Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)
gütigkeit, f.
gütigkeit, f.,
von gütig abgeleitet, seit mhd. zeit geläufig und bis ins 18. jh. neben güte vielfach verwendet, wenn auch im ganzen als geziertere bildung weniger häufig als dieses; im 19. jh. veraltend und heute als papieren empfunden kaum noch gebräuchlich, vgl. aber mundartl. goodigkeit ostfries. 1, 657ᵃ.
1)
die hauptbedeutung zu gütig 1 gehörend und ¹güte 3 weithin entsprechend schlieszt sich an gut IV an.
a)
als die freundliche, liebreiche, milde gesinnung einer person, die in ihrem charakter verwurzelt ist und eine
dauernde eigenschaft darstellt, vgl. gutekeit, suzmutekeit benignitas gl. 638ᵇ, lutter guttigkeit clementia 126ᶜ.
α)
vom menschen und seinem handeln.
αα)
allgemein: ich habs erfaren, daz dem menschen nichts bessers ist dann güttigkeit und senfftmüttigkeit Terenz (1539) 106ᵇ; aber ire mutter Clara was clare von sitten, clare in guttigkeit chronik Friedr. I. 138 Hofmann;
ihre dunkelblaue augen die gütigkeit selber vorstellten Octavia (1677) 1, 144; die tugenden, so die bezeigung gegen den nächsten angehen, sind die gerechtigkeit und gütigkeit dtsche schr. 1, 362;
ach, sie war lauter liebe und erhabne gütigkeit Ugolino 241 nat.-lit.; des christentums regel hatte die frucht des geistes, menschengüte und menschenseligkeit in sich: liebe, ... gütigkeit, treue, sanftmut 20, 171 S.; blasser als höflichkeitsformel: nun musz ich eine bitte wagen, und ich hoffe von ihrer gütigkeit, dasz sie mir dieselbe nicht abschlagen werden br. 2, 65; auf ein bestimmtes objekt bezogen im sinne 'zuneigung, willfährigkeit':
die ander gab (des hl. geistes) ist güttikeit
und die macht den menschen bereit,
sein nechsten hertzlich zu lieben
und sich im guten zu uben
bei kirchenl. 3, 280;
stell alle sorgen ein,
denn unsre gütigkeit läszt uns nicht feinde seyn
dtsche schaubühne (1741) 4, 13;
menschenliebe, gütigkeit,
jede tugend ist dir eigen
s. schr. (1798) 1, 366;
mein schatz, wie hab ich leider ubel dich
genommen doch in acht! ach weh, wie schmertzt das mich!
da ich dich tag und nacht stets bey mir haben kunte,
und deine gütigkeit mir solches wol vergunte:
dasz ich gelassen dich hab in des Namo hand
ras. Roland (1636) 116.
ββ)
als eigenschaft des fürsten oder herren 'wohlwollen, gnade, leutseligkeit': unser kraft die beschirmen sol mit der besundern hant der güetichait (v. j. 1299) in: urk.-b. d. landes ob d. Enns 4, 316; du darfst dich nicht verlassen auff die gütigkeit deines landesfürsten 28, 215 W.;
allergnädigster kayser und herr, dessen tugend und gütigkeit höher ist als sie von mir kan erkennet oder begriffen werden asiat. Banise (1689) 292.
und der marggraf ist kämmerer,
tregt ein gulden stab vor ihm her,
derselbig gulden stab bedeut,
dasz der keiser brauch gütigkeit
dram. 535 K.;
γγ)
mehr passiv gefaszt 'geduld, nachsicht, gutmütigkeit':
mich waz verwundern, wann es also hinweg gieng und allweg des herren gütikeit (lenitas) Terenz (1499) 14ᵃ; gütigkeyt macht ungütig knecht sprüchw. (1541) 1, 159ᵇ; der ungetreuwe heyd Roas von Goys, den ich ausz gütigkeit ... bey mir erzogen buch der liebe (1587) 387ᵈ; wie sonsten grosz und kleine meiner gütigkeit miszbraucht haben schr. (1663) 582; die vorigen merckmale seiner gütigkeit hätten sie beredet, dasz sie ihre ergebung einer verzweifelten gegenwehr fürgezogen hätten Arminius (1689) 1, 60ᵇ; Badizzaman ergab sich selbst dem sieger, dessen gütigkeit der welt bekannt war Usong (1771) 96;
sie hielt eben zu dem grafen, auf dessen gütigkeit und wohl auch schwäche sie manchen zukunftsplan aufgebaut haben mochte ges. w. I 7, 278; objektiver geradezu für 'milde': mit ihr (der strafe) kann zwar auch gütigkeit verbunden werden, aber auf diese hat der strafwürdige nach seiner aufführung nicht die mindeste ursache sich rechnung zu machen 5, 37 akad.
gib uns in leiden deinen rat,
gib gütikhait für übeltat
bei kirchen- u. relig. lieder 140;
doch herr, geht deine gütigkeit,
die schonung dieses orts und volkes nicht zu weit?
w. (1814) 2, 59;
β)
von der barmherzigen liebe gottes: got der wil dir vaterlich helfen usz allen dinen nöten, ob du allein siner guͤtikeit macht getrúwen dtsche schr. 380 Bihlm.;
mussen wir ins hercze bilden die gutikeit und genade Christi unsers herren 9, 554 W.;
der unter andern besonderen danksagungen, wodurch er sich gegen die gütigkeit gottes erkenntlich bezeigte, der welt wörterbüchermacher verschaffte 8, 9 L.-M.
ich weisz nit, wo is herkommet dir (gott)
anders dan von dinre gütekeit
pilgerf. d. träum. mönchs 10969 Bömer;
bleib heilig jederzeit,
so wird er (gott) dich in auffsicht fassen,
und weder jetzt noch ewig lassen
aus seiner gnad und gütigkeit
Österl.;
194 γ)
von der gunst der götter oder des schicksals: so grosze und so wichtige vortheile ... welche die gütigkeit der götter uns ohne unser zuthun ... bescheret hat Demosthenes u. Äschinus reden (1764) 1, 26; wie lang, ihr götter, soll ich noch eurer gütigkeit zeuge sein? schr. (1777) 1, 65; (Fortuna) die du durch deine grosze gütigkeit am aller schädlichsten wirst friedenssieg 29 ndr.; aber ich habe gelernt, mehr auf die gütigkeit des geschicks rechnen roman m. leb. (1781) 1, 32.
b)
die in einzelnen handlungen sichtbare freundliche gesinnung des menschen, die eine mehr augenblicklich sichtbare eigenschaft darstellt, vgl. güttigkeit facilitas dict. (1752) g 2ᵃ.
α)
allgemein: durch übrige kelty und grosze gefrüri ward ain man in gütikait bewegt, das er ain schlangen in synem hus beherberget Äsop 91 Öst.; es komme noch ain glückhafftige stunde, darinnen euer edels hertz bewegt werde zu gütigkait und euer synn und gemüt umbgeben mit barmherztigkait Fortunatus 134 ndr.; denn es geschicht oft, dasz weibliches gemüht durch schöne gestalt und hübsche geberd von zorn in gütigkeit und sanfftmütigkeit gewandelt wirdt buch d. liebe (1587) 83ᶜ;
ihr herren aber ... werdet es meiner gütigkeit zuschreiben, dasz ich euch mein hausrecht nicht gethan habe erznarren 142 ndr.;
wie hat diese gütigkeit meine ganze seele durchdrungen 2, 311 L.-M.; musje Würfel, ihre gütigkeit zerschneidet mir das herz kom. theater (1820) 1, 83; ich danke dem herrn meister für seine geduld und gütigkeit und aufmerksamkeit erz. u. schr. 1, 116; blasz als höflichkeitsphrase: eben wollte ich wegen meiner nachlässigkeit um verzeihung bitten, da mir ihre gütigkeit entgegen eilet, mich darüber mit einem so schönen weynachtsgeschenke zu bestrafen br. 1, 167 Runkel; deine gütigkeit wird also rath zu schaffen wissen br. 1, 181 Strausz.
du bist, o Nyctelen, zue gütigkeit geneiget,
hast von natur und art gantz freundlich dich erzeiget
teutsche poem. 209 ndr.;
dann werden wir uns jederzeit,
als zeugen deiner gütigkeit
voll innigster empfindung zeigen
ged. (1751) 1, 160;
β)
mit abhängigen präpositionen, namentlich gegen: ein geitziger helt ... nit die gütigkeit gen vater und muter dtsche. schr. 1, 33 Herrm.; hastu ye mein güttigkeit empfunden gegen dir verschlossen zewerden? Terenz (1539) 34ᵇ; so fing ich an, diese dialoge und sinngedichte zu verfertigen, welche herr Wieland aus allzugroszer gütigkeit gegen mich, ihnen hier zur versorgung übersendet briefw. 1, 11 Körte; andere präpositionen bleiben vereinzelt: ich gedenke die gütigkait, die ich alle zyt hab gehabt zu den gesten Äsop 40 Öst.
γ)
häufig in formelhaften, präpositionalen verbindungen; aus gütigkeit: ausz guetigkait verhelfend chron. v. Kaisheim 145 lit. ver.; die remarques aber ... sind mir von einem meiner damahligen reisegefährten ... aus besonderer
gütigkeit und freundschaft communiciret nachlese (1726) )( 5ᵃ;
mit gütigkeit: Erasmus von Roterdam, der mit englischem ingenium für und für mit gütigkeit göttliche gaben gemeret hat in unsz s. schr. 1, 3 ndr.; so viel ein fürst ... höher ist als seine unterthanen ... soll er denselben mit ... gütigkeit zuvor gehen teutscher nation weish. (1653) 3, 65;
anders im sinne 'gütlich, willig':
ein reisender ist so gewohnt,
aus gütigkeit vorlieb zu nehmen
W.;
14, 153 allenthalben irret umher, wen gott von der thür stöszt;
wem er sie öfnet, den nimmt jeder mit gütigkeit auf
S.;
26, 389 wer gehorchet mit gütigkeit,
den lest man auch zu aller zeit
widerum reden auch mit rhu
G.
19, 321 δ)
in festen redensarten des höflichen verkehrs; der, von der gütigkeit sein 'die freundlichkeit haben': so ist es auch unläugbar, dasz etliche satzung aus unverstand angenommen sind. darum sollten die bischofe der gütigkeit sein, dieselben satzungen zu mildern Augsb. konfess., art. 28 bei J. T. Müller d. symbol. bücher d. evang.-luth. kirche⁵ 69; der herr baron ist von einer sehr raren gütigkeit, dasz er sich des armen frauenzimmers noch so viel erbarmet ollapatrida 149 Wien. ndr.; so noch schwäb. als gewähltere formel statt 'so gut sein' (vgl. sp. 1285): sind sie von der gütigkeit 3, 966; häufig im 18. u. frühen 19. jh. die gütigkeit haben: vielleicht pflichte ich ihnen bey, wenn sie vorher die gütigkeit haben, folgenden zweifelsknoten aufzulösen neuer büchersaal (1745) 6, 38; haben sie daher die gütigkeit, mir für ein quartier zu sorgen IV 27, 76 W.; (sie) bat mich anbey, die gütigkeit zu haben und ihr nun erlauben nach hause zu gehen d. Leipz. aventurieur (1756) 1, 135; allerliebste madam H.! wenn sie nur die gütigkeit haben, und ... ges. lustsp. (1812) 2, 32.
c)
auf die auf freundlicher gesinnung beruhende handlungsweise übertragen (vgl. ¹güte 1 d): min guͦtikait, Gwiscarde, dero ich mich gegen dir gebrucht han, hat in kain weg verschuldet sölich unrecht translat. 83 K.; also thu du auch, du kanst in nit uberwinden mit boszheit, so versuͦch die gütikeit und früntlichheit, so würstu in uberwinden schimpf u. ernst 265 Öst.; gütigkeit inn reden und embsigkeit im schreiben erhelt gute freundschafft flor. pol. (1662) 3, 135; e. excell. wolle dero offterwiesene gütigkeit auch hierinn ... genieszen lassen pol. redner (1677) 58; konnte ich jemals so viele gütigkeit hoffen? theat. d. Dtschen (1768) 12, 183; ich bitte mir die erlaubnisz aus, bei einer übers jahr zu hoffenden rückkehr nach Böhmen mich wieder ins gedächtnisz bringen und auf ihre gütigkeit abermals anspruch machen zu dürfen IV 23, 92 W.;
in präpositionaler verbindung durch gütigkeit:
die köstlichen stücke, die ich durch ihre gütigkeit habe kennen lernen 21, 309 W.; mit (in) gütigkeit im gegensatz zum gewaltsamen verfahren: und als er mit gütigkeit von ihrem furnemen abzustehen sie nicht bewegen mögen Schweizerchron. (1606) 50ᵃ; hiet ain rat verstanden, daz der ursach nicht genug gewesen wer, ich hiet mich davon lassen weisen in der gutigkait, und hieten ewrn gnaden zu schanndt und der ganzen stat ein sohle verpotne grobe antwurt nicht dürffen geben
font. rer. Austr. II 7, 35; was er in der gütigkeyt abschaffen kondt, do vermitt er mit allem fleisz zanck und hader w. 2, 433 B.; bald darnach kam Carlen ... der meinung, die von Zürich ... mit gewalt darzu zeweisen, wölches er vormals in gütigkeit bey inen nit mocht finden cosm. (1550) 448.
möcht ich erlangen nur gütigkeit,
das wär meinem herzen ein grosze freud
w. 21, 119 Gr.;
... dein ... sohn
wird das verwayste volck durch gütigkeit regieren
geb. schr. (1740) 55;
sie eilen nach dem schiff und findens, hoch erfreut,
zur reise schon versehn und zierlich eingerichtet
durch ihres schützers gütigkeit
w. 5, 80 Düntzer;
d)
früh für das aus freundlicher gesinnung und friedlicher handlungsweise hervorgehende verfahren gütlicher einigung und den dadurch geschaffenen zustand (vgl. ¹güte 4), vgl. vorsunung, gutichait nov. gl. 306ᵃ; in älterer sprache namentlich juristisch verwendet: alls mir ... ewer fürstlich gnad ... kain rechttag gesatzt, noch dy guttichayt gegen meinem anwallt furgenomen hat font. rer. Austr. II 2, 200; mag der verweser den parteien zu guetem und dasz si nit in so schwaren unkosten kumben, auf ir willküerlich ersuchen und anlangen gleichfals die güetigkait zwischen inen versuechen (v. j. 1568) österr. weist. 10, 12; um gütigkeit und ruhe willen und nicht von strengheit des rechten baier. bergr. (1764) vorr. 43;
haben die gedachten commissari allen mugenlichen fleysz ... virgewent, die sach zu guetigkait bringen chron. v. Kaisheim 51 lit. ver.; in präpositionaler verbindung mit in: die vier sollen darauf den fünfften zu in erwehlen ... und dann versuchen, ob sie uns herrn darumb mit wissen in der güettigkeit verainen mügen (v. j. 1437) bei baier. bergr. (1764) 30ᵇ; auch meinten dieselben fürsten, ob man in der gütigkeit darein möcht chomen, unverdingtlich zu versuchen städtechron. 2, 142; do haben die ersamen scheffen und gericht in gietigkeit erkant und Casparn nachgelossen, ein stand zu haben auch zu empfohen (v. j. 1528) bei Straszburger weberzunft 138; für das vergleichsverfahren: in güteheit oder durch recht stadtb. v. Brüx nr. 345 bei 338; es sol auch ieder teil ... slosz, vesten, stet oder merckte ... inn haben und behalten, (es sei denn, dasz) ... er mit recht daraus gevertigt oder mit der gütigkeit davon geteidingt wirt städtechron. 2, 166; des giengen auch baid barteien mit wüllkür auf den priarch (von Friaul) zu ainer guetigkait, was er darausz machte, das wolten sie treulich halten ebda 5, 11.
er (der vater) wird den widerspruch in gütigkeit verwandeln
und führt dich, wie ich hof, mit seegen selbst zu mir
lit. ver.;
1, 270 e)
verdinglicht für das ergebnis der freundlichen handlungsweise.
α)
noch subjektiv mit bezug auf das persönliche handeln, 'wohltat, gnadenbeweis, gefälligkeit': inen hilf, fürternisse und bistand und güetigkeit ze tuonde, und ze erzögen an alle gevärde chron. 101 Kind; verhofft durch dise gütigkeit, es solte inen beyden an der selen genieszlich sein gartengesellsch. 16 Bolte; keine wohltat und gütigkeit ist thewrer dann diese, welche durch bitten erlangt und erkaufft werden musz flor. pol. (1662) 4, 160; die vielen gütigkeiten, so von ihnen rühmlichst genossen allern. art (1718) 147; für diese gütigkeit musz ich verbunden leben dtsche schaubühne (1741) 1, 53; dasz sie mich durch gütigkeiten verpflichtet haben ..., das alles muste ich ihnen schon vorgestern schreiben Sophiens reise (1769) 3, 42; (nədabot) heiszen, wie jedermann weisz, gütigkeiten, freiwillige gaben 12, 269 S.; dazu suche ich ihren rath und beistand, weil sie ein schriftgelehrter sind und mir mitunter eine gütigkeit erwiesen haben 4, 29 Boxb.
β)
objektiv 'das gute ding, die angenehme sache' selbst, wie 'das gute' (vgl. gut VIII B 2 b) gebraucht:
got, aller gütigkeit wolthater
K.;
1, 143 wie ich denn bey dem herren nah
den keyser Constantinum sah,
der ehr und alle gütigkeit
erzeiget hat der christenheit
christl. warn. (1588) d 1ᵇ;
dem quelle vieler gütigkeiten,
der sonne, gibst du wärm und schein
schr. (1765) 2, 10.
2)
nach gütig 2, entsprechend ¹güte 2 seltener im sinne 'tugendhaftigkeit, rechtschaffenheit, frömmigkeit', vgl. gütigkeit, güte, frömmigkeit, ehrbarkeit bonitas, ἀγαθότης thes. (1615): unsere angeborne gutekeit (innata nobis pietas) const. jur. metall. III 5, 12 bei 337; da lernet es kunst und güttikeit und zucht d. heyligen leben, summerteil (1472) 38ᵃ; gütikait machet rechte vätterliche trüw unt früntschaft der kind gegen vater und muoter und nit die geburt Äsop 117 Öst.; aller gotseligkeit und guͦtigkeyt eyn unmenschlich grausam verderbnus opera 194 Böck.; Pontus thet als einer, so voller tugend und gütigkeit ist buch d. liebe (1587) 327ᵃ; die gütigkeit ist gott, die boszheit der teuffel flor. pol. (1662) 1, 393; farbloser:
nach gut V A 1 e hin 'höfische erziehung, ritterlichkeit': der rysz stuont wyder uf. und der erkant Ruollanden güettigkeyt (courtoisie) Morgant 198 Bachm.; etwas anders von den taten 'sittlich gute beschaffenheit': und nu got der mache, daz di dink di da sint von mir, sint dienent zu dem nucze der warheit dez ewangeliumz und tut di gutikait der werk, di da sint der behaltsam dez ewigen lebens cod. Tepl. 2, 81 Huttler.
daher ausz solcher guͦtigkeyt
entsprung auch die ehrbietigkeyt
Hauffen;
1, 272 3)
nicht unmittelbar an eine bedeutung von gütig anzuschlieszen, sondern wohl direkt aus ¹güte 1 mit bedeutungsgehalt gespeist sind verwendungen, die gut I-III entsprechen, vgl. guttigkeit bonitas gl. 79ᵃ.
a)
zu gut I in verschiedenen bedeutungen; entsprechend gut I A 1 'nützlichkeit': was die sache, wann sie noch vorhanden wäre, zu der zeit gelten könne. oder was sie aufbringen könte und worinnen ihre gütigkeit bestünde georg. cur. aucta (1715) 3, 27ᵇ; zu gut I A 2 b 'gebrauchstüchtigkeit': was nicht durch die gütigkeit der pferde entrann, (wurde) in stücke gehauen Arminius (1689) 2, 1079; zu gut I A 2 c 'nutzbarkeit': (die) gütigkeit eines edlen bodens, ... welcher seinen prächtigen blumen die bewunderung der zuschauer erwirbt s. w. 9, 11 Ab.; zu gut I A 2 d β 'gesundes aussehen': und so der cancer getödt ist, das du erkennen magst durch die gyetigkeit des fleisches und durch mangel des eyters und gestancks, so curier in noch dem sinn als andere eyszen wundarzney (1517) 65ᵃ; zu gut I A 2 d γ: klugheit und wahrheitfindung entspringen beide aus der natur gütigkeit und übung 17, 208 S.; zu gut I B 5 'wackere tat': ock vint me wol stede dede or wapen hebben vorworven myt der manheyt in stride, in blotstorting, in anderen gudicheyden, de se by oren fursten gedan hebben städtechron. 16, 480; zu gut I C 1 c 'gunst, förderlichkeit': so is ouch Coellen der zit half, men mirk an die lankheit van jaeren of guedicheit der zit, ein wirdige vlecke städtechron. 13, 455.
b)
entsprechend gut II A 2 im sinne 'hochwertigkeit, wertgehalt': der deutsche (born) wird wegen der solen gütigkeit vor dem besten gehalten d. saltzwerk zu Halle (1670) 2; gutekeit des erczes (bonitas metalli) const. jur. metall. I 16, 2 bei 337; gehalt der ertze bedeutet die gütigkeit desselben, wie viel es an metall hält bergbuch (1734) 170ᵇ; ganz abstrakt nach gut II A 5 allgemeiner 'vortrefflichkeit': kanst du nu ... schowen des obresten guͦtes lutersten guͤtekait dtsche schr. 179 Bihlm.; ja alle creaturen mit aller irer gütigkeit als ein augenblick des ewigen lebens (können das leisten) Thomas a Kempis (1631) 11; zu gut II B 3:
(wenn sie) um deine schöne jugend weint,
und deine gütigkeit mit nassem aug erhebet
schr. (1766) 2, 354.
c)
zu gut III in verschiedenem sinne; entsprechend gut III A 1 a 'schmackhaftigkeit': eine andere gütigkeit ist der speise, da gut so viel ist als wolgeschmack heist poet. trichter (1653) 248; (dasz es) die gütigkeit
und nahrung dem fleisch etwas enziehe jagd- u. weidbüchl. (1681) 321; zu gut III A 1 c 'wohlklang': dann was gütikeit der stymm von natur anhangt, das gevalt ouch dem hörenden und machet inn uffmerckig rhetorica (1493) g 3ᵇ; zu gut II A 5 'fröhlichkeit': singen ... gibt guͦtikeit spiegel d. sitten (1511) d 5ᵃ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1935), Bd. IV,I,VI (1935), Sp. 1447, Z. 65.
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- güstkindelbeer, adj.
- güstknecht, adj.
- güstkohl, adj.
- güstkuh, adj.
- güstland, adj.
- güstling1, m.
- güstling2, m.
- güstpflaster, adj.
- güstpflügen, adj.
- güstvieh, adj.
- güstware, adj.
- güstweide, adj.
- güsz, m.
- güszbett, f. u. n.
- güszbett, n.
- güszvogel, m.
- güszwasser, n.
- gütchen1, n.
- gütchen2, n.
- gütchenshaar, n.
- gütchenzopf, m.
- güte1, f.
- güte2, f.
- güteklasse, adj.
- gütel1, n.
- gütel2, n.
- güteln, vb.
- gütemasz, n.
- güten, vb.
- güterabtretung, f.
- güteranschlag, m.
- güterarbeit, f.
- güterbahnhof, m.
- güterballen, m.
- güterbeschauer, m.
- güterbesitz, m.
- güterbesitzer, m.
- güterbesitzung, f.
- güterbestattung, f.
- güterbestäter, m.
- güterfülle, f.
- gütergefahr, f.
- gütergemeinschaft, f.
- gütergewerb, m.
- gütergülte, f.
- güterhalle, f.
- güterkauf, m.
- güterkäufer, m.
- güterlehre, f.
- güterlos, adj.
- gütermakler, m.
- gütermark, f.
- gütermarkt, m.
- gütermasse, f.
- gütermeier, m.
- gütermäkler, m.
- gütern, vb.
- güterpachter, m.
- güterpächter, m.
- güterrecht, n.
- güterrechtlich, adj.
- güterreich, adj.
- güterreichtum, m.
- güterschaden, m.
- güterschaft, f.
- güterschiff, n.
- güterschifffahrt, f.
- güterschlächter, m.
- güterschlächterei, f.
- güterstein, m.
- gütersteuer, f.
- güterstrasze, f.
- güterstück, n.
- gütertausch, m.
- güterteilung, f.
- güterumsatz, m.
- güterverkehr, m.
- güterverlust, m.
- güterverteilung, f.
- güterverwalter, m.
- güterverwaltung, f.
- güterwagen, m.
- güterwert, m.
- güterzille, f.
- güterzins, m.
- güterzug, m.
- gütesorte, f.
- güteverhältnis, f.
- güteversuch, m.
- gütevoll, adj.
- gütig, adj., adv.
- gütigen, vb.
- gütigkeit, f.
- gütiglich, adv., auch als adj. gebraucht
- gütlein1
- gütlein2, n.
- gütler, m.
- gütlich, adj., adv.
- gütliche, f.
- gütlichheit, f.
- gütlichkeit, f.
- gütsch, m.
- gütterlein, n.
- gütvogel, m.
- gützbetterin, f.
- gütze1, f.
- gütze2, f.
- gützeln, vb.
- gützen, vb.
- gützer, m., nomen agentis
Zitationshilfe
„gutigkeit“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/g%C3%BCtigkeit>.
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