Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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fürsingen

fürsingen,
s. vorsingen. und MirJam sang jnen fur: lasst uns dem herrn singen u. s. w. 2 Mos. 15, 21; gleich wie den kindern ein lied, das sie lernen sollen, für singe. Luther der 111. psalm A ijᵇ, s. Ph. Dietz 1, 757ᵃ;
besinnet euch auf neue lieder
und singt sie mir im gehen für.
Picander ernst-scherzh. ged. 3, 4.
noch wetterauisch fîrsinge d. i. fürsingen in diesem sinne wie auch in dem: durch jedesmaliges anheben des tones, den die andern nachsingen, den gesang leiten.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1871), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 825, Z. 57.

vorsingen, verb.

vorsingen, verb.,
vgl. fürsingen th. 4, 1, 1, sp. 825; ahd. forasingan Graff 6, 250 (Notker); ags. foresingend, precentor; mhd. vor-, vürsingen mhd. wb. 2, 2, 301ᵃ; Lexer 3, 479; 587; precinere vor singen Diefenbach gloss. 452ᵃ; preconare 452ᶜ; das vorsingen, praecantatio; vorsingen, voranhinsingen, das gsang anfahen, praecinere Maaler 476ᶜ; praecino, vorsingen, voran singen Calepinus dict. XI ling. (1598) 1125ᵃ; weiter dann verzeichnet bei Hulsius (1618) 2, 72ᵇ; Stieler 2029; Kramer t.-ital. dict. 2 (1702) 815ᵇ; Dentzler clavis ling. lat. (1716) 338ᵃ; für- et vorsingen Steinbach 2, 778; vorsingen Frisch 2, 278ᶜ; Adelung; Campe; mnld. vore-, vorensingen Verwijs-Verdam 9, 1084; 1047.
1)
da fürsingen oben th. 4, 1, 1, sp. 825 nur dürftig belegt ist, folgen hier weitere beispiele: das ein ander an des meisters stat seine thön für sünge Puschmann meistergesang 28 ndr.; das er ihr (ein lied) fürzusingen ... die freiheit erlangte A. U. v. Braunschweig Octavia (1677) 1, 587;
hör ich denn einen nachts fürsingen
H. Sachs 14, 37 K.-G.;
alszdann soll dir mein mund auff neu erlernte weysz
mit gantz lehrreicher kunst ein lobgesang fürsingen
Weckherlin ged. 1, 87 Fischer;
o gott, mit thränen sing ich dir
die ängsten meiner seele für
Schubart ged. (1825) 1, 148.
2)
in jemandes gegenwart singen, damit er es anhöre.
a)
ohne object: ein psalm Davids, vorzusingen ps. 40, 1 u. oft; so lieblich und frewdig hat sie (die nachtigall) mir vorgesungen engl. com. u. trag. (1624) j 5ᵇ; ohne selbst musiker zu seyn, läszt er sich jahraus jahrein täglich stundenlang vorsingen Schubart ästhetik d. tonkunst (1806) 191; (um) dir vorzusingen, wie einem kleinen kinde Holtei erz. schr. (1861) 10, 7;
seit wir sizen am mahl, und der göttliche sänger uns vorsingt
(ὤρορε θεῖος ἀοιδός),
hat er nimmer geruht von seinem traurenden grame
Voss Od. 8, 539 Bernays;
jüngst traf ich einen alten mann
und hub ihm vorzusingen an
Hebbel w. 6, 378 W.
prägnant im sprachgebrauch der gegenwart einem vorsingen zur prüfung der stimme und ausbildung (einem musikdirector, gesangmeister u. ä.).
b)
mit unbestimmtem oder bestimmtem object (lied, arie u. s. w.): ich habe bisher ihnen immer was vorsingen müssen Lenz 1, 6 Tieck; sagte Lauretta, sie wolle uns etwas vorsingen E. Th. A. Hoffmann 6, 61 Grisebach; komm, sing uns was lustiges vor Mörike 1, 155 Göschen. — wann sie uns disz welsch liedlein schon auch im fewer vorsingen, das es einem möcht wee in den ohren thun Fischart bienenkorb (1588) 166ᵇ; wir wollen der frau von Kl. das kleine duett vorsingen Gottsched dt. schaubühne (1741) 1, 106; wenn uns durch eine italienische kehle ... künstliche ausdehnungen der sylben vorgesungen werden Scheibe d. crit. musicus (1745) 4; lieder der liebenden ... mag ich weder vorgelesen noch vorgesungen Göthe 24, 298 W.; man sang mir hurenlieder vor Schiller 4, 67 G.; Zelter hat mir eine allerliebste lustige komposition von Goethes besenliede vorgesungen Caroline 1, 214 Waitz;
ain guten lehrspruch laszt uns hörn
und auf der harfen spilen,
sinnreich geticht, die man soll lehrn
und stäts vorsingen vilen
Fischart dicht. 3, 171 Kurz;
und wer sie hört,
die schlachtgesänge,
der lern und singe
sie den kriegern vor
Herder 5, 181 S.;
als sie dein lied mir, von den schmerzen
deiner gespielin, der liebe vorsang
Klopstock oden 1, 14 M.-P.
c)
freiere verbindungen: zu welchem ende sie denn ihnen folgendes lob der jagt vorsang Lohenstein Armin. (1689) 2, 1424ᵇ;
und losend äben uff die wort,
die ich üch vor wil singen
H. R. Manuel weinspiel 4008 ndr.;
Thyrsis, willst du mir gefallen,
singe mir nur klagen vor
J. E. Schlegel (1761) 4, 207;
er (der schwan) weisz zu sterben, stärker als der tod,
singt er des lebens traum den sternen vor
Brentano (1852) 6, 85;
geheimnisse der nacht hast du mir vorgesungen
Rückert (1867) 8, 25.
d)
mit bezeichnung der begleitung, wendungen der älteren sprache (vgl. singen 3 e, th. 10, 1, sp. 1074): ein psalm Davids, vor zu singen auff seitenspiel ps. 4, 1; vor zu singen auff acht seiten ps. 6, 1; 12, 1; der könig David liesz auch ... die buszsoliloquia seiner sehr erschrockenen seele ... auf acht saiten vorsingen Herder 12, 251 S.; musici, die ... in die leyren oder sonsten vorsungen Cyr. Spangenberg von d. musica 15 lit. ver.jetzt dagegen zur guitarre, zum klavier vorsingen; (er) sang mit der vollen harmonie des fortepiano die erste strophe vor Heinse 5, 15 Sch.; frei: hat er nicht schon den himmlischen hörern den namen Amalia vorgesungen auf der seraphischen harfe Schiller räuber 2, 2.
3)
vorsingen, damit ein anderer nachsingt, vgl. schweiz. idiot. 7, 1201.
a)
lehrend: einem ein lied vorsingen, dasz ers lerne Kramer t.-ital. dict. 2 (1702) 815ᵇ; dem lehrlinge die schweren stellen mehrmals vorsingen Campe; jemanden eine passage, seine rolle vorsingen u. ä.: (woran) es ihnen (den jungen nachtigallen) noch fählen wil, das lernen sie behende auffs vorsingen und erinnerung ihrer leermeister besseren Heyden Plinius (1565) 453; der ihm dann das lied so oft vorsang, bis ers auswendig konnte Jung-Stilling (1835) 1, 116; höre — sing uns einen vers vor, wir singen ihn nach Iffland theatr. w. (1827) 2, 152;
und er singt die neue weise
einmal, zweimal, dreimal leise
denen reitersleuten vor;
und wie er zum letztenmale
endet, bricht mit einemmale
los der volle kräftge chor:
'prinz Eugen, der edle ritter!'
Freiligrath dicht. (1877) 1, 45.
das vorgesungene braucht nicht im gesange wiederholt zu werden: und Jonathas sang vor, die andern sprachen ihm nach mit Nehemia 2. Macc. 1, 23; ihm den tanz ... so lange vorzusingen, bis er ihn habe spielen können Göthe 21, 184 W.
b)
vorsingen in der kirche, intonieren, angeben der stimmlage: intonare il canto vorsingen, auff den thon setzen Hulsius (1618) 2, 212ᵇ; in der kirche vorsingen Kramer t.-ital. dict. 2 (1702) 815ᵇ; dasz er auf eine zeit in der kirche vorgesungen Abr. a s. Clara etwas f. alle 2 (1711) 137; keine geschicktere stimme zum vorsingen und anstimmen des gesanges ... als der tenor Mattheson kleine generalbaszschule (1735) 79; obgleich er des sonntags in der kinderlehre vorsingen muszte G. Keller (1889) 5, 116. — in freiem sinne:
was sag ich mehr? du singst der gantzen kirchen vor,
wehklagen auf der welt und danck ins himmels chor
A. Gryphius ged. 573 Palm.
c)
beim reigen, geselliger unterhaltung, der arbeit: meistens ists ein munterer geselle, der den andern vorsingt oder den reihen anführt Göthe 37, 229 W.; (die lieder) werden von dem rais, der auch selbst mitrudert, vorgesungen, von der mannschaft aufgenommen Bücher arbeit u. rhythmus⁴ 228;
der des voresingens phlac,
daz was Friderîch
Neidhart 39, 28;
du, Ul Sewfist, vor allen dingen
must du im reyen uns vorsingen
H. Sachs 17, 206 K.-G.
4)
voraus sein im singen:
ja, es schien, als bleibe der andre chor
zurück und der unsrige singe vor
Fr. Th. Vischer dicht. w. 3, 291.
5)
wie singen wird auch vorsingen in freiem und übertragenem sinne gebraucht.
a)
so wird vorklagen durch ein klagelied vorsingen umschrieben: können sie aus diesen klageliedern abnehmen, die ich ihnen ohne rücksicht vorsinge G. Forster (1843) 8, 101; um einer fremden sein klagelied vorzusingen über Hermanns umwandlung Holtei erz. schr. (1861) 9, 116; ich habe euch oft genug meine jammerlieder (über das los meiner nichte) vorgesungen Raabe d. hungerpastor (1864) 98. — unglückliche machen ist schon schreklich genug, aber gräszlich ists, es ihnen zu verkündigen — ihnen vorzusingen den eulengesang Schiller kab. u. liebe 3, 6.
b)
wie singen nach lat. canere wird auch vorsingen auf das vortragen eines gedichts und das dichten selbst angewendet, ohne dasz dabei notwendig an gesang gedacht wird: (Homer) singt mir griechisch vor Herder 3, 126 S.; (wenn den Engländern) so eine menge theoretisches zeug ... nun wieder im bekannten sylbenmasze vorgesungen wird (in einem lehrgedicht) Göthe IV 13, 39 W.; seine dichter hatten ihm unaufhörlich von seiner verwandtschaft mit den ehemaligen beherrschern der welt vorgesungen Novalis 4, 81 Minor;
ist es unsrer seiten werck
je einmal so wol gelungen,
dasz wir dir, o Königsberg,
etwas gutes vorgesungen
Königsb. dichterkr. 65 ndr.;
wo mit geübten zungen
Dach und Pietsch mir vorgesungen
Gottsched ged. (1751) 1, 218;
da zog dich Saffo leise zum myrtenthal,
wo deiner lieb anruf Petrarca
sanft der empfindenden Laura vorsang
Voss (1802) 3, 253.
c)
einwirkung des lat. cantare ist es, wenn vorsingen in dem sinne von weitschweifig oder immer wieder vortragen gebraucht wird: der mir so offt deren sitten vorsang (qui harum mores cantabat mihi heautontim. 260) Boltz Terenz deutsch (1539) 67ᵃ; wie offt hat man dir schon vorgesungen, dasz gott mit gleicher münz bezahle Abr. a s. Clara mercks Wien (1680) 141; daran seid ihr alle schuld, die ihr mich in das joch geschwatzt und mir so viel von activität vorgesungen habt Göthe 19, 93 W.; da wird einem jeden alles weitläuftig vorgesungen Tieck (1828) 6, 55;
(kinder,) die irn eltern nit arten nach,
die in stet guts gesungen vor,
welchs in alles verechtlich war
Eyering prov. copia (1601) 2, 248.
von lästigem vortrag von versen:
er hört sich selber gern und singt mir, welch ein thor!
den halben Flaccus offt bey seinem zuspruch vor
Hagedorn versuch ein. ged. 46 ndr.
d)
einzelnes; feierliches vorsprechen eines eides: durch einen ihnen von beyden geschlechtes priestern vorgesungenem abscheulichen eyde Lohenstein Armin. (1689) 2, 281ᵃ.
e)
in sprichwörtlicher wendung: es ist ihm, spricht er, in der wiege nicht vorgesungen, dasz es ihm so gehen werde Liscow sat. u. ernsth. schr. (1739) 601; es wird keinem sein schicksal bei der wiege vorgesungen Fr. L. Jahn 2, 816 E.; Mensing schlesw.-holst. wb. 5, 479ᵃ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1938), Bd. XII,II (1951), Sp. 1580, Z. 46.

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Zitationshilfe
„fürsingen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/f%C3%BCrsingen>.

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