Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

furie, f.

furie, f.,
entlehnt aus lat. furia, wut, raserei, dann plagende rächerin von übelthaten, wütendes weib. von furere, wüten, rasen, toben.
1)
die wut, raserei. die frau Küttlitzen ... feiert mit anhetzen nicht: i. f. g. sollten die herzogin zwingen, dasz sie gehorsamen sollte. mit solchem erzürnet sie den herzog, dasz i. f. g. in der furie nach der herzogin ihrem zimmer zu laufen, uberrascht die herzogin im zimmer unversehens u. s. w. Schweinichen 1, 123; sein (des luchses) fang geschieht ... mit beschleichen und weiten sprüngen. ist er ihnen (den herankommenden thieren) nun nahe genung, so springen sie in der furie drauf zu. Döbel 1, 33ᵃ (34ᵃ); in der furi. pol. stockf. 287. er hat es in der furie gethan, im zorn. Frisch 308ᶜ. in der ersten furie, primo impetu. Nieremberger Ddd 2ᶜ. etliche wolten sie gleich in der ersten furi todt schieszen. Simpliciss. (Keller) s. 95, 26 (b. 1 cap. 14);
die kriegsfuri ist an der Donau los.
Schiller Wall. lag. 8 (erster druck s. 38).
tirol. es haben die henkersknecht dem herrn Jesu seine kleider mit grosser furi abgerissen. aus einer hs. des 17. jahrhunderts bei Schöpf 163; einen in die furi bringen. Schöpf ebenda; eine wilde furi. ebenda. schaum auf dem munde renn ich nach hause, wähle mir einen dreispitzigen degen und damit in aller furie in des ministers haus. Schillers räuber, 2. aufl., s. Hoffmeisters nachlese 1, 50. tirol. in aller furi, in rasender hast. Schöpf a. a. o. sind in voller furie fort nach Friedberg aufs pfleggericht ...; er, der hauptmann, zieht das schnupftuch heraus — heult — so recht massive tropfen, und rennt in einer furie ihr nach. Iffland 5, 3, 124 (hausfr. 4, 7). noch bair. in aene (einer) furi is s deher (daher) grennt. Schmeller 1, 553. sie fochten mit grosser furie. Ludwig (1745) 677; eine poetische furie, wenns einen ankömmt verse zu machen. ebenda. verstärkt im pl. gesetzt:
mit allen furien der hungersnoth begleitet,
hatt ein verheerend mangeljahr
sich über Danien verbreitet
und stellt ein bild des höchsten jammers dar.
Tiedge markt des lebens 1, 27.
2)
eine der als rachegöttinnen von den Römern und Griechen gefürchteten strafenden plagegeister für unthaten.
umsonst! noch lebt der wurm, der meine seele
durchnagt! noch brennt die glut, die sie verzehrt! ...
die furie schwärmt wütend über mir.
C. F. Weisze trauersp. 3, 133;
sie ist die furie meines lebens, mir
ein plagegeist, vom schicksal angeheftet.
Schiller 438ᵃ (M. St. 4, 10);
der mutter lasterthaten führten
die furien herein in dieses haus.
456ᵃ (j. v. Orl. 1, 5);
kerl! da ist er dir in seinem element und haust teufelmäszig, als wenn jede faser an ihm eine furie wäre. 119ᵃ (räub. 2, 3); süsze furie meines herzens. räuber, 2. aufl., 4, 12; meine furien erdrosseln hier ihre schlangen — die hölle ist zernichtet. 5, 7; Sibylle! furie! rief Wilhelm aus, ... welch ein böser geist besitzt und treibt dich? ... dasz du noch solche höllische kunstgriffe brauchst, um meine marter zu schärfen? Göthe 20, 93;
verwegner, du, aus eines gottes kusz,
auf einer furie mund gedrückt, entsprungen.
H. v. Kleist Käthchen v. Heilbr. 172.
in verstärkendem ausdrucke höllische furie, höllenfurie: und du, reue, höllische furie, grabende schlange, die ihren frasz wiederkäut. Schiller räub., 2. aufl., 2, 1 (113ᵃ); undankbare viper Mathilde! o dasz ich dich bald in eigner schlinge fange, dirs bald mit den nämlichen waffen lohne, mit denen du mir wunden geschlagen, verfluchte, höllische furie! Fr. Müller 3, 108; die fromme Rebekka ... erhob grosz geschrey und rief dem gesinde, als sey ihrer keuschheit gewalt geschehen, schalt und schmähete und gebehrdete ihrer als eine höllenfurie. Musäus volksm. (1787) 5, 155. in dem sinne einer strafenden rachegöttin und dem daraus hervorgehenden einer wütenden weiblichen person neben einander steht das wort in folgender stelle:
Archias. qual und tod
und alle furien — auf dich! auf mich!
auf diese furie (die mordende Aspasia). —
C. F. Weisze trauersp. 3, 109.
in dem sinne wütende, rasende, weibliche person, höchst aufgeregte grausame weibliche person: sie ist eine furie. Frisch 308ᶜ. Nieremberger Ddd 2ᶜ; eben wollte sie (Kordelia) mich aufheben, als diese alte furie (die wächterin ist gemeint) hereinsprang. K. G. Lessing schausp. (Berlin 1778) 1, 76; Laura, meine tochter! — sonst ein so sanftes lämmchen — und auf einmal so eine furie! Gotter das öffentliche geheimnis (Leipzig 1781) 106; als die frau wie eine furie in die stube brach, roth um den kamm und blind vor eifersucht. J. G. Müller Siegfr. v. Lind. (1790) 1, 164;
hört was die furie (Turandot) verlangte!
Schiller 584ᵃ;
er geht, er ist verloren,
der theure fremdling geht, er will es wagen,
die räthsel dieser furie zu lösen.
586ᵃ.
3)
ein kleiner haarförmiger, angeblich aus den lappländischen und bothnischen sümpfen kommender, aber auch im nördlichsten Livlande sich findender wurm, der sich, wenn er auf die haut der menschen oder des viehes, hier besonders der pferde fällt, in dieselbe schnell einbohren und jucken mit den heftigsten schmerzen so wie von entzündungsfieber begleitete brandflecken verursachen soll, zuweilen mit raschem tödtlichen ausgange, furia infernalis, die höllische furie, der höllendrache, der tollwurm, der mordwurm. Nemnich 2, 1683 f.
4)
ein früher aus Ostindien, besonders aber aus China kommender, dann in Frankreich, Flandern und Holland nachgemachter zeug mit atlas- oder tafftgrund und abenteuerlichen, selbst ungestalten figuren. Schedel waarenlex. (1797) 1, 447ᵇ. Haas deutschfranz. wb. 1, 1152. von diesen figuren rührt auch der name her.
5)
ehedem ein feierlicher, aber dabei sehr feuriger tanz, in dem der tänzer gleichsam fliegt. Jacobsson 1, 808ᵇ. überhaupt ein tonstück im 4⁄4 oder 3⁄4 tacte, das sehr geschwind gespielt und dabei feurig und scharf accentuiert vorgetragen wird. Häuser music. lex. 1, 95.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1871), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 749, Z. 70.

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Zitationshilfe
„furie“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/furie>.

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