Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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früh, frühe, adj.

früh, frühe, adj.,
antelucanus, matutinus, praecox, ein eigentlich hd. wort. ahd. fruoji, dann fruoi (zu lesen fruo-i), fruai, mhd. früeje, vrüeje, Tristan 30, 34 in der Heidelberger hs. mit h für j vrühe d. i. vrüehe, und mit w für j vruowe (krone 3247. vgl. sumerl. 2, 23), goth. alts. ags. fries. altn. schwed. dän. fehlend, dagegen, aus dem hochdeutschen eingedrungen, nd. froi, nnl. vroeg. es entspricht buchstäblich dem gr. adj. πρώϊος früh am tage, frühzeitig, mit dessen adv. πρωϊ͏́ sowie lat. prae, sanskr. prâ in prâtas morgens das ahd. fruo (s. das adv. früh) stimmt. vgl. gramm. 4, 786. jenes πρωϊ͏́ aber geht aus von πρό vor, welches mit dem nur in zusammensetzungen stehenden gleichbedeutenden sanskr. pra, kirchenslav. pra, pro, litt. pra eins ist. übrigens liegt diese partikel auch zu grunde bei gr. πρίν bevor, das für προ-ιν, sowie bei lat. prîmus der erste, das für proimus d. i. pro-imu-s steht und mit den gleichbedeutenden litt. pirmas, goth. fruma stimmt, aus welchem letzten unser fromm (s. d.) hervorgegangen ist, so dasz sich demnach früh und fromm in ihrem ursprunge berühren. Die bedeutungen in ihrer entwicklung sind:
1)
in oder bald nach der ersten zeit des tages daseiend oder vorkommend, ihr angehörend, matutinus. so in matutinus homo, ein früyer mensch, der morgens frü aufstadt. Frisius (1556) yy 2ᵃ und darnach Maaler 145ᵃ und Henisch 1263, der früer und früe aufstaht schreibt; das frühe aufstehen ist besser als das späte schlafengehen. Campe. bei frühem morgen kam der arme Amyntas aus dem dichten hain, das beil in seiner rechten. Geszner (1789) 3, 39; die frühe morgensonne flimmerte schon hinter dem berg herauf und verkündigte den schönsten herbsttag. 124;
willkommen, früher morgenglanz,
willkommen junger tag!
237;
des meeres bewohner
recken ihr haupt aus den fluten, die frühe sonne zu grüszen.
Zachariä die tageszeiten 8;
nicht ganz unbemerkt glühn ihre (der bäurin) feurigen wangen,
welche dem kriegsmanne schön sind, der mit gepuderten haaren,
ehmals ein schlechter bauer, im glanze der waffen itzt da steht,
und von seinem frühen posten (auf dem er nach anbruch des tages steht) plumpartig sie anredt.
aber rasch wandert sie fort, in ihrem lebendigen korbe
pipen die jungen kinder der henne, der mutter beraubet,
eines reichen tafel mit früher wollust (als wolschmeckendes frühstück)
zu schmücken.
s. 23;
und das muntere lied des frühen hirten vernehmen.
poet. schr. 2, 28;
muszt du (schwalbe), zu frühe schwätzerin,
muszt du von meiner schäferin
mir meinen schönen traum verscheuchen?
Lessing 1, 70;
der morgenröthe, des fleiszes freundin,
erweckst du (lerche) felder, belebst du hirten,
sie treiben munter den schlaf vom auge:
denn ihnen singet die frühe lerche.
Herder zerstr. bl. 3, 12;
endlich ist es sommer worden
und beim ersten morgenschimmer
reizt mich aus dem holden schlummer
die geschäftig frühe fliege.
Göthe 2, 101;
der volle morgen hatte den hochgebornen gerichtsherrn erweckt. itzt überdenkt er noch im bette den zustand seines magens und fordert mit schwelgerischer neugier den frühen küchenzettel. Thümmel Wilhelmine (1764) 60 = (1769) 86; am frühsten morgen fand sich unser freund allein in der galerie. Göthe 21, 116. mit dem frühen steht adverbialisch in der bedeutung gleich morgens früh:
sie wandern rüstig mit dem frühen,
bald steigt die sonne drückend heisz.
Uhland ged. (1852) 366.
häufiger aber findet sich, das adj. im superl., mit dem frühesten (frühsten) = mit anfang oder anbruch des tages. am dritten feiertage, mit dem frühsten, standen alle munter und bereit, der wagen fuhr zur bestimmten stunde vor u. s. w. Göthe 22, 192; mit dem frühesten begaben wir uns an ort und stelle. 24, 315;
denn hier ist meines bleibens nicht; nur briefe
erwart ich, mit dem frühesten die festung
sammt allen regimentern zu verlassen.
Schiller 389ᵇ.
von dem oder vom frühen = von tagesanbruch an:
doch braucht er (der dichter) nicht vom frühen bis zum späten
im quell zu plätschern, der vom huf entstand.
Gries Fortiguerras Richardett 9, 11.
am frühesten (frühsten) = des morgens zuerst. er war am frühsten aus dem bette aufgestanden. Man sagt auch in beziehung auf die ganze zeit vormittags früh. so z. b. in der gerichtsformel bei früher tageszeit, womit zunächst die zeit von 9 oder 10 uhr vormittags an gemeint ist, die man die frühe gerichtszeit nennt, d. i. die zeit, an der sich morgens das gericht zu versammeln pflegte.
2)
in oder bald nach der ersten zeit des jahres, der jahrszeit daseiend oder vorkommend. eine frühe blume im jahr ist das veilchen, die frühste aber das schneeglöckchen.
ihm (dem frühlinge) düften frühe violen,
ihm grünt der erde beschatteter schosz.
Uz (1768) 1, 9;
erlaubte sie mir jemals ein geschenk
von höherm werth, als eine frühe blume
im winter oder seltne frucht!
Schiller 454ᵃ.
frühes getreide nennt man, nach Adelung, solches, das bald nach dem anfange des frühlings gesät wird, und frühes obst das, welches am ersten im jahre, etwa kurz vor oder mit oder bald nach dem anfange des sommers zur reife kommt, wie z. b. die kirschen. so zeigt früh auch mit dem namen einer frucht oder eines gewächses zusammengesetzt eine art derselben an, die bald im jahre oder doch vor den andern arten gesät wird, blüht oder reift. vgl. z. b. frühapfel, frühapricose, frühbohne, früheiche, früherbse, frühflachs, frühgerste, frühhopfe, frühkartoffel, frühkirsche u. s. w. getrennt stehend aber sagt das wort von bestimmten baumfrüchten, dasz sie vor der zeit reif, von gewächsen, dasz sie vor der zeit genieszbar werden. das z. b. in frühe apricosen, frühe pflaumen, frühe erbsen, frühe bohnen u. s. w., und schon ahd. findet sich fruaiu wînberi, precoces uvae (gl. jun. 221).
3)
überhaupt in oder bald nach der ersten zeit seiend.
ein jüngrer und ein ältrer bube,
die der noch frühe lenz aus der betrübten stube
vom buche zu dem garten rief,
vielleicht weil gleich ihr informator schlief,
geriethen beid an eine grube,
in der der schnee noch nicht zerlief.
Gellert 1, 202.
in demselben sinne von den ersten jahren der kindheit, den ersten jahren der jugendzeit, von der kindheit, der jugendzeit selbst:
wohl hörten wir in früher kinderzeit,
dasz eine schwester uns geboren worden.
Schiller br. v. Mess. (1803) 71, in späteren ausg. falsch froher, und so auch in der ausg. v. j. 1840 s. 500ᵇ;
denn wie ein traumbild liegt es hinter mir
aus früher kindheit dämmerhellen tagen.
ausg. v. 1840 s. 495ᵇ;
G*** war in zu früher jugend und mit zu raschen schritten zu dieser grösze emporgestiegen, um ihrer mit mäszigung zu genieszen. 713ᵃ;
o, diese fürchterliche liebe
hat alle frühe blüten meines geistes
unwiederbringlich hingerafft. ich bin
für deine groszen hoffnungen gestorben.
298ᵇ;
wo seid ihr hin, ihr jungen scherze?
vermisz ich euch mit frühem schmerze,
noch ehe mich die jugend flieht.
Uz (1768) 1, 201;
und er fordert sclavendienste,
immer heitrer wird sie nur,
und des mädchens frühe künste
werden nach und nach natur.
Göthe 1, 252.
4)
bei noch nicht vorgerückter zeit, bei zeit seiend, der gewöhnlichen, der anzunehmenden, der in rede stehenden, der bestimmten, der gegenwärtigen zeit vorausgehend. mhd.
si klageten, daʒ sîn vrümekeit,
sîn schœner lîp, sîn süeʒiu jugent,
sîn wol gelobetiu hêrren tugent
sô schiere solde an im zergân
und ein sô vrüejeʒ ende hân.
Trist. 30, 34.
nhd. früyer tod, vil zeschnäll, der ee zeyt in der jugend vnd vor dem rechten alter kompt, immatura mors. Frisius (1556) 650ᵇ und darnach bei Maaler 146ᵃ und bei Henisch 1263.
nein! welten haben nicht und können nicht ersetzen,
was uns diesz frühe grab (es ist v. Cronegks grab gemeint) entwandt!
Uz (1768) 1, 248;
so hat er (der ermordete kaiser Albrecht I.) nur sein frühes grab gegraben,
der unersättlich alles wollte haben!
auf ein zeit trieb ein früer schnee die ameissen (acc. sg.) abe. Mathesius Sarepta (1562) 34ᵇ;
die vögel hemmen schnell die angefangnen lieder,
der halbverirrte wandrer bebt,
indesz mit schreckendem gefieder
die frühe nacht um erd und himmel schwebt.
Uz (1768) 1, 193;
ein früher verstand, der sich schon beim kinde stark entwickelt, vgl. frühklug; eine frühe anstellung, die sich dem lebensalter nach noch nicht erwarten liesz;
hört, was gesäet ward in frührer zeit,
und jetzt zur frohen ernte reifen soll.
Schiller 500ᵇ;
zerrissen hab ich alle frühern bande.
498ᵃ, hier nach der ausg. der br. v. Mess. 1803 s. 57;
dem kater war der zaubrer zu vergleichen
im frühern kampf, der maus die andre schar.
Gries Ar. ras. Rol. 4, 23;
mag ich doch so gern unserer frühsten verhältnisse gedenken! wir liebten einander als junge leute recht herzlich. Göthe 17, 9. Hier steht am frühsten adverbialisch, indem eine der ersten drei bedeutungen von früh durchblicken kann, in dem sinne: der zeit nach vor allem andern, der zeit nach zuerst. am frühsten von den blumen zeigen sich die schneeglöckchen; er kam von seinen geschwistern, die alle schwächlich waren, am frühsten zu kräften; von Cronegk und von Brawe starben beide früh, am frühsten dieser. aufs frühste = die frühste zeit gesetzt, den frühsten zeitpunct angenommen. er kann aufs frühste erst mittags hier ankommen. vgl. frühestens.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1866), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 281, Z. 62.

früh, frühe, adv.

früh, frühe, adv.
diluculo, mane, mature. ahd. fruo, bei Otfried frua, früher frô (Diut. 1, 198ᵃ), mit geschwundenem auslautenden i, denn die ursprüngliche form ist frôi, welches aber nur einmal, nemlich Diut. 1, 260ᵃ, begegnet. mhd. sagte man fruo, vruo und auch, da hier das adj., von welchem das wort der ohne kennzeichen d. h. ohne biegungsendung stehende acc. sg. des neutrums ist, früeje, vrüeje lautet (s. das adj. früh), früeje, vrüeje. nhd. erscheint fruo noch im voc. gemma gemmarum 1505 piᵈ, geläufiger aber ist die abschwächung frue (voc. 1482 i 5ᵃ. voc. incip. teuton. f 2ᵃ), welche z. b. die bairische mundart bis heute festhält, wie zum theil die des Vogelsberges fru. aber bald drang jene umgelautete mhd. form früeje entschieden durch und so findet sich bei Luther, Serranus diction. o 1ᵃ, Helber 47 und Henisch 1263 früe, bei Alberus diction. d 4ᵇ, Dasypodius 332ᵇ, Serranus syn. 74ᵇ und Maaler frü, bei Hulsius, Schottelius, Steinbach und Frisch früh, bei Stieler 571 f. frü und früh. das h ist für j eingetreten, läszt sich aber nicht schon, wie bei dem adj., mhd. nachweisen, noch weniger ahd., und wenn Graff 3, 656 aus Schilters thesaurus 1, 2, 76 (nicht 75, wie dort angegeben wird) ein ahd. adv. fruoh beibringt, so ist dieses unrichtig, indem an der angeführten stelle, wie auch Diut. 3, 121 sich zeigt, fruo steht. aus dem hd. entlehnt wurden nd. froi, frö, fru, = mane, mnl. vrûch (Diut. 2, 222ᵇ) mit û und mit ch für gh nach einer frühern mhd. form frûge (fundgr. 2, 24, 29), nnl. vroeg. vergleichung mit wortformen der urverwandten sprachen s. bei dem adj. früh. die bedeutungen sind denen eben dieses adjectivs gemäsz:
1)
zu anfang des tages, in der ersten zeit des tages, in der zeit von anfang des tages bis gegen oder zum mittag. die selbigen werden haben die morgenwolken und den thaw, der früe fellet. Hos. 13, 3; und sie kamen zum grabe an einem sabbather seer früe, da die sonne aufgieng. Marc. 16, 2; früe vor tag. Henisch 1263, 4; früe am tag. ebenda 44;
(bald must ich) früh am tage schon am waschtrog stehn,
dann auf dem markt und an dem herde sorgen.
Göthe 12, 163;
er trug mir auf, ihn früh zu wecken,
ich habe die bestimmte stunde bald
verfehlt.
Schiller 564ᵇ;
frühe geht die schäferin,
führt die lämmchen auf die weide.
Gries ged. 2, 135;
und früh, sagen die deutschen, erferet man neue zeitung. Mathesius Syrach 2, 53ᵃ; morgen, wenn es früh zehne geschlagen, so rüsten sie sich, mein geliebter, und machen sie ihre schuldige aufwartung bei unserm hofmarschall. Thümmel Wilhelmine (1764) 34 = (1769) 51. das wort kommt in dieser bedeutung in verschiedenen verbindungen vor:
a)
früh am morgen = zur ersten morgenzeit. ahd. sagte man, mit in vor fruo, in morgan, primo diluculo, primo mane, aber schon mhd. findet sich mit dem heutigen früh am morgen einstimmend:
in einem meien an dëm morgen fruo.
Walther 46, 1.
nhd. wie der schatte früh am morgen
ist die freundschaft mit den bösen,
stund auf stunde nimmt sie ab.
Herder zerstr. bl. 4, 317.
derselben bedeutung ist des morgens früh, ahd. dës morgenis fruo (Diut. 3, 121. Schilters thesaurus 1, 2, 76ᵇ), mhd. dës morgens fruo (Parz. 667, 4. Bon. 4, 135). nhd. Abraham aber macht sich des morgens früe auf. 1 Mos. 19, 27; da stund Abimelech des morgens früe auf. 20, 8, und so oft bei Luther. weit häufiger aber sagt man ohne artikel morgens früh oder früh morgens: da war der könig morgens früe auf, vor tag, und füret das heer an die strasse fur Bethzachara. 1 Macc. 6, 33; bleibet uber nacht, lasset ewr füsse waschen, so stehet ihr morgens früe auf und ziehet ewr strasse. 1 Mos. 19, 2; eben so sols euch zu Bethel auch gehen umb ewr grossen bosheit willen, das der könig Israel früe morgens untergehe. Hos. 10, 15; darumb dachte Jonathas nicht das sie wegzögen, bis morgens früe, denn er sahe die fewr hin und her im lager. 1 Macc. 12, 29;
meine schäfchen, morgens früh,
früh bis an den abend,
unter blumen weid ich sie,
sorg und leid begrabend.
Herder stimmen der völker (1807) s. 291.
bei Luther auch früe morgen: da sie früe morgen den berg hinab gieng. Judith 10, 12; und (Paulus) predigt inen von Jhesu, aus dem gesetze Mosi und aus den propheten von früe morgen an bis an den abend. apostelg. 28, 23. verschieden dagegen ist
b)
morgen früh = in der ersten zeit oder am morgen des nächsten tages von heute an, mhd. morgen vrüeje (Nib. 1181, 2), morgen vruo. bei Alberus dictionar. d iiijᵇ prima luce morgen frü. ich werde morgen früh abreisen.
doch wenigstens entschuldigst du gewisz,
im augenblick wo ein geschäft mich ruft,
wenn ich, auf morgen frühe, dich hinein
in meine wohnung lade.
Göthe 9, 394.
übermorgen früh = in der ersten zeit oder am morgen des zweiten tages von heute an. heute früh = in der ersten zeit des gegenwärtigen tages, am morgen desselben. heut früe, hodie mane. Henisch 1263; sie waren dir heut früh zusammen in ein kämmerchen gesperrt. L. Ph. Hahn aufr. zu Pisa 130;
heut früh bestatteten wir ihn.
Schiller 394ᵃ.
gestern früh, in der ersten zeit oder am morgen des dem heutigen tage zunächst vorhergehenden, ehegestern früh, vorgestern früh, des diesem zunächst vorhergehenden tage vorausgehenden tages.
c)
früh aufstehn = im anfang oder in der ersten zeit des tages, bald am morgen vom lager sich erheben und es verlassen. ahd. dër daʒ diccho tuot, daʒ ër ûf stât sô fruo. Notker ps. 118, 147. ein nhd. sprichwort lautet: wer früh aufsteht, den gott ernährt, aber es heiszt auch, wer früh aufsteht, sein gut verzehrt. andere sind:
früh aufstehn und früh freien
thät niemand gereuen.
Simrock sprichw. no 2853;
wer im ruf ist, früh aufzustehn, mag lange schlafen. no. 2857. früh aufstehn müssen hat, da für den, der musz, das aufstehn nur zu oft etwas schweres ist, die bedeutung angenommen: etwas nicht leicht ausführbares zu thun haben. so schon mhd.
dër zwein hêrren dienet wol,
daʒ siʒ beide müeʒen hân
verguot (= dasz sie beide damit zufrieden sein können), dër moʒ vil vrüe ûf stân.
Bon. 44, 42.
nhd. der musz früh aufstehn, wer eine bäurin betriegen will. bauernstands lasterprobe 194; ich habe eine feine nase — ich merk alles — wer mich hintergehen will, musz früh aufstehen. Gotter Jeannette, aufz. 1 auftr. 1. in gleicher weise findet sich auch mhd. fruo erwachen verwendet, vgl. 1, 1036 die stelle aus dem LS. und dazu:
hërr Cristân in dër obern pfarr
zwâr dër ist sicher nit ein narr:
wër in wil teuschen auf dem stück,
dër muoʒ gar fruo erwachen.
Wolkenstein s. 215.
zu früh aufstehn kommt auch in dem sinne von verkehrt handeln, gleichsam wie noch schlaftrunken thätig sein vor: da er in der teutschen blut bisz an die sättel gedacht zureuten. aber die kunst fehlt ihm, dann er war zu fruͦ aufgestanden, er buckt sich nach eim strohalm, vermeinend es wer gold. Fischart Garg. 235ᵃ.
d)
früh auf sein = in der ersten tageszeit erwacht und aus dem bette aufgestanden sein: weh denen die des morgens früe auf sind, des saufens sich zu vleissigen. Jes. 5, 11; wol auf psalter und harfen, ich wil früe auf sein. ps. 108, 3; nach einer meist durchwachten und unruhig durchträumten nacht war ich früh auf. Göthe 23, 73. vgl. aufsein 3) und s. frühaufsein. ahd. kommt fast in gleichem sinne êrachar wësan vor, wie denn O. I, 19, 16 von dem mit Maria und dem kinde Jesu heimlich fliehenden Joseph singt
bi thiû was ër sô êrachar ioh harto filu wachar,
= deshalb war er so früh auf und überaus munter. dieses êrachar, auch êrachari, êracchiri, ist, wie das altn. aus âr früh (s. eher) und vakr wach (s. wacker) zusammengesetzte adj. ârvakr frühwach deutlich zeigt, aus einem älteren êrwachar durch schwinden des w hervorgegangen und hatte also ursprünglich mit dem altn. adj. gleiche bedeutung, die freilich dann in die von früh übergieng, denn das ahd. adj. erachari, von dem thau ausgesagt, bezeichnet diesen als vor tagesanbruch erscheinend und hat so den sinn von antelucanus (s. Graff 1, 437). es wird auch als personenname verwandt und ahd. Êrachar, Êracar (Förstemann 1, 474) bedeutet den frühwachen, der früh auf ist, ebendasselbe altn. Ârvakr (Sœmundar-Edda Rask 45ᵃ, 37. 195ᵇ, 16) als name eines der am sonnenwagen ziehenden rosse. Henisch 1265 führt an wer zu schicken hat, soll früe auf sein. weil aber wer früh auf ist, alsbald bei der hand und thätig sein kann, so geht früh auf sein auch in die bedeutung über: alsbald bei der hand sein, sogleich zum schaffen da sein. und wann sie nit schnell genug postiren (mit der post fahren) können, so sein der heiligen verdienst darbei auch frü auf, darmit sie bald die schlösser der rechnung und abzalung öffnen. Fischart bienenkorb 106ᵇ.
e)
früh und spät (spat), auch spät (spat) und früh = zu jeder tageszeit, den ganzen tag hindurch. so schon mhd. fruo und spâte und spâte und fruo. s. Ben. 3, 433ᵇ. nhd.
(die) willig wer, wes ich sie pet (bäte),
der wolt ich dienen frue und spet.
fastnachtsp. 266, 10;
also auch die tischer und zimmerleute, die tag und nacht erbeiten und schnitzen bildwerk, und vleis haben, mancherlei erbeit zu machen, die müssen denken, das es recht werde, und früe und spat dran sein, das sie es volenden. Sir. 38, 28 (vgl. auch v. 31); er mus denken, wie er ackern sol, und mus spat und früe den küen futter geben. 27;
frü und auch spat dich wol besinn,
das dich der feind nit müssig finn (finde).
von peüten (beuten) schreit man frü und spat,
wer sünd und unrecht kauft, der hat.
153ᵇ;
müste früh und spät auf sein. polit. stockf. 22;
wir haben keine magd; musz kochen, fegen, stricken
und nähn und laufen früh und spat,
und meine mutter ist in allen stücken
so accurat!
Göthe 12, 162.
Eine sehr übliche redensart, in welcher früh und sein gegensatz spät hervortreten, lautet: früh gesattelt und spät geritten, bei Henisch früe gesattelt, spat geritten, und wird zunächst von der bereitung zur abreise in der ersten tageszeit und der ausführung in zu sehr vorgerückter gesagt, dann aber überhaupt von früher anstalt zu etwas und lange darnach folgender ausführung. sprichwörtlich hört man: vögel, die früh singen, kriegt der habicht als warnung, dasz dem, der früh morgens lustig singt, im laufe des tages leicht ein unglück begegnen und so seine freude in trauer verwandelt werden könne.
2)
in oder bald nach der ersten zeit des jahres oder der jahrszeit: die kartoffeln, die in diesem jahre früh gesteckt worden sind, geben vortrefflich aus; in manchen jahren kann das feld früh gepflügt werden; aus den winterquartieren ist der feind früh ins feld gerückt. gegensatz ist auch hier spät (spat).
3)
überhaupt in oder bald nach der ersten zeit: er erhielt von dem ereignisse früh kunde. es kompt der eine frühe, der ander spat an den tanz. Henisch 1264;
läszt sichs verbergen? früher, später musz
sies doch vernehmen lernen und ertragen.
Schiller 380ᵃ.
in der kindheit, der jugendzeit: ahd.
thër fon gote ist, wiʒit thaʒ, thër hôrit wort sînaʒ,
ioh rihtit io filu frua sîn sëlbes hërzâ thârzua.
O. III, 18, 8.
nhd. so ist es wacker! früh geht der jäger aus,
die junge lerche prüfet schon früh ihr lied,
der kriegsmann übe früh den bogen,
zeitig die harfe der bardenschüler!
Kretschmann im Götting. musenalm. 1773 s. 44;
früh lernte,
vom eiteln weltgeräusche nicht zerstreut,
dein geist sich sammeln, denkend in sich gehn
und dieses lebens wahre güter schätzen.
Schiller 418ᵃ;
Hedwig. die knaben fangen zeitig an zu schieszen.
Tell. früh übt sich, was ein meister werden will.
532.
auch hier früh und spät (spat):
wohl euch, mein könig. früh hat euch das herz,
was mich ein wildes leben spät, gelehrt!
468ᵃ.
Hierher gehört auch, wie schon mhd. im sprichwort gesagt wird.
swaʒ zeime haggen wërden sol,
daʒ krümbet sich vil vrüeje.
troj. kr. 6400 f.
und so nhd. was ein haken werden will, das krümmt sich früh, um darauf im bilde hinzuweisen, dasz die anlagen, die neigungen eines menschen bereits in der kindheit, der jugend stark und entschieden hervortreten.
4)
bei noch nicht vorgerückter zeit, bei zeit, vor der gewöhnlichen, der anzunehmenden, der in rede stehnden, bestimmten, der gegenwärtigen zeit. so heiszen schon ahd. trauben, welche bei noch nicht vorgerückter zeit oder vielmehr vor der zeit reif sind, fruo rîfiu früh reife (Graff 3, 655). nhd. es musz früe alt werden, der lang alt wil sein. Henisch 1264; unnütze sorg thut früe alten. 1265; früe gnug erfehrt man böse zeitung. ebenda. frü gebären, partum ejicere. Stieler 572;
die edle lindenstadt (Leipzig) zieht viel berühmte töchter,
doch keine lebet mehr, die ihr (Margaris) das wasser reicht.
ich zog sie prächtig auf, mein auge war ihr wächter,
nun krieg ich meinen lohn, da sie so früh erbleicht.
Günther (1742) s. 621;
was aber, theurer geist! entreiszt dich uns so früh?
der eifer vor dein amt.
800 (beim grabe hrn. F. L. v. Breszler);
vor kummer altert ich zu frühe,
macht mich auf ewig wieder jung!
Göthe 20, 159;
ich sprang ins leben froh hinein,
früh aber fand ich mich allein.
Schmidt von Lübeck 157 = (1847) 153;
väterchen kommt ja so frühe vom schlaf (vom mittagsschlaf).
Voss Luise 1, 288;
fangt (ihr spielleute) nur früh an, euch zu üben:
jeden abend von glock sieben,
bis die frau zu bette keift.
id. 6, 111.
wir giengen früh von dem gastmahle weg; die nachricht von dem unglücke traf früh ein; er hatte bei seinem fleisze die sprache, welche ihm doch ganz fremd war, früh erlernt, viel früher, als wir dachten. der comp. früher hat aber häufig die bedeutung: vor dieser zeit, in voriger zeit. früher lebte man hier einfacher, als jetzt. die bedeutungvor der zeithebt zu früh hervor:
ich komme meinen glückwunsch abzulegen.
— komm ich zu früh etwa? ich will nicht hoffen.
Schiller 365ᵃ.
weder zu früh noch zu spät = weder vor noch nach der zeit d. h. gerade zur rechten zeit, wie mhd.
ze vruo noch ze spâte.
Iwein 7076
= gerade im rechten augenblicke. hierher gehört auch der bergmannsausdruck wir sind zu früh kommen, welcher in folgender stelle seine erklärung findet: hieher gehört nun das gemeine zeugnusz unser bergkleut, wenn sie in (ihnen) einen schönen wiszmat erschlagen, pflegen sie zu reden: wir sind zu frü kommen, damit sie bekennen, wenn dise bergart lenger im bergfewer gestanden, es were gut silber drausz worden. Mathesius Sarepta 33ᵃ = ausg. v. 1562 s. 50ᵃ; die andern fragen, ob ausz einem metall ein anders oder bessers werde, haben wir nicht alleine der alchimisten stimmen, sondern auch der bergkleut gemeine reden für uns. denn da sie einen schönen glanz oder wiszmut erschlagen, sprechen sie: wir sind zu früe kommen. 57 = ausg. v. 1562 s. 87ᵇ. früh und spät (spat) hier bedarf keines besonderen beleges. früh oder spät, bei Göthe 20, 274: es hiesz: der see müsse alle jahre ein unschuldiges kind haben, er leide keinen todten körper und werfe ihn früh oder spät ans ufer. Alle angeführten belege hatten die umgelautete form frühe und früh, aber neben ihr findet sich in der schriftsprache auch noch bisweilen, aus der mundart aufgenommen, die aus mhd. fruo hervorgegangene umlautlose form fruh:
ich steh wohl auf gar morgensfruh,
wenn ihr noch liegt in guter ruh.
Göthe 11, 337;
und auszer dem reim:
nun ruht er dort, so fruh als spat,
schad um den mann, ja ewig schad.
338.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1866), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 284, Z. 4.

frühe

frühe,
s. das adj. und das adv. früh.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1866), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 289, Z. 40.

frühe, f.

frühe, f.,
von dem adj. früh. ahd. fruoî, aber sehr selten; bei Rosenblüt frue und zwar in schwache biegung übergetreten:
eins tags spacirt ich in einer fruen,
ee das (dasz) die sunne wurde furher gluen.
fastnachtsp. 1332.
die bedeutungen sind:
1)
der anfang, die erste zeit des tages, die erste morgenzeit, tempus antelucanum, tempus matutinum.
gleichend den farben des regenbogens oder der frühe.
Klopstock Mess. 1, 207;
ihm werden nun, gleich dem thaue der frühe,
seine kinder geboren! -
13, 242;
und sie eilten dahin, leicht, wie der kühlenden frühe
athem.
15, 1474;
des lenztags frühe.
an den erlöser 4;
sie (Thetis) enttauchte der woge des meers und erhub sich
schon in dämmernder frühe zum himmel empor und Olympos.
Voss Il. 1, 496;
den rosengesträuchen des gartens entwallt
im glanze der frühe die holde gestalt.
Matthisson (1802) 211;
bei des goldnen maitags leiser frühe.
215.
in der frühe = in der ersten zeit des tages, in der ersten morgenzeit: und machten sich in der früe auf, das sie zum heer der Syrer kemen. 2 kön. 7, 5 (vgl. v. 7); der voll hoffnung erwachte pfarrherr gieng in der frühe zu Niclas, dem verwalter, wünschte ihm ein fröhliches neues jahr und liesz sich wieder eins wünschen. Thümmel Wilhelmine (1769) 42;
es ist als ob du lebtest in der frühe,
wo uns der thau auf éinem feld erquickt,
und nach des tages unwillkommner mühe
der scheidesonne letzter strahl entzückt.
Göthe 3, 21.
verstärkt in aller frühe = in frühester morgenzeit: in aller früe, so bald es taget, cum prima luce, primo diluculo. Henisch 1263, 59. dieser (schneider) kam einsmals in aller frühe daher geloffen, zitternd und fieberend wie ein esperlaub für den beichtstuhl. Fuchsmundi 376; und dén morgen? „dacht ich, sie (Evchen) schlief noch, wie sonst. — da ist sie in aller früh, wie ich von der magd höre, ganz kunsterniert zum haus hinaus gegangen. wann sie sich nur nicht ins wasser gestürzt hat!“ H. L. Wagner die kindermörderin 85. Evchen Humbrecht 104. den dritten (tag) liesz mir Emilie durch einen knaben ... in aller frühe sagen, ich möchte heute ja nicht fehlen. Göthe 25, 281; trat man am morgen in aller frühe aus dem hause, so fand man sich in der freiesten luft. 48, 45. s. auch Schiller 593ᵇ. Man sagt die heilige frühe, die purpurne, die rothe, die goldne frühe in beziehung auf die göttin der morgenröthe bei den alten:
(wir) schlummerten dort ein wenig und harrten der heiligen frühe.
als die dämmernde frühe mit rosenfingern erwachte,
wanderten wir umher und besahen wundernd das eiland.
Voss Odyssee 9, 151;
blickte freundlich Eos sie an, aus der heiligen frühe
fernem nebelgewölk und jedem erquickte das herz sie.
Göthe 40, 343;
umschimmert
von der purpurnen früh.
in rother frühe,
da hüpf ich barfusz oft hinaus u. s. w.
ged. 5, 138;
da die goldene früh aufdämmerte.
Luise 2, 246;
wann die goldne frühe, neu geboren,
am Olymp mein matter blick erschaut.
Bürger 76ᵇ.
hierher gehört auch, wenn frühe gesetzt wird, wo die Griechen die tage nach morgenröthen zählen:
allein sobald die zwölfte frühe (ἠώς) ward,
begaben insgesammt die ewigen
sich zum Olymp zurück. Zeus schritt voran.
148ᵃ.
endlich wird die frühe dichterisch noch in dem gedanken an die aufgehende sonne gesetzt:
vom strahl der sonntagsfrühe war
des hohen domes kuppel blank.
69ᵇ.
2)
die kindheit, die jugendzeit, auf welche letztere oben die verse Göthe 3, 21 anspielen. bereits ahd., aber auf die tagesfrühe hinweisend, sagt N. ps. 129, 6 fone dëro fruoî unz an mîn ende gedingo ih an in, von der ersten lebenszeit bis an mein ende hoffe ich auf ihn, nemlich Christus, und jene hinweisung verbindet sich auch in den nhd. stellen: bist du nicht die erste liebe dieses feuerherzens, der morgenstern in der dämmernden frühe seines lebens. Jean Paul Titan 2, 71. Albano (auf dem morgengange durch den garten, den er als kind so oft durchwandert hatte) war in dieser tag-, gleichsam kindheitfrühe und in diesem paradiesgärtlein seiner kinderjahre heimlich froh. 3, 19;
deines lebens süsze frühe.
Kosegarten poes. 2, 265.
In Tirol früe für uhr, zeit nach der uhr. Frommann 5, 335.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1866), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 289, Z. 41.

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Zitationshilfe
„fruhe“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/fr%C3%BChe>.

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