Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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gesicht, n.

gesicht, n.,
unverkürzt gesichte.
I.
Formen.
1)
geschlecht. das neutr. ist erst seit dem 13. jh. nachweisbar im md. daʒ gesichte, gesicht (Hermann v. Fritzlar in myst. 1, 74, 19. 138, 32. Marienleg. 141, 91. pass. 91, 26 H.), dafür ahd. das fem. kasiht, kisiht, gisiht, visus, adspectus, conspectus, facies, verstärkung von diu siht (s. sicht), ags. gesihđ, gesiehđ, mhd. diu gesiht, und im 16. jahrh. noch häufig in Oberdeutschland: die gesicht, das anluͦgen, visus, die gesicht von einem ding abwenden, dejicere oculos, lieber, gang mir nit ab der gesicht oder ab den augen. Maaler 174ᵈ;
von wägen diner scharpffen gsicht
solt heiszen luchs.
Ruff Adam u. Heva 853;
wiewol ich meiner gesicht beraubet bin. Steinhöwel (1487) 101ᵇ; die musculi an der gesycht. Gersdorf feldb. d. wundarzn. 1; so du nun gehört hast von bresten der augen, wil ich dir nun auch sagen von bresten und schedlichkeit der gesicht, wann die gesicht und die augen nit ein ding sint. Dryander arzn. (1542) 81; von einer gesicht (erscheinung) wegen. Keisersberg Marie himelf. 17ᶜ. mnd. entspricht das neutr. gesichte, mnl. ghesicht Kilian, nnl. gezicht, gezigt Kramer 1, 102ᶜ.
2)
von den pluralbildungen ist gesichte die ältere, edlere, jetzt nur in der bedeutung 'visionen' gebräuchlich, dagegen die jüngere, gesichter (Stieler 2023) heute der bedeutung 'antlitz, miene' ausschlieszlich angehört, aber dafür noch bei Klopstock:
sanfter rührender schmerz deckt ihre gesichte.
Mess. 3, 107, gesichter ausg. 1751;
wilde gesichte voll freude, gesichte von sorgender furcht voll.
4, 415, gesichter ausg. 1751,
und vereinzelt bei Göthe:
der mond erhellt die fichten,
und unsern gesichten
erscheinen die lichten,
die sternlein im thal.
11, 65;
(feuer) das um die gesichte
der todten spielt.
Herder z. lit. 8, 410.
im 16. jahrh. zum femin. auch der plural gesichten 'erscheinungen, göttliche offenbarungen': es seind gesichten. Keisersberg Marie himelfart 17ᶜ; gesichten, die einem zenacht in dem traum fürkommend. Maaler 175ᵃ; ain münch, dem von dem engel, sinem fürer, vil gesichten geoffnot worden syen. dise gesichten u. s. w. Oheim chr. 52, 27; selten zum neutr. in dieser bedeutung gesichter Francisci luftkreis 626. Rabener 1, 210, s. u.
3)
neben gesicht mhd. daʒ gesihene, gesichen, visus, und ahd. daʒ gisiuni, mhd. gesiune, visus, facies, jenes im hinblick auf das goth. saíhvan mit erhaltenem ch, dieses mit bewahrtem w-laut.
II.
Bedeutung und gebrauch.
1)
das sehen.
a)
allgemein: ahd. ecchert mit ôron gehôrendo gehôrta er mih, âne ougen gesiht. Notker ps. 17, 41 Wiener handschr.; gesicht der augen, visus. voc. inc. teut. i 4ᵃ; aber gottes wort und werck gehen nicht nach unser augen gesichte, sondern unbegreifflich aller vernunfft. Luther 3, 454ᵇ; so mügen sie von dem geruch oder gesicht satt werden. 1, 81ᵇ; niemand sihet, wo es jm selbs mangelt, sondern an einem andern sihet ers bald. wenn man nu solchem gesicht folget, so kömpt nichts anders draus, denn afterreden und richten unternander. 5, 430ᵃ.
b)
das sehvermögen, die sehkraft:
mhd. die gesiht muoʒ er verliesen.
Barlaam 39, 25;
im wart daʒ gesichte sîner ougen widder gegeben. Ködiz heil. Ludwig 72, 29; viel blinden schencket er das gesichte. Luc. 7, 21. 4, 18; dasz die lüt am gsicht abnemen, deszhalben man vil brillen bedarff. Eulenspiegel c. 63; abnemmende, blöde, schwache, kurtze gesicht Maaler 174ᵈ;
Eheson, der alt, sagt:
weil ich aber hab ein bösz gesicht,
untüglich bin zum regiment.
J. Ayrer trag. Thesei 242ᵇ;
Hippokrates, der ein kurzes gesicht und keine lorgnette hatte. Wieland 19, 211; das gesichte verderben. Schuppius 420; dasz er für ohnmacht zur erden sanck und ihm das gesicht verging. 2 Macc. 3, 27. ps. 69, 4; die sehr krancken sehen über sich, als wolten ihnen die augen brechen und das gesicht vergehen. gl. zu Jesaia 38, 14;
ich erkranke,
es vergeht mir das gesicht!
Göthe 11, 168. 24, 87;
welchem das blut sein gesicht verhindert. Amadis 24, 527;
und wirt din gsicht dunkel und schwer.
Gengenbach gouchm. 249;
schäden und mängel der augen und des gesichtes. Bartisch augendienst (1583) titel; alle fische, so grob und faul blut machen, sind dem gesichte schedlich. 255ᵇ u. ö.; solche temperierung der dicke (die verdickung der säulen nach oben zu) wird ihnen wegen der verlierung oder abstellung des gesichts in der höhe notwendig zugeeignet werden, damit man dem gesichte verlangter maszen begegne. Sandrart academie (1675) 1, 13; der gesichtssinn: daʒ gesicht, daʒ in den augen sitzet, gibt uns ze erkennen mêr ding denn kain ander auʒwendich sin. Megenberg 9, 12; der mensch hat an seinem gesichte, diesem zartesten sinne, den wachsamsten hüter wider die gefahren des lebens. Gellert 7, 25; die beiden edelsten sinne, gesicht und gehör. Hamann 7, 10; von thieren: der adelar hât gar ain starch scharpf gesiht. Megenberg 166, 9; ein feddermusz, die ein dunkel blöd gesicht hat. Keisersberg postill 3, 21ᵇ; die hasen haben überhaupt ein schwaches gesicht. Heppe jagdlust (1783) 1, 210.
c)
der blick: ain weip mit irm gesicht warf ain kämlein (kameel) in ainen graben. Megenberg 9, 32; sihe unser leibliche augen und gesichte an, wenn wir die augen auffthun, so ist unser gesichte in einem augenblick uber fünff oder sechs meile wegs und zugleich an allen orten, die in solchen sechs meilen sind gegenwertig, und ist doch nur ein gesichte, ein auge. kan das ein leiblich gesichte thun u. s. w. Luther 3, 458ᵃ; basilisk, der mit dem gesicht die leute vergifftet und tödtet. 8, 61ᵃ; er hat auch mit seinem gesicht die spinnen und alles unzifer bezwingen kinden (bezaubern können, so dasz sie still standen), zu zeiten hat er sie auch mit seinem gesicht getödt. Zimm. chron. 1, 481, 7; sein grosze lieb, das sy an seinem geperde und gesichte der augen wargenomen und erkant hette. Bocc. 419, 3 Keller; Lynceus hat so ein scharf gesicht gehabt, das er auch durch ein bret oder wandt sahe. S. Frank mor. encom. 50ᵃ;
und dein gesicht
kan die gedancken selbs durchsehen.
Weckherlin 38 (ps. 10, 16);
der begehrliche blick:
die vierdte thorheit (der Eva) war ihr üppig gesicht auff die früchte der wissenheit, die ihnen gott hatte verboten, wie man denn durch üppige gesicht in unzimliche begierde pfleget zu fallen.
buch d. liebe 292, 1;
David, der durch sein thöricht gesicht an der frauwen Uriels in den ehebruch und todtschlag kam.
ebenda.
d)
das innere schauen, der geistige blick: der grüen jasp (jaspis), der daʒ leipleich gesiht kreftigt, bedäutt den gelauben, der daʒ gaistleich gesiht sterkt. Megenberg 449, 14; diu selb tugent (temperantia) kreftigt leipleichʒ und gaistleichʒ gesiht. 18; der glaub ist desz inneren menschens gesicht und gewiszschafft, das er gewiser weisz dann das vor sein leiblichen augen stehet. S. Frank parad. 282ᵃ; aber wenn du das wort im glauben fassest, so kriegstu ein ander gesicht, das durch diesen tod hindurch kan sehen in die aufferstehung. Luther 6, 80ᵃ;
ach, schäme dich, mein geist, eröffne dein gesicht.
Brockes ird. vergn. 7, 217;
mein ganzes leben ging, vergangenes
und künftiges, in diesem augenblick
an meinem inneren gesicht vorüber.
Schiller XII, 248 (Wallenst. tod 2, 5);
wag es, die nebel, die dein gesichte verfälschen, abzuschütteln. Wieland 32, 397;
kurzsichtiger! dein gram hat dein gesicht vergället,
du siehst die dinge schwarz, gebrochen und verstellet.
Haller ged. 261;
geistiger gesichtskreis: der künstler wählt für das kurze gesicht der menschheit, die er belehren will, nicht für die scharfsichtige allmacht. Schiller III, 6 (Fiesko widm.); je kürzer die bahn oder auch das gesicht eines menschen ist, aus einem desto höhern tone pfeift er (desto stolzer tritt er auf), wenn er drei schritte darin gethan. J. Paul biogr. belust. 1, 127.
e)
das anschauen, der anblick: mhd.
swaʒ siechen er an siht, der ist genesen,
swem aber er daʒ gesiht
entseit, der mac genesen niht.
minnes. 2, 231ᵇ Bodmer;
mit rede und mit gesihte
wâren si (die liebenden) heinlîch under in.
Trist. 12394;
der leo fiebert auch von des menschen gesiht. Megenberg 145, 4; (leibesschäden der bettler) davon die swangern frawen durch gesicht schaden empfahen mochten. Nürnb. pol.-ordn. 318 Baader;
gesicht (geiler frauen) bringt bösz gedanck.
S. Brant narrensch. 92, 63;
da er (der hauptmann von Capernaum) das höret, das Christus selbs kompt, schickt er andere boten unter wegen, bittet und wehret 'o nein, was bin ich, das er sich bemühe selbs zu komen' .. das er sich auch unwerd achtet Christum zu sehen, und des gesichts gerne wil beraubt sein. Luther 6, 300ᵇ; die insel (Reichenau) ist wunnsam der ougen gsicht (dat.). Oheim 25, 28; daʒ die stuck (des speeres) inn luft sprutztend, so hoch, daʒ man die gsicht darab verlor (sie aus den augen verlor). Morgant 171, 37 Bachmann; in éinem gesicht würde ich alles sehen, uno in conspectu omnia viderem Aler 924ᵇ; einem das gesicht nicht günnen, alicujus aspectum aversari 924ᵃ;
selbst der fürst des tagesliechtes
würdigt uns kaum des gesichtes.
jemand nur von gesicht kennen, nur oberflächlich. Wander spr. 1, 1626; gesichts meiner, in meiner gegenwart. Schm.² 2, 247.
f)
das sehorgan, das auge, die augen: pupilla, gesicht Dief. 473ᵇ;
mhd. dîn ougen sint tûben gesiht.
Lamprecht v. Regensb. tochter Syon 2020;
daʒ gesiht ist vorn in dem haupt. Megenberg 9, 17; daʒ uns der regenpog schein, dar zuo gehœrnt diu dreu: diu sunn ain seit, daʒ geschickt riseln ander seit und daʒ gesiht ze mitlist. 100, 15;
und dem sein gesicht wee thet,
den kan ich erznei, das er erplintt.
fastn. sp. 752, 7;
das die kindlein wol schlafen mügen und ir gesicht von dem gelast der sunnen nit bekrenkt werden, so legt man sy an finster stett. Keisersberg granatapfel (1510) C 5ᵃ; schieszendes gesicht, augen die behende hin und wider gehen Henisch 1562;
jetzt helt sie züchtig ein ihr antlitz und gesicht,
jetzt thuts begierig sie und geil hin und her kehren.
D. v. d. Werder Gottfr. v. B. 4, 87;
das gesicht verkehren, die augen verdrehen Rädlein 372ᵇ;
ich wil itzt mein gesichte schlieszen
und mich nur dich alleine lassen führen.
Hoffmannswaldau getr. schäfer 89;
sie (die sterbende) reichte noch einmahl die starren lippen hin,
eröffnet ihr gesicht, zum theil bereits verzucket.
Besser 1, 376;
das gesicht empor heben oder erheben, oculos attollere Duez 193ᵇ; als nun Sigismunda genug geweinet het, hube sie auff ir gesichte. Albr. v. Eyb ehebüchl. 58, 19 Herrmann; das gesicht niederschlagen, oculos demittere Duez a. a. o.; Louise, das gesicht auf den boden geschlagen. Schiller III, 495 (kab. 5, 7); gehn musz er immer darnach (nach dem glück), aber sich nur hübsch in acht nehmen, wie ers gesicht trägt. 'was? wie ichs gesicht trage?' ja, herr Flau, wie ers gesicht trägt (ob er zu hoch hinauf oder zu tief herab blickt). Engel philos. f. d. w. 17; ein übersichtig gesicht, wann man das gesicht gantz nahe über ein ding halten musz dasselbig recht zu sehen, myopia Duez 193ᵇ; wo mich mein gesicht nicht betrügt. Frisch 2, 272ᵇ;
ich kan mir selbst nicht trauen,
ob mein gesichte hier den wahren zweck erkiest.
Hoffmannswaldau heldenbr. 67;
von thieren: curiöser tractat genannt das wieder gefundene gesicht der sonst blinden maulwürffe, von J. Thomasius, Dresden 1702; bildlich, das kalb ins gesicht schlagen, mit der wahrheit herausplatzen Ludwig 760, wie das kalb ins auge schlagen th. 5, 52. auch im plural von den sehorganen: Erasmus habe ins siebende jar blöde gesichte gehabt. Bartisch augend. C 4ᵃ; finster werden die gesicht. pred. Sal. 12, 3; der teufel äffe und blende den leuten nur also die gesichter und das gehör, dasz sie meinen etwas zu sehen oder zu hören. Francisci luftkreis 626;
die wand hat auch ein ohr, die winckel oft gesichter.
Günther 1020.
g)
in verbindung mit präpositionen, redewendungen, die sich zumeist nach den entsprechenden von auge th. 1, 791 fg. gebildet haben.
α)
unter das gesicht, wie mhd. under diu ougen: da sie (feinde) euch so nahe unter das gesicht kamen. Zinkgref apophth. 1, 241; in dieser (schifffahrt) kommt einem mancher widerwärtiger irregular wind unter das gesicht. Opel und Cohn 30 jähr. krieg 378 (von 1621);
kompt man ein andr unters gsicht,
hab ich mein lebtag gsehen nicht
mehr kriebeskrabs (unnötige umstände) ..
des bückens ist kein masz noch end.
wurmschneiden (1628);
dein weib wird dir die feigen unter das gesicht stoszen. Abele k. unordn. 1, 203; nachdem ihr gemahl mit ein wenig wein ihr unter das gesichte gesprützt hatte, erholte sie sich alsobald. med. maulaffe 17; ha! wem wag ichs unters gesicht zu treten? Göthe 10, 120; habt ihr gehört, was wir der gräfin alles unters gesicht gesagt haben. 15, 51. — unter dem gesicht, wie mhd. under (den) ougen: niemand kan sich selbst unter dem gesicht betrachten, wo er nicht den spiegel zu hülfe nimmt. Scriver Gotthold 277; sie sahe, wie grausam sie der jäger unter dem gesichte zugerichtet hatte. Jucundiss. 89; das sie eim underm gsicht verschwand. Fischart gl. schiff 128.
β)
vor (für) das gesicht, vor die augen: mhd.
geruoche rihten mînen wec
vür dîne gesiht, herre got.
Barlaam 377, 11;
und stells eim jeden fürs gesicht,
dasz er sein leben darnach richt.
Hellbach Grobianus (1572) 243ᵇ;
einem nicht vor das gesicht kommen wollen. Frisch 2, 272ᶜ;
dasz uns in Pluto grufft Alecto peitzsche nicht,
und Rhadamantus wir nicht kommen für gesicht.
vor (für) dem gesicht, vor den augen: also wil ich mich dahin bemühen, dasz du vor dem gesicht beider hauffen umbkommen solt. Amadis 1, 101 Keller; vor eurem gesicht, vestro in conspectu Aler 924ᵇ;
für aller welt gesicht.
Weckherlin 185 (ps. 74, 11).
γ)
an die gesicht stellen, in aspectum lucemque proferre Maaler 174ᵈ; mhd. an ir gesicht, vor ihren augen Boner edelst. 54, 27.
δ)
zu gesicht, mhd. ze gesiht, auch im plur. ze gesihten, vor augen, angesichts, wie zu augen theil 1, 796:
ze gesiht wol funfzig manne (gen.)
und zweier sîner kinde.
Ottokar östr. reimchron. 33655 Seemüller;
ze gesihten des herzogen.
82396;
iʒ was z'aller liute gesiht
beidiu ûʒsetzic unde vergiht
ein jüngelinc.
Lampr. v. Regensb. Francisken leben 4742;
das er zuͦ himel fuͦr zu der gesicht seiner jünger. Stumpf 4, cap. 50 (aus einem glaubensbekenntnis des 13. jahrh.); almosen geben zu rum und zu gesicht (dasz es die leute sehen sollen). cod. germ. mon. 713, f. 21 bei Schm.² 2, 247. Eschenburg denkm. 404; die personen (der aufzuführenden komödie wurden) herfür zuͦ gesichte des volckes gelassen. Albr. v. Eyb spiegel d. sitt. vorr. 4ᵃ; des rats mandat wider das zutrinken, zu München auf der trinkstuben zu offnen gesicht aufzeschlahen befohlen. Schm.² 2, 247 (von 1532); darum bin ich des entschlossen, jme zu gesicht (vor seinen augen) den hertzog Reicharten thun hencken. Aimon A 3. — zu gesicht kommen, bekommen, kriegen u. s. w.: ahd. ze gesihte chomen, wie ze ougon chomen (Notker ps. 34, 21);
mhd. ê du mir
zu gesichte kumen bis.
dasz mir under den neün göttinnen der freien künsten keine nie zuͦ gesicht kam. J. Wickram widm. zu Ovid bei Haupt 8, 399; anfänglichs, wie sie einander zu gesicht kamen, erstummeten sie ab einander. buch der liebe 192, 2; diejenigen, denen die schrift erst jetzt zu gesichte kommt. Wieland 29, 5; seemännisch, land zu gesicht bekommen, entdecken oder gewahr werden Bobrik 314ᵇ; möchtest du doch diese quintessenz des männlichen geschlechts zu gesicht kriegen. Göthe 8, 72; wenn ich den federfuchser zu gesichte krieg. Schiller III, 365 (kab. 1, 2); mhd.
nu bringtʒ iu alleʒ ze gesihte
swes der mensche bedarf ze ihte.
warnung 1961, Haupts zeitschr. 1, 492;
der maler Timanthes hatte des Agamemnons angesichte bedeckt und verhüllt gebildet, als er ihn bei der aufopferung seiner tochter fürgestellet, zu bedeuten, das keine kunstfarbe zu finden, welche die traurigkeit eines vaters über seines kindes tod eigentlich zu gesichte (zur anschauung) solte bringen können. Butschky Pathmos 340; wo dieses alles auch dem stumpfesten auge übersehbar zu gesichte liegt. Schiller II, 341. — einem zu gesichte stehen, gut oder schlecht anstehen, passen: mach es von hoflichen varben, das stet wol czu gesichte. küchenmeist. a 5; Schlosser, dem ein gewisser ernst gar wohl zu gesicht stand. Göthe 26, 159; die puffen stehn gut zu gesicht. 13, 55; der schlafrock stand mir schön zu gesichte. Eichendorff taugenichts 19; es würde mir schlecht zu gesichte gestanden haben, über die so zuverlässige unterscheidungskraft seines geschmacks zu spotten. Thümmel reise (1794) 3, 261.
ε)
in das, ins gesicht, in oder vor die augen: ahd.
thie engila zi himile   flugun singente;
in gisiht frôno   thar zâmun se scôno.
Otfrid 1, 12, 34;
wenn wir hinüber komen zu den leuten und inen ins gesicht komen. 1 Sam. 14, 8. 11; ich gieng selten aus, und die hohe schul kam mir nicht viel ins gesichte. A. Gryphius (1698) 1, 856; von dessen arbeit mir aber nichts ins gesichte kommen. Hoffmannswaldau vorr.;
nichts konte mich so sehr in meinem hertzen kräncken,
als wenn dein bildnüsz mir in mein gesichte kam.
heldenbr. 68;
da er ihn (den könig) ins gesicht bekam, beugte und neigte er sich zur erden. pers. baumg. 6, 8; land ins gesicht kriegen. H. Staden 102 Stark; als ihr ihre kinder ins gesicht gebracht (vor augen geführt) wurden. Zinkgref apophth. 3, 439; warumb legen die höcker ein höltzern käsz, als wäre er ein rechter, dem vorübergehenden in das gesichte? Schuppius 543;
es soll ein solch geschlecht euch an der seiten stehen,
das euch mit lieb und lust wird ins gesichte gehen.
Mühlpforth hochz. (1686) 5;
jemand ins gesicht gehen, stehen, treten, geradaus entgegen: dem feindt ins gesicht gehen. Schwartzkopf Herodot (1593) 178; diese wunden habe ich von meinem feind empfangen, als ich ihm recht in das gesicht (auge in auge gegenüber) stund. Zinkgref apophth. 3, 150; einem ins gesicht widerstehen, obsistere coram Frisch 2, 272ᶜ; die schoszsünde des volks, der geiz, die Lykurgus durch das verbot des gemünzten goldes und silbers ins gesicht bestritten hatte. Niebuhr 3, 316;
und trat ihr ins gesicht auf offentlichen wegen.
A. Gryphius (1698) 1, 200;
gewohnt, dem tode ins gesicht zu treten.
Körner 333 (Zriny 1, 4).
ins gesicht fallen, wie in die augen fallen, auffallen, sofort bemerkt werden: gleichwie nun auf der reise viel schöne sachen in unser gesichte fallen. Chr. Weise kl. leute 269; ich solt ihm bald ins gesicht fallen. Aler 924ᵃ; dadurch verhinderte ich, dasz ihnen dieser fensterladen nicht sogleich ins gesicht fiel. Schiller IV, 227;
mir fielen (am triumphwagen Amors) ..
Asiens bezwinger ins gesicht.
E. v. Kleist 1, 114;
es fällt schön, gut ins gesicht, sieht schön, gut aus Rädlein 373ᵃ. Adelung; offenbar sein, wie in die augen fallen oder springen: das zweite ist eine alberne, nicht zu lösende aufgabe, wie jedem gleich ins gesicht fällt. Göthe 54, 54;
der übelstand springt jedem ins gesicht.
Wieland n. Amad. 3, 2, ist offenbar erste ausg.;
ins gesicht fassen, wie ins auge fassen, eigentlich als ziel des schützen oder des schlagenden kriegers, dann scharf und genau anblicken, contemplando imaginem alicujus suo animo imprimere Aler 924ᵃ; läszt es (das schwert) aber, wie sie ihn ins gesicht faszt, schnell wieder sinken. Schiller XIII, 280 (jungfr. v. Orl. 3, 10). — ins gesicht kaufen, gegensatz ins gewicht, wie nach dem gesicht (sp. 4092), nach augenmasz Schm.² 2, 247. wendungen, in denen wir jetzt mehr die bedeutung 'antlitz' empfinden, wie ins gesicht sagen, loben, schmeicheln, lachen, gegensatz im oder hinterm rücken:
in eyr gesicht sag ich für wor.
Gengenbach Nollh. 164;
und sagte ihm ins gesichte, er sei ein alter melancholischer lemmel. Schuppius 474, ins angesichte ausg. 1719; hatte nicht einer von ihnen dem könige mit der unverschämtesten dreistigkeit ins gesicht zu sagen gewagt. Schiller IX, 370; Wilhelm dachte allerlei bei sich selbst, was er jedoch dem guten menschen nicht ins gesicht sagen wollte. Göthe 18, 79. 7, 84;
ich sags euch geistern ins gesicht,
den geistesdespotismus leid ich nicht.
12, 217 (Faust 4165 Weim.);
gestehst du mirs aber ins gesicht.
2, 262;
man hat mir, nicht gerade ins gesicht, aber doch wohl im rücken den vorwurf gemacht. 17, 187; ins gesicht publicieren. 24, 249; mein mann untersteht sich mir ins gesicht zu behaupten .. Schiller XI V, 158;
ob wol auch die Phillis nicht
lobet mich in mein gesicht,
brenn ich doch umb sie zu werben.
Weckherlin 403 (od. 1, 21, 7);
es ist nicht löblich, einen loben ins gesichte.
ja; viel minder ist es löblich, das man einen rücklings richte.
Logau 2, 9, 74, auch im dativ
es lobt mich im gesicht, es schändet mich im rücken.
1, 1, 9;
du schmähst mich hinterrücks? ...
du lobst mich ins gesicht?
Lessing 1, 11. 254;
ich pries sie ins schöne gesicht. J. Paul biogr. belust. 1, 145; eben als wenn ich ihm meine liebe, mein lob nicht geradezu ins gesicht aufdringen wollte. Göthe 19, 106; wie man mir (höhnisch) ins gesicht lachte. 36, 90. 19, 57; ist einer grob, so sind sie (Russen) ins gesicht artig und mausen ihm das seine hinter seinem rücken. Freytag werke 13, 179. im gesicht: ahd. in sînero gesihte, in conspectu ejus. Notker ps. 79, 10; (der auferstandene Jesus spricht)
ioh theih faru in rihti   in sînes selb (gottes) gisihti.
Otfrid 5, 7, 61;
ja ewer (weil ihr in gesicht)
vergisz ich nicht.
weil ihr mir in gesicht.
oden 2, 28, 4 Fischer;
so musz ich fallen in des feindes hand,
das nahe rettungsufer im gesichte!
Schiller XIV, 277 (Tell 1, 1);
einem im gesicht sitzen, seder' in prospettiva di uno. Krämer 549ᵃ;
(deine hungernden kinder)
die schmächtig und halb todt dir im gesichte gehn.
Opitz 3, 36;
nachdem die Schweden die schanze an der wolfsbrücke, unfern von Wien, erstiegen, stehen sie endlich im gesicht dieser kaiserstadt. Schiller VIII, 401; neun tage lang standen beide armeen einander, einen musketenschusz weit, im gesichte. 325. 271; zehn schiffe segelten vorbei im gesicht dieses havens. Ludwig 760; im gesicht des feindes über einen flusz gehen. wenn zwei flotten einander im gesicht bleiben. Adelung;
wenn auch nicht bleiben, im gesicht euch bleiben —
doch hier im nebenzimmer.
Lessing 2, 271 (Nathan 3, 4);
etwas im gesicht haben oder halten, wie im auge haben: eine andere seite im gesichte haben, heiszt deswegen noch nicht irren. Creuz oden (1769) 2, 177; Ferguson hat ein solches experiment im gesichte gehabt, da er sagte .. Wieland 14, 236; eh ich meinem gegentheil, der mich auch wol im gesicht hielt, das weisze in augen sehen konte. Simpl. 1, 281, 29 Kurz; die hunde ihn (hirsch) für und für im gesicht behalten. Fouilloux jägerb. (1626) 30; meinetwegen mag der junge mittreiben, wenn ich ihn nur immer im gesicht behalte. J. Paul uns. loge 1, 62.
ζ)
aus dem gesicht, wie aus den augen: mhd.
unz er kam vür diu gezelt
ûʒ ir gesihte an daʒ velt.
Iwein 3230;
sei er verschwunden und den leuten ausz dem gesicht kommen. Schwartzkopf Herodot (1593) 181; gestern morgen ist mir der rest von meiner frau vollends aus dem gesichte gekommen. Lessing 12, 500; ist Mercurius in dem groszen wald wider ausz meinem gesicht verschwunden. Schaidenreiszer 43ᵇ; da ist kain wild so resch oder geschwind, welches diser hund ausz seinem gesicht hett lassen entwerden. 73ᵃ; geh mir aus dem gesicht! Frisch 2, 272ᶜ; in einer ode (ist mit der rede) zwar hoch, aber nicht aus dem gesichte zu steigen. Wernikens poet. vers. 50 Bodmer; ich lasz das nicht aus dem gesicht. Aler 924ᵇ; wir verloren das boot aus dem gesichte. Chamisso 1, 268; wenn er nur gott (wie man sagt) aus dem gesichte, das heiszt aus Palästina wäre. Göthe 33, 99.
η)
nach gesicht, nach genommenem augenschein: mhd.
ich kan dis sach gerichten nicht
nâch iuwer rede, wan nâch gesicht.
Boner edelst. 71, 36;
nach dem gesicht, nach augenmasz, gegensatz nach dem gewicht: neher (billiger) mag man sie (lachse) wol geben, es sige mit dem pfunt oder noch dem gesieht. Straszb. verordn. 222 Brucker (von 1478); kühwürste ungewegen nach dem gesicht verkaufen. Nürnb. pol.- ordn. 236, nach den augen 274; nach dem gesicht kauffen. Krämer 549ᵇ; scherzhaft, mit umdeutung auf das schöne angesicht: bruder, ich hab nach dem gesicht geheurath, du must dich nach dem gewicht verehlichen. Abele k. unordn. 4, 421; nicht nach dem gesichte, sondern nach dem gewichte geehelicht. Leyermatzs lustiger corresp.-geist (1668) 230. — nach seinem gesicht richten, nach seinen augen: wer glücklicher sein will (im ringelrennen), hängt zuvor den ring gerad und richtet ihn nach seinem gesicht. Comenius orb. pict. 2, 17.
θ)
aufs gesicht arbeiten, auf den schein, auf dein, mein u. s. w. gesicht, unter meinem, deinem namen, auch auf blosze treu und glauben Schm.² 2, 247.
h)
die aufsicht: mhd. (ein badender hat) daʒ gewant der huͤterinne empholhen ze irer gesicht. Westenrieder beitr. 7, 73.
i)
die festliche brautschau, s. gesehen 2, d: so ain man ain hausfrawen gelobt ze nemen, das der si und ir friund uf ainen tach luͦd und gesach si, und das das vil chostet und lüt schadhaft davon wurden .. darumb habent si (die ratgeben) die selben gewonhait und die gesiht ab genomen und verboten. Augsb. stadtb. 242 Meyer.
k)
das hellsehen, das sehen von ahnungsvollen traumbildern im wachen zustande, vgl. unten 4, d, δ: das zweite gesicht oder das andere gesicht, nach engl. second sight, die rätselhafte gabe, zukünftiges in einem deutlichen bilde vorauszuschauen. in Westfalen heiszen die mit dem zweiten gesicht behafteten spoekenkieker (gespensterseher) oder vorkieker, bei A. v. Droste-Hülshoff 294 die seher der nacht.
2)
das antlitz, das angesicht, von den augen auf die ganze vorderseite des kopfes übertragen, wie ähnlich lat. os mund und dann angesicht.
a)
eigentlich: ahd. sô ir in fone gesihte ze gesihte (facie ad faciem) gesehent. Notker ps. 104, 4 St. Galler handschr., fone antluzze ze antluzze Wiener handschr.;
dann närrin vil sint also geil,
das sie ir gsiecht bald bietent feil.
S. Brant narrensch. 92, 60;
mancher zwei gesichter hat, mit einem uf der gasse ist er Cato, mit dem andern im huse nebulo. Keisersberg narr. bei Eiselein spr. 232; Lea hatte ein blöde gesicht (1 Mos. 29, 17), nicht weis ich, ob er von blöden augen oder vom gantzen angesicht redet. Luther 4, 163ᵃ; alle morgen, bei dem nachttische, wenn ich mir die haare und das gesicht zurichte. Rabener sat. 1, 212; ein sprödes frauenzimmer, die das gesichte und ihren fächer erst zehnmal in die falten legt, ehe sie ja oder nein sagt. Gellert 3, 298; das gesicht bedecken, obvolvere faciem. Duez 193ᵇ; Johanna verbirgt das gesicht. Schiller XIII, 279; mit abgewandtem gesicht. ebenda;
du wendest schaudernd dein gesicht, o könig:
so wendete die sonn' ihr antlitz weg.
Göthe 9, 19 (Iphig. 1, 3);
in diesem augenblick sieht sie ihm ins gesicht. Schiller XIII, 279; Wilhelmen stieg die röthe ins gesicht. Göthe 18, 73; wann schon der regen ihnen ins gesicht schlug. Garg. 244ᵃ; ins gesicht schlagen auch bildlich, widersprechen: das schlägt allen regeln des anstands ins gesicht;
und er wirft ihr den handschuh ins gesicht.
Schiller XI, 229 var. (handschuh 67);
soll ich ihm denn seine präsente ins gesicht zurückwerfen. Lenz 1, 290; er wird ihr eine solche abentheuerliche figur ins gesicht werfen, dasz sie nicht mehr augen haben wird als eine blinde katz. kunst üb. a. k. 29, 8; unser schützenreuter, wann sie nach dem gesicht schieszen. Garg. 244ᵃ; sonst schreckt jung kriegsleut bald ein streich, der gegen dem gesicht gehet. ebenda; in dem ersten wagen saszen (die hinzurichtenden) der zimmermann und der schneider, gegen dem gesicht (gegenüber) aber die zween geistliche. Abele künstl. unordn. 1, 20; welche mit dem gesicht nach der thüre sasz. Göthe 24, 89; aufs gesicht niederfallen aus ehrerbietung. Frisch 2, 272ᶜ; künstlerisch: nach dem halben gesicht mahlen, in profilo Krämer 549ᵇ; wend- sive halbgesichter, imagines catagraphae Stieler 2023; ebenso hat das gesicht drei theile, nemlich dreimal die länge der nase. Winkelmann 4, 166; die grundlage des gesichts, welche das creuz ist. 45. 176; seine (Rafaels) gesichte. Lavater phys. fr. 1, 117; seine (des malers Scheffer) gesichter haben meistens jene fatale couleur, die uns manchmal das eigene gesicht verleiden konnte, wenn wir es, überwacht und verdrieszlich, in jenen grünen spiegeln erblickten. H. Heine (1862) 11, 12. das gesicht als spiegel der seele: man sicht im an der gsicht an, dasz seine wort waar sind. Maaler 196ᵇ; man sieht es den leuten am gesicht an, die tummheit sieht ihm aus dem gesicht heraus. Frisch 2, 272ᶜ; der charakter des geistes und herzens, der durch das auge und gesichte redt. Gellert 6, 312; das gesicht verrät den wicht. Eiselein spr. 232;
in jedes menschen gesichte
steht seine geschichte.
Fr. Bodenstedt Mirza-Schaffy 26;
es giebt noch keine kunst, die innerste
gestalt des herzens im gesicht zu lesen.
Schiller XIII, 23 (Macb. 1, 7);
ein verstelltes, ein falsch gesicht. Frisch 2, 272ᶜ. Duez 193ᵇ; masque, mum-gesichte. Zesen adriat. Rosemunde (1645) nachschrift; ein anderes gesicht aufsetzen oder aufstecken, eigentlich von der maske gemeint; die maske mit dem (wahren) gesichte und das gesicht mit der maske verwechseln. Hamann 7, 88;
jetzt zeigt ihr euer wahres
gesicht, bis jetzt war's nur die larve.
Schiller XII, 501 (M. Stuart 3, 4);
der stadtrichter wurde aus bestürtzung schamroth, das gesicht stunde mitten im feuer. Abele k. u. 2, 99; sieh blauroth vor zorn sein königlich gesicht. Fr. Müller 2, 14; aus seinem glänzenden, hellrothen gesichte leuchtete der entschlusz. Immermann Münchh. 1, 59; ein sittsames feines gesicht, das mit düstrer schwermuth überzogen war. Siegwart (1782) 1, 180; schön gesicht, alias kern-, alamodegesicht, habitus oris elegans Stieler 2023; sie hat ein gesicht wie milch und blut. Rädlein 373ᵇ;
hier modert Nitulus, jungfräuliches gesichts.
Lessing 1, 11;
der dichter läszt sich, wie ein guter könig, frohen und klaren gesichtern nach aufsuchen. Novalis (1826) 1, 90; ein garstiges grausames gesicht. Frisch 2, 272ᶜ;
doch ihr erbärmliches gesichte,
o D., macht reiz und lust zu nichte.
Lessing 1, 6;
da verräth sichs im todenblassen eingefallenen gesicht. Schiller II, 52 (räuber 1, 3); ein runtzlicht und verschrumpelt gesicht Duez 193ᵇ; da verzog sich das metallene gesicht zum grinsenden lächeln. E. T. A. Hoffmann gold. topf 2. vig.; Hippokratisches gesicht, gesicht eines sterbenden, nach dem arzt Hippokrates benannt, der diese veränderung des angesichts genau beschrieben hat.
b)
übertragen auf thiere: will man weisze junge pfawen haben, so hänge man der brütenden pfawin nur ein weisz tuch vor das gesichte. Colerus hausb. (1645) 1, 502ᵃ; insbesondere das gesicht am pferdekopf, der etwas erhabene theil dicht unterhalb der augen, vgl. gesichtsleiste; ferner übertragen auf blumen:
die lieblichen violen
thun ihr gesichte zu.
auf den mond:
zuweilen zeigt der volle mond ...
sein breit gesicht im rohten osten.
Brockes Thomsons jahreszeiten 393;
nebel schwimmt mit silberschauer
um dein reizendes gesicht.
Göthe 1, 52, an Luna;
auf die erde:
bis wieder sein licht
ins versteinte gesicht
der gealterten erde zurückblickt.
Lingg ged. 1, 137;
beim dichter hat sogar das buch ein gesicht, mit dem es den leser anblickt: guthertzige leuthe, zu welchen das gesichte meiner schrifft gewandt. pers. rosenth., beschlusz.
c)
bildlich, die vorderseite, gegensatz der rücken, die rückseite:
so im gesicht von Lichtstein, so in dem rücken von Maltas
kühnem helden bekämpft.
Pyrker Tunisias 6, 284 fg.;
mein haus hat das gesicht gegen dem see. Frisch 2, 272ᶜ, wie man auch sagt das haus sieht in den garten; hart am Brunnobächle steht des alten Nümmamüllers häuschen, mit dem gesicht gegen das unterdorf hinablugend. Felder Nümmamüllers 5; baurenhäuser mit hellen fenstern und bemalten gesichtern. E. M. Arndt erinner. 141; der jüdische trauergebrauch, dasz man im trauerhause die spiegel aufs gesicht hängt (umdreht). Auerbach dichter u. kaufm. 2, 174; das butterbrod fällt aufs gesicht, auf die gestrichene seite. vgl. gesichtslinie 4, -seite.
d)
bergmännisch, das gesichte, bei der verzimmerung eines stollen das theil des thürstocks, woran die kappe sich anschlieszt. bergm. wb. (1778) 219ᵇ. Veith 232.
e)
von der person, die das gesicht trägt: jeden brief senden sie mir durch ein neues gesichte. Rabener briefe 38; die schreckliche begegnung, welche sie (die gnädige frau) von dem dummen gesichte (der kammerjungfer) erduldet, das äuszerlich einer heiligen gleiche, im herzen aber voll bosheit wäre. Möser sämtl. werke 3, 48; das affen-gesicht! Ludwig 760;
habe dank, du breites gesicht (dummer kerl).
Kotzebue dram. sp. 2, 270;
ich schicke da mein bildniss dir ...
es ist ohngefähr das 'garstge gsicht'.
d. j. Göthe 1, 382;
ich gefiel ihm besser, als die beiden hübschsten gesichter im ganzen lande, pfarrer Wespens Lene und des schösser Trommers Änne. C. F. Weisze kom. op. 3, 251;
ich sage nur, er ist kein häszliches gesicht;
ein andres würd ihn gar ein hübsch gesichte nennen.
lustsp. 1, 397;
(als Kosinsky die räuber erblickt) holla! was sind das für gesichter? Schiller II, 119 (räub. 3, 2); im keller (des Italieners) war der alte ab- und zulauf fremder gesichter. J. Paul Titan 4, 10; die blaszgesichter, die weiszen, die Europäer.
f)
die mienen und geberden des angesichts, vultus Henisch 1561: geschämig, trawriges gesicht. ebenda 1562; schäl gesicht, vultus exprobrans Stieler 2023; wie das gesicht des (enttäuschten) poeten sich verlängerte. Göthe 36, 90; nur die verdrieszlichen gesichter musz er ablegen. Lessing;
noch kämpft mit seinem herzen schmerzenreich,
gesicht und farbe wechselnd oft, der greise.
Chamisso 4, 134;
(wir Sphinxe) verziehen kein gesicht.
Göthe 41, 124 (Faust 7248 Weim.).
insbesondere in verbindung mit folgenden verben:
α)
ein gesicht geben, s. geben II, 11, d sp. 1690: einem ein gut oder ein bösz gesicht geben, faire bon ou mauvais visage Duez 193ᵇ; gib ihnen ein gutes gesicht. A. Gryphius (1698) 1, 948; der richter gab ihm ein herbes und saures gesicht. pers. baumg. 4, 5; der gute mensch gab mir ein saur gesichte. pers. rosenth. 1, 18;
(der fuchs) gab dem baume ein hönisches gesicht.
Haller ged. 270 var. (343).
β)
ein gesicht oder gesichter machen, s. th. 6, 1367, nr. 5: ein langes gesicht machen (bei abweisung des verlangten oder anderer enttäuschung). Kant 10, 336; ein amtsgesichte machen. träum. Pasqu. 169; das sprichwort, man müsse zu einem bösen markt ein gutes gesicht machen. Hebel (1853) 2, 133; sie wird uns gewisz freundliche gesichter machen. Göthe 11, 99; als sie ihm ein sauer gesichte machte. Hoffmannswaldau ged. 6, 20; machen sie doch ein gesichte wie der rhinoceros. Gellert lustsp. 425; (mürrische frau) die ein gesicht wie sieben tage regenwetter oder wie ein nest voll eulen macht. schatzkästl. deutsch. scherzes 201 aus einer predigt des pfarrers Spörer zu Rechenberg von 1720; ein gesicht machen wie aprillenwetter, zwischen weinen und lachen; er macht ein gesicht wie sieben meilen böser weg. Wander spr. 1, 1622; er machte dabei ein gesicht wie eine papierscheere, die man auf und zu macht, indem nase und bart, beide gleicher länge, einander beständig küszten, wenn er so was übers zahnfleisch wegraffelte (mürrisch sagte). Fr. Müller 2, 36; ein verzweiffeltes, ein bestürztes, verstörtes gesicht machen. Frisch 2, 272ᶜ; verzerrte Bandinell seine gebärde und machte die häszlichsten gesichter seines gesichts (faceva i più brutti visi del suo viso). Göthe 35, 193, Benv. Cell. 4, 5; ein verdrieszlicher, steifer, kalter Egmont, der bald dieses bald jenes gesicht machen musz. 8, 238; was hast du? du machst ein verdrieszlich, ein kaltes gesicht; du weiszt, die gesichter sind mein tod, wenn ich vergnügt bin. 10, 158; du muszt ihm kein finster gesicht machen. 7, 125;
eine frau macht oft ein bös gesicht.
2, 238;
schlechthin ein gesicht oder gesichter machen, selten in der bedeutung 'freundliche, verliebte': Töffel sieht immer nach Röschen und macht ihr gesichter. C. F. Weisze kom. op. 3, 24; gewöhnlich 'trübe, mürrische, verdrossene': er macht ein gsicht, est severo supercilio Schönsleder V 3ᵇ;
will keiner trinken? keiner lachen?
ich will euch lehren gesichter machen!
Göthe 12, 103 (Faust 2074 Weim.);
die männer machen oft gesichter, ohne just was auf dem herzen zu haben. 10, 111; machst du wieder ein gesicht? 10, 127; wenn ich in Leipzig wäre, da säsze ich bei ihnen und machte ein gesicht wie sie sich dergleichen spektakel noch erinnern können. doch nein, wenn ich jetzt bei ihnen wäre, wie vergnügt wollte ich leben. Göthe bei Jahn 91;
willst du scherzen, trinken, lachen,
sei von unserm schmaus:
wenn du ein gesicht willst machen,
thus in deinem haus.
Rückert ged. 317.
γ)
ein gesicht oder gesichter ziehen, zerren:
hier zog das kind ein grämliches gesicht.
schatzblumen auf den altar der gratien 160;
ein solches schelmisches zähnfletschendes gesicht
zog er dabei.
Wieland 21, 258;
er zog dem himmel keine schiefen gesichter mehr, wenn es nicht regnen wollte. Gotthelf Uli d. p. 357;
was zerrst du für gesichter?
Schiller XIII, 87 (Macb. 3, 8).
δ)
ein gesicht oder gesichter schneiden: ich kann in der nacht gehen im freien und im wald, wo jeder busch, jeder ast ein ander gesicht schneidet. Bettine briefe 1, 261; der mit kälte die neckischen gesichter betrachtet, die ich schneide. Göthe 36, 64; kein wunder, wenn er sich ängstlich gebehrdete, seltsame gesichter schnitt und Judasschweisz schwizte. Musäus phys. reisen 4, 73; sie schneiden die scheinheiligsten gesichter. H. Heine (1887) 8, 145;
was schnitt dein freund für ein gesicht? ..,
ihm ist wohl sein süsz gesicht verleidet,
dasz er heut saure gesichter schneidet.
Göthe 2, 262;
der vater schnitt ein falsch (böses) gesicht.
Schiller graf Eberhard v. 23;
wo vater und mutter nicht gleich so gräszliche gesichter schnitten. Göthe 14, 89;
schneid ihm ein gräszlich gesicht.
Kotzebue dram. sp. 2, 278;
schlechthin ein gesicht oder gesichter schneiden, verdrossene oder höhnische: die gesichter, die ein vierter zu seinen distinkzionen und demonstrazionen schnitt. Wieland 3, 28; jetzt geht sie (die eifersüchtige) im hause herum, schneidet gesichter. J. D. Falk Johannes von der Ostsee 259;
da seh ich einen narren leiden,
weil blumen ihm gesichter schneiden.
Lenau Faust 128.
ε)
mit weglassung des zeitworts: keine gesichter! ich will mich dieser leidenschaft überlassen. Göthe 18, 5;
nur nicht viel zauderns! meinen zaum
und kein gesicht!
Wieland 18, 291;
nur keine sauern gesichter!
Kotzebue dram. sp. 1, 28.
3)
das aussehen (eigentlich 'das blicken aus den augen'), die äuszere erscheinung, gestalt:
obe uns der ungetrûwe wiht
ougen (zeigen) wolde sîne gesiht.
h. Elisabeth 9214;
sîn ors was starke ungelîch
an gesihte andern rossen.
(propheten, die) sîn idoch enpâren (Christum nicht sahen)
an der fleischelîchen gesicht.
passional 349, 39 Hahn;
das macht, das sein gesicht
ist irrdisch, schwach und tödlich,
so sind die werck gantz götlich.
H. Sachs 1, 414, 17 Keller;
dem gesicht (aussehen) nach sei es (das wasser) klar, hell, lauter. Ryff spiegel d. gesundh. (1574) 81ᵃ; die rechte galanterie gibt denen schlimmen dingen ein freundliches gesicht. Rädlein 373ᵃ; unsere sachen bekommen ein ander gesicht, in alio statu sunt. Frisch 2, 272ᶜ; die sache soll bald ein ernsthaftes gesicht bekommen! Wieland Lucian 1, 265;
der goldne hahn (ein märchen)
hat ganz ein ander gesicht.
werke 4, 39 (n. Amadis 2, 32).
4)
das was ich sehe oder zu sehen glaube, leiblich oder geistig.
a)
der anblick, den etwas gewährt: gesicht der tat, spectaculum. voc. inc. teut. i 4ᵃ; das gesicht, apparitio, spectaculum Stieler 2023; mhd.
von der wünneclîchen gesiht,
die der meie prüeven kan.
Teichner 204 Karajan;
sîn (des löwen) gesiht daʒ was niht guot.
Heinr. v. Neustadt Apollonius 12674;
mnd. ein schithues sall staen 9 vote van der strate; were wes erve unbewracht (unverzäunt), de sall se bedecken, dat dat unreine gesichte verborgen si. Schiller-Lübben 2, 80ᵃ; nhd. so jnen (den luchsen) durchscheinbare ding fürgehalten werden, so hassen sy ir gesicht und sterbend darvon. Gesner thierb. (1583) 156ᵃ; warum schlaget ihr euer weib? um das gesicht, sagte ich (d. h. wegen dessen was ich gesehen habe). Abele künstl. unordn. 1, 43;
unmöglich kann sich so das beste weib vergessen!
er schaut noch einmahl hin — das nehmliche gesicht
durchbohrt sein herz.
Wieland 22, 295 (Oberon 6, 91);
ein mann trat kräftig und sorgfältig den felsweg herab, indem er hinter sich einen esel führte .. ein sanftes, liebenswürdiges weib sasz auf einem groszen, wohlbeschlagenen sattel, in einem blauen mantel hielt sie ein wochenkind, das sie mit unbeschreiblicher lieblichkeit betrachtete .. nichts war natürlicher, als dasz ihn (Wilhelm) dieses seltsame gesicht aus seinen betrachtungen risz. Göthe 21, 6; wenn die greise der prose uns die armuth, den kampf mit dem bürgerlichen leben oder dessen siege sehen lassen, so wird uns so eng und bang beim gesicht. J. Paul vorsch. d. ästh. 1, 82; seemännisch, man hat kein gesicht, wenn das land wegen des nebels gar nicht, oder nur sehr undeutlich zu sehen ist. Bobrik 314ᵇ.
b)
bild, vorstellung: an dem gesichte, das ich mir vom general Lee gemacht habe. Lichtenberg 1, 133; ihre gegenwart entfernte sogleich fast jede erinnerung jenes gesichtes, das mir schon bisher nur als ein traum vorgeschwebt hatte. Göthe 23, 84; vorstellung, gebilde der phantasie: dasz sie (gestalt) etwas lebendiges war, etwas wirkliches, kein gesicht ihrer phantasie. Schiller IV, 317; diese geheimen anschauungen, diese entzückenden gesichte. Göthe 21, 193; namentlich des schaffenden künstlers, traum des dichters:
o freund, welch angenehm gesichte
rührt meinen geist, indem ich dichte!
dein künftig schicksal zeigt sich mir.
Gellert 2, 74;
wohl mir, dasz ich den tag erlebte,
dem im prophetischen gesicht
mein geist oft kühn entgegen strebte.
Pfeffel poet. vers. 3, 151;
visiones de don de Quevedo. wunderliche und warhafftige gesichte Philanders von Sittewalt, Straszburg 1642 (der urheber dieses buchs hat .. ein und anderes laster traum-weisz vor augen gestellet. vorrede); meine gesichter verschwanden und ich sah eine frau. Rabener sat. (1777) 1, 210;
das ängstliche gesicht ist in die luft zerronnen.
Göthe 2, 151;
bild, darstellung: so wil ich euch anietzo in zweien kurtzen gesichten schauen lassen die hauptlehre und den richtigen ausgang des ganzen studentenlebens. Schoch stud. leben K 2;
und dort, was wunder sie mit weisheit lehr und rahten
verrichtet, eigentlich, dasz man noch die geschicht
leibhafftig sehen kan, berichtet das gesicht.
philosophisch, für 'idee': ein praktisches wissen ist ein durch sich selbst bestimmtes, also ein bloszes gesicht, wie die deutsche sprache das griechische wort idee trefflich ausdrückt. Fichte nachgel. w. 3, 150, er fügt zur weiteren erklärung hinzu: ein gesicht aus der welt, die durchaus nicht da ist, der übersinnlichen und geistigen welt, die eben durch unser handeln wirklich werden und in den umkreis der sinnenwelt eingeführt werden soll ... der gelehrte musz gesichte sehen aus dem übersinnlichen sein.
c)
erscheinung: mhd.
er sach nâhen im den tôt.
swie vorhteclich was diu gesiht,
er lie der honictropfen niht.
Barlaam 119, 4;
nhd. schon umgaben dein bebendes auge gesichte des todes.
Wieland Hermann 98 Muncker;
Huldens entehrung
und das erbarmenswürdige bild der sterbenden unschuld
kamen auf einmal, ein traurig gesicht, und umgaben die seele.
115.
d)
die übernatürliche erscheinung, als schickung und kundgebung guter oder böser mächte.
α)
im allgemeinen: di vorchte gotis (vor gott) volgite deme gesichte der engele. myst. 1, 138, 32 Pf.; sie ward betrübt, nit von der gesicht des engels. Keisersberg postill 4, 33ᵃ; indesz hat sich ein glücklich zeichen und gesicht der vögel begeben, darausz sich die Römer vil guͦtes vertröst haben. Micyllus Tacitus (1535) 40ᵃ;
in der christall und der parill
kan ich auch sehen vil gesicht.
H. Sachs 1, 532ᵇ;
er sieht vol verwundrung,
doch mit gegenwärtigem geist, ein himlisch gesichte
auf ihn zugehn. zwei göttinnen waren es, die sich ihm zeigten.
Wieland Hermann 17 Muncker;
satan richtete sich nach seiner gesichte vollendung
über ihm auf.
Klopstock Mess. 3, 652;
(satan sucht) ihn mit dunkeln gesichten zu täuschen.
683.
β)
geistererscheinung:
dâ ein gesicht in ûftrat
nâch des meisteres (zauberers) witzen.
si sâhen aldâ sitzen
ûf eime hôhen trône
einen als ein mor gestalt.
passional 283, 42 Köpke;
daʒ gesichte gar vorswant.
Jeroschin 22513;
mit dem wort ist der gaist oder das gesicht verschwunden. Zimm. chron. 3, 394, 20; dise gesicht hat den faigen munch dermaszen erschreckt. 1, 106, 35 u. ö.; ich will euch auf diese rede mit gesichten antworten, komm mit, fürchte dich nicht, rede mit niemand. Henneberger preusz. landtaf. (1595) 47;
geist. wer ruft mir? Faust. schreckliches gesicht!
Göthe 12, 34 (Faust 482 Weim.);
dasz diese fülle der gesichte
der trockne schleicher stören musz!
36 (Faust 520 Weim.);
gespenstererscheinung: gesicht, gespenst, das vor den augen schwebt. Emmelius sylva Gg 4ᶜ; (der teufel) kan eim menschen in dem kopf verhönen und im ein gespenst und gesicht also vormachen, das er wenet, etwas sei, das nit ist. Keisersberg emeis 39ᵃ; von guten gespensten oder gesichten haben wir auch exempel in heiliger schrift (2 kön. 7, 6), dasz als die Syrer Samariam belägert, hat der herr des nachts hören lassen ein geschrei von wagen, rossen und groszer heerskrafft. Widmann Faust (1674) 25.
γ)
vorbedeutender traum: gesicht des slaffs, visio vel somnium. voc. inc. teut. i 4ᵃ;
der keiser nâch sîme gesichte
vil balde sich ûf richte.
passional 17, 13 Köpke;
der withopfenstain mêrt die träum und daʒ gesiht in dem slâf. Megenberg 457, 11; diu schedleichen gesiht in dem slâf. 449, 7; die alten haiden sich legten auf des paumes (agnus castus) pleter, dar umb, wenn si entsliefen, daʒ si kain pœs traum oder kain valscheʒ gesiht velschet und beswært. 312, 4; ires traumes gesicht. Bocc. 279, 36 Keller; nächtlich gesicht. A. v. Eyb spiegel d. sitt. (1511) 25ᵇ; dasz er (Daniel) dem konig Nabuchodonosor die auszlegung seines gesichts gesagt hab. Nürnb. chron. 3, 58, 2; als Carolus des morgens solt zihen, sahe er im schlaff ein gesicht. 127, 25; zu Abram geschach das wort des herrn im gesicht. 1 Mos. 15, 1;
die gsicht auch offenbarung sind
die eim gott schicket zu.
J. Ayrer singsp. 139ᵇ;
träum und gesiecht, so unsinnigen leuten bei der nacht fürkummen. Aventin. 4, 474, 7 Lexer; disz gesicht und traum mir groszen kummer bringt. Galmy 286;
nicht vergebens zeigt sichs mir
in träumen an und ängstlichen gesichten.
Schiller XIII, 176 (jungfr. von Orl., prol. 2);
doch der vater sah auch traurige gesichte.
296 (4, 8);
da träumte ihrem vater eines tags ..
erschreckt von diesem seltsamen gesichte.
XIV, 107 (braut von Mess. 4, 4).
δ)
göttliche offenbarung, vision, vgl. oben 1, k:
(Daniel) sprach: in der naht gesiht
began ich warten.
Barlaam 68, 8;
die Johannes sach in seinem gesiht. Megenberg 451, 3; beatifica visio, ain gesicht gottes daʒ da selig macht. Melber C 5ᵃ;
hierusz das volck nam den bericht,
er hette gsehn ein englisch gsicht.
trag. Joh. A 4;
sie merckten, das er (Zacharias) ein gesichte gesehen hatte im tempel. Luc. 1, 22; ir solt dis gesicht (die verklärung Christi) niemand sagen. Matth. 17, 9; ewre jünglinge sollen gesichte sehen. Joel 3, 1; die gesichte und offenbarung des herrn. 2 Cor. 12, 1; gott hat mit den vätern durch gesichte und erscheinung geredet. tischreden 1, 94; Samuel aber furchte sich, das gesicht Eli anzusagen. 1 Sam. 3, 15; da Nathan alle diese wort und alle dis gesichte David gesagt hatte. 2 Sam. 7, 17; der hailig Antonius, als er in einem gesicht im gaist in alle ort der welt gesehen. Zimm. chron. 2, 598, 11; der vornehme theologus oder der lehrer in den gesichten gottes, Sacharja. Schuppius 37;
wann sie (die propheten) aus göttlichem gesicht
des heilands kunft berichtet.
Bürger 45ᵇ;
insbesondere weissagung: gesichte sind prophecien. Luther glosse zu 2 chron. 26, 5; dis ist das gesichte Jesaja. Jesaja 1, 1; dis ist das gesichte Obadja. Obadja 1; darumb Jesaia sein buch nennet ein gesicht uber Juda und Jerusalem, das er sagt von den zukünfftigen dingen, die er gesehen habe, und Abadja nennet sein buch das gesicht Abadja. Luther 3, 228ᵇ; von den gefälschten visionen trügerischer religionslehrer und wahrsager: dieweil er an statt das er dem wort gottes und gutem raht folgen sollen, sich hette zu denen, die ihre falsche gesicht und eigen gedicht hoch rhümen, gehalten. Fischart bienenk. (1588) 229ᵇ; wie geet es zu mit den warsagern, die war sagen und gestolen gut durch gesichte widerum bringen. Keisersberg emeis 39ᵃ.
ε)
vorbedeutendes wunderzeichen am himmel: gesicht am himmel, ostentum Aler 923ᵇ; gesicht bei Eisenach. anno 1532 ist an klarem hellem tage am himmel gesehen ein alter baum dürr und zur erden gefallen, bedeut der Teutschen alt hergebrachte freiheit, so kurtz hernach solt geschwecht werden. theatrum diabolorum 270ᵃ, Spangenberg jagteufel cap. 18; anno 1547 ist an einem namhafften ort in Sachsen ein solch gesicht gesehen worden, sechs männer in schwartzen trawrkleidern, denen ein grosze leich gefolget. ebenda; lufftgesicht über Dünckelsbühl (1645) .. die sonne gantz blutrot, und sind darauf unzehlich viel schwartze, blaue und feurige kugeln wie granaten von ihr ausgefahren. Francisci luftkreis 621; spötter, der solche gesichter für eitel mährlein mag geachtet haben. 626.
ζ)
unheimliche naturerscheinung, wie das nordlicht:
entsteht, in dieser jahreszeit, zuweilen in dem stillen nord
von luft-gesichtern eine lohe.
Brockes Thomsons jahreszeiten 395;
die kometen: ein comet ... das war ein solchs schrecklich gesicht, dasz etliche, so es gesehen, in onmacht gefallen. Reiszner Frundsberg 154ᵇ; die fata morgana:
dort (in Sicilien) schwankend klar, im tageslicht,
erhoben zu den mittellüften,
gespiegelt in besondern düften,
erscheint ein seltsames gesicht:
da schwanken städte hin und wieder,
da steigen gärten auf und nieder,
wie bild um bild den äther bricht.
Göthe 41, 275 (Faust 10589 Weim.).
5)
die möglichkeit, zu sehen:
die sonn mit irem liecht
bracht wider das gesicht,
vertrib die vinstern nacht.
Teuerdank 12, 2;
die möglichkeit, gelegenheit zum ausschauen, die aussicht, der ausblick: gesicht, auszgesicht, prospectus, einem mit bauwen die gesicht verschlahen, mit überbauwen einem die gesicht nemmen, luminibus obstruere Maaler 175ᵃ; (der kaisersaal zu Ingelheim) ligt ein klein wenig an einer höhe und hat ein frei gesicht in das Rheingöw bisz gen Bingen hinab. Münster cosm. 5, 161; holst. ist hier nicht ein schön gesicht? Schütze 2, 29;
hügel .. der ein sehr fern gesicht erlaubt.
Brockes 1, 143;
das fenster: mnd. idt soll nemands nha oder up eines andern grunde ein gesichte oder fenster maken sieder dan 7 voet hoege van der erden. Schiller-Lübben 2, 80ᵇ; nhd. in gesagter schantz .. sollen die schützen oben durch die auffgeworfene erden ein gesicht, hinden weit, vornen aber eng und spitz zu, mit brettern machen, und oben mit erden wider verdecken. Kirchhof milit. disc. 173. vgl. gesichtloch.
6)
die mechanische vorrichtung zum sehen, das visier.
a)
das gesicht, 'oben auf den büchsen und schieszrohren ein eingefügtes stücklein eisen oder messing, in welches mitten eine kerbe oder linie eingefeilt, durch die man auf das korn vornen sieht und auf die sache zielt, die man treffen will' Frisch 2, 272ᶜ: gesicht auf einer büchse, pinna, dioptra, pinnacidium Stieler 2023; zur weiten scheibe sol kein ander gesichte zugelassen noch geduldet werden, es stehe denn zwei oder drei finger breit für dem zindloche. Gubener schützenordn. von 1671 im neuen lausitz. mag. 32, 10; auf einigen büchsen hat man ein bewegliches doppeltes oder wol gar dreifaches gesicht, welche man mit unterscheid, nachdem man nahe oder weit schieszen will, gebrauchet. Eggers kriegslex. (1757) 1, 1045; noch weidmännisch das gesicht oder das absehen Kehrein 141.
b)
gesicht eines helms, visiera dell' elmo Hulsius diction. (1605) 61ᵇ; das gesicht an einer sturmbaube Ludwig 760.
7)
öfter steht gesicht für gesücht, krankheit, geschwulst, flusz, z. b.: dieser gebrechen, welchen die weiber das weisz gesicht, die arzet menstrua alba nennend. Wirsung arzneib. 427.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1895), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4087, Z. 11.

gesüchte, n.

gesüchte, n.,
in der heutigen sprache nur noch den mundarten des südwestens angehörend; die ältere sprache entwickelt etwa seit dem 12. jahrh. collectivbildungen zu sucht und verbalsubstantive zu siechen, die von den mundarten des nordens und südens her in die schriftsprache übergreifen.
I)
formen und geschlecht.
1)
vereinzelt begegnet deutliche collectivbildung zu dem in der althochdeutschen, mittelhochdeutschen und neueren zeit viel verwendeten femininum sucht (s. d.) mit dem geschlechte des fem.:
dîe brünne er muos ab ziehen
mit den wurzen sin verbant
diu suht begunde in vliehen .....
gar trûreclîch began sî barn
und sprach bistu alsô vervarn
in dinen jungen jâren
nu bistu doch gesühte vrî
swaz doch dîr geschehen sî.
Eckenlied (heldenbuch 5) 176, 10.
auch mittelniederl. ist gesuht als fem. zu belegen. Verwijs 2, 1663. dagegen weist auf andere form und anderes geschlecht schon das passional hin:
nu la daz sîn, ez vuget wol
daz si gesuhtes wese vol
wand sie geneiget mite wirt.
passional 297, 28 Köpke.
derselbe genetiv findet sich mehrmals auch in dem bair. arzneibuch Pfeiffers sitzb. Wiener akad. 42. 147, 2 u. 3. ausgesprochenes neutrum begegnet schon in den 'altdeutschen beispielen' ( xxxi, 7):
ez lac ein esel under einem schopf
dem was vil wê an sînem kopf
da kam der wolf mære
und frâgte waz im wære
ode wâ in swære aller meist
'swar du den fuoz leist
dar ziuhet allez mîn gesühte.
zeitschr. d. alterth. 7, 364.
als neutrum ist unser wort auch aus dem Gothaer arzneibuch bei Schiller-Lübben 2, 86 belegt: gesuchte.
2)
die formen weisen auch hier schwanken zwischen vollem auslaut und apocope, und für die ältere zeit auch zwischen umgelauteter und unumgelauteter form auf: daz gesuhte neben daz gesüht in Pfeiffers bair. arzneibuch; die oberdeutschen mundarten bevorzugen apocope. vgl. Denzler 116; die form gesüchte, die Spreng im idiot. raur. 202ᵃ anführt, wird von Seiler Basler mundart 152ᵃ als pluralform gekennzeichnet, vgl. aber bei Gotthelf den singul. gᵃsüchti; für den plural führt Spreng als Baslerisch gesüchter an, das auch Seiler (a. a. o.) belegt.
II)
bedeutung. das neutrum läszt nach form und bildung auf ein verbalsubstantiv schlieszen, das femininum auf eine collectivbildung zu dem viel verbreiteten substantiv; die bedeutung scheint mehr an die letztere anzuknüpfen, um so mehr, als das verbum aus seinem bedeutungsinhalt kein nomen actionis entwickeln konnte.
1)
nur vereinzelt sind die belege, in denen ganz allgemein der zustand des krankseins, der gegensatz zu gesund, gesundheit zum ausdruck kommt:
nu erledige dine chnehte
von allem unrehte
von geistlicher unzuhte
von scaden unt von gisuhte.
Heinrichs litanei, fundgr. 2, 229, 35.
durch unser ungezuhte
bestet uns manec gesuhte.
spec. eccles. 146 Kelle;
Sisinnus ein Römer was bobest nuwent 20 tage .. dirre hette gros gesühte unde siechtagen. do von starp er zuͦhant. Königshofensche chron. (text B) d. städtechron. 9, 537 anm. 15. wenn Scherz 140 gesuchte ganz allgemein mit morbus identificiert, so geht er wie Frisch 2, 266 von einer zu weit gefaszten deutung der benützten belegstelle aus: unter dem podagram verstehen wir auch das gsücht anderer glieder. Ryff spiegel der gesundheit 30ᵃ. vgl. konfektbuch (1571) 229: podagram und gesücht der glieder.
2)
es ist unverkennbar, dasz das compositum gesucht auch in der allgemeinsten bedeutung schon eine verengerung des begriffes von morbus erlitten hat, wie sie ähnlich auch beim simplex nachzuweisen ist: febris continua = ein suht. Wackernagel voc. opt. 41; in ansehung der suchten, so verdeutschte er (Seiffert) den fremden ausdruck 'chronische krankheiten'. Campe in Wielands Mercur 1803 21, 193. das unbestimmte, nicht leicht faszbare der chronischen krankheit ist noch heute ein merkmal der bedeutung von gesücht, vgl.g'sücht, n., ein allgemein verbreitetes, epidemisches, aber ungefährliches unwohlsein, man sagt 'es gôt a gsücht um'. Vonbun bei Frommann 5, 482. auf derselben grundlage bauen sich nun auch die folgenden verwendungen auf, bei denen der sitz dieses unwohlseins die bedeutung beeinfluszt.
a)
die seltenere verwendung knüpft an das haupt an:
tanz ist iu unmære
singen iuch verdriezet
wan iu daz houbet diuzet
vom gesühte als ein herhorn.
schilderung des alters in der warnung (13. jh.) 2193, zschr. f. d. alt. 1, 438 ff.;
swâ dû daz strîchest umbe daz houbet, dâ muoz das gesuchte fliehen. bair. arzneibuch (Pfeiffer) 146, 26; die valcken leident manigerlay sucht, die ich hie beschreiben will .. die erst sucht des valcken ist an dem kopf .. und choment die gesücht gewonlich von den bösen tempff, die usz dem magen übersich in den kopff steigent. Mynsinger 22.
b)
viel entwicklungsfähiger für die bedeutung des wortes sind andere träger der krankheit, die gelenke der extremitäten, die als träger des rheumatischen flusses galten.
α)
die ältesten belege hiefür entstammen der thierarznei: wann dem falken die pain geswollen sind, das ist ain zaichen, das er das gesuchte darinn hat. Mynsinger 26; ist es sach, das der habich das gesüchte in dem glaichen hat. ebenda 40; hat das vederspil das gesücht in den flügeln, so soll man das krautt, das da heiszet gundelres, sieden in wasser. 56; wann aber das vederspiel das gesücht in den füszen hat, .. so soll man es ätzen mit pocksflaisch. 57.
β)
in den vocabularien tritt gesücht in dieser bedeutung frühzeitig auf, und meist wird es hier nach ort und stelle differenziert: gesucht artesis Twinger (Stuttgarter exemplar) 9ᵃ; fuͦosz gesucht podagra. ebenda 113ᵈ, hand gesücht chiragra 27ᵃ. neben vuozgesüchte und hantgesüchte tritt in einem onomasticon latino germ. des 15. jh. noch hüffegesüchte = sciatica auf. Schmeller² 2, 219. ebenso chiragra, das zipperlein ader gesicht in henden. voc. rer. prompt. (Leipzig 1517) Dief.-Wülcker 121ᵇ; gesücht, zipperle, morbus articularis, ehiragra. Dasypodius F b; gesüchte (das) morbus articularis, gesüchte oder kranckheit der gleichen (gelenke) wo die seygind, als das zipperle in den henden, in den füszen das podagra genant, artuum dolor Maaler 177ᵇ. ähnlich auch durch die wörterbücher des 17. jh. bis Spieser (1700) 149.
γ)
in der litteratur des 15. auf das 16. jh. zeigt gesüchte, auch ohne weitere benennung, die eben festgestellte bedeutung eines rheumatischen schmerzes; es vertritt die uns heute geläufige verwendung des wortes 'gicht': und derselb techan was lamm worden von gesicht und also truͦgen inn sine knecht in ainem sessel herab in den hoff. U. v. Richental chron. des Konstanzer conzils (litt. ver. 158) 24; an sant Mathis tag (1418) do rait unszer herr der küng Sigismund den Rin abhin und maint gen Basel zu ritende .. er wart ye wendig und rait an dem andern tag gen Costentz und lait sich da nider und lag ettwe mengen tag. und maint man, er hett das gesücht. ebenda 137. dieselbe notiz bei Tschudi 2, 94ᵇ (dann er hat ein gesucht an eim bein, die uberröte genant); über füllen den magen mit grober speisz bringet krankheit der gelych (besser gelidt zu lesen?) als das gesucht und syn gelychen. Steinhöwel regimen sanitatis 398 Ehrle; darumb macht es gesucht in den glidern. ebenda 404; so dir gott gibt kranckheyt dyns lybs, do hestu daz grimmen do das febre do daz gesücht, dasz du nit weyst wo du bliben solt, was denn der wüttenden we sind. Keisersberg bilgersch. 211ᶜ. bei Luther fehlt das wort gänzlich, wie es überhaupt der eigentlichen schriftsprache entfremdet wird.
δ)
dagegen fand das wort einen anhalt in der medizinischen litteratur, die zu ende des 16. und anfang des 17. jh. namentlich im südwestlichen Deutschland aufblühte. hier zeigt sich einerseits, dasz in mundart und schriftsprache concurrenten erwachsen sind, andererseits werden durch den stoff bedeutungsverschiebungen und verengerungen begünstigt.
1)
so lindert sich das reiszen der selbigen (glider) welchen gebresten etliche das lauffend vergicht, andere kalte gesucht, und aber andere, als die leut in Tyrol und am Bodensee, das geschosz heiszen. L. Thurneisser beschreib. influent. wirk. aller erdgewächse (1578) 109; nun wissend von disem tartarischen liquore, daz er vil kranckheiten macht die man gesücht heist, flüsz und dergleichen nach der art der länder: auch das tropffen, den marckschwinen, und vil dergleichen. Paracelsus schriften (Basel 1589) 1, 180.
2)
kaltgesücht, wird ausser bei Thurneisser auch sonst viel angeführt, vgl. Ruland von wasserbädern (1579) 7, vor allem Tabernaemontanus im 'neuen wasserschatz': sie kommen zu hülff dem kalten gesücht der glieder. 481 u. a.
3)
die parallele zwischen gesücht und flusz, als welcher ja der rheumatismus aufgefaszt wurde (vgl. theil 3, 1856), gibt anlasz zu übertragungen: ist auch zum weissen gesicht der weiber gut. Tabernaemontanus 'neu arzneibuch' (1588) 318.
4)
gesücht ohne weitere benennung wird bei Tabernaemontanus bald dem podagra (wasserschatz 21) bald dem zipperlein entgegen gesetzt, hier tritt es für die 'heftigen schmerzen der hüft' ein, vgl. kräuterbuch (spätere auflage Basel 1738) 1, 385. ähnlich musz wol auch aufgefaszt werden: vertreibt die gliedsucht, podagra, lähme der glieder, das gsicht, reiszen unnd laufen in schenckeln und andern gliedern, deszgleichen den krampff. Tabernaemontanus neu wasserschatz 300.
5)
allgemeiner scheint Paracelsus den begriff von gesücht zu fassen, das auch er häufig verwendet: mancherlei species (kranckheiten) die doch alle uff teutsch gesücht genent werden. wundarznei (1618) 202; und demselbigen glied wirdt sein gut blut entzogen, und das bösz an die stadt gesetzt, darausz dann folget ein new kranckheit zun gesüchten oder offen schäden. Paracelsus oper. (1616) 1, 721ᵃ.
6)
auch die spätere entwicklung neigte wieder dem allgemeineren begriff rheumatischer schmerz zu, so schon in der anschaulichen beschreibung bei Coler: gesüchte legen sich biszweilen in die schuldern, arm, schenckel und gantze bein und in andere glieder, die machen, daz einem in den schuldern, arm, schenckeln etc. die glieder zwar an jm selber nicht wehe thun, es reiszet einem drinnen, aber wenn man sie reget und beweget, so thun sie einem gar innerlich unter dem fleische wehe. die glieder schwellen einem nicht, seynd einem auch nicht roth und man kan nichts sonderlichs an jhnen mercken, dann nur daz sie einem wehe thun, wann man sie brauchen will. der gemeine mann nennets ein gesüchte. Coler öconomia rur. et domest. II 2. buch (1695) cap. 56. und in derselben bedeutung noch heute in der Schweiz: es kam mir in den arm fast wie ein g'süchti. Gotthelf Uli der knecht cap. 24 (1850 dafür krampf) vgl. sp. 4287.
ε)
in dieser allgemeineren bedeutung tritt das wort auch in die thierheilkunde über: welchem pferd das gesucht in den fuͦsz kompt und hinckt also daran. Albrecht roszarznei (Frankfurt a. M. 1570) 95; wann ein rosz ein gesüchte in der huf beinen oder knien hätte. Coler a. a. o. I 10, 65.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1897), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4286, Z. 53.

gesüchte, fem.

gesüchte, fem.,
niederdeutsche form zu geseufze (vgl. sp. 4086), mndl. gesucht Verwijs 2, 1721. ostfriesisch gesüchte vgl. ten Doornkaat Koolman 1, 621.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1897), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4289, Z. 14.

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Zitationshilfe
„gesicht“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gesicht>.

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