Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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gesang, m., n.

gesang, m. n.
cantus, carmen, verstärktes sang (s. d.), wobei ge ursprünglich die bedeutung 'zusammen' hatte, 'stimmendes zusammensingen', ahd. kisanch concentus Graff 6, 251. vgl. auch gesänge sp. 3803.
I.
Formen.
1)
während in der älteren zeit das neutr. vorherrschte, hat in neuerer das masc. die oberhand gewonnen; das neutr. ist noch heimisch in den mundarten, z. b. bairisch Schm.² 2, 310; Frisch 2, 148ᶜ unterscheidet: das gesang, actio canendi, und der gesang, cantilena, oda.
2)
der plur. des masc. lautet gesänge, der des neutr.
a)
gesänger Hohberg 3, 2, 368ᵇ. 369ᵃ: register über diese gesänger. Metzger Venusblümlein (Nürnberg 1612); die uralten heidnischen helden-gesänger. Harsdörffer gespr.-spiele 4, 15; diese seine arbeit (Klopstocks Messias), von welcher drei gesänger im druck. Gödeke grundr.² 4, 89 (von 1751); wie noch heute in Baiern, Tirol und Kärnten Schm. a. a. o. Schöpf 580. Lexer 212.
b)
gesang: übel gerympte (gereimte) gesang, die übelgesetzt sind, nit in streich oder schlag gond. Maaler 171ᵇ; geistliche gesang, aus heiliger schrifft mit vleis zusamen gebracht, durch Gasp. Löner, Wittenberg 1538; dasz sie in glaubenssachen anderst nichts in ihren gesangen vorgebracht, dann was in h. schrift wolgegründet. Spangenberg musica 118.
3)
in den verwandten sprachen entspricht mnl. ghesangh Kilian, nnl. gezang, s. sang.
II.
Bedeutungen, öfter in einander übergehend und dann nicht scharf zu trennen.
1)
das singen, als handlung, und meist zugleich die sangweise mit einschlieszend.
a)
von menschenstimmen: diu kel hât die kraft, daʒ si münzet und stellet die stimm und daʒ gesanch, wie daʒ sei, daʒ si der wort nicht formier. Megenberg 18, 28; daʒ wir ze den hôchgezîten (den kirchlichen festen) daʒ gesanc hœher heben und schœner unde lenger machen. Berthold v. Regensburg 1, 396, 1;
daʒ gesanc
gap einen alsô grôzen schal,
daʒ der dôn vil wîte erhal.
gut. Gerhard 5720;
man schol auch mit gesange uber die greber niht mer gen, denne so man die leich legt. Nürnb. pol.-ordn. 67 Baader (14. jahrh.); im ritterlichen kampfrecht des fränkischen landgerichts aus dem 15. jahrh.: darauff bit jhn (den fürsprecher) der cemmerer zu fragen, wie er jhn (den kläger) dazu (zu gericht) bringen und gleiten soll, das er recht thue nach kampf- und Franckenrecht, das fragt mein herr, so würd geurtheilt: mit geschrei und mit gesang. so soll jn der cammerer bei der hand nemen, und so er zu dem obdach gehet, so soll er mit denen singen die mit jhm gehen: in gottes nahmen fahren wir etc. bisz an die schrengkhe. Goldast reichssatzung (1609) 238 § 12, darnach weisth. 3, 604; die weiber aus allen stedten Israel waren gegangen mit gesang und reigen dem könige Saul entgegen. 1 Sam. 18, 6; und ward dieses opffer wider angericht mit gesang, pfeiffen, harffen und cimbaln. 1 Macc. 4, 54; gantz herrlich mit gesang und klang zur erden bestattet werden. Milichius schrapteufel c 1ᵇ; der gesang der senger und das drometen der drometer. 2 chron. 29, 28; ich hab des gesangs ein ende gemacht. Jes. 16, 10;
ein man, der frauen dienen wil,
der bedarf gesangs und seitenspil.
fastn. sp. 2, 761, 14;
das gesang gadt wol und lieblich zuͦ den seitenspilen, concordant carmina nervis Maaler 171ᶜ; also gedenckt auch Strabo, dasz sie (elephanten) durch liebliches gesang und seitenspiel befridigt und zam gemacht werden. Spangenberg musica 24; ein lieblicher gesang und süszer ton kan die flieszenden wasser in ihrem lauf und die vögel in ihrem flug hemmen und aufhalten. pers. rosenth. 3, 27;
hôrt er daʒ süeʒeste gesanc,
daʒ mannes ôren ie erklanc.
Barlaam 311, 37;
wie mohte wir in disem fremeden lande gesingen daʒ frôlîch gesanc, daʒ wir dâ heime sungen. pred. d. 13. jahrh. in fundgr. 1, 86, 39; und wil her aus nemen allen frölichen gesang, die stim des breutgams und der braut. Jerem. 25, 10;
frischer gesang giebt muth auch dem zärtlinge; schreienden kindern
naht im gesange der schlaf; mit gesang schlug Luther den teufel.
Voss Luise 1, 719;
wer nicht liebt wein, weib und gesang,
der bleibt ein narr sein lebelang!
Voss im musenalmanach 1777, s. 107;
mit gesange spricht des jünglings liebe
was in worten unaussprechlich war.
Seume werke 7, 216;
im gesange singen einer oder viele: sie singen aus dem herzen und zerschmelzen das herz, oder sie flöszen lehre ein durch den süszen trank der töne. Herder zur relig. 3, 31;
die (jungfrau) singet denn mit süeser stimm.
wenn das gsang hört das einhorn grimm,
schwind laufft es der junckfrawen zu.
H. Sachs 16, 497 Keller;
da begann voll steigender röthe die jungfrau
sanft den gesang; ihn verstärkte, mit macht einstimmend, der vater.
Voss Luise 1, 468;
des gesangs wohllaut, eindringendem worte vereinigt,
wallete hell, dann leise gedämpft, in die stille des abends.
743;
ein meerfräulein, welche durch ihr sirenisches gesang unglück verkündet. Abele künstl. unordn. 4, 409; ein ärmliches, kaltes gesang machen. Henisch 1528;
das lied der parcen, das sie grausend sangen.
.... grimmig
war ihre brust, und furchtbar ihr gesang.
Göthe 9, 77 (Iph. 4, 5);
allegorisch: der gesang und dessen lieblichkeit ist auf einem mörselförmigen gefäsze von silber, wo die vergötterung des Homerus gebildet ist, durch schwäne zwischen blumenkränzen vorgestellet. Winckelmann 2, 530;
Phone. was stell ich vor? Merkur. die oper, den gesang!
Göthe 11, 318;
das leichtbeschwingte, der fittig, die flügel des gesanges:
auf des gesanges raschem fittig.
ebenda;
doch frei aus ihrem kerker schwingt die seele
sich auf den flügeln eures kriegsgesangs.
Schiller XIII, 328 (jungfr. v. Orleans 5, 11);
auf flügeln des gesanges,
herzliebchen, trag ich dich fort.
H. Heine buch der lieder 61 Elster.
insbesondere noch
α)
die art und weise zu singen: naturgesang gegenüber dem kunstgesang; solo- oder einzelgesang gegenüber dem chorgesang; ein vierstimmiger gesang, der für vier stimmen gesetzt ist Campe; coloriert gesang, chroma Henisch 1528; des gsangs besundere art oder weisz da einer mit der stimm schier als zitteret (tremolo). Maaler 194ᵈ; ein gesang mit geschlossenem maul. Ludwig 749; gesang, das frölich anfangt, aber traurig endet, cantilena Boeotica Denzler 130ᵃ; auf heute abend hatte ich mir den famosen gesang der schiffer bestellt, die den Tasso und Ariost auf ihre eignen melodien singen. Göthe 27, 131; dramatischer gesang; der geistliche oder kirchengesang im gegensatze des weltlichen gesanges, der choralgesang, die melodien der psalmen und alten kirchenlieder, gegenüber dem figuralgesang Adelung; die, von der wegen unsers herren gots dienst und götlicher gesang dar nider geleit (durch das interdict aufgehoben) möchte werden, die sullent der trostunge noch friheit nit haben. Straszb. verordn. von 1390 über die ritterspiele bei Haltaus 681; der obersangmeister Chenanja, der leviten obrister, hette under ihm 288 meistersinger, die im gesang des herrn gelärt, wolgeschickt, geübt und erfahren waren. Spangenberg musica 48, vgl. 1 chron. 26, 7. 2 chron. 29, 27; gesangk der psalmen, psalmodia voc. 1482 m 2ᵃ;
ein köstlich unschätzbares pergament,
das frei geläut und offenen gesang
dem neuen glauben sichert, wie dem alten.
Schiller XII, 166 (Piccol. 4, 5);
da lebten wir kinder Lutheraner
von etwas predigt und gesang.
Göthe 2, 222.
β)
das singen als kunst: sich auf den gesang legen, auf die singekunst, den gesang studieren. Adelung; es ist hier ebensowohl wie im gesange eine falsche schule entstanden. Tieck;
der stimme seelenvolles spiel
entfaltete sich zum gesange.
Schiller VI, 270 (künstler v. 193).
γ)
die sangweise, melodie: da der gesang oder dohn süsze und lieblich lautet. Luther 8, 140ᵃ; 'musika' ist von dem rechten grund und aigenschaft 'der gesang' und 'zamlautung'. Aventin. 4, 428, 12 Lexer; dasz die gar hitzige und zum kriege zumahl heftig entbrandte gemüeter durch der musica ordentlich und fein zusammen stimmenden klang und gesang gleich gemesziget und alls nach dem schlag und tact gefüeret würden. Spangenberg musica 23; wie auch eine art vische im see bei Alexandria durch der musica gesang und klang herbei gebracht werden. ebenda; es ist zum gesang nicht nothwendig, dasz die töne von menschlichen stimmen angegeben werden, denn auch einer bloszen instrumentalmelodie giebt man den namen des gesanges, so dasz die wörter gesang und melodie meistentheils gleichbedeutend sind ... die wesentliche kraft der musik liegt eigentlich nur im gesang; denn die begleitende harmonie hat wenig kraft zum ausdruck. Sulzer 2, 370ᵃ;
disz gsang sie lieblich bliesen lang.
Frischlin hohenzoll. hochz. 82, 25;
so hat Achilles sich ingleichen nicht gescheuet,
zu spielen den gesang,
den Chiron ihm gezeigt.
Opitz 1, 13;
lustig! hört ihr den gesang?
trommelwirbel, pfeifenklang
schmettert durch die glieder.
Schiller I, 231;
der gesang ist nachahmung durch töne einer durch kunst erfundenen oder durch natur eingegebenen tonleiter, sie werde nun durch stimmen oder instrumente dargestellt ... was ist das muster des musikers oder des gesanges? es ist die declamation, wenn das muster lebendig und empfindend ist; es ist der klang, wenn das muster unbelebt ist. man musz die declamation wie eine linie ansehen, und den gesang wie eine andre linie, die sich um die erste herschlängelt. je mehr diese declamation, muster des gesangs, stark und wahr ist, an je mehr puncten der gesang, der sich ihr gleichstellt, sie durchschneidet, desto schöner wird er sein. Göthe 36, 107 (Rameaus neffe); der gesang eines mehrstimmigen stückes ist die melodie, ein stück hat viel gesang (das gegentheil wenig oder keinen gesang), wenn der gang desselben angenehm, leicht und flieszend ist. Campe.
δ)
in bildlicher verwendung, von dem heimlichen zuge der liebesneigung und sehnsucht: ich dachte an nichts als an den heimlichen gesang, der von ihm zu mir klingt. Freytag werke 13, 155; viel gesanges machen, viel wesens, aufhebens, rühmens: hernachmals ist dis buch in der römischen kirchen also hoch und schon (schön) gehalten, das freilich kaum aus einem buch in der schrifft so viel gesanges gemacht ist als aus diesem. Luther vorrede auf die weish. Sal. bei Bindseil 7, 415; besser der weisen schelten als der narren gesang (lobsingen). Henisch 1529; ironisch: einen mit gesang holen, mit schelten und schlägen. Albrecht Leipz. mundart 121ᵇ, vgl. heim geigen sp. 2577.
ε)
in der älteren musik, der zusammenklang harmonischer töne, der accord: gesangk von funff donen oder seiten, diapente, gesangk von zehen donen, diapason, gesangk von vier donen, diatesseron voc. 1482 m 3ᵇ; die note: gesang, neuma voc. inc. teut. i 2ᵃ. Dief. 379ᵇ; gesanck oder munchlicht zaichen, neuma voc. 1482 m 1ᵇ.
b)
gesang der musikinstrumente, die von ihnen ertönende musik, besonders die wolgefällige, melodienhafte, vgl. a, γ: gesang auff instrumenten, die wol zesamen gericht oder gestimpt sind, symphoniae cantus Maaler 171ᵇ; gsang von fryer stimm oder ausz instrumenten. 194ᵈ; vorgesanck, preambulum Dief. nov. gloss. 300ᵃ;
und aller seitenspil gesanc.
Heinr. v. Neustadt gottes zukunft 8185;
Orpheus, von dem sagen die poeten, das durch sein süszes gesang der leiren die höltzer und wälde, die stain und perg gangen sein und nachgevolget haben. Albr. v. Eyb spieg. d. sitt. (1511) vorr. 5ᵇ; die todten werden in einem augenblick und im gesang der busaunen unersterblich auffstehn. Karlstadt sermon vom stand der christglaubigen seelen a 3; ihr solls dünken, sie höre den gesang der flöten. Geszner bei Adelung.
c)
sphärenmusik, harmonie der sphären, nach der ansicht des Pythagoras die durch die bewegung der himmelskörper entstehende himmlische musik:
der monde heilgen gang,
welche still gemessen schreiten
im melodischen gesang.
Schiller XI, 294 (eleus. fest 57);
die sonne tönt nach alter weîse
in brudersphären wettgesang.
Göthe 12, 21 (Faust 244 Weim.).
d)
gesang von singvögeln, vgl. nachtigallen-, lerchen-, vogelgesang:
vogel die hellen und die besten,
al des meigen zît si wegent mit gesange ir kint.
Wolfram lieder 7, 20;
die wunnsame zeit des maien, (wo) die vögelein ir gesang mit tenoriren, discantiren und burdaumen (in tiefen tönen singen, wie der bordone, der begleitende brummbasz) füren, schlahen und harpffen. Albr. v. Eyb spiegel d. sitten vorr. 3ᵃ;
ain nachtgall singet susz gesank.
Behaim Wiener 49, 29;
darauff sich hebt das nachtgal gsanck.
H. Sachs 4, 159 Göz
ein dickes gesträuch, da ich das gesang der nachtigallen hören kunte. Simpl. 1, 1, 5, 22; das (nachtigall-) männchen hat ein sehr starkes schmetterndes gesang, welches man schlag nennt. Oken 7, 36; fast jede nachtigall wechselt ihren gesang 37;
selbst philomele, die liedergöttinn,
musz deinem (lerche) langen gesange weichen.
denn ach! der liebe, der sehnsucht klagen
in philomelens gesang ersterben.
Herder lit. 15, 11;
nur der lerche gesang wirbelt in heiterer luft.
Schiller XI, 83 (spazierg. v. 19);
der reiszstaar, emberiza oryzivora. sein gefieder ist schön, das gesang sehr musikalisch. Oken 7, 312; gebirgswaldungen, wo sie (singdrossel) den ganzen sommer morgens und abends ihr angenehmes gesang erschallen läszt. 58; (das witwäldlein, der pfingstvogel) hüpfet sein kurzes trauriges gesang immerdar wiederholend in den stauden und auf den bäumen herum. Frommann 7, 99 (von 1768); der fuchs sprach, wie der schwan ain süszer gesange füret dann er (rabe) thet. Albr. v. Eyb spiegel d. sitten vorr. 5ᵃ;
süszen gesang hebt an mit gemach absterbender zunge
selber der schwan, wenn er trauert um eigenen tod.
Willmann Martial 13, 77;
vom gesang der lockvögel: der vogelsteller locket die vögel mit dem gesang der lockvögel, welche theils auff dem heerd lauffen, theils in kefiche eingeschlossen sind. Comenius orb. pict. 1, 107; süszer gesang hat manchen vogel betrogen. Henisch 1529, vgl. unten nr. 3; sprichwörtlich: ein fogel, man kennet ihn bei seinem gesang und feddern. Luther auf des bocks antwort (1521) a 2ᵃ; den vogel kennt man am gesang, den hafen am klang. Lehmann flor. 1, 932, 3; im haffen der clang, in dem vogel das gesang. S. Frank parad. 32;
am gsang hört man zu aller frist,
was es für ein vogel ist.
Eyering 1, 89;
man hört am gesang, was vogels er ist. Henisch 1529;
wie der alten gesang, so der jungen gezwitscher.
Voss Luise 1, 520;
du bist nur ein gesang und sonsten nichts, vox es, praeterea nihil, Lacon quidam ad lusciniam Henisch 1528.
e)
von anderen vögeln, schrei, ruf, vgl. hahnen-, rabengesang: hastu gegleubet an fogelgesank (als gegenstand des aberglaubens). Geffken bilderkatech. beil. 99, vgl. Wuttke volksabergl. § 161 fg.; der han hât die art, wenn er singen wil, sô sleht er die flügel zesamen. er hât auch die art, daʒ er diu pfert sänftigt mit seinem gesang des nahts. Megenberg 192, 17; des hanen gesang. Schuppius 773;
des haushahns nüchterner gesang.
J. G. Jacobi werke (1825) 1, 292;
clangor, der gens gesang Alb. c 1ᵃ; der widhopf hât neur ain gesank und ain stimm, wan er singet neur hoz hoz hoz, sam der gauch singt guck guck. Megenberg 228, 7; vil und lang, macht dem guckguck kein gut gesang. Henisch 1528; man sagt vom pfauwe, dasz er hab ein engelisch gewand, ein diebischen gang und teufelischen gesang. Luther tischr. 277ᵇ; corvina vox, rappen gesang. Melber e 6ᵃ, bildlich: aber der garstigen weiszen raben einer in Deudschland hat solchen rabengesang heraus gekrötzt. Luther 1, 104ᵃ; die emsigkeit .. singet nicht den gesang der raben, welcher immer ruffet: cras, cras, das ist morgen, morgen. Comenius orb. pict. 1, 231;
manche schreiende eule und mancher wahrsagende kibitz
forderten leichen vom dorf, ein süszer gesang für den cantor.
Zachariä der phaeton 3, 29.
f)
von anderen thieren, geschrei:
dar nâch huob er (esel) ein gesanc,
daʒ vil gar der walt erhal.
Thomasin wälscher gast 13266;
die frösch haben einen englischen gesang (als boten des sommers), die lerchen einen teufelischen. dann die lerche singt auch wol, wann es kalt ist, da die frösche nur singen, wann es warm ist. Henisch 1262, 6, vgl. froschgesang; unkengesang Platen 4, 143; im sommer fing ich feldgrillen und satzte sie fein heimlich in die schule, die uns ein lieblich gesang machten. Simpl. 1, 426, 4 Kurz; dem gesang der grillen zuhören. Wieland 8, 18; die cicaden haben sich schon im frühesten alterthum bemerklich gemacht, .. vorzüglich durch ihr gesang, welches sie am mittelmeer während der ärnte hören lassen. Oken 5, 1584.
g)
von leblosen dingen, die einen singenden, summenden, knarrenden ton von sich geben:
daʒ die pettstat was ze chranch
und hiet getan daʒ best gesanch.
Wittenweiler ring 188, 28;
er höret der trometen klang,
der kuglen fliegendes gesang.
Weckherlin 346 (od. 1, 1);
gesang des theekessels, des topfes im ofen; gesang oder musik der wolle, das knistern, welches beim abspinnen spröder, harter wolle gehört wird. Körte schafzucht (1863) 29.
2)
etwas gesungenes oder zum singen bestimmtes.
a)
das gesungene gedicht, lied: sie singent ouch einen sundern gesanc. Berthold v. Regensb. 1, 336, 37; in den selben geziten begunste meister Clingesor zu Wartperg uff dem mushuse zu studiren (wetteifern) behendiclich met Wolframe von Eschinbach umbe di meisterschaft der getichte unde gesenge. Ködiz h. Ludw. 11, 31; dann sie (Germanen) auch solche gesäng oder lieder haben, mit welcher gethön oder schall, welchen sie barritum nennen, (sie) die gemüter anzünden und bewegen. Micyllus Tacitus (1535) 438ᵇ, übersetzung von Germania c. 3; er (Karl d. gr.) hat auch die teutschen gesänge von den alten helden der Teutschen gemacht zusammen lassen in ein buch bringen und hat jr auch etliche selbst gesetzt. Aventin. 337ᵇ; Phemi, du kanst vil schöne liebliche gedicht oder gesäng von den göttern und menschen. Schaidenreiszer Odyss. 4ᵃ; wie der götlich poet und tichter von der irrigen widerfart der Kriechen thet singen, welcher gesang gar bisz in den gemach oder frawenzimmer Penelope erklungen. ebenda; viel guter lieder und geseng, beide latinisch und deudsch. Luther von der winkelmesse (1533) G 2ᵃ; der gesänge, lieder und reimen gebrauchen. Spangenberg musica 162; wie Moses zeuget in seinem gesang. 2 Macc. 7, 6; der gesang der dreien menner im fewr. überschrift eines apokryph. buches; angenehm ware das gesang Deborae und Barac, nachdem sie den sieg erhalten. Conlin (1708) 3, 299;
vil wolten gern durch ein gesang
jhr, mir gestolne, kunst erzaigen.
Weckherlin 356 (od. 1, 2);
wann man ein gesang für ein meisterlied auszgibt. Spangenberg musica 165; so kommen etlich handtwerksgesellen fur das haus und sangen umb das guet jar, wie gepreuchlich .. derhalben (da sie nichts erhielten) die an der gassen nach unnutzer leut geprauch das gesang umbkerten (ins spöttische verkehrten) und sangen under andern worten:
so wellen wir von hinnen gan
und euch allen ain speck zue der letzin (zum abschied) lan!
Zimmer. chron. 4, 43, 23;
Pindar setzte seinen gesang über statuenlob und schöne. Herder vom erkennen und empfinden (1778) 102; die poesie (kann) mit musik im gesange, dieser aber zugleich mit malerischer (theatralischer) darstellung in einer oper .. verbunden werden. Kant 7, 189; der gesang kommt mit seiner musick, die seele zu schmelzen und zu vergnügen. d. j. Göthe 1, 282; die gesänge von Selma (aus Ossian). 277
und tief bewegten gesänge
des herzens innigsten grund.
werke 1, 104;
zum kampf der wagen und gesänge,
der auf Corinthus landesenge
der Griechen stämme froh vereint.
Schiller XI, 240 (kraniche v. 1).
α)
nach seiner eigenschaft: ein gutes gesang wischt den staub vom herzen. Lehman flor. 1, 233; eines betrüebten hertzen gebet ist das lieblichste gesang in gottes ohren. Henisch 1529; wann man gahr ein liebliches holdtseliges gesang gehört, (hat) man gesagt, das ist ein recht lesbisch oder Terpandrisch liedt. Spangenberg musica 73;
sie (muse) nahm ihm (sänger) die augen und gab ihm süsze gesänge.
Voss Odyss. 8, 64;
hirten oder peürisch gesang. wüst, üppig und unverschampt gesang. traurig und klägklich gesang, lugubres cantus. Maaler 171ᵇ; jenes alte gesang 'non musae mulae, nostraque fama fames'. Schuppius 704;
der neuste gesang erhält vor allen gesängen
immer das lauteste lob der aufmerksamen versammlung.
Voss Odyss. 1, 351.
β)
nach seinem inhalt und zweck, z. b.: lyrischer gesang, heldengesang sp. 3798 und th. 4², 938; gesangk von der lieb. gesangk der weiber so si die kind stillen, nenia uno modo fescennine voc. inc. teut. i 2ᵇ; tafel-, tischgesang th. 11, 515: wie ein rubin in feinem golde leucht, also zieret ein gesang das mahl. Sirach 32, 7; war das gesang des truncks bester gesell. Philander 2, 655; das holdselige frülings-gesang. Hohberg 1, 194ᵇ; hochzeitgesang, epithalamium Henisch 1528, s. th. 4², 1644; der kinder-, bulen-, meister-, weihnacht-, trauergesang Stieler 2030; gesangk das man thuet uber dy toten, nenia. voc. inc. teut. i 2ᵇ; bei dem begrebnis das deudsche gesang 'mitten in dem leben' singen lassen. Luther 7, 18ᵇ; christliche geseng lateinisch und deudsch zum begrebnis, von Luther, Wittenb. 1542, vgl.grab-, leichengesang; gesang aus einem oratorium: sie sang aus Haydns schöpfung. der fels schien sich aufzubewegen durch die kraft des heiligen gesanges. Arnim Hollins liebel. 51; ein geistlicher oder kirchengesang th. 5, 802: die erhabensten lieder (der Hebräer) waren gesänge des tempels. Herder zur relig. 3, 32; gesangk da mit man antwurt, responsorium. voc. inc. teut. i 2ᵇ; item des jars pfintztag vor mitervasten (7. märz 1499) da hub man an das gesank vom olperg oder angst Cristi, das man all pfintztag nach dem salve in der capeln Marie singet. stiftet Pauls Volkumer, losung herr. städtechron. 10, 603, 19; ein enchiridion oder handbuchlein ... zur steter ubung und trachtung geistlicher gesenge und psalmen, Erfurt 1524; geistliche gesenge, so man itzt (gott zu lob) in der kirchen singt, Wittenberg 1525; würden sie doch nicht alle mit singen oder das gesang verstehen. Melanchthon 1, 719 Bretschn.; das teutsch gesang so in der mesz gesungen würdt zuͦ nutz und guͦt den jungen kindern gedruckt. buchtitel 1525 (das teutsch gesange etc. Nürnberg 1528); das lutherisch gesang 'es wöll uns gott genädig sein'. (Fischart) geistl. practica 38ᵇ; so hat man auch vor zeiten die concilia und synodos mit einem geistlichen gesang veni sante spiritus oder dergleichen angefangen. Spangenberg musica 12; welches gesang hörest du, catholischer, zum liebsten? 'Christ ist erstanden.' Abele gerichtsh. 2, 293;
ihr chöre singt den tröstlichen gesang ('Christ ist erstanden'),
der einst, um grabes nacht, von engelslippen klang.
Göthe 12, 44 (Faust 746 Weim.);
schwäb.-elsäsz. das gesang, kirchenlied, geistliches lied aus dem gesangbuch Schmid 447. Arnold pfingstmont. 11; in der engsten bedeutung ist der gesang oder die hymne eine geistliche ode an gott, da sie noch von andern geistlichen liedern unterschieden wird. Adelung.
γ)
vor erfindung der schrift als mittel der verewigung: der gesang war damals das einzige natürliche mittel, alles, woran der nation zu viel gelegen war, als dasz es vergessen werden sollte, von den vätern auf die kinder fortzupflanzen. Hagedorn 2, 203; wie dann die uhralten Teutschen, ehe sie noch schreiben und lesen können, ihre gesetz und rechte, auch ihren glauben und religion in kurze runde vers, reimen und gesang gefasset gehabt, welche man in gastereien und anderen zusammenkunften gesungen. Spangenberg musica 29; unser erster künig und vater Tuitsch gab landsordnung, verfaszts in reimen und lieder, hiesz si offenlich singen, damits nit in vergessen käm .. solche gesang und lieder haisz wir noch 'gesetz' wie auch die Kriechen 'nomous', und dergleichen singen wir noch in unser sprach offenlich in der kirchen die zehen pot. Aventin. 4, 76, 27 Lexer; du hast keinen sohn hinterlassen, aber der gesang soll deinen nahmen erhalten. d. j. Göthe 1, 282; inhalt, gegenstand des gesangs:
dasz wir hinfort auch
bleiben umher ein gesang der kommenden menschengeschlechter.
Voss Il. 6, 358
(ruchtbar sein im gesange der k. enkelgeschlechter
ausg. von 1806);
weit in Achaia
wird schallen sein ruhm, ein gesang der spätesten enkel.
Odyss. 3, 204.
b)
das gesprochene oder geschriebene gedicht, wobei denn vom singen ganz abgesehen ist, und doch wie bei lied klingt noch das singen mit nach: wie auch etliche auff gesterckte leinwad, servetlen und facenetlein gesang gedruckt haben. Mathesius Sarepta 106ᵃ;
doch ende bald, Thalia, den gesang:
kein mährchen schickt sich gar zu lang.
Hagedorn 2, 107;
jüngling, der du oft einsam auf gesänge sinnest! komm, ich will dir zeigen, was du besingen sollst. Bronner fischerged. (1787) 7; die liebe, mit welcher der achtungswerthere theil der nation meine letzten gesänge aufnahm. J. G. Jacobi sämtl. werke (1825) 1, 171; auch sollen unserm Schiller die besten gesänge und schauspiele bei nächtlicher stille aus der begeisterten seele geflossen sein. 1, 130;
so wird der prächtige frühling
mit lust durch meine gesänge gerühmt.
Uz 17 Sauer.
c)
die dichtkunst, die poesie, ursprünglich im innigen bunde mit der sangeskunst:
der hocherlaucht poet Hans Sachs
war des gesanges kunst ein schöne zir.
Dresdner handschr. M 16 bl. 177 (ende des 16. jh.);
der weitberümpte poet und singer Demodocus, welchen die göttin des gesangs fürnemlich lieb hett, .. die göttin Calliope. Schaidenreiszer 30ᵃ;
ihm schenkte des gesanges gabe,
der lieder süszen mund Apoll.
Schiller XI, 240 (kraniche v. 7);
singe, wem gesang gegeben,
in dem deutschen dichterwald!
Uhland ged. 54;
gesang und liebe in schönem verein
sie erhalten dem leben den jugendschein.
Schiller XI, 367 (die vier weltalter 72);
so waren die worte der barden in den tagen des gesangs, da der könig den klang der harfen hörte und die geschichte vergangener zeiten. d. j. Göthe 1, 285; Alpin, du sohn des gesangs. 280; die söhne des gesangs sind zur ruhe gegangen. 285, vgl. in anderem, nur musikalischem sinne alle töchter des gesangs. pred. Sal. 12, 4;
freiheit ist nur in dem reich der träume,
und das schöne blüht nur im gesang.
Schiller XI, 333 (antritt des neuen jahrh.);
was unsterblich im gesang soll leben,
musz im leben untergehn.
XI, 7 (götter Griechenlands 128);
spät erklingt, was früh erklang,
glück und unglück wird gesang.
Göthe 1, 9 (motto zu den liedern).
d)
theil oder abschnitt eines gröszeren epischen gedichts, rhapsodie, 'ein gebrauch, welchen die italienischen dichter zuerst aufgebracht haben' Adelung (canto schon bei Dante als unterabtheilung der drei theile, cantica, seiner commedia); durch übersetzungen ihrer werke wurde er in Deutschland eingeführt, Dietr. v. d. Werder veröffentlichte 1626 Tassos Gottfried von Bulljon oder das erlösete Jerusalem in 20 gesängen (als überschrift der erste gesang u. s. w.), 1632 drei gesänge vom rasenden Rolando aus dem italianischen poeten Ariosto; danach theilte Klopstock seinen Messias, Göthe den Reineke fuchs und die Achilleis, Voss (1781) und ihm folgend Bürger (1784) ihre Homerübersetzungen in gesänge ein, während letzterer bei der ersten veröffentlichung im teutschen Merkur von 1776 Homers Iliade, fünfte und sechste rhapsodie, die alten übersetzer dagegen, Schaidenreiszer 1537 die Odyssea, Spreng 1610 die Ilias Homeri in je 24 büchern herausgegeben hatten.
e)
bildlich, von der rede: Weislingen. ihr seid bitter. Adelheid. es ist die antistrophe von eurem gesang. Göthe 8, 72;
Triefnas der lag auf der bank.
ach und we daʒ was sein gsank.
Wittenweiler ring 44, 39;
'nein, wirt, wir liegen auch gern lang.'
ich ker mich nichts an das gesang:
bar gelt her, wirt die losung sein.
Peter Lewe 116 (weim. jahrb. 6, 428);
besonders die rede, die stets wiederholt wird, wie das alte lied th. 6, 984: allzeit ein gesang (eandem cantilenam) singen wie der kuckuck. Henisch 1528:
entbehren sollst du! sollst entbehren!
das ist der ewige gesang,
der jedem an die ohren klingt,
den, unser ganzes leben lang,
uns heiser jede stunde singt.
Göthe 12, 80 (Faust 1550 Weim.).
3)
der gesang, bei den vogelstellern der singende lockvogel, s. oben 1, d und gelock sp. 3049.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1892), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 3796, Z. 36.

gesengen, gesenger

gesengen, gesenger,
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1893), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4068, Z. 47.

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„gesengen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gesengen>.

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