Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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gesetz, n.

gesetz, n.
statutum, lex; stropha, capitulum etc.
I.
Formen.
1)
unverkürzt mhd. daʒ gesetze myst. 1, 196, 22 fg.; ob er daʒ gesetze waiʒ. Augsb. stadtr. art. 63 § 3; ditz statut und gesetze. Nürnb. pol.-ordn. 28 (15. jahrh.); edictum, koningis gebot vel gesecze Dief. 195ᵃ, mnd. ghesette der koninge nov. gl. 144ᵇ. Schiller-Lübben 2, 79ᵇ; noch bei Luther das gesetze neben gesetz 3, 222ᵃ. 8, 27ᵃ u. ö. Schuppius 840; sein gesetze. Gellert 1, 170;
fleuch die verdammte brunst und fürchte das gesetze.
Lichtwer (1828) 202.
selten als fem.: als diese gesetze auszweist. Tucher baumeisterbuch 278, 6, beeinfluszt durch das fem. gesetzede, unten nr. 3, b.
2)
unter dem einflusz von gesatz (s. 3, a) ist die schreibung das gesätze, gesätz entstanden: in disem gesäzze. Butschky kanzl. 251; wider die weltliche gesätze. Simpl. 3, 409, 4 Kurz; gesätz sollen nicht fallstrick sein, die unterthanen zu gefähren. Lehmann flor. 1, 296; das gesätz ist ein stumme oberkeit, oberkeit ein redend gesätz. Denzler 130ᵃ;
ist ein gesätz gerecht, das die natur verdammet?
Haller ged. 101.
3)
ältere nebenformen sind
a)
gesatz, n., vielgebraucht im 15. und 16. jh., nd. gesat Woeste 77ᵇ, mnd. gesate: daʒ wider der stat gesatz was. Augsb. chron. 2, 48 anm. (von 1376); Moyses ain geber der gesatz gottes. Nicl. v. Wyle 225, 37 Keller;
als dan im gsatz (bibel) geschriben stat:
der eigen nutz vertribt all recht.
S. Brant narr. 10, 18;
und hüt dich für der menschen gsatz (: schatz).
Luther 8, 403ᵇ;
der bapst in solchem gesatz (dem verbot der priesterehe) des teufels apostel gewesen ist. auf das ubirchristl. buch (1521) A 4ᵇ, dafür in den werken gesetz 1, 368ᵇ; durch die newen gesatz beschweret. Steinhöwel Bocc. (1555) 35;
soll ich dann schelmen meister sein,
so geb ich euch die gsatze mein.
Murner schelmenz. 12ᵇ;
darumb macht er gesatz, doch wenig, damit ers nit übermacht, wan ein alt sprichwort ist 'vil gesatz vil ungehorsam'. Aventin. 4, 76, 17 Lexer; wenig gesatz, gut recht. kein gesatz, es hat ein loch. Lehmann flor. 1, 291; wider das gesatz gottes. Fischart bienenk. (1588) 121ᵃ; des vaterlandes gesatz. Schuppius 527; so viel völcker tracht, sitten und gesatz. 695; noch bair.-östr. das gsatz Schm.² 2, 342. Höfer 1, 287. über gesatz, liedstrophe, sieh unten II, 10, b.
b)
ahd. casacida, gisezzida, f. dispositio, ordo, institutio, statutum, daneben ein vorauszusetzendes neutrum gasazzidi, daher
α)
gesatzd, f. n.: besundere gesatzd, nach welchen gesatzden jr sollent leben. Keisersberg post. 2, 21; das in gluste noch dem gesatzd (willen) des fleisches. irr. schaf B 4ᵃ, s. unten II, 5;
dann die gesatzd das wellen han,
das man sie auch rechtlich ruͦff an.
S. Brant 135ᵇ Zarncke.
β)
gesatzt, f. n.: das dise gesatzte und artickel ewiclichen stet und unzerbrochen beliben. Augsb. chron. 2, 138, 30 (zunftbrief von 1368); auf dasselb mal was ain gesatzt und gewonhait hie. 3, 72, 20 (mitte des 15. jahrh.); daʒ sollichs wider diew gesazzt und ordnung der heiligen cristenheit seie. 377, 4 (von 1436); das du ordenlich regirest nach der gesatzt deines glauben. Nürnb. chron. 4, 169, 15 (mitte des 15. jh.); das buch der nuwen und der alten gesatzt (sing., des alten und neuen testaments). Dief.-Wülcker 616;
das er brech das bäpstlich gsatzt.
N. Manuel faszn. 382 Grüneisen;
des gsatztes gütigklich erlassen, gratiam facere legis Maaler 195ᵃ; der bedarf dheines gsatztes. Zwingli bei Wackernagel leseb. 3, 1, 243, 5; wenn das gsatzt nit wäre. 243, 23; die gesatzte, rogationes et plebiscita Maaler 171ᶜ; von gemeinen gesatzten. L. Jud Titus CCᵃ; noch östr. das gesatzt Höfer 1, 287.
γ)
gesetzede, gesetzde, gesetzed, f. n.: diz gesetzede wolle wir halden. myst. 1, 42, 20 Pf.; daʒ ist daʒ gesetzede über daʒ brôt. stadtr. v. Meran bei Haupt 6, 415; es sollent ouch jetze alle brotbeckermeister in unser stat sweren an die heiligen, daʒ sie abelossent alle gesetzede und gebot, die sie under inen gemaht hant. Straszb. verordn. 92 Brucker (von 1439); die eine was die alte ê, das alte gesetzede, die ander die niuwe ê, das niuwe gesetzede (testament). Tauler in Wackernagels lesebuch 1, 857, 21; sü hettent eine gesetzede. Closener in städtechron. 8, 106, 26; nach gesetzede, die vormals gesetzt und erfunden ist. fontes rer. Austr. 2, 21, 333 (von 1401); die alten rechte und gesetzde. weisth. 1, 175 (Interlaken, von 1404); dis nüwe gesetzde. 176; disiu gesetzed satzet der guot sanctus Silvester der pâbest. Schwabensp. 320, 4 Wackernagel.
δ)
gesetzete, gesetzte, gesetzt, f. n.: der bischof von Kolle appellirte von dem legaten und sinen gesetzeten an den stuͦle zuͦ Rome. Closener in städtechron. 8, 50, 25; lex, geseczte Dief. nov. gloss. 233ᵃ; daʒ gesetzte sol der stat an iren alten rehten und gesetzen niht schaden. Nürnb. pol.-ordn. 34 (um 1300); das disiu geseczt ewiclich stet beliben. Augsb. chron. 2, 131, 11 (von 1340); gesetzte von keiser Juliano gemacht, Juliane. voc. 1482 m 1ᵇ; wider all sölch meineidigen mönschen und lestrer sind strafende gesetzt gemacht. Keisersberg dreieck. spieg. (4ᵒ) Bb 7ᵃ; in der ersten (landschaft, landtag) machet man köstliche gesetzt (var. gesatz). Aventin. 5, 108, 32 Lexer;
daʒ geseczt, daʒ zwüschen in geschicht.
Wittenweiler ring 28ᵈ, 30.
II.
Bedeutung und gebrauch. gesetz ist verbalsubstantiv zu setzen in seinen verschiedenen bedeutungen: festsetzen, bestimmen; absetzen; aufstellen; hinzusetzen; pflanzen.
1)
allgemein, was gesetzt oder bestimmt ist, die bestimmung einer höheren macht, des schicksals oder gottes: mhd.
dô nâhte ir werdekeit gewin:
wand eʒ was ir gesetze.
Parz. 378, 27;
nhd. das wir menschen alhir in disem gesäzze gebohren sein, alles dasjenige, was sich, es sei glück oder unglück, mit uns zuträgt, vernünftig zu erdulden. Butschky kanzl. 251.
2)
gebot gottes, vergl. nr. 7, c: nim zu ohren unsers gottes gesetz, du volck von Gomorra. Jesaia 1, 10;
ja selig ist der mensch, der .. das göttliche gesatz
stets lobet, liebet und betrachtet.
Weckherlin 1 (psalm 1, 2).
3)
obrigkeitliches gebot, verordnung, erlasz (vgl. die wendung gesetze setzen Freib. stadtr. 228, 7. voc. 1482 m 2ᵃ, und die formel eʒ ist auch gesetzet, swer unfuͦge tuͦt ... der sol daʒ dem rihter buͤʒen. Nürnb. pol.-ordn. 34 u. ö.): mhd. diz (das gelübde ewiger keuschheit) inwas nicht wider di ê noch wider daʒ gesetze. myst. 1, 196, 22 fg.; swer wider ditze gesetze tuot. stadtr. von Meran 423; alle bercrichter unde alle bercgeswornen unde alle berclute haben zu rechte kein gesetze zu setzene an nichte uf di burger. Freiberger stadtr. 228, 7 Ermisch; und solliche gesetze (wegen weinfälschung) seind zu fünf malen nach einander am weinmarkt und vom rathaws offentlich verlesen und verkündt worden. Nürnb. pol.-ordn. 259; nu wir aber unter unsern fürsten, herren und keiser sind und euszerlich jrer gesetz geleben müssen. Luther 3, 40ᵃ; da nu das gebot und gesetz des königes laut ward (die schönsten jungfrauen gen schlosz Susan zu bringen). Esther 2, 8; dasz könig Ludwig in Aquitania das volck mit so guten gesatzen und so friedlich regierte. Zinkgref apophth. (1639) 2, 2, guten gesetzen 1653; newer könig, new gesätz. Henisch 1560; von päpstlichen erlassen: vil gesetz geben ist vil strick den armen seelen legen. Luther 6, 74, 35 Weim., sermon von dem bann 1520; des concilies gesetzede (beschlüsse) verkunden. Closener in städtechron. 8, 50, 21; handwerksstatuten, innungsartikel: sie (die ratsherren) hetten gesatz über die hantwerk gemacht. Nürnb. chr. 3, 146, 16 (15. jh.); ouch sullen sie (die messerschmiede) keinerlei einunge ader gesetze machen, die unsern hern, der stat oder dem bergwerke schedelichen weren. Freiberger stadtr. 281, 12 Ermisch (um 1390); ouch mogen die gewandsnider en selbis zu getwange güde gesetze under en machen. Gengler cod. jur. mun. 1, 473ᵃ (Cassel, von 1402); satzungen einer gesellschaft: des löblichen ordens (der fruchtbringenden gesellschaft) rühmliche geseze. Krause erzschrein 107 (von 1648); ordensgesetze.
4)
im engern sinne von dem vorigen unterschieden, die rechtsfestsetzung, lex, dafür ahd. diu êwa, mhd. ê, altsächs. êo, êu, ags. æ; altn. lög, schwed. lag, dän. lov, engl. law; goth. vitôþ, ahd. der und daʒ wiʒôd, ags. witôđ, nl. wet: lex, gesetz Melber o 2ᵇ; gesetz setzen einem volck, plebesitare voc. 1482 m 2ᵃ; wo sich nun ein fall zuͦtruͤg, das ein gesetz wider gemeinen nutz und lieb wer, so soll man dem gesatzgeber in das herz sehen (welches ist der geist, kern und seel aller gesatz), wie er es doch gemeint hab. S. Frank parad. (1558) 240ᵇ; ein gesetz ohne execution (handhab oder vollziehung) sei wie eine glock ohne schwengel. Zinkgref apophth. (1639) 1, 270; von gesetz und rechtswegen. Harnisch (1669) 225; und keine gesetze waren noch vorhanden, die das mein und dein auseinander gesetzt hätten. Schiller IX, 135;
wir fassen ein gesetz begierig an,
das unsrer leidenschaft zur waffe dient.
Göthe 9, 83 (Iphig. 5, 3);
es erben sich gesetz' und rechte
wie eine ewge krankheit fort.
12, 97 (Faust 1972 Weim.);
alle (heben die rechte hand auf). wir wollen es, das sei gesetz!
Schiller XIV, 330 (Tell 2, 2, Rütliscene);
ein gesetz geben, bekannt machen, aufheben, befolgen, beobachten, halten, brechen, übertreten, wider ein gesetz handeln Adelung; preuszische, sächsische, weltliche, bürgerliche, kirchliche, gottesdienstliche gesetze: dis ist das gesetz des brandopffers 3 Mos. 6, 9, des speisopffers 14, des sündopffers 25. ferner in zahlreichen zusammensetzungen wie reichs-, staats-, straf-, polizei-, steuer-, kirchengesetze u. s. w.
5)
vorschrift, regel, norm, richtschnur, nach der man handeln musz oder handelt: es ist zweierlei willens in dem menschen oder zweierlei gesatzd, das ist das gesatzd des fleisches und das gesatzd des geistes. Keisersberg irrig schaf B 4ᵃ, nach Röm. 7, 21 fg.; jhr gantz leben war in kein regel, gesatz noch ordnung eingefangen, sondern alles gieng nach eigenem willen. Garg. 282ᵇ (533 Sch.);
(der freigeist spricht) die furcht erdachte recht und pflicht
und schuf den himmel und die hölle ...
was jeden ruhig macht, ist jedes sein gesetze.
Gellert 1, 170;
es liebt ein jeder, frei sich selbst
zu leben nach dem eigenen gesetz.
Schiller XIV, 28 (braut v. Mess. 1, 4);
ich (Ottilie) machte mir nach meinen beschränkten einsichten hierüber gesetze .. aber ich bin aus meiner bahn geschritten, ich habe meine gesetze gebrochen. Göthe 17, 370 (wahlverwandtsch. 2, 14);
auch sei ihr (der göttin) wink noch künftig mein gesetz.
9, 15 (Iphig. 1, 3);
hie kann man kein gesetz noch zill setzen. Luther 12, 37, 9 Weim.; wie fallen sie nur so demütig nider, wann S. Peters .. oder eins andern heiligen begevatterter maurbrecher in tonender gestalt vom berg Syna mit jhnen das gesatz redet. Garg. 182ᵇ (336 Sch.); der mann, der aus seinem comtoir der halben welt gesetze und königen credit giebt. Möser patr. phant. 1, 151; die gesetz des spiels, le condizioni del gioco. Krämer 548ᵇ;
's ist ein gesetz der teufel und gespenster:
wo sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus.
Göthe 12, 73 (Faust 1410 Weim.);
eheliche ermahnungen und gesatz oder vernunftgemäse ehegebott. Fischart ehz. titel; noht hat kein gesetz. Stieler 2042;
der leidige hunger
kenne keine gesetze.
Göthe 40, 157;
die ehrne hand
der noth gebietet, und ihr ernster wink
ist oberstes gesetz, dem götter selbst
sich unterwerfen müssen.
9, 76 (Iphig. 4, 4).
insbesondere
a)
gesetz der ehrfurcht, vernunft, sittlichkeit u. s. w.: wider ein höheres gesetz der ehrfurcht handeln. Gellert 7, 50; weil wir dieses doppelte glück zu befördern für ein göttliches gesetz der vernunft achten. 6, 334; gebote, gesetze der sittlichkeit. Kant 4, 38; das moralische, sittliche gesetz. 185 fg.; ein gesetz der heiligkeit, der pflicht. 195; die gesetze der menschlichkeit, der freundschaft (A. Gryphius 1, 851), der liebe, der gastfreundschaft;
doch ist der weg (der heimkehr) auf ewig dir versperrt, ..
so bist du mein durch mehr als éin gesetz.
Göthe 9, 15 (Iphig. 1, 3).
b)
das gesetz der natur: das gesetz der natur hat uns geben, nit hungern, nit dürsten, nit frieszen. Albr. v. Eyb spiegel 42ᵇ; (das verkaufen von menschen) nicht allein wider got, sunder auch wider natürlich aigenschaft, gesetze und ordnung, nachdem der mensch auch ledig und frei beschaffen ist. Nürnb. pol.-ordn. 117; aus dem gesetze der natur, welches dem geschriebenen göttlichen gesetze keinesweges widerspricht .. zu dem gesetze der natur gehöret auch das völcker-recht oder diejenige schuldigkeit, welche regenten gegen einander in acht zu nehmen haben. Günther vorr. a 7ᵇ; das gesetz der natur ist in jedermans herz geschrieben. Luther 8, register K 3ᵃ;
musz ich dem trieb misztraun, der leise mich warnt, dem gesetze,
das du selber, natur, mir in den busen geprägt?
Schiller XI, 68 (genius 6).
c)
ästhetisch: bin ich doch solcher gedancken keines weges, das ich vermeine, man könne iemanden durch gewisse regeln und gesetze zu einem poeten machen. Opitz poeterei cap. 1; der gröszte geist wars, der, da ihn die muse begeisterte, von keinem gesetz wuszte. ein Sophokles dachte an keine regel des Aristoteles, liegt aber nicht mehr als der ganze Aristoteles in ihm? Herder lebensb. 1, 3², 240;
bürdet ihr nicht satzungen auf dem geweihten
dichter? erhebt zu gesetz sie? und dem künstler
ward doch selbst kein gesetz gegeben,
wie's dem gerechten nicht ward (1 Tim. 1, 9).
Klopstock oden 2, 75.
d)
sich etwas zum gesetze machen: meine zeit ist mir diesen sommer so kurz zugeschnitten gewesen, dasz ich mir es zum gesetze machen muszte, so wenig briefe als möglich zu beantworten. Lessing 12, 267; die sich zum gesetz machte, die gesetze der ehrbarkeit zu verachten. Göthe 19, 83; ein dichter, der popularität zu seinem höchsten gesetz macht. Schiller VI, 317.
6)
feste regeln, in denen sich die weltordnung, die erscheinungen der natur, die erzeugnisse der kunst, die arbeit und ergebnisse der wissenschaft bewegen und vollziehen: nun heiszt die vorstellung einer allgemeinen bedingung, nach welcher ein gewisses mannigfaltige (mithin auf einerlei art) gesetzt werden kann, eine regel, und wenn es so gesetzt werden musz, ein gesetz. Kant 2, 649; regeln, so fern sie objectiv sind (der erkenntnisz des gegenstandes nothwendig anhängen), heiszen gesetze. 658;
die schöpfung wird regiert nach ewigen gesetzen.
Uz 2, 105;
der schöpfer unterwarf den weisesten gesetzen
was zu der welt gehört.
107;
nach ewigen, ehrnen,
groszen gesetzen
müssen wir alle
unseres daseins
kreise vollenden.
Göthe 2, 87;
das sein ist ewig, denn gesetze
bewahren die lebendgen schätze,
aus welchen sich das all geschmückt.
22, 261;
den künstler (des weltalls) wird man nicht gewahr, bescheiden
verhüllt er sich in ewige gesetze.
Schiller V, 2, 316 (Don Carlos 3, 10);
das grosze gesetz, das oben im sonnenlauf waltet
und verborgen im ei reget den hüpfenden punkt,
der nothwendigkeit stilles gesetz.
XI, 69 (genius 20);
alle dinge, die wir in den lauf der natur und zu ihren gesetzen zählen, hängen unmittelbar von gott ab. Hamann 1, 68; welches gesetz der natur ist allgemeiner und gewisser als 'mensch, du muszt sterben'? ebenda;
gleich dem todten schlag der pendeluhr,
dient sie knechtisch dem gesetz der schwere,
die entgötterte natur.
Schiller VI, 26 (götter Griechenl. 167);
ehre das gesetz der zeiten
und der monde heilgen gang.
XI, 294 (eleus. fest 54);
unselige! die mir, aus deinen höhen,
ein meteor, verderblich niederstreifst
und meiner bahn gesetz berührend störst.
Göthe 9, 339 (nat. tochter 4, 2);
dem ersten gesetze der kunst, dem gesetze der schönheit. Lessing 6, 386; er konnte sich selber nicht rechenschaft geben, nach welchem gesetz er die fäden seines gedichtes in einander wob. Scheffel Ekkeh. 385; ein allgemeines gesetz, nach welchem der ausdruck (des gesichts) erfolgt. Engel 7, 73; die gesetze der sprachforschung, der physik, die denkgesetze; nach mathematischen gesetzen. J. Paul flegelj. 4, 13.
7)
collectiv, der inbegriff von gesetzen als ganzes.
a)
bürgerlich-rechtlich, gleich 'die gesetze': nach der Perser und Meder gesetz. Esther 1, 19; in jener zeit hatte das gesetz alle seine kraft verloren. Göthe 34, 309;
lasz er mich mit dem gesetz in frieden!
12, 134 (Faust 2634 Weim.);
das gesetz ist der freund des schwachen.
Schiller XIV, 48 (braut v. Mess. 1, 7);
denn das auge des gesetzes wacht.
XI, 315 (glocke 306);
vor dem gesetz gleich, auszer dem schutz des gesetzes sein, im namen des gesetzes.
b)
in allgemeinem sinne: das gesetz hat zum schneckengang verdorben, was adlerflug geworden wäre. das gesetz hat noch keinen groszen mann gebildet. Schiller II, 30 (räub. 1, 2);
in der beschränkung zeigt sich erst der meister,
und das gesetz nur kann uns freiheit geben.
Göthe 11, 316.
c)
die lehre eines religiösen glaubens und damit verbundenen sittengesetzes, zunächst des jüdisch-mosaischen: ein schrifftgelerter im gesetz Mose. Esra 7, 6; das er die jüden zwingen solte, das sie von jrer veter gesetz abfielen und gottes gesetz nicht mehr hielten. 2 Macc. 6, 1; Elias eivert umb das gesetz. 1 Macc. 2, 58; obs (das volk Israel) in meinem gesetze wandle. 2 Mos. 16, 4; weh euch gottlosen, die jr des höhesten gesetz verlaszt. Sirach 41, 11; ir solt nicht wehnen, das ich komen bin, das gesetz oder die propheten auffzulösen. Matth. 5, 17; in diesen zweien geboten hanget das gantze gesetz und die propheten. 22, 40; der jud sagt, es wer wider sein gesatz, wein mit den christen zuͦ drincken. Wickram rollw. F 4ᵇ; im gegensatz dazu der christliche glaube, das evangelium: Christus bringt das neuwe gesatz, nemlich das evangelion und das gesatz des geists herfür. Reiszner Jerus. 1, 4ᵃ; als Christus Jesus hat erwelet die zwölfboten und inen geben das nüwe gesatzd, das gebot des heiligen euangeliums ... dozuͦ auch (ausgelegt) das alt gesatzd, und do gezöigt, worin die alten juden geirret haben. Keisersberg postill 3, 59ᵇ; alle christgloubige menschen als scheflin .. zuͦ weiden und zuͦ fuͤren in dem gesatz Cristi unsers herren. bilgersch. 2ᵃ; das gesetz Christi erfüllen. Gal. 6, 2; wider christenlich gesatz. Schwarzenberg 126, 2; danach auch von Muhameds lehre: Mahmets gesetz, das mahmetische gesetz, das gesetz der Saracenen. Luther 8, 25ᵇ fg.; weliches von den dreien geseczen, des juden, heiden und cristen, du für das pest und warhaftigest gelaubest? Bocc. 1, 3;
Saladin. da du nun
so weise bist: so sage mir doch einmal,
was für ein glaube, was für ein gesetz
hat dir am meisten eingeleuchtet.
Lessing 2, 274 (Nathan 3, 5).
d)
das bürgerliche oder kirchliche gesetzbuch: es steht im gesetz, im strafgesetz, im kirchengesetz; in religiöser beziehung
α)
das buch des gesetzes, die fünf bücher Mosis: es mus alles erfüllet werden, was von mir geschrieben ist im gesetz Mosi, in den propheten und in psalmen. Lucas 24, 44; das gesetz Mosis, decalogus Stieler 2042; daher bildlich: einem das gesetz schärpffen, den text oder den leviten lesen, increpare, objurgare, reprehendere Duez (1664) 193ᵃ.
β)
das alte testament: Abiathar, der erste under den zwelf wisen juden, sprach: .. also sint vil in unsere gesetzede gewesen, die ouch vil zeichen hant geton. Königshofen in städtechr. 8, 364, 5; weistu nit, das got im gesatz die thier, die vom raub leben, unrein schetzt. Cyrillus 66; stehet nicht geschrieben in ewrem gesetz (ps. 82, 6), ich hab gesagt, jr seid götter? Joh. 10, 34;
im gsetz den jüden gott gebeut,
das sie jr mägd und eigen knechte ..
im jubeljar solten frei lassen.
B. Waldis 2, 18, 86 Kurz.
8)
festgesetztes masz, bestimmte zahl, satz: gesetze in agricultura acervus et meta Stieler 2042; wann aber nun der Oberndorfer kirchtag erschienen ist, so hat alsdann der einschlag (auftrieb) kein gesetz oder masz, sondern mag ein jeder einkehren, soviel er zu führen hat. tirol. weisth. 1, 82, 35 (von 1561); das gesetze weits (waid), das usz der stad gefurt wirt und gemeszin wirt. Mainzer kaufhausordn. 14ᵇ (15. jh., Würzb. archiv) bei Lexer nachtr. 200; ein gesecze weits. Dief.-Wülcker 616 (Frankfurt, von 1550); die mägde bekommen als spinnerinnen ein gesetz auf, sie haben eine bestimmte anzahl von garnstücken in einer woche zu spinnen Frischbier preusz. wb. 1, 231ᵃ; mädchen müssen ihr gesetz stricken. ebenda; mnd. officium to Aldenbodiken .. (dabunt) in festo penthecostes annuatim 3 gesette ovium, unum gesette continet 10 antiquas oves et 5 juvenes. Schiller-Lübben 2, 80ᵃ; also facht er (der bös gaist) den gueten jungen an, dem abt ain gesetz silberner becher zu stelen. Zimm. chron. 3, 12, 14; 1 th. 16 gr. vor ein gesetz schaufeln (in einer mühle). Dief.-Wülcker 616 (Erfurt, von 1652); gesetz im rosenkranz, decas globulorum precatoriorum Aler 923ᵇ. Kramer 2, 95ᵇ; ein gesetz kegel mit kugeln, ein gesetz stricknadeln; gesätz, ein satz kesselschalen Richter berglex. (1805) 1, 395, vgl. gesatz sp. 3811.
9)
absatz, schicht, lage: das gesetzt, da eins umb das ander gesetzt ist, alternatio Maaler 174ᵈ; im rechtsgang, von den abwechselnden schriften des klägers und des beklagten: davon sol beiden theilen um die gebühr abschrifft gegeben werden, und ein jedes theil, sofern er wil, darauf mit zwei gesatz schrifften, innerhalb sächsischer frist für den commissarien procediren und schlieszen. verordn. d. Hadler. landger. th. 1, tit. 13; an einem bau: sie machten ein tiefes fundament und setzten die ersten gesatz auf den harten felsz. buch d. liebe 266, 4; an einer pflanze: die blätter stehen an ihrem stiel und nebenzweiglein gegen einander über, je ein gesetz über dem andern. Tabern. 336; um den stengel stehen blumen wirtelweis herum, ein gesetz über dem anderen, gleichs hoch. 925; in einem geschlechtsregister, glied: hier mangeln etliche gesetz an diesem geschlecht-regiester. Dietr. v. d. Werder anm. hinter Ariost 3, 30.
10)
absatz, abschnitt
a)
einer schrift, capitel, hauptstück: gesetz wird bei dem gemeinen manne ein capitel aus der bibel genannt Adelung; nd. gesette Schiller-Lübben 2, 80. brem. wb. 4, 768: dat VI. gesette. Reinke de vos 1, 15 u. ö., als überschrift abwechselnd mit capittel.
b)
eines reimgedichts.
α)
strophe, in bezug auf text und melodie: ein gesetz im lied, versus Alberus c 2ᵃ; gsatz eines lieds, versus Maaler 195ᵃ; in disem selben jare (1360) vurwandelten sich dictamina unde gedichte in duschen lidern. want man bit her lider lange gesongen hat mit funf oder ses gesetzen, da machent di meister nu lider di heiszent widersenge, mit dren gesetzen. Limb. chron. 49, 6 Wyss; solche gesang und lieder haisz wir noch 'gesetz' wie auch die Kriechen 'nomous'. Aventin. 4, 76, 27 Lexer; das ('ehre sei gott in der höhe' Luc. 2, 14) ist ein gesang von dreien leisen oder gesetzen. Luther hauspost. winterth. 23ᵃ; auch als schulausdruck der meistersinger: ein jedes meistergesangs bar hat sein ordentliches gemäs .. ein bar hat mehrentheils unterschiedliche gesätz oder stuck .. ein gesätz bestehet meistentheils aus zweien stollen, die gleiche melodei haben, darauf folgt das abgesang .. zuletzt kommt wieder ein stoll oder theil eines gesätzes, so der vorhergehenden stollen melodei hat. Wagenseil civ. Nor. 521; weisen sind gantz blosze verse, welche das gantze gesetz durch leer stehen, auch in den folgenden gesetzen nicht gebunden werden (z. b. der letzte vers jeder strophe des liedes 'allein gott in der höh sei ehr'). 522; die worte und syllaben in gewisse gesetze zu bringen und verse zu schreiben, ist das allerwenigste, was in einem poeten zu suchen ist. Opitz 1, 5 Triller; die zehen gebot gottes, lang gesetz, durch d. Mart. Lutherum (von Luthers zwei liedern über die zehn gebote das mit längerer strophenform). Rhau geistl. gesangbuch (Frankf. a. M., 1589) 60ᵃ; sechs-, achtzeiliges gesetz. Krause erzschr. 226 fg. (von 1639);
gesetze dreierlei im schwange rummer gehen,
von vieren, sechs und acht der zeilen sie bestehen.
221;
mit betonung der musik: der thurner soll zu nacht und morgen jeder seiten 3 gesetzt plasen. Bozner magistratsprotokoll von 1501 bei Schöpf 582;
wöllen unser kläglich gsang lan hören,
das wir jhm handt gedicht zu ehren;
wann ich ein gsatz vollendet han,
so fang ich allweg 's ander an.
Georg Gotthart zerstör. Trojas (Solothurn 1598) 2. tag, 7. act;
(dasz er in einem ständchen vor einem hause) seine stimme und laute und einiges gesetze hören lassen möchte. polit. stockf. 262; so bald es neune schlägt, so hört sie auf zu singen, wenn es auch mitten in dem gesätze eines liedes wäre. Gellert betschwester 1, 1 in den Brem. beitr. 2, 2, 89, schon in der ausg. der lustspiele von 1748 steht geändert in dem verse eines liedes; noch in Oberdeutschland und der Schweiz das gsatz, liedstrophe, musikalischer satz Schöpf 582. Hunziker 114; ein schallendes gelächter und allseitiger lobpreis aus allen ecken der stube lohnte das neue gesätz. Auerbach dorfgesch. 1, 337; niemand kannte von dem liede alle gesätze. 2, 548 u. ö.; auch Uhland braucht das wort in der bedeutung 'strophe': das erste gesätz ist vernehmlicher nachklang der älteren lieder von der nachtigall. Germania 3, 143, ebenso Lachmann in den anmerkungen zu der Nibelunge not: das erste gesetz ist in B ausgelassen. 6.
β)
danach auch das lied: diesz gesetz ist fugsam auf lichtmesz zu singen. M. Vehe 80; landtgraf Hermans f. g. hatten ein gesetz sangsweise gemacht auf dero seligste gemahlin letzte worte, so gewesen waren: gott lob. Dietr. v. d. Werder bei Krause erzschrein 146 (von 1637), das gedicht von vier strophen steht ebenda 150. vgl. gesetzchen, gesetzlein.
c)
satz in der rede, periode: gesetze in scriptura versus et periodus Stieler 2042. Henisch 1559.
11)
aufstellung, gestell: mnd. gold und sulver unde dat vaste gesette der voite (füsze). Schiller-Lübben 2, 79ᵇ; ein vorguldet gesette (tafelaufsatz?) van negen stucken, welchs by hundert loth gewagen. ebenda (von 1568).
12)
zusatz: die goldschmid und müntzmeister (haben) jhre mixtur und gesatz so sie mögen thun zum silber und gold. S. Münster cosmogr. b. 1, cap. 17.
13)
zu setzen, auspflanzen: gesetz, junger weingarten, novelletum Henisch 1559, in vineis weingesetze Stieler 2042, noch im rhein. Nassau das gesätz, junger angepflanzter (gesetzter) weinberg, rod, jungfeld Kehrein 160; baumgesetze, alias baumschule, plantarium Stieler a. a. o.; beet: bett, verstand (versteh) lender, oder britschen, oder gsetz, wie mans nent. Wickram pilger X 2, bl. 79, wie gesäsz 1, o, sp. 3808.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10,11 (1893,1895), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4070, Z. 48.

gesitze, gesitz, n.

gesitze, gesitz, n.
1)
coll. zu sitz.
a)
sitz, gestühle, bank:
ein gesiz (var. gesitze) vor ûʒ gehêret was,
dâ Feirefîʒ unt Anfortas
bî dem wirte solde sitzen.
Parz. 808, 17. 309, 25. 627, 29.
b)
wohnsitz, auch masc. als verstärkung von sitz: in dene steten, do sy (die krämer) von alden irsaczten rechte oren gemeinen gesicz haben. Ortloff distinct. 1, 295; burg, schlosz:
sy heten ain halb zentnerein
vor diser vesten und auch ein
virtail-püchs, zwu hauffnicze
vor dem selben gesicze.
Beheim Wiener 402, 9;
als nun Reinhart und Gabriotto wider zu ihrem alten ritter auff sein gesitz geritten waren, wider ihr zeit mit mancherlei kurtzweil zu vertreiben. buch d. liebe 250, 4.
c)
befestigtes lager der belagerer: etlicher namen, dy vor Urssendorff lagen:
her Hainrich von Milticze
was auch in dem gesicze.
Beheim Wiener 373, 25.
2)
subst. verb. zu sitzen, das sitzen: solches visiten-gesitze. Rahel 1, 285.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1895), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4126, Z. 5.

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Zitationshilfe
„gesitze“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gesitze>.

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