Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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fürrücken

fürrücken,
s. vorrücken.
1)
vornhin rücken.
2)
hervorrücken.
3)
vorwärts rücken, auf der bodenfläche vorwärts schieben. promovere, fürrucken. Frisius (1556) 1074ᵃ und danach Maaler 149ᶜ, der das wort auch durchprotendereerklärt.
4)
vor augen rücken, bemerklich machen. mit acc. der sache und dat. der person: was ist dann dasz (das) uns für neu und unerhört fürgerucket wird? Harsdörffer poet. trichter 2, 18. im besondern und vornehmlich: misbilligend bemerklich machen, als ungehörig und zu meidend bemerklich machen. dies, in so fern die durch den dat. ausgedrückte person zu dem durch den acc. ausgedrückten in beziehung steht. noch bei Hederich (1753) 993 fürrücken, objicere, doch mit verweisung auf vorrücken; ebenso bei Nieremberger Ddd 1ᵇ. später völlig durch dieses vorrücken verdrängt. auch kann statt des dat. eine praep. mit dem von ihr regierten casus stehn: ich sag auch, das (dasz) wir sprüchen gedachter buͤcher (es sind die apokryphen gemeint) und sententz, on ander bestendige biblische red, wider keinen feind werffen und für rucken sollen. Carlstadt, welche bücher biblisch seind B 1ᵃ. ferner können statt des acc. die worte stehn, mit welchen etwas vorgerückt wird.
5)
vorbeirücken, vorüberrücken, vorübergehn. ahd. tisen Jovis circulum fure rucchentiu ... sah sî dën stabênten fater dërô gotô in chaltî unde in froste. N. Mart. Cap. 158. nhd. kann die bedeutung noch vorkommen, doch weisz ich keinen beleg.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1871), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 790, Z. 53.

vorrücken, verb.

vorrücken, verb.,
s. fürrücken th. 4, 1, 1, sp. 790; ahd. furirucchen Graff 2, 435; mhd. vorrucken mhd. wb. 2, 781ᵃ; mnld. vorerucken Verwijs-Verdam 9, 1061; pretendere vorrugken Diefenbach dict. 458ᵃ; protendere forrugken 468ᵃ; für- sive vorrücken Stieler 1569; vorrücken, fürrücken Kramer teutsch-ital. dict. 2 (1702) 378ᶜ; vorrücken Spannutius (1720) 234; für- et vorgerückt, ich rücke vor Steinbach 2, 304; vorrücken Adelung; Campe.
I.
die unumgelautete form ist im 17. jh. noch häufig, sie tritt dann allmählich zurück, begegnet aber z. b. noch mehrfach bei Göthe. vorrucken findet sich sowohl in transitiver wie in intransitiver bedeutung, vgl. hierzu rücken I th. 8, sp. 1356; österreichisch ist vorrucken Hügel d. Wiener dialekt 136ᵇ: als man einem in Franckreich die vollen Teutschen vorruckte Zinkgref apophth. (1628) 1, 361; weil er seinem herrn begangene torheit so offt vorrucket Harsdörffer frauenz.-gesprächsp. (1641) 1, b 8ᵇ; als Ciceroni seine schlechte geburt vorgeruckt ward Lehman floril. polit. (1662) 3, 51; einem aufzuheben oder vorzurucken Grimmelshausen Simpl. 3, 243 Kurz; seine geringfügigkeit vorrucken v. Hohberg georg. cur. 3 (1715) 1, 78ᵃ; comedieweise vorstellen und vorrucken Lindenborn Diogenes (1742) 1, 424; dasz mir ander verdrüszlichkeiten ... nicht so hefftig vorgeruckt wurden Lessing 17, 8 M.; im ganzen ruckt das violette viel weiter vor als das rothe Göthe II 2, 113 W.; wie weit bist du mit deinem wercke vorgeruckt? IV 10, 83;
er ändert stets, ruckt langsam wieder vor
I 10, 115.
im jetzigen gebrauch hat vorrucken humoristischen klang:
ich hab es nun gereimt, gedruckt
und bin damit euch vorgeruckt,
ob es euch wohlgefalle
Fr. Th. Vischer dicht. w. 5, 291.
mit verändertem stammvokal: (fehde soll) gancz tod und abe seyn und in arge nimmer sullen vorgeroket noch gedocht werden (von 1452) lehns- u. besitzurk. Schlesiens 1, 433.
II.
bedeutungen.
1)
transitiv.
a)
vornhin, vorwärts, hervor, vor etwas oder jemanden auf einer fläche, besonders der bodenfläche schieben: man hat das geschütze vorgeruckt und losz gelassen Thilo beschreibunge allerley fürnemmer händel (1584) 1, 6ᵃ; den schrank vorrücken (vor eine öffnung) Adelung; kommt, setzt euch in euren stuhl (sie rückt ihm den lehnstuhl vor) Brentano (1852) 7, 82; hier und da liesz sie (brückenartiges gestell) ... nach belieben vor grosze cartons oder ölbilder vorrücken Gutzkow ritter v. geiste (1850) 3, 286; dasz sie den ... schemel bis an die schwelle vorgerückt hatte Fontane I 5, 127.
b)
auch abgesehen von der bodenfläche: obdere pessulum foribus die riegel vorziehen, vorschieben, vorrucken Corvinus fons lat. (1646) 274; den zeiger der uhr etwas vorrücken; obgleich mein mann ... ein rechtes fratzengesicht ... (vor die öffnung eines guckkastens) vorgerücket hat Möser (1842) 2, 46.
c)
freier: vorgerückt ist der schädel, dasz er diese stirn und unter der stirn dies ernstruhige antlitz bilde Herder 22, 290 S.; er blieb still sitzen, ein wenig gebückt, die nase vorgerückt Frenssen Jörn Uhl (1902) 218. — grenzen vorrücken, sie weiter hinaus schieben: die gränzen ... von Deutschland wurden bis über die Eider hinaus an die Slie vorgerückt M. I. Schmidt gesch. d. Deutschen (1778) 1, 102; die grenze der gemeinde vorrücken Mommsen röm. gesch. (1854) 1, 145. — von einzelnen farben, die in einem gemälde gegenstände vorrücken, d. h. scheinbar in den vordergrund schieben Jacobsson technol. wb. 4, 557ᵇ.
d)
ungewöhnlich in folgender übertragenen anwendung: Brunelleschi, Donato und Ghiberti ... rücken die bildhauerkunst vor (bewirken ihr fortschreiten) Göthe 44, 305 W.
e)
jemandem etwas vorrücken.
α)
zunächst sinnlich, es ihm vor augen bringen; vor-, hinhalten:
gelîch als swer den halm rukket
durch schimpf den jungen katzen vor
Ulrich v. d. Türlin Willehalm lxix 15 Singer;
dem auge ein gutes bild vorzurücken Göthe gespräche 1, 217 W. v. Biedermann.freier dann, besonders wenn ein unsinnliches object zum verbum tritt, wobei leicht der nebensinn sich einstellt, dasz etwas zu besonderer aufmerksamkeit, zum nachdenken anreizen, zur mahnung dienen soll: aber besihe, was dir die anatomie und dieses büchlein vorrücket Prätorius glückstopf (1669) 24; (spiegel,) der ihnen ihre häszlichkeit vorrückte Wieland Agathon (1766) 1, 120;
A: still, still! aus scham, wo nicht aus christenliebe.
B: rückt christenliebe nicht, noch scham mir vor
(urge neither charity nor shame to me)
Shakespeare Richard III. 1, 3.
dieser nebensinn kann an schärfe zunehmen, so dasz die überleitung zu der unter 2 b behandelten bedeutung leicht ist: als einem bekanten ... ertzbischoff zu Mayntz ... vorgeruckt war, er were ein geschorner erwehlter herr Lehman floril. polit. (1662) 3, 292; verwunderte er sich ... über meine jugend, und sagte, mir solche vorzurücken Grimmelshausen Simpl. 251 ndr.; diesem verfasser der römischen geschichte seine vaterstadt vorzurücken Warnecke poet. versuch (1704) 192; sein (eines verbrecherischen juden) name ... wird zeiten hinab auch den unschuldigen vorgerückt Herder 24, 70 S.; ich erinnere mich des versprechens nicht, das mir der pastor M. vorrückt H. P. Sturz (1779) 1, 160; rückte ihr oft ihren stand und ihre armuth vor Bode gesch. d. Thomas Jones (1786) 5, 235; (weil er) dem christenthume die moralischen gefahren der dogmen vorrükkt Schleiermacher (1834) I 5, 16; sie haben dem könige ... die albernheiten der restaurationsminister so deutlich vorgerückt, als wir sie uns hier sagen Grabbe 3, 77 Bl.ungewöhnlich, zu gehör bringen: er hatte keine empfindlichkeit bey den scheltworten, die ihm ... von seinen freunden vorgerücket wurden Ad. Olearius pers. baumgarten (1696) 46ᵇ (3, 21).
β)
dann besonders mit dem nebensinne des vorwurfs: 'figürlich rückt man jemandem etwas vor, wenn man ihm etwas vergangenes wieder in das andenken bringet; wodurch es sich von vorhalten unterscheidet, mit vorwerfen aber zum theil gleichbedeutend ist' Adelung; dasz sich vorrücken durch den 'höheren grad der bitterkeit' von vorhalten unterscheide (Eberhard synonymik [1795] 6, 300) wird durch den gebrauch nicht bestätigt. ebensowenig braucht eine beschränkung auf die vergangenheit vorzuliegen.
αα)
erwiesenes gutes jemandem vorhalten: einem die erzeigte wolthaten und seine undanckbarkeit vorrücken Kramer teutsch-ital. dict. 2 (1702) 378ᶜ; (ein mann, der) von seinen gutthaten nicht viel wesens machet, noch dieselbe wieder vorrücket Thomasius kl. dt. schr. (1894) 86; wohlthaten einem vorrücken heiszt sich doppelt bezahlen lassen maler Müller (1811) 3, 86; (er) rückt, was er für andre thut, diesen unaufhörlich und übertreibend vor O. Ludwig (1891) 1, 251;
man sagt, Rinald, dasz bei den tücken
des undankbaren es zum trost gedeiht,
ihm die erzeigten dienste vorzurücken
Gries Bojardos verl. Roland (1835) 1, 125.
ββ)
weit öfter aber werden fehler, gebrechen, übles verhalten vorgerückt: (soll er) an seinem handwerk und arbeit keineswegs verhindert, noch ihm dasselbe verbothen oder sonst vorgerückt werden stadtrecht v. Eisenach 167 Strenge-Devrient; die uns insgemein vorgerückten gebrechen Lohenstein Armin. (1689) 1, 201ᵃ; wenn man einem schwäche des verstandes und fehltritte im schlüszen vorrücket Chr. Wolff ged. von d. menschen thun u. l. (1720) 420; ihnen ihre schlechten streiche vorzurücken Lessing 2, 132 M.; selbst dem Horaz rückt man wiederholungen vor Herder 27, 174 S.; damit eins dem andern nichts vorrücke Hippel kreuz- u. querzüge (1793) 1, 12; er rückte einem bettelnden judenjungen seinen schlechten bettelstyl vor Jean Paul (1826) 26, 50; man würde mir das etikett als fälschung vorrücken Lagarde dt. schr. (1886) 10;
setzet dir der teufel zu
und hat dir die missethaten vorzurükken keine ruh
Neukirch fortgepfl. musik.-poet. lustw. (1657) 2, 19.
mit persönlichem object: so unbillig die brittischen prosecritik dem Spenser seine feen und Shakespear seine hexen vorgerückt Herder 3, 233 S.auf einen satz bezogen: wozu war auch das leidige gezänk? — rückte sie sich vor Anzengruber (1890) 1, 35;
als Phyllis ihm den fehler vorgerücket,
er hätte sie zu oft, zu heftig angeblicket
Gottsched ged. 1 (1751) 354;
erwarbst du dir ein recht, mir ewig vorzurücken,
was doch im grund nichts ist?
Göthe 9, 48 W.
alleinstehendes part.: mit stichelschriften und einem vorrückenden stillschweigen A. v. Haller tageb. (1787) 1, 156.
γγ)
in freieren wendungen: an einem vorgerückten bissen (boccone rimproverato) erstickt niemand Kramer teutsch-ital. dict. 2 (1702) 378ᶜ; das frühstück von wasser und früchten ... rückte strafend unserem Viktor seinen wein und kaffeesatz vor Jean Paul (1826) 7, 252; dasz man diesen gedichten so oft den mangel an zierlichkeit vorrückt Tieck (1828) 16, 303;
bald rücket er den neid dem mittewochen vor,
dasz der ihm seinen schatz gegeben und genommen
Besser (1732) 1, 253;
was mich umgiebt, rückt mir mein unrecht vor
Schiller 15, 1, 83 G.
2)
intransitiver gebrauch.
a)
im eigentlichen räumlichen sinn, besonders von truppen und deren führern, sowohl im strategischen wie im taktischen sinne: endlich nach 42 jar vorruckten sie (die Langobarden) mit diesem Albinio in Welschland Entzelt altmärk. chron. 69 Bohm; (es soll) der offizier (mit dem fouragirtrupp) auch von dem regiment weiter nicht aus- oder vorrücken v. Fleming d. vollk. t. soldat (1726) 212; bei diesem sieghaften vorrücken in Dännemark Herder 23, 418 S.; (briefe,) die nun den vorgerückten und vorrückenden nachirren sollten Göthe 33, 12 W.; ich sehe eben, dasz general Beaumont durch München vorrückt Caroline 2, 369 Waitz; im schnellschritt rückte eine dunkle linie vor Freytag (1886) 5, 245; gleichzeitig mit diesem vorrücken soll der versuch gemacht werden, Preszburg ... in besitz zu nehmen Bismarck ged. u. erinn. 2, 55 volksausg.;
mit seinen retten ratschlaget er,
mit seinem volck da zu vorrücken
H. Sachs 22, 395 K.-G.;
der kaiser hat auch schon dem oberst Suys
befehl geschickt, nach Baiern vorzurücken
Schiller Piccolomini 2, 7;
rückt vor! dringt ein! recht in des wirrwarrs völle
(march on, join bravely, let us to 't pell mell)
Shakespeare Richard III. 5, 3.
im bilde, von einem lehrer: rückte er sogleich mit seiner hauptmacht und dem schweren geschütze vor G. Keller (1889) 1, 163.
b)
der militärische sinn kann zurücktreten und schwinden: lasset nur andre nationen vor- und jene umrücken Herder 5, 143 S.; Frankreich war an den Rhein mitten ins deutsche gebiet vorgerückt Häusser dt. gesch. (1854) 1, 683; ehe die Dänen von norden her durch das verlassene gebiet der Angeln bis an die Schlei ... vorrückten Nitzsch dt. studien (1879) 212. — in allgemeiner anwendung; vordringen im bergwerk: das vorrücken in das feld durch strecken Zappe miner. handlex. (1817) 1, 416. — langsame schiffsbewegung: ein schwacher wind, mit dessen hülfe wir langsam nach norden vorrückten G. Forster (1843) 1, 422.
c)
seltener von einzelnen personen, vgl. dagegen die mannigfaltige verwendung in übertragenem sinne unter 2 e α—ζ: derwegen so sollten ifg. in die Heinrichsstadt vorrücken und ins losement einziehen Schweinichen denkw. 198 Ö.; im bilde:
in des kampfes erste reihe
hast du vorzurücken
Rückert (1867) 2, 9.
mit anlehnung an die kriegerische bedeutung: leicht und elastisch wie eine stahlfeder rücke ich zum streite mit dem ungeschlachten riesen (einem gipfel) vor H. v. Barth Kalkalpen (1874) 541. — im bilde: dasz ich so weit und bis zu dem abgrunde vorrücken würde, vor dem mich noch schaudert Thümmel reise (1791) 3, 206.
d)
wirkliche vorwärtsbewegung von unbelebtem im raume, auch solche, die nicht unmittelbar sichtbar wird und sich in langen zeiträumen vollzieht: die trommel erhält eine neigung ..., um das allmälige vorrücken der kohle ... zu bewirken Karmarsch-Heeren techn. wb. (1876) 5, 72; nach der saaluhr blickend, auf deren zifferblatt der zeiger langsam vorrückte Fontane I 4, 249. — veraltet vom vorfahren eines wagens: wir haben bediente, die mir schon nachricht geben werden, sobald der wagen vorrückt Kretschmann (1784) 3, 37. — veränderung an einem modell: dasz alsdann der linke fusz vorträte und der säbel auch vorrückte Göthe IV 26, 117 W. — wo jetzt schon der schatten des nachmittags vorgerückt war Storm (1899) 2, 69; mittlerweile war die sonne bereits ziemlich weit über ihren mittagstand vorgerückt H. v. Barth Kalkalpen (1874) 329. — indessen ist der mond dadurch in 2500 jahren fast um zwey grad vorgerückt F. Th. v. Schubert verm. schr. (1823) 2, 69; sowie das aequinoctium aus dem stiere in den widder vorgerückt sey Hegel (1832) 7, 2, 60; vorrücken der nachtgleichen Gehler physikal. wb. (1825) 9, 3, 2129. — der jetzt vorgerückte strom des heil. Laurentius Humboldt kosmos (1845) 1, 133; als die felder und wiesen bis zu seiner hütte vorgerückt waren Stifter (1904) 5, 1, 58; mit theilnahme bemerken wir, wie ... die schützenden burgen von stelle zu stelle weiter vorrücken Ranke (1867) 14, 18; verdrängung der kiefer aus Dänemark durch die vorrückenden laubhölzer Hoops waldbäume u. kulturpfl. 57. — dagegen von gedachter bewegung: (vorland,) welches mit riffen und steilküsten ... in den indischen ocean vorrückt Ritter erdkde (1822) 1, 136.
e)
intrans. in übertragener anwendung, mit persönlichem und unpersönlichem subjekt.
α)
mit starker mitwirkung der eigentlichen, räumlichen bedeutung: da nun aber auch der Deutsche durch übersetzungen aller art gegen den orient immer weiter vorrückt Göthe 7, 235 W.; ich war weiter als meine arme mutter, die noch nicht einen finger breit näher vorrücken konnte, als sie ausgezogen (im enthüllen eines geheimnisses) Hippel lebensläufe (1778) 1, 167.
β)
mit etwas vorrücken, hervortreten mit etwas, etwas vorbringen, anbieten, zeigen, herausstellen u. ä.: nun konnte er mit seinem plane vorrücken Gutzkow (1872) 5, 338; (dasz der käufer) nothwendig mit neuen, gröszeren summen vorzurücken habe Holtei erz. schr. (1861) 21, 184; ich möchte nicht gerne mit vorschlägen in der Deutschen zeitung vorrücken briefw. zwischen J. u. W. Grimm, Dahlmann u. Gervinus 2, 317.
γ)
vorwärtskommen in einer thätigkeit, mit einer arbeit, in einer verhandlung, dem ziele der beendigung näher kommen (oft bei Göthe): in dem diamanthandel bin ich noch nicht vorgerückt IV 36, 221 W.; in dieser zeit werden die tüncher wohl vorgerückt seyn IV 10, 24; langsam vorgerückt am gedicht III 6, 268; dasz ich mit meinem roman ziemlich weit vorgerückt bin H. v. Kleist 5, 424 E. Schm.; je weiter ich vorrücke, desto schwieriger wird meine arbeit Holtei vierzig jahre (1843) 1, 371. — in einem gespräch: schon tief in seinen erörterungen muszte das junge paar vorgerückt sein Gutzkow zauberer v. Rom (1858) 5, 360.
δ)
auf stellung, amt, rang bezogen, befördert werden, vgl. Hügel d. Wiener dialekt 183ᵇ; wo die hoffnung herrscht, durch verdienste vorzurücken Stephanie d. jüng. lustsp. (1771) 19; ich war schon einige male in der rangliste vorgerückt Klinger (1809) 9, 248; er war ... zum generallieutenant vorgerückt Fouqué gefühle, bilder (1819) 2, 11; man hat gegründete aussicht, demnächst im amte vorzurücken W. Raabe Horacker (1876) 68. — vom aufsteigen in der schule: wir sind nun in tertia vorgerückt Kotzebue dram. w. (1828) 31, 19.
ε)
fortschreiten in der zeit: da man schon im dezember ziemlich weit vorgerückt war H. v. Kleist 4, 158 E. Schm.; je weiter man in der zeit vorrückte Strausz (1876) 4, 190. älter werden: beym vorrücken in höhere jahre Göthe IV 39, 223 W.; (schüler,) die im alter schon vorgerückt sind Hegel (1832) 16, 177; als er schon hoch im alter vorgerückt war Laube (1875) 16, 20.
ζ)
der sinn des verbums wird dann in anwendung auf personen oder gesamtheiten vertieft und veredelt, indem ein fortschritt in wissen, innerer bildung, kultur u. s. w. bezeichnet wird: so rückte ich immer weiter vor in geordneter kenntnis Göthe II 6, 104 W.; mein kopf war diesen abend sehr hell. ich fühlte mich überhaupt um manchen schritt vorgerückt Novalis 2, 97 Minor.von gesamtheiten: (dasz) das menschengeschlecht durch sein alter nicht vorgerückt, sondern zurückgekommen zu seyn schiene Fichte (1845) 2, 272; die alten, obwohl in fast allem weit vorgerückt, waren in in der hauptsache kinder geblieben Schopenhauer 2, 740 Gr.; diesem vorgerückten zeitalter Gervinus gesch. d. dt. dicht. (1853) 5, 142. — das part. prät. gesteigert: in einer weit vorgerücktern gesellschaft Cramer von d. barden (1770) 4; doch möchten sie mich vielleicht vorgerückter in der englischen sprache glauben als ich es bin gräfin O'Donell in schr. d. Goetheges. 17, 61; die vorgerückteren schüler Hebbel w. 8, 89 W.; vorgerücktere theoretiker hwb. d. staatswiss. (1898) 2, 34. — unter den vorgerücktesten männern A. Ruge (1848) 5, 160.
η)
vom fortschreiten der zeit, vorgerückte stunde kann prägnant von einer späten nachtstunde gebraucht werden: der nachmittag rückt schon stark vor Kretschmann (1784) 4, 82; ein schöner morgen war im vorrücken Göthe 24, 73 W.; der abend war vorgerückt bis gegen die zehnte stunde Laube (1875) 10, 147; indessen war die zeit vorgerückt Storm (1899) 1, 50; (Sperrbachtobel,) für dessen passirung die jahreszeit schon etwas vorgerückt war (auf den winter zu) H. v. Barth Kalkalpen (1874) 232; trotz vorgerückter stunde Fontane I 4, 161;
die nacht war vorgerückt, wir standen lauernd,
der beute harrend, schon auf ihrem wege
Raupach dram. w. ernster gattung (1835) 10, 303.
frei: die uhr der geschichte war schon zu weit vorgerückt Lagarde dt. schr. (1886) 161. — vorgerückte jahre, reifes alter, auch hohes alter, im komparativ ist der sinn schwächer: dazu konnte sich der alte baron in seinen vorgerückten jahren nicht mehr bequemen Immermann 1, 69 B.; unter den frauen findt man auch schon in den vorgerückteren, maliziös reiferen jahren noch kurios liebenswürdige Nestroy (1890) 6, 25. — (fürst Hardenberg war) in vorgerücktem alter nicht mehr geneigt, hartes holz zu bohren Laube (1875) 1, 204.
θ)
dann in allgemeiner, mannigfaltigster weise auf unpersönliches bezogen; angelehnt an die militärische bedeutung des wortes (2 a): sobald sie die ehre vorrücken lassen, so ist die liebe geschlagen Iffland theatr. w. (1827) 8, 40. — fortschreiten einer thätigkeit, einer arbeit, eines litterarischen werkes, einer erörterung u. ä. (vgl. 2 e γ): damals rückte die dritte sammlung jedenfalls schon vor Herder 12, 372 S.; ich bin fleiszig, mein Egmont rückt sehr vor Göthe 32, 31 W.; wegen der vorrückenden zurüstungen zur aufführung des Rienzi R. Wagner (1897) 4, 269; rücken sie vor (die bilder)? G. Keller (1889) 3, 222. — von zuständen: vorgerückte schwangerschaft O. Jahn Mozart (1856) 3, 256; erwarten und fürchten, keines war um die breite eines haares vorgerückt Stifter (1904) 1, 263; nachdem die allgemeine tafelfreude genugsam vorgerückt G. Keller (1889) 2, 192; in vorgerücktem stande der verwahrlosung W. Weigand d. löffelstelze (1919) 16. — eigenthümlich, von lautlicher entwicklung: (die media D wird) in DD und ND ... vorrücken J. Grimm kl. schr. 3, 141. — verinnerlicht, wesensentfaltung, entwicklung zu höherem, besserem (vgl. 2 e ζ): da die wissenschaft so weit vorgerückt ist Göthe IV 28, 87 W.; vorgerückte bildung Gutzkow (1872) 10, 13; seine (des Hoffmannswaldau) liebeslieder (sind) ... weit vorgerückt gegen Opitz Gervinus gesch. d. dt. dichtung (1853) 3, 431; ganz verblaszt: die vorgerückte stufe der kunstbildung E. Gerhard akad. abh. (1866) 1, 2.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1937), Bd. XII,II (1951), Sp. 1424, Z. 8.

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Zitationshilfe
„fürrücken“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/f%C3%BCrr%C3%BCcken>.

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