Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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fürtraben

fürtraben,
s. vortraben.
1)
vor die augen traben, vor jemand zum gegenwärtigsein hintraben.
2)
hervortraben, aus etwas heraus traben.
3)
vorwärts traben, sich trabend vorwärts bewegen.
4)
vorantraben, voraustraben. vgl. fürtrab.
5)
vorbeitraben, vorübertraben:
wie wird mein weib vertrogn und arck
jr fest mit jren buben habn,
die jr stehts für das hausz fürtrabn?
die wird sie villeicht lassen ein.
Ayrer fastnachtsp. 68ᵃ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1871), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 906, Z. 33.

vortrab, m.

vortrab, m.,
s. fürtrab teil 4, 1, 1, sp. 906, und zu dem dort angeführten beleg vgl. noch: zu einem fürtrab oder zug Fronsperger kriegsb. 1 (1578) j 1ᵃ; in der arbeit aber sol gottseligkeit und gottesfurcht den fürtrab haben Mathesius Syrach (1586) 2, 138ᵇ; übernommen von Petri d. Teutschen weiszh. (1604) 2, K k 4ᵇ. — antiguardia vortrab, vorzug Hulsius (1618) 2, 31ᵃ; l'avantgarde der vortrab Duez nomencl. (1652) 230; vortrab des heers Kramer t.-ital. dict. 2 (1702) 1102ᵇ; vortrab soldaten Dentzler clavis ling. lat. (1716) 338ᵇ; vortrab, antecursores, antecessores Steinbach 2, 827. 'es war ehedem von den armeen sehr üblich, ist aber nunmehr gröszten theils veraltet, seitdem vortruppen, und besonders das französische avantgarde, üblicher geworden' Adelung; avantgarde, der vorderzug, vortrab Kinderling reinigkeit d. dt. sprache (1796) 113. die übertragenen bedeutungen des wortes werden weder von Adelung noch von Campe erwähnt. zum gebrauch der älteren sprache s. noch Fischer schwäb. wb. 2, 1686. — vortrab bildet im allgemeinen keinen plur., doch vgl.: dieses sind gewiszlich vorträb des jüngsten tages und letzten erdtbebens Schaller theolog. heroldt (1604) 78. — in älterer sprache finden sich abweichende schreibungen: pilum ducere ... den vordrab oder fördern hauffen füren Faber thesaurus (1587) 620ᵃ; übel beritten will zuͦ allen zeiten den vordrab haben Wickram 3, 149 B.; der teuffelhefftige vordrab des antichrists, der Luther Nas d. antipap. eins u. hundert (1567) 5, 339ᵇ; folgenden morgen kamen sie mit dem vordrab für Rom Lohenstein Armin. 1, 748ᵇ. — ein unfehlbarer vortrap eines langwürigen lebens Abr. a s. Clara Judas (1686) 1, 3; er sprengte zum vortrapp Klinger (1809) 5, 123.
1)
die häufigste anwendung ist die oben aus den wörterbüchern belegte soldatische, die aber der neueren heeressprache nicht angehört. unserem sprachgefühl entspricht es, zunächst an eine vorgeschickte reiterabteilung zu denken, vgl.: in dem verzeichnisse der (von Gottsched) übersetzten kriegskunstwörter klingt uns der 'vortrab' (avantgarde) und 'nachtrab' (arrièregarde) zu pferdemäszig. besser würde es heiszen: 'vortrupp', 'nachtrupp' Lessing 9, 42 Petersen.
a)
ausdrücklich als reiterabteilung bezeichnet: welche in dem vordrab rytten, huͦben also die ersten schildwach auff Schumann nachtbüchl. 120 Bolte; einen vortrab von burgundischen reutern Leodius bellum Sickingianum (1626) 3; ein zug husaren, der den eigentlichen vortrab der hauptarmee machte Göthe 33, 23 W.; sein (Napoleons) vortrab von 300 polnischen lanzenträgern Görres ges. schr. (1854) 2, 502; dessen vortrab, die Württemberger und französische cavallerie Häuszer dt. gesch. (1854) 3, 381;
so hat der Türck auch ein vortrab
etwan auff zwantzigtausend pferd
H. Sachs 22, 156 K.-G.
b)
meistens aber, auch noch gelegentlich in neuerer sprache, unbestimmter: vortrab, vortrupp, vorzug 'heiszt bey einer armee der haufe, welcher im zuge vorangehet oder in einer schlachtordnung an die spitze und in die erste ordnung gestellet wird' Jacobsson technolog. wb. 8, 106ᵇ; als aber die seinen in vortrab oder vorzuͦg die prugken auff der Mosa eingenommen hetten Alt d. buch d. cronicken (1493) 197ᵇ; wie des königs Bittergrolls vortrab von dem Gurgelstrozza angetroffen ward Fischart Garg. 404 ndr.; er (sei) mit 6 compagnien als dem vortrabe früh vor Wagstadt angekommen verh. d. schles. fürsten u. stände 4, 198 Palm; wegen geschwinder heranrückung des keyserlichen vortrabs Chemnitz schwed. krieg 2, 212; Kellermanns vortrab ... hatte sich auf einer anhöhe ... verschanzt G. Forster (1843) 6, 391; der nicht unterstützte ... vortrab wird geschlagen Göthe 7, 168 W.; der förster zog einige junge burschen, welche die erbeuteten gewehre trugen, aus dem trupp und formierte sie zu einer art vortrab Freytag (1886) 5, 135; der pontische vortrab, reiterei und leichtbewaffnete Mommsen röm. gesch. (1854) 2, 283;
secht, dort kommet der feind vortrab
H. Sachs 16, 149 K.-G.;
feind haben wir gnug zu bestreitten
in dem vortrab und dem nachtrab
Weckherlin ged. 1, 505 Fischer;
vortrapp! öfnet euch rechts und links
Zachariä poet. schr. 7, 261;
(als) unser vortrab fliehend
ins lager stürzte
Schiller Wallensteins tod 4, 10;
das ist der oberst Götz, mein fürst und herr,
der mit dem vortrab gestern vorgegangen
H. v. Kleist prinz v. Homburg 1, 5.
2)
bei einem zug von tieren: voran (bei wandernden ameisen) befindet sich ein vortrab Oken allg. naturgesch. (1839) 5, 942; vgl. 7, 1375. — bei unkriegerischem zuge von menschen: vortrab eines herrn, servitù che precede il padrone Kramer t.-ital. dict. 2 (1702) 1102ᵇ; von einem einzelnen: Johannes est is servus qui auff dem fus ante dominum her trabt, der furtrab und trometer Luther 34, 1, 551 W. — als der reiter ungefähr auf fünfzig schritte dem vortrab der karavane nahe war Hauff (1890) 4, 12. — scherzhaft: in diesem ausgedienten vortrabe (von gichtbrüchigen alten) Thümmel reise (1791) 4, 4; (der baron) schlug vor, die gesellschaft solle sich in einen vortrab und einen nachtrab theilen Spielhagen (1877) 1, 426.
3)
auszerordentlich oft in freiem übertragenem sinne, wobei dann auch hier ein einzelnes als vortrab bezeichnet werden kann.
a)
gegenstände und vorgänge in der natur: die blumen wären ein unzeitiger vordrab der fruchtbaren natur Lohenstein Armin. 2, 304ᵃ; man sieht alsdann ... entweder den vortrab des wetters schon am horizont und die blitze selbst oder doch ihren widerschein Lichtenberg verm. schr. (1800) 8, 120; neben fledermäusen und maikäfern — dem vortrab und vorposten eines blauen tages Jean Paul 11/14, 310 H.;
sein vortrab schickt er (der winter) undterwegen,
war ubel wind und kalter regen
H. Sachs 4, 263 K.;
wolan, dein (des tages) vortrab, morgenröt,
zeigt, das bey uns wilt halten stät
Fischart 1, 139 Hauffen;
ihr blätter, wetterspiel, ihr vortrab frischer früchte
S. v. Birken fortsetz. d. Pegnitzschäferey (1645) 83;
und da sich schon des tages vortrab (the vaward of the day) zeigt
Shakespeare sommernachtstraum 4, 1.
in besonderer wendung: sie (die dünen) bilden hier den nördlichen vortrab der ... Sahara Ritter erdkde (1822) 1, 933; diese schwarzen körner (kaviar), was sind sie anders, als ein vortrab aus dem osten, als eine avantgarde der groszen slavischen welt Fontane I 1, 121.
b)
und so in allgemeiner anwendung von allem, was einem anderen vorausgeht, kommendes ankündigt oder vorbereitet; während die ältere sprache reich an solchen wendungen ist, finden sie sich später nur selten: vortrab der paralysis Wirsung artzneyb. (1588) 181ᵃ; wann dann der vortrab (die vorbereitungen zu einem kriege) so zureden just und recht Dannhawer catech.-milch (1657) 2, 224; angst, armuth und noth seynd offt des glücks vortrab Lehman floril. polit. (1662) 1, 95; diese verletzung des römischen gesandten ist gewisz ein vortrab eines unglücklichen krieges gewest Lohenstein Armin. 1, 770ᵇ; wir, die wir noch im vortrab der jugend (vaward of our youth) stehen (es spricht Falstaff) Shakespeare Heinrich IV. 2. teil 1, 2; einen vor- und nachtrab von kleinen festen M. v. Ebner-Eschenbach (1893) 2, 388;
nun die beschneidung her, der vortrab ihrer (der juden) sitten
Opitz (1690) 4, 387;
da wuchs der laute lerm, der vortrab ihrer plagen
Besser schr. (1732) 1, 53.
in besonderer wendung: aber die mutter fand auch einen geistigen nachtrab des körperlichen vortrabs schon jetzt an dem kleinen knaben von kaum vier jahren Jean Paul 27/29, 21 Hempel.auf persönliches bezogen: der vortrab unserer zivilisation, die reichen und gebildeten Varnhagen v. Ense tageb. (1861) 2, 350; freier:
so mögen unsre leichen
ihr heilig vordrab sein
Lohenstein Sophonisbe (1680) 91.
c)
besonders charakteristisch für die ältere sprache in schrift und buch. es kann mit vortrab ganz allgemein eine vorbereitende ausführung oder auch eine beschränkte vorwegnahme von später folgendem gemeint sein, im engeren sinne aber bezeichnet dann vortrab eine abgesonderte einleitung, ein vorwort und wird als titel vorgesetzt: mit diesem büchlin, mein leser, hast du einen vorschmack und vortrab meiner haubtchronick S. Franck chron. u. beschreib. d. Turckey (1530) o 3ᵃ; in sieben unterschiedliche bücher ... sampt einem lustigen vortrab abgetheilt Guarinonius grewel d. verwüstung (1610) titel; musz ich etliche merckpünctlein als zum vortrab aussetzen Spee güld. tugendbuch (1640) 661; eine ausführliche speciem facti zur (!) vortrab meiner verantwortung Thomasius ernsth. gedancken u. erinn. (1720) 3, 55; im vortrabe seiner critischen streitschrift Bodmer abh. v. d. wunderbaren (1740) 44; als überschrift einer einleitung bei Stahl d. gewehrgerechte jäger (1762) 1; nach diesem vortrabe ... folgen die erläuterungen der in diesem heft gelieferten gemählde selbst Herder 20, 315 S.;
wir aber haben drum vorab
ein eingang gmacht zu eim vortrab
Fischart 1, 286 Hauffen;
und wenn er von sich selbst den langen vortrab macht
bei Hoffmannswaldau u. and. Deutschen ged. (1697) 7, 48;
den vortrab wird er (ein Homer) nie von weit gesuchten sachen,
zur rückkunft Diomeds vom Trojerkriege machen
Gottsched versuch einer crit. dichtkunst (1751) 27.
freier, bei übersendung von schriftstücken anderer: als vortrab schicke ich hier verschiedene kleinigkeiten Göthe IV 11, 96 W.
4)
einzelnes aus älterer sprache.
a)
vortrab kann einfach das vorausreiten oder -gehen bezeichnen, ohne dasz von einer schar oder einer vorhut die rede ist:
die zwen ritten in dem vortrab (bei einer fahrt zu einer kirche),
der herr in seiner andacht nach,
bey sich selber sein gebett sprach
Fischart 1, 296 Hauffen;
das haupt spricht:
denn es wer zwar kein besonder mann,
ohn das ihm gott die ehre gan,
augen und ohren dazu gab,
das es verwaret den vortrab;
wie an allen thieren zusehen
Rollenhagen froschmeuseler (1595) z 4ᵇ.
im kampf:
Meriones ihm volget nach
und liesz ihm nemmen den vortrag
(ὃ μὲν ἦρχ', ὃ δ'ἅμ' ἕσπετο Il. 16, 632)
Spreng Ilias (1610) 231ᵇ.
b)
sehr häufig dann übertragen, wobei vortrab dann den sinn von vorrang, vorzug annimmt: antesto den vortrab oder vorgang haben, fürtreffen Calepinus dict. XI ling. (1598) 96ᵇ; solches verdrosz die Augustiner, das die prediger solten den vortrab haben Nas d. antipap. eins u. hundert (1567) 2, 183ᵃ; (zwei parteien,) deren jede die ander mit gewalt und ansehen zu überträffen und also den vortrab zuhaben begert Stumpf Schweizerchron. (1606) 168ᵇ;
ey, ich weisz, dasz keiner mir
diesen vortrab ab soll lauffen,
dasz durch lieb und andachtschein
ich nicht hie solt erster seyn
S. Dach 609 Ö.;
wie reich er sonsten ist von gaben, ...
noch dennoch musz den vortrab haben
bey ihm der demuht schöner schein
Neumark fortgepfl. musik.-poet. lustw. (1657) 1, 447.
c)
beginn des kampfes, der erste angriff, auch als vorrecht: vortrab machen, proludere ad pugnam, exordium legitimi certaminis dare Aler dict. (1727) 2, 2129ᵇ; (den ersten angriff) begerten auch die Teutschen, von altem rechten des vortrabs Stumpf Schweizerchron. (1606) 15ᵃ;
sold dazu erst den vortrab haben
mit den mutigen Schweitzer knaben
der heuptmann über die landsknecht
Rollenhagen froschmeuseler (1595) U u 8ᵇ.
vorspiel des kampfes:
(ein stier) wirfft hinder sich den sand geschwind,
macht zu dem streit ein vortrab gut,
wie mancher kühner fechter thut
(ad pugnam proludit Äneis 12, 106)
Spreng Äneis (1610) 245ᵃ.
von hier aus übertragen, einleitung der liebeswerbung:
(der liebende) rede mit den augen,
mit seuftzen ohne ziel,
und was zum vortrab taugen
mag in dem liebesspiel
Königsb. dichterkreis 176 ndr. (S. Dach).
d)
in eigentümlicher übertragung: (der prediger) ladet die herrschafft zu einem vorturnier oder vortrab in die thumbkirchen Guarinonius grewel d. verwüstung (1610) 1229; die predigt bewirkt, dasz man die turnierschranken einreiszt und das geplante turnier aufgibt.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1939), Bd. XII,II (1951), Sp. 1748, Z. 11.

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Zitationshilfe
„fürtraben“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/f%C3%BCrtraben>.

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