Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)
güst, adj.
güst, adj.,
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güstfalge · güstgut · güsthaufen · güsthanf · güstherder · güsthirt · güstkindelbeer · güstknecht · güstkohl · güstkuh · güstland · güstpflügen · güstpflaster · güstvieh · güstware · güstweide
nicht milchgebend, unfruchtbar. mnd. guste, mnl. nl. gust. ob aofr. geste ˂ gustja- oder gēst(e) ˂ gaista-, bzw. gaistja- anzusetzen ist, läszt sich nicht entscheiden (vgl. idg. forsch. 19, 197 und z. lexicol. d. aofr. 154). möglicherweise zur wurzel ghēu- 'gähnen, klaffen', wie geest zur gleichbedeutenden variante ghēi-, vgl. nisl. gisinn, dän. gissen 'vor trockenheit geborsten, rissig', ags. gǣsne 'unfruchtbar', ahd. keisini 'sterilitas' und 1, 551. es wäre dann von einer grundbedeutung 'dürr, unfruchtbar (vom lande)' auszugehen, was sich freilich durch die chronologie der belege nicht stützen läszt (s. u. 3). — neben den formen gust, güst begegnet auch guste und gütes. mundartliche sonderformen: goest in Schleswig-Holstein 2, 457; brem.-niedersächs. wb. 2, 558 und am Niederrhein 2, 1507; rhingscher klaaf 169. gist in Nord- u. Mitteldeutschland elbing. ma. 13; 234; Nordharzer wb. 61; 88; rheinisch 2, 1506; 165 und bei (1745) 385ᵃ. weitere formen s. 2, 458. — auf nd. gebiete herrscht güst. nur im preuszischen hat es gelt neben sich, s. 1, 225, auszerdem begegnet im niedersächsischen gelljehemp, s. brem.-niedersächs. wb. 2, 497; gelt, im nordischen (geldr), ags. (gelde) und nl. (gelde) bezeugt, herrscht bereits im schlesischen, obersächsischen und thüringischen. im hessischen und rheinischen stehen beide synonyme nebeneinander, in beiden landschaften jedoch ist gelt in den südlicheren bezirken lebendiger, vgl. Kurhessen 123; 141; oberhess. 445; rheinisch. 2, 994 u. 1506. das bayrisch-österreichische hat ausschlieszlich galt — ein vereinzeltes güste aus dem jahre 1733 bei 315 — im schwäbisch-alemannischen stehen güst und gelt nebeneinander, jedoch hat gelt die vorhand, auszer im elsässischen, das mit seinem vorherrschenden güst dem nd. näher steht, s. 1, 241.
1)
güst in der bedeutung nicht milchgebend, unfruchtbar, von tieren gebraucht; guste sterilis 551ᶜ (1425 nd.); nov. gloss. 348 (nd. 15. jh.). vorwiegend und primär in anwendung auf rindvieh, vgl. die gleiche anwendung bei gelt (teil 4, 1, 2, 3059): 22 hovede gustes quekes (rindvieh) urkundenb. der stadt Lübeck 6, 624 (a. d. j. 1425); eyn güste kue 141 (a. d. j. 1436); hirvor sal her Johan jarlikes geven ... ene guste ko erbebücher d. stadt Riga (1455) 100; in einer rechnung von Borken vom jahre 1489 wird die melke kuwe der geste kuwe entgegengestellt, s. 141; man nennet gühste oder gelde vieh, das nicht kälber und milch bringet viehbüchl. (1667) 31; damit aber das mülcke vieh, schaaff und kühe bey dem forberge desto basz weide und unterhaltung haben mag, wird das junge und guhst rindvieh ... auff ein ander forberg ... verordnet ebda 33; so hatte auch Treina butter verkaufft, da sie doch nur eine güste kuhe gehabt Marburger hexenprocessacten (1673) bei 141; güst wird von kühen gebraucht, die nicht kalben J. Möser
sämtl. werke (1842) 6, 35; da von ihren fünf kühen ... eine güste war im grünen klee (1905) 199;
de koh göst maken eine kuh, welche fett gemacht werden soll, durch gewisse mittel in den stand setzen, dasz sie aufhört, milch zu geben (also wohl künstlich unfruchtbar machen) 2, 457 (beleg v. 1755); in verbindung mit den beiden verben gehen und stehen: güste gehen eo anno non vitulum parere 1 (1741) 385ᵃ; 20, 332; gust gān de vaccis, quando gravidae lacte non spoliantur 2, 493; westf. 88; 1, 241; schwäb. 3, 939; güst stehen: de koh steit güst 82; westf. 88; 70. vereinzelt und local erscheint die bedeutung auch erweitert: die güste- oder geltkühe heisset man diejenigen, so unfruchtbar sind oder nur kranck, lahme oder sonst gebrechliche kälber bringen georg. cur. 3 (1715) 2, 243ᵃ; auch allgemein: güst mager vom vieh rhein. 2, 1507.
von anderen tieren, vornehmlich von schafen: 220 melke schape, 230 guste mit den botling (1511) bei 2, 168; einem güsten schaafe, das in einem jahr oder dreyen nicht trächtig gewesen, dem schlägt alle milch zur fettigkeit georg. cur. 3 (1715) 2, 255ᵇ; güste, gist, kühe oder schafe, so unfruchtbar sind bos vel ovis non lactaria 1 (1741) 385ᵃ. auch auf ziegen angewendet: 70; rhein. 2, 1507; Cronenberg 47; von schweinen: wy en beerfdelet nycht ... de mutten, de drechtich synt, mer wann se guste synt, dat men se wyll affdriven, so dele wy de oeck 6, 146; ebenso von stuten: zwo alte güste stuetten (1733) bei 315; aus dem Harzburger gestüt kommt die meldung, dasz in diesem jahre die 38 köpfe zählende stutenherde insgesamt 25 fohlen gebracht hat, von denen 3 bereits wieder eingegangen sind. 10 stuten blieben güst, während 3 verfohlten beilage zur Braunschw. landeszeitg. vom 30. nov. 1900 (morgenausg.); stuten, die ... stark rossen, bleiben güst hdb. f. heer u. flotte 2, 206; vgl. ebda 4, 503; mitunter auch auf vögel übertragen: güste hühner, welche bei eröffnung der jagd keine jungen haben 2, 493; güstes huhn (in Norddeutschland), eine wegen alters, krankheit oder mangel an hähnen unbefruchtet gebliebene henne, auch gelthenne genannt das auerwild 12; es gibt ... alle jahre eine menge sogenannter güster störche, die nicht hecken vögel 9, 273. allgemein, ohne nähere tierartbezeichnung: dat en scal nein unfruchtbar in dem lande noch güste werden (infecunda nec sterilis) halberst. bibel 2. Mos. 23, 26 bei 2, 168; so lange güst, so lange melk sprichwörter 2, 174.
man kamen wi up Juist,
sünd alle kojen güst
ostfriesl. sprichw. 15;
2)
vom menschen, zumeist in festen, formelhaften wendungen, literarisch nicht bezeugt: de borst ist göst von einer frau, die das kind nicht stillen kann 2, 457; göst gohn nicht schwanger werden rhein. 2, 1507; die blif göst kommt nicht zum heiraten ebda; auch 'mager' ebda 2, 1507.
3)
güst, in der bedeutung unfruchtbar, vom lande, nur in jüngerer zeit mundartlich belegt: 2 (1775) 847; rhein. wb. 2, 1507 (vom felde und von der wiese); 2, 493; auch in der bedeutung 'brach, unbestellt, unbesät, ohne ertrag': 78; 1, 709; giste gân vom acker, der brach liegt westf. 88ᵃ; in Schwaben: die felder gehen güst es gibt eine miszernte 3, 939.
4)
verschiedene übertragungen und anwendungen von güst, nur im volksmund verbreitet und daher fast nur in den ma.-wb. zu finden: güste kindelbiere feiern: in vielen dörfern giebt es noch güste kindelbiere. das ist eheleute, die keine kinder haben, können einmal in ihrem leben auch ein kindelbier halten, damit sie sich wegen dessen, was die andern geopfert haben, erholen können
sämtl. werke 4, 35; vgl. 1, 709; wb. 1, 642ᶜ, auch nl. bezeugt, s. woordenboek 5, 1310. vom austrocknen, versiegen eines brunnens de sood ward güst 2, 457; ähnlich 2, 493; güst geschmacklos, fade, von speisen; trocken, zähe, vom fleisch rhein. 2, 1507; he geht göst (seine bemühung ist vergeblich) ebda; scherzh. min geldsack geht dato gust ich habe kein geld 1, 241; vom kohl: güster kohl, unfruchtbarer kohl 2, 847; güster kohl a) so heiszt an einigen orten der winterbraunkohl; b) kohl der im dritten jahr erst schosset wb. d. naturg. 216.
5)
als subst. adj. weist gust zahlreiche formvarianten auf. in der Schweiz und in Schwaben lautet die form meist gusti, seltener gust, genus: neutr. in Niederdeutschl. sowie im Elsasz heiszt es gust, güst, güste, genus: fem. als masc. göss nur bei rhein. 2, 1507.
a)
gelegentliche allgemein-abstracte verwendung: die kü haben ein zeitlang ee dann sy kalberen bei 10 tagen kein milch, zu welcher zeit man sy nennet ze gust gon Gesners thierb. (1563) 122ᵇ, vgl. oben güst gehen unter 1; se hett de göst von frauen, die ihr kind von der brust entwöhnen 2, 458.
b)
vornehmlich in concreter verwendung, so in der bedeutung jungvieh, besonders junges rindvieh, vgl. schwäb. 3, 939; 1, 241; 242; rhein. 2, 1507; flurnb. 95: wenn eine kuh 18 monate alt ist, kann sie schon mit dem stiere laufen und wird dann ein rind genannt, vorher aber ein gusti bei 2, 494; von einer sache so viel verstehen als ein gusti vom geigen ebda 2, 494; dass die unsern im land Entlibuch gar kein vech (weder guste noch andere) ins land nemmen söllen ebda 2, 494. auch 'kuh, die in einem jahre nicht belegt wird' 2, 241; von anderen tieren: güste ein einjähriges mutterschaf, welches noch nicht geworfen hat 70; jährige ziege 2, 494; als 'braches land':
vgl. 2, 847; plattd. spr. bes. in Emden 55. locale übertragung auf menschen: gusti 'scherzhafte benennung eines kindes, schelte für ein schmutziges kind oder einen groben burschen, auch für einen dummen (jungen) menschen' 2, 494; gusti meretricula, hure ebda 2, 494.
wie? soll ich ...
... nicht fragen was es ist,
dasz ein landsmann sich zu eigen
einen fremden ort erkiest,
da er itzt mit höchster lust
bringt sein heerd auf feiste gust
deutsche ged. 2, 626 lit. ver.;
6)
compositionen (mit güst- oder gust-):
brache, brachacker (friesisch) 78; 1, 709; 1, 629; dazu: güstfalgen: 'brachen, umpflügen und eggen ohne zu besäen' 78; 1, 709; 1, 629; Emden 55; in übertragener bedeutung: he güstfalgt von einem ehemann, welcher mit seiner frau keine kinder zeugt (scherzhaft) 78;
rotes mennig enthaltendes bleipflaster; auch trockenpflaster (drögplaster), um die milch bei stillenden müttern zurückzutreiben, wenn das kind entwöhnt ist 2, 457;
jungvieh, schmalvieh, das noch unfruchtbar ist und keine
milch gibt: melckkhüe und gustviech schwäb. 3, 939 (beleg v. 1580); wann sie des nachts mit dem gustvieh in Schönbuch bleiben wollen 3, 940 (beleg v. 1625); oxen, melchkühe, gustvich und junge kälber ebda (beleg v. 1630); jedoch nimmt man auch an, dass die aussenweiden das jung- und güstvieh erhalten landwirtsch. 1, 60; zur landschaftlichen verbreitung vgl. folgende ma. wb.: 1, 648; schwäb. 3, 939; 1, 242; 1, 629; 1, 709; de diere 204;
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1934), Bd. IV,I,VI (1935), Sp. 1205, Z. 21.
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- güstkindelbeer, adj.
- güstknecht, adj.
- güstkohl, adj.
- güstkuh, adj.
- güstland, adj.
- güstling1, m.
- güstling2, m.
- güstpflaster, adj.
- güstpflügen, adj.
- güstvieh, adj.
- güstware, adj.
- güstweide, adj.
- güsz, m.
- güszbett, f. u. n.
- güszbett, n.
- güszvogel, m.
- güszwasser, n.
- gütchen1, n.
- gütchen2, n.
- gütchenshaar, n.
- gütchenzopf, m.
- güte1, f.
- güte2, f.
- güteklasse, adj.
- gütel1, n.
- gütel2, n.
- güteln, vb.
- gütemasz, n.
- güten, vb.
- güterabtretung, f.
- güteranschlag, m.
- güterarbeit, f.
- güterbahnhof, m.
- güterballen, m.
- güterbeschauer, m.
- güterbesitz, m.
- güterbesitzer, m.
- güterbesitzung, f.
- güterbestattung, f.
- güterbestäter, m.
- güterfülle, f.
- gütergefahr, f.
- gütergemeinschaft, f.
- gütergewerb, m.
- gütergülte, f.
- güterhalle, f.
- güterkauf, m.
- güterkäufer, m.
- güterlehre, f.
- güterlos, adj.
- gütermakler, m.
- gütermark, f.
- gütermarkt, m.
- gütermasse, f.
- gütermeier, m.
- gütermäkler, m.
- gütern, vb.
- güterpachter, m.
- güterpächter, m.
- güterrecht, n.
- güterrechtlich, adj.
- güterreich, adj.
- güterreichtum, m.
- güterschaden, m.
- güterschaft, f.
- güterschiff, n.
- güterschifffahrt, f.
- güterschlächter, m.
- güterschlächterei, f.
- güterstein, m.
- gütersteuer, f.
- güterstrasze, f.
- güterstück, n.
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- güterteilung, f.
- güterumsatz, m.
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- güterverlust, m.
- güterverteilung, f.
- güterverwalter, m.
- güterverwaltung, f.
- güterwagen, m.
- güterwert, m.
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- güterzins, m.
- güterzug, m.
- gütesorte, f.
- güteverhältnis, f.
- güteversuch, m.
- gütevoll, adj.
- gütig, adj., adv.
- gütigen, vb.
- gütigkeit, f.
- gütiglich, adv., auch als adj. gebraucht
- gütlein1
- gütlein2, n.
- gütler, m.
- gütlich, adj., adv.
- gütliche, f.
- gütlichheit, f.
- gütlichkeit, f.
- gütsch, m.
- gütterlein, n.
- gütvogel, m.
- gützbetterin, f.
- gütze1, f.
- gütze2, f.
- gützeln, vb.
- gützen, vb.
- gützer, m., nomen agentis
Zitationshilfe
„gustpflaster“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/g%C3%BCstpflaster>.
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