« ist zum Euphemismus geworden, um den Mangel an argumentativer Stringenz und stilistischer Prägnanz zu kaschieren. [Süddeutsche Zeitung, 27.04.2002]
Das diskursive Denken ist an den Ausdruck gebunden, vor allem an die Sprache. Hier besteht die Beziehung von Ausdruck zu Ausgedrücktem, durch welche aus den Bewegungen der Sprachorgane und den Vorstellungen ihrer Erzeugnisse Sprachformen werden. Die Beziehung zu dem in ihnen Ausgedrückten gibt ihnen ihre Funktion. [Dilthey, Wilhelm: Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften. In: Philosophie von Platon bis Nietzsche, Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1910], S. 58491]
2.
bildungssprachlich in ausführlichen Diskussionen, Erörterungen methodisch vorgehend
Kollokationen:
als Adjektivattribut: eine diskursive Auseinandersetzung, Willensbildung; ein diskursiver Prozess; diskursive Praktiken, Strategien, Verfahren; diskursive Räume
Beispiele:
Oder [es stellt sich die Frage] ob eine Demokratie, wenn sie funktionieren soll, nicht diskursiv offener gedacht werden muss: Was als vernünftig gilt und was nicht, wäre dann nicht vorentschieden, sondern selbst Gegenstand des Streits. [Süddeutsche Zeitung, 08.11.2018]
Wenn Kinder in der Familie erleben, wie ihre Eltern auf hohem Niveau diskutieren, überträgt sich diese diskursive Fähigkeit auf die Kinder. [Die Welt, 22.03.2012]
Die öffentlichen Diskussionen in Politik und Medien zeigen […], dass die österreichische Gesellschaft an einem eklatanten diskursiven Notstand leidet. Die Debattenkultur der abgeschotteten Elite hierzulande ist operettenhaft‑populistisch[…]. In unserer Gesellschaft findet kein politischer Diskurs außer dem Budgetspar‑ und Anti‑Ausländerdiskurs mehr statt. [Der Standard, 20.06.2011]
Wer je erfahren hat, was in jungen Köpfen vor sich geht, wenn selbst beim einfachsten Referat über eine längst veröffentlichte Arbeit im Wechselspiel von Infragestellen und Begründen unter Studierenden und dem, der dies als Lehrender behutsam anleitet, die Unabhängigkeit kritisch prüfenden Nach‑Denkens einsetzt, der weiß, dass universitäre Lehre[…] vor allem eine diskursive Schulung des Denkens ist. [Die Welt, 12.10.2006]
Bei wichtigen Sitzungen sollte eine diskursive Entscheidungshilfetechnik eingesetzt werden, zum Beispiel die Methode des devils advocate (Teufelsanwalt); hier übernimmt eine Person oder eine Subgruppe die Rolle des Teufelsanwaltes, der die Funktion hat, zentrale Annahmen und Überlegungen der Gruppe beständig zu kritisieren. [Süddeutsche Zeitung, 28.09.1996]

letzte Änderung:

Thesaurus

Synonymgruppe
begründend · beweisend · diskursiv · logisch
Assoziationen

Typische Verbindungen zu ›diskursiv‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›diskursiv‹.

Zitationshilfe
„diskursiv“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/diskursiv>.

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