Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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geschwand

geschwand,
s. geschwend.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1893), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 3980, Z. 81.

schwanen, verb.

schwanen, verb.
als ahnung oder vorgefühl vorschweben, ahnen, in unpersönlicher fügung. nach der gewöhnlichen annahme von schwan abgeleitet, wol mit recht; man musz sich dabei erinnern, dasz der schwan der vogel der nornen und walküren ist und dasz weissagende frauen oft in schwanengestalt erscheinen; jedenfalls hat die jüngere sprache schwanen so aufgefaszt, wie die synonyme wendung schwansfedern haben (s. das.) beweist, vgl. Wachter 1482. Weigand 2, 659. Borchart² 1077. Söhns Parias s. 41 f. J. Grimm kl. schr. 4, 427. 6, 140. das wort ist auf das deutsche sprachgebiet im engern sinne beschränkt, nach Weigand 2, 659 wäre es sogar erst aus dem mnd. ins nhd. übernommen. doch ist diese annahme abzuweisen, denn der einzige beleg, den Schiller-Lübben 4, 484ᵇ anführt, ist aus dem Braunschweiger schichtbuche (von 1514), und im 16 jahrh. ist das wort auch bereits im hd. bezeugt (der verzucket Pasquin 1543, Corner 1569, s. u.); dabei spricht die weite verbreitung des wortes sowol im ältern nhd. wie auch in den heutigen hd. mundarten entschieden dagegen. das wort ist augenscheinlich ein gemeindeutsches wort der volksthümlichen und mundartlichen rede und in dieser viel früher vorhanden gewesen, als unsre quellen erkennen lassen. lexikalisch ist es zuerst bei Corvinus fons latinit. (1660) 449ᵃ gebucht: opinari, wähnen, sich bedüncken, jhm schwanen lassen. das perfectum wird stets mit haben gebildet. häufig ist schreibung mit h: schwahnen; zuweilen begegnet auch schwanden, das offenbar dem häufigen ahnden für ahnen nachgebildet ist: schwanen, schwanden [verb. impers. corrott. da ahnen, ahnden ò anden, che dinotano lo stesso. v. ibid.] presentire, dubitare, come per qualche inspiro superiore. es schwan- ò schwandete mir. geschwanet, geschwandet. Kramer dict. 2, 695ᶜ f.; schwanen, geschwant, ominari, praesagire, nonnunquam etiam effertur schwanden, atque venit à schwan, quia cygni mortem suam praescire, atque ideo decantare eam dulcibus modulis dicuntur. est itaque schwanen, quaecunque praevidere conjecturâ, mente, et cogitatione prospicere Stieler 1953. — mundartlich: schweiz. es schwanet-mr Hunziker 234, schwäb. Birlinger 404ᵃ. Schmid 486, bair. Schmeller 2, 634, hess. Vilmar 377, thür. Hertel sprachsch. 224, Salzunger wb. 42 (schwaͦn). Keller 42. Kleemann 20ᵇ. Woeste 101ᵃ. Liesenberg 211 (es schwânt mich), leipzigerisch Albrecht 209ᵃ, schles. Frommann 5, 91, preusz. Schemionek 37; nd. swanen, swaanden brem. wb. 4, 1110, swanen Schütze 4, 232. Mi 90ᵃ. Stürenburg 240ᵇ. ten Doornkaat Koolman 3, 371ᵃ. Schambach 220ᵃ. Woeste 264ᵇ.
1)
schwanen in verbindung mit dem synonymen ahnen: was mir geschwanet und geahnet hat, kommet mir statlich unter augen. engl. kom. 2, Ji 8ᵇ; zuweiln ahndet und schwanet einem was. Paullini phil. luststunden (1706) 650; mir ahnt und schwant, bald wird die wetterwendische herrin droben um ihren felsen herumflattern. Scheffel Ekkehard 277;
gewisz mir nichtes gutes ant,
denn mir jetzt wie dem Schweizer schwant.
Sommer plagium (1616) D 8ᵃ;
wer ist, dem nu nicht schwant?
dem wunderliche zeit im hertzen schon nicht ahnt?
Scherffer grabschr. (1646) 42, s. Drechsler W. Scherffer s. 240.
2)
schwanen wird stets unpersönlich, d. h. ohne persönliches subject construiert, also mir schwant etwas, aber nicht ich schwane (wie ich ahne); nur im part. praes. wird auch diese fügung vereinzelt gebraucht: wir warten hier die erfüllung deines schwanenden gemüthes ab. Gutzkow ritter v. geist 1, 69;
es war ein schwanendes dumpfes gefühl,
das ihm zickzack bald heisz bald kühl
den rücken hinablief.
Wieland 21, 36 (liebe um liebe 2, 252).
3)
die person, die etwas ahnt, steht in der regel im dativ: mir hat wol geschwanet, sy seien inwendig weit anderst, dann sy sich eusserlich erzaigen. der verzucket Pasquin (1543) A 7ᵇ; wirstu mir hüner abfangen, so wirstu gewis gedroschen werden. es mocht ihm auch wol schwanen, denn er nam den spies und gieng wieder hinaus. Pape bettel u. garteteufel (1586) P 3ᵃ; demnach sie sehr nahe bey einer halben stund auf ihn gewartet, fieng ihnen erst an zu schwanen, es möchte nicht recht hergehen. Simpl. schr. 3, 363, 31 Kurz; das hat mir wohl geschwant. Arnim 1, 292; es schwant mir so. Gutzkow ritter vom geist 1, 69; hat mir's doch geschwant! 5, 196;
biszweilen schwants ihm wohl, allein was hilfft es ihn?
es schwante mir.
Platen 185ᵇ (gläserner pantoffel 3);
o mir graut,
denn nun erfüllt sich, was mir oft geschwant.
Geibel 7, 198 (jagd von Bez. 8);
nun denn, ich hab' in prima klar gelernt,
was dunkel mir geschwant in sexta schon.
Heyse kinder der welt 2, 43.
doch auch mit dem accusativ: nachdem aber die preuszische reise etwas verschoben worden, (welches mich auch immer geschwahnet). Leibnitz 2, 113; gar mächtig schwant michs, der arme Olaf habe zum lezten mal spucken gesehn. Kosegarten rhaps. 2, 61;
mich schwant, es werd nicht richtig sein.
Sommer Cornel. releg. (1606) S 4ᵃ (4, 8);
es schwant mich wol, es wirdt so gehn.
amantes amentes E.
4)
das subject ist, soweit es nicht ohne grammatischen ausdruck bez. durch einen satz (s. 5) vertreten ist, meist ein unbestimmter pronominaler ausdruck wie es, das, nichts, so etwas: es pfleget dir dergleichen zuschwanen, soles tu haec sagacius odorari. es hat mir stracks geschwanet. Stieler 1953; es schwant mir so etwas, aber ich weisz nicht was, das du nicht recht verstanden haben muszt. Hamann bei Fr. H. Jacobi 4, 3, 292; ah ja, dasselbe schwant einem schon öftermal im leben. Anzengruber³ 3, 41. ferner gutes, böses, seltener ein bestimmtes substantiv, wie glück, unglück, gefahr, s. 6; für letzteres trat in der ältern sprache auch der genitiv ein:
dem Simplex schwahnt der sach, drum hat er kein gefallen.
Simpl. (1685) 412 (1, 4, 16);
oder auch, und so noch jetzt, mir schwant vor etwas:
ich weisz nicht was ihm (Jupiter) ahnet,
ob ihn der himmel brennt,
vor seiner kuh (Jo) mir schwanet,
die er von langem kennt.
Scherffer ged. 388;
und magst einst du so furchtlos
dem sturm entgegengehn, vor dem mir schwant!
Geibel 6, 33 (Brunhild 2, 3).
5)
ferner kann das subject in gestalt eines satzes ausgedrückt werden; dieser hat meist die form der indirecten rede (s. oben) oder eines inhaltssatzes mit dasz: es fieng mir an zuschwanen, dasz nichts draus würde. Stieler 1953; gestrenge frau, es hat mir nicht umsonst geschwaant, dasz ihr nicht mit einer ehrlichen ... frauen zu thun habet. Jucundiss. 86; der kutscher betrübte sich sehr über dem zufall, und sagte, es hat mir wohl geschwanet, dasz es so erfolgen würde. unwürd. doctor 577; mir wills schwanen, sagte der thürmer, dasz er die nacht nicht übersteht. J. Paul flegelj. 3, 37; mir schwante gleich, dasz es mit euch eine besondere bewandnisz haben müsse. Tieck 3, 143; mir schwant, dasz ich heut noch verdrusz kriege. 5, 515. — für dasz können auch andre conjunctionen eintreten: so wardst auch du, Jupiter, ein schwan aus liebe zu Leda ... schwante dir nicht, Jupiter, wie nichtsnutzig du warst? Shakesp. lust. weiber 5, 4. — als ob: es schwante mir, als ob dem gott der menschheit ein götze gegenüber stehe, der Zebaoth heisze. Bettina frühlingskr. 1, 97; auch ob allein:
das seyn gar dunkle wort', es wil dem alten schwanen,
ob sie zulegen aus nicht weren mit dem haanen?
Scherffer ged. 594.
6)
meist wird schwanen von bösen, unheilverkündenden ahnungen gesagt, so mir schwant böses: es schwanet mir hinfüro nichts böses. Stieler 1953; mir schwant böses. Freytag dram. werke 1, 14 (brautf. 1, 3);
der unglückselige, ich darf ihm nicht
gestehen, was mir böses schwant.
Schiller Tell 1, 4;
ja, mir schwanen böse dinge!
Keller 10, 213.
besonders häufig nichts gutes, s. Wander 4, 417: schwanen, ist nur in der bedeutung von ominari und animo praesentire bekannt, sonderlich in der redens-art, es schwanet mir nichts gutes. Frisch 2, 241ᵇ; es schwanet mir nichts gutes. exorcist 9; die bürgermeister liessen sich nichts gutes schwahnen, und geriethen in furcht, sie würden allerhand abscheuliche vorstellungen unnatürlicher wollüste mit ansehen müssen. Lohenstein Armin. 2, 1482ᵇ; als ich, kurz nach unserer trauung, innen ward, dasz meine liebste so gar schlechte reverentz gegen das göttliche wesen bezeigte .. schwahnete mir gleich nichts gutes. ehe eines mannes 33; ich liesz mir hieraus gleich nichts gutes schwanen. Plesse 1, 210; unser schiffspatron, welchen nichts gutes schwanen mochte. 3, 319; des nächsten vormittags wurde ich zum präsidenten der polizeihofstelle, grafen Sedlnitzky, berufen. mir schwante nichts gutes, und ich ging. Grillparzer⁴ 15, 156;
nichts guts schwant mir gemeiniglich,
wenn deine fraw zu hof findt sich.
Corner Apelles B 6ᵃ;
das ist zu hart! allein mir schwahnte lang' vorher
nichts gutes!
Wieland 23, 136 (Oberon 9, 19);
ähnlich:
ihr schwanet nichts von gröszerer gefahr.
154 (9, 53);
das gute weib, dem nichts von arglist schwant,
verläszt sich auf den weg, dem sie ihm selbst gebahnt.
224 (11, 40);
ihm schwant sein unglück.
suppl. 2, 68;
ob ihr sogleich mit ihm aufsitzen wollt, ...
um die gefahr zu meiden, die ihm schwant.
Shakesp. Richard III. 3, 2;
schwanen allein mit derselben nuance: hat jn geschwant, ist ihnen angst geworden. quelle vom jahre 1577 bei Schm. 2, 634;
de Dütschen stännen asz en pahl
un schlögen wohl twe- und dremahl
in ene stäh den hanen,
de sick det nich vermoen währn,
begun darbie to schwanen.
lied auf die schlacht bei Trier (1675), s. Borchart s. 432.
doch wird schwanen auch oft genug auf ahnungen freudigen inhalts angewendet: denn es schwante ihm schon beym anblick der titel, dasz es sehr angenehme sachen seyn müszten. Wieland 11, 19 (d. Sylvio 1, 4);
jetzt sprach Selima
zu Selim, dem sein nahes glück nicht schwahnte.
suppl. 2, 214 (Selim 421);
vielleicht, mir schwant so was, erhält
der traute gast einst gar ein zelt
in Trutchens schlafgemache.
Pfeffel poet. vers. 6, 208.
7)
mundartlich auch in andern bedeutungen, die nicht mit den vorstehenden zusammenhängen, so schweizerisch
a)
abnehmen, sich vermindern, z. b. vom wein Stalder 2, 360, vgl. schweinen und schwinden.
b)
dr wi (wein) schwanet, wenn er blumen (pilze auf der oberfläche) ansetzt Hunziker 234 (die pilze als flaum gedacht, s. schwan II, 5?).
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1898), Bd. IX (1899), Sp. 2209, Z. 34.

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Zitationshilfe
„geschwand“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/geschwand>.

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