Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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gespiegelt, adj.

gespiegelt, adj.
part.
1)
wie ein spiegel geglättet, spiegelglatt:
mit gespiegelten ronen (baumstämmen) ..
der boume hundert wâren
mit liehten blicken clâren.
Parz. 690, 20 D;
geglätteter oder gespiegelter schild. Aristoteles probl. (1585) 19ᵃ.
2)
vom schwanze des pfauen, mit glänzenden spiegeln oder augen versehen:
(der pfau) mit einem gespiegelten schwantz.
H. Sachs 4, 2, 119ᶜ;
und schmücket sich ein edle fraw (in Venedig)
gleich wie ein gespigelter pfaw.
J. Amman frauentrachtenbuch (1586) N 7;
denn hilfft nicht der gespiegelt schwantz,
er dient viel besser an den tantz.
B. Waldis Esopus 1, 71, bl. 49ᵃ u. sonst;
noch in der heraldik, gespiegelt, mit pfauenaugen besetzt Mothes baulex. 2, 74ᵇ.
3)
weidmännisch, gespiegelt nennt man die jungen enten, sobald die spiegelflecke auf den flügeln erkennbar werden Kehrein 141.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1895), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4151, Z. 13.

spiegeln, verb.

spiegeln, verb.
zu spiegel; zufrühest mhd. als spiegeln erscheinend: speculari spiegeln, bespigeln Dief. 545ᶜ; in mehreren bedeutungen ausgebildet.
1)
intransitiv.
a)
die eigenschaften eines spiegels haben; hell wie ein spiegel sein, glänzen, leuchten wie ein spiegel (vgl. auch den transitiven gebrauch): es spiegelt alles in diesem hause, tutto riluce ed è forbito come uno specchio in questa casa. Kramer dict. 2 (1702), 862ᶜ; wenn er zu seinen geschäften ausgeht, zieht er schmierstiefeln an, wozu er eine grosze leidenschaft hat, oft auch sporen, ohne je zu reiten; wichsstiefel spiegeln, und ein spiegel ist schon etwas transcendentales. Brentano 5, 414; die rüstungen der biedern ritter und die gewandungen der könige und anderer groszen des reiches sahen vielleicht auch nicht zum besten aus, war wohl der pappendeckel der ersteren abgerieben und der samt der letzteren spiegelte, während der flitter blind geworden. Anzengruber³ 5, 47, vgl. dazu spiegel 5, f (sp. 2241). von fensterscheiben:
grosz sind die tafeln der fenster; wie glänzen und spiegeln die scheiben,
dasz verdunkelt stehn die übrigen häuser des marktes.
Göthe 40, 262;
dann zwischen beiden (schlössern) in der mitte,
ein lustig schlöszlein, steht das dritte ...
mit fenstern, die wie sonnen spiegeln.
Uhland 297.
vom wasser (vgl. spiegel 5, a sp. 2237):
beglückt, wer mit aufgespannten flügeln
sein schiff dahin auf ebnem meere führt,
er sieht um sich die grosze fläche spiegeln
und wird von keiner bleichen furcht berührt.
Tieck 1, 13;
und herauf durch die wälder
spiegelt die see.
Eichendorff 1, 348.
vom himmel:
ans haff nun fliegt die möwe,
und dämmerung bricht herein;
über die feuchten watten
spiegelt der abendschein.
Storm 8, 194.
altem gebrauch entsprechend:
als gen der plumen wider glast
es leichtet schon und spiegelt vast,
ain yeglich plömlin sich erwascht
usz mayen taw.
Hätzlerin 1, 28, 18.
häufig in participialer construction:
in ihren (der göttin) händen funkelt
ein spiegelnder kristall, der nimmer sich verdunkelt.
bey seines rückens glanz, der schwanen schamrot macht,
scheint spiegelnd silber grau wie schlacken.
Wieland 17, 25;
sie sehn ihn mit stiller entzückung
unverwandt an, wie er furchtbar in seiner spiegelnden rüstung,
unter den helden an hoher gestalt und schönheit hervorragt.
16, 42;
in silbernen spiegelnden waffen
tritt er ihm kühn entgegen.
167;
guck, hier beim fünfzehnten glöckchen
hängt ihr spiegelnd panzerröckchen.
Brentano 5, 125;
vgl.: unglücklicher alter mann — traue der schlange nicht. sieben farben ringen auf ihrem spiegelnden rücken — du nahst — und gählings schnürt dich der tödtliche wirbel. Schiller 3, 136 (Fiesko 5, 1). vom wasser:
dann marmorne städte,
die sich am ufer der ström' und spiegelnder seen verbreiten.
Wieland 16, 89;
tief am waldichten ufer das schwarze gewölk, wo die leuchtung
über den spiegelnden teich hinloderte.
Voss 144, 45 Sauer;
heiter und still war allen das herz, wie die spiegelnde welle.
1 (1802), 69;
dann, lebensnachen, gleite gehaltnern laufs,
wie schwäne sanft auf spiegelnder woge fort.
soll es (das auge) der spiegelnden flut folgen im schlängelnden lauf
oder verwegen sich dort zu den flatternden raben gesellen?
Körner 1, 102;
glück zu, glück zu auf der spiegelnden bahn!
gott lasse die fahrt uns gelingen!
es brausen die wellen, es schaukelt der kahn
und die fröhlichen schiffer singen.
1, 265;
so wollen wir wandern auf spiegelnder flut
und wellen und wogen durchschiffen.
267;
denn als den krug in emsigen handen,
übergebeugt in den spiegelnden see,
er am ufer schöpfend gestanden,
hab' es gequollen vom grund in die höh'.
Grillparzer⁴ 2, 17.
mit deutlicherem transitiven charakter: freue dich deines bildes in dem spiegelnden wasser, aber stürze dich nicht hinab, es zu umfassen; in seinen wellen ergreift dich der tod. Schiller 6, 302. vom auge:
so mit dem einzigen blick, erde, dein blühendes reich
klar in des spiegelnden auges entzückten kristall zu verweben,
leben und frühling und licht all in die seele getaucht!
Körner 1, 103.
von einem traume:
goldener vater,
zeigte dir unsre gestalt heut ein spiegelnder traum?
oder sizt noch der schlaf auf deiner gefalteten stirne?
Göttinger musenalm. (1775) 28.
wol in der sprache der spiegelmacher: ein spiegel spiegelt dunkel, schief. Adelung. in der sprache des bergwerks: spiegeln vom wasser 'bis zu einem bestimmten punkte heranstehen, heranreichen'. Veith 454; die stollnwasser spiegelten an dem damme ohngefähr bis zur mitte des oberen brettes. quelle ebenda.
b)
deutlich statt des reflexiven sich spiegeln (s. unten 3): spiegeln ... in einem spiegel sich besehen, specchiarsi. Hulsius (1616) 302ᵇ; spiegeln, mirarsi nel specchio. (1618) 235ᵃ; ich spiegele, in speculum inspicio. Steinbach 2, 624. auch bildlich: spiegeln, ein exempel oder beyspiel an einem andern nehmen, specchiarsi in alcuno. Hulsius (1618) 302ᵇ; ich spiegele, exemplum capio. Steinbach 2, 264;
plötzlich überraschend spiegelt
aus des höchsten himmels breiten
über ihr vorübereilend
allerlieblichste gestalt
hehren jünglings.
Göthe 3, 11;
wie die blumen auf der heide,
wenn sie mit beglänztem kleide
ungewisz im strome spiegeln.
Tieck 1, 271;
und in blanken silberpanzern
spiegeln dunkle seidenrosen,
windend sich um speer und lanze
aus des goldhelms stolzem schoosze.
Brentano 3, 41.
unsinnlicher: der brittische und deutsche (witz überrascht) im gleichnisz mit ineinander spiegelnden ähnlichkeiten und mit dem fortgenusse eines englischen gartens. J. Paul bücherschau 1, 72. mit weiterer adverbieller bestimmung:
die schönere natur warf in die seelen
sanft spiegelnd einen schönen wiederschein.
Schiller 6, 275.
2)
transitiv.
a)
im spiegel betrachten:
Selinde tändelt stets und spiegelt ihre mienen.
Ludw. Heinr. v. Nicolay verm. ged. 1 (1778), s. 201;
wie kommt die einfache seele dazu, auf solche weise die schönheit zu spiegeln und die Venus im saale nachzuäffen. Keller 7, 110. auch:
eine ros' auch spiegelt
in deinem kelchglas purpurroth ihr antliz,
die mein kosendes weib sanft pflegte.
Voss 3 (1825), 50;
blau und golden schwebt der äther
im bebüschten gartenteich;
bäume, weiszer hier, dort röther,
spiegeln ihren blüthenzweig.
Hölty 139 Halm;
wo des thals gebüsche
in des mühlenteichs kristallner klarheit
ihre locken spiegeln.
fest liegt im blauen die fregatt',
so fest als wie ein berg,
und spiegelt in dem wasser glatt
ihr schlankes spierenwerk.
dann ganz in dem sinne von schmücken, putzen, herausputzen u. s. w.:
so er sech des gewalting macht
faren mit tyrannischem bracht, ...
den stoltzen so gespiegelt kummen.
H. Sachs 1, 240ᵇ;
dann auch herausspiegeln, herfürspiegeln (s. theil 4, 2, 1095): es sein viel weiber und mann, ... die gehn offt ein wochen zwey oder dreymal in das badt, allein damit sie jhren leib mögen stadtlich und zierlich herausz spiegeln. Höniger narrensch. 186ᵃ; o mensch was spieglest du dein lang haar herfür, das voller leusz und nissz ist. 13ᵃ.
b)
als spiegelbild zurückwerfen, wie widerspiegeln, verb. (s. dort): man kann diesen auszerordentlichen geist und menschen mit recht einem vielseitigen diamanten vergleichen, der nach jeder richtung hin eine andere farbe spiegelt. Eckermann gespräche vorr. 10. vom wasser:
dich spiegeln mir des teiches silberfluten.
Körner 1, 192;
allein der quell, der mond und sterne spiegelt, ...
der wahre rein die ewig lautern wellen,
und nur bewegt ist ihm auch schon getrübt.
Grillparzer⁴ 6, 47;
part.:
und er faszte den andern krug, und beugte sich über.
und sie sahen gespiegelt ihr bild in der bläue des himmels
schwanken, und nickten sich zu, und grüszten sich freundlich im spiegel.
Göthe 40, 307;
vgl.: ja sah er nicht träumend dem laufe der chausseen nach, die wie flüsse die landschaft schmücken, weil sie wie diese ohne wohin und woher unendlich ziehen und das leben spiegeln? J. Paul flegelj. 3, 31. von der Fata Morgana:
ich spiegle wälder und kluft,
der heimat blühende lande
dir wunderbar in der luft.
Eichendorff 1, 351.
ungewöhnlicher:
ist nicht die sonne gut zu spiegeln die gesichter,
musz ja ein spiegel seyn.
Opitz bei Wackernagel leseb.² 2, 324, 13.
unsinnlich:
formlos breit und aufgethürmt,
ruht es in osten, fernen eisgebirgen gleich,
und spiegelt blendend flüchtiger tage groszen sinn.
Göthe 41, 252;
weil Augsburg die ganze gewerbegeschichte Deutschlands so treu im verjüngtem bilde spiegelt, so muszte nothwendig auch hier zuerst ein solches buch entstehen. Riehl culturstudien 288.
c)
entsprechend spiegel 5, b zum menschen in beziehung gesetzt. vom auge:
seit die augen sie geschlossen,
die ihm lust und leid gespiegelt,
ist in thränen er zerflossen.
Brentano 3, 435;
ist es wahrheit, wahrheit, wahrheit,
oder spiegeln diese augen
nur des innern dunkle bilder
statt der lichten auszenwelt.
Grillparzer⁴ 3, 127.
von der seele:
ist das auge gesund, so begegnet es aussen dem schöpfer,
ist es das herz, dann gewisz spiegelt es innen die welt.
Schiller 11, 169;
mit weiterer localer bestimmung: diese offenheit, die seine seele auf dem auge spiegelt, diese weichheit des gefühls ... werden ihn dereinst zu einem warmen freund eines freundes ... machen. Schiller räuber 1, 1 schausp. von einem gefühl:
wenn zwei sich in einander still versenken,
nicht durch ein schnödes feuer aufgewiegelt,
nein, keusch in liebe, die die unschuld spiegelt.
Hebbel 7, 180.
auch von der person selbst: der dichter soll ein spiegel aller dinge sein. Schmidt aber spiegelt nichts, er gibt nur die natur selber. Fontane vor dem sturm 1, 141;
der herr ist grosz! beginnt er feierlich,
geschöpfe spiegeln ihres schöpfers wonne.
Platen 4ᵃ;
statt des häufigeren widerspiegeln auch wieder von sich spiegeln: gewisse seelen sind zum auffassen gewisser gegenstände geschaffen oder organisirt: diese spiegeln sie so rein und klar wieder von sich, dasz man sieht, sie wurden gleichsam ein wesen mit ihnen. Forster ansichten vom Niederrhein 1, 182 und abspiegeln (s. theil 1, 123): aber unser gemüthsleben, die weise, wie wir die welt in unsern seelen aufnehmen und abspiegeln, unsere charakteristischen neigungen und schwächen ... sind so gut wie der goldschatz unserer sprache ein familienerbe der Germanen des Tacitus. Freytag bilder 1, 35.
d)
mit einem spiegel (vgl. spiegel 5, f sp. 2241) versehen, verzieren: giesze solches alsdann in einen mit butter geschmierten model, und lasset den dortten bachen, hernach kan man ihn spiegeln und bezieren nach belieben. Hohberg 3, 3, 103ᵇ. zumeist im part. pass.: nachdem mir bewuszt, dasz ifg. gern in die mummerei gingen, hatte ich mir von gespiegelter leinewand und mit weiszen stiefeln ... auf 6 personen kleidung machen lassen, was beim licht ein grosz ansehen gab. Schweinichen denkwürdigkeiten 255 Österley. von thieren (vgl. spiegel 5, e sp. 2240):
um eins will ich dich bitten:
kauf du mir ein gespiegeltes rosz,
dazu ein gemalten schlitten.
wunderhorn 2, 352 Boxberger.
besonders vom pfau: und ward der pfaw sich rümen und überheben der schönen, glyssenden mancherlay schynenden und gespiegelten federn, und warff damit synen schwancz uff und braitet in über sie baid. Stheinhöwel Äsop 274 Österley;
herr könig, laszt euch sagen,
wirdt sich einmal ein krieg zutragen, ...
denn hilfft nicht des gespiegelt schwantz:
er dient viel besser an den tantz.
B. Waldis Esopus 1, 71, 41;
hat dise göttin sich auf ihres wagens sitz,
der von gedignem gold mit aller kunst und witz
so schön als überreich (und gleichwohl leicht) gebogen,
von vögeln, deren farb gespieglet, wirt gezogen,
gesötzet.
Weckherlin (1648) 724;
dann wann jhr uns lehr und unverrichter sachen heimgeschickt, werd jhrs mit leuthen zu thun haben, die nit mit edelgesteinen oder perlin ... wie die pfoen mit gespiegelten, vergulgeten farbechten kleidern prangen. Zinkgref (1639) 41. ohne präfix: von dem pfawen süllend sy rat nemen zuͦ der demuͦt, wan er lat sein spegloten schwantz nider, so er sein fuͤsz ansicht. Ingold gold. spiel 25, 2 Schröder;
'sihe an mein gülden stück,
drinn ich mich wie ein könig schmück!'
und zeigt sein spiegeleten schwantz.
B. Waldis Esopus 1, 99, 7;
mein gefider kan niemand straffen:
am halsz und rücken rundt geziegelt,
den schwantz mit farben theilt und spiegelt.
1, 66, 6.
vgl. von einem gestein: jr bergleut nemet den weissen und spigelten zechstein ... ein spat. Mathesius Sarepta 109ᵇ.
e)
etwas wie einen spiegel wirken lassen, besonders von geld, kostbarkeiten und schmuck, oft mit der nebenbedeutung des prahlenden, groszthuenden. vgl.: offt zeigen, prangen, prallen, spieglen, ostento. Dentzler 1, 532ᵃ; mit etwas prangen, etwas spieglen, ostentare aliquid. ebenda; spieglen, ostentare, jactare. 2, 269ᵃ; das spieglen, ostentatio. ebenda; in heutigen dialecten: spiegeln, etwas zur schau legen, sehen lassen, um damit zu prahlen. Stalder 2, 383; etwas spiegeln, es blinken lassen, um neid zu erregen. Schröer 207ᵃ. sy zient nach Spanien, werden underwegen, wil sy nit gwarsam mit dem goldt umgiengen, sunder spiegleten, von strosreiberen angriffen und geblindert. F. Platter 270 Boos;
dein gelt vor niemans spiegle nicht
damits nit etwan einer sicht
und mach mit andren buͦben bscheit
wart auff dich daussen auff der heidt.
Wickram irr reitend bilger 26ᵃ.
in einem schönen garten vor Straszburg vor dem Metzgerthor, ... da sasz ein wohlgekleideter mann, der auch sein schöpplein trank, und hatte einen ring am finger mit einem kostbaren edelstein, und spiegelte den ring. Hebel 2, 156; denn der fremde hatte wirklich einen falschen ring in der tasche, der völlig wie der gute aussah, den er zuerst am finger spiegelte. 157. auch vom pfau: sie (die mittel der sinnlichen natur) bringen ihn (den menschen) dahin, ... dasz er seine vorzüge spiegelt wie der pfau seinen schweif. Pestalozzi 6, 6.
f)
eine handlung des scheins ins werk setzen, in der bedeutung von spiegelfechten, ohne object: gott aber seliget nur die vordampten nicht als ettlich sagen, das sie sich achten als vordampten, und doch selig seyn, sundern sie seyn vordampt, und ist nicht da eynn ertichtet achten, dann mit got kann man nit spigelen. Luther 1, 184, 22 Weim. ausg. anstatt vorspiegeln (s. unten) sinnlicher vor augen spiegeln: es kam die eifersucht und spiegelte ihm (dem Elisi) nun vor augen, was sein baumwollenhändler alles treiben werde, wenn es fort sei. Gotthelf Uli d. knecht 330 Vetter. vgl. noch das compos. herbeispiegeln: mir blieb nicht lange verborgen, dasz er vor alter seiner sinne kaum mächtig, als ein bedauernswürdiges automat, den schatten eines früheren wohlhabenden und ehrenvollen lebens kümmerlich durch die welt schleppe, indessen zwey ergebene ihm den traum des vorigen zustandes wieder herbeizuspiegeln trachteten. Göthe 30, 211.
3)
reflexiv.
a)
sich spieglen, in einem spiegel beschauwen, speculum consulere. Maaler 380ᵇ; sich spiegeln, in einem spiegel sich beschawen, specchiarsi. Hulsius (1616) 302ᵇ; sich spiegeln, mirarsi nel specchio. (1618) 234ᵃ; sich spiegelen, intueri se in speculo. Schottel 1418; sich spiegeln, in speculo se intueri, inspicere, spectare specular, judicium speculi consulere. Stieler 2066; wenn er sich spiegelt, quando speculum adspicit. Steinbach 2, 624;
warumb, jhr frawen und jungfrauwen
spieglet jhr euch so williglich?
Weckherlin (1648) 836.
sich im wasser spiegeln, specchiarsi nell' acqua limpida. Kramer dict. 2 (1702), 862ᶜ;
die luft ist rein und hell
und glatt das meer, um sich darin zu spiegeln.
Wieland 22, 254 (Oberon 6);
was unterm monde gleicht
uns elfen flink und leicht?
wir spiegeln uns im thau
der sternenhellen au.
Matthisson 1, 117.
mit mühe hob er (könig Bision) eine silberschüssel, spiegelte sich darin und sprach kummervoll zu sich selbst: 'grämlich ist das bild, das ich sehe'. Freytag ahnen 1, 140. in ergänzender verbindung mit sich putzen u. s. w.: denn keiner wil der erst und gerngast genennet seyn, auch ehe die weiber sich butzen und spiegeln, musz eine halb stund nach vieren, der, so das mal zuͦgerichtet, seine diener wider auff der post umbher zu rennen ... abfertigen. Kirchhof wendunm. 1, 256 Österley; aber sonst muszt herhalten, was zartlichkeit unnd wundersamens war, darmit man sich mutzet und spiegelt. Garg. 138ᵇ; vgl.: gleich ... dem pfauen in der sonnen, wann er sich aufschwänzet unnd spiegelet. 118ᵇ; bildlich: auf diese weise geschah es, dasz bei allen völkern, die ihrem ersten naturstande noch nahe waren, ... der angeborne trieb, uns selbst gleichsam in den dingen auszer uns zu spiegeln, ... einer unendlichen menge von menschenähnlichen dämonen ... ein eingebildetes daseyn gab. Wieland 32, 202 (Agathodämon 4, 2);
wer recht in narren spiegel sicht,
wer sich recht spiegelt, der lert wol,
das er nit wis sich achten sol.
Brant narrensch., vorr. 35 Zarncke.
(vgl. auch unten 3, c.) mit dem nebensinne der freude, lust u. s. w.: selbst die fische im wasser habe es gebannt, indem es tagelang am ufer sasz und die alten klugen forellen verblendete, dasz sie bei ihm verweilten und in groszer eitelkeit vor ihm herumschwänzelten, sich in der sonne spiegelnd. Keller 1, 46; von einer festlichkeit der spiegelmacher:
darumb die götter mit verlangen ...
zu ehren euch kommen gegangen
zu spiegeln sich in jhrem dantz.
Weckherlin (1648) 836;
bildlich: die parzen spiegelten sich offenbar in dem bewusztsein, aller augen auf sich gerichtet zu sehen. Keller 7, 107;
blick nieder hohe königin des himmels,
und halte deine hand auf dieses herz, ...
denn leicht vergäsze sich der mutter freude,
wenn sie sich spiegelt in der söhne glanz.
Schiller braut v. Mess. 1, 3.
mit dem beisinn der schadenfreude: sahest du ihn gestern in unsrer bestürzung sich spiegeln? Fiesko 3, 1.
b)
von gegenständen sich wie im spiegel zeigen, als spiegelbild erscheinen. in eigentlicher bedeutung: wird dieses aug nicht eben so schmelzend funkeln, ob es im Rhein oder in der Elbe sich spiegelt oder im baltischen meer. Schiller kab. u. liebe 3, 4; mag sie (die lebensflamme) denn der wirklichkeit nicht mehr abgewinnen als den wahn; — es wird mir eben auch den eigenthümlichen geist geben und den charakter, der mein selbst ausspricht, wie dem flusz sein bild, das sich in ihm spiegelt. Bettine briefe 1, 245; über dieser seltsamen fassade wölbte sich der himmel dunkelblau, und eine halb nächtliche sonne spiegelte sich in der dunkeln pracht des nuszbaumholzes, im silber der krüge und in den fensterscheiben. Keller 3, 120; die wintersonne lag über der heide; sie spiegelte sich in den fensterscheiben eines neuen strohgedeckten hauses. Storm 1, 203;
grosze lichter, kleine funken,
glitzern nah und glänzen fern;
glitzern hier im see sich spiegelnd.
Göthe 41, 5;
immer noch dieselben berge
mit der hoffnung edlen weins,
die sich freundlich schillernd spiegeln
in der grünen fluth des Rheins.
verschwunden ist schon eis und schnee,
die sonne spiegelt sich im see.
198;
neigte sich hinab ins brunnenwasser,
sah im wasser spiegeln sich sein antlitz.
R. Köhler serbisches lied (in kl. schriften 1, 334).
mit beziehung auf das menschliche antlitz:
wan die sonn jhren glantz zu schawen
pfleget in euch zu spieglen sich;
und wan die klarheit ewrer augen
kan wol für einen spiegel taugen.
Weckherlin (1648) 836;
und was nicht alles, lockig und beflügelt,
von vorn und hinten sich im auge spiegelt.
Göthe 41, 116;
nie spiegelt sich unter der braue
mein eigenes angesicht.
das rot in ihrem gesichte wurde tiefer und spiegelte sich in dem seinigen, das trotz seiner acht- oder neunundzwanzig jahre ebenfalls rötlich anlief. Keller 7, 70. unsinnlicher: nu aber spiegelt sich in uns allen des herrn klarheit, mit auffgedecktem angesichte, und wir werden verkleret in dasselbige bilde. 2 Cor. 3, 18; mütterliche, väterliche verhältnisse zu kindern, besonders zu knaben; spiel und naschsucht der kleinen; bildungstrieb, ernst und sorge der erwachsenen, das alles spiegelt sich gar lieblich gegen einander. Göthe 39, 194; gerade so, wie sich die welt in dieser seele und keiner andern spiegelt. Schiller 4, 32; in der vergangenheit spiegelt sich manche erscheinung der zukunft; obgleich dämmernd und täuschend auch für das auge des schärfsten sehers. Bürger 400ᵃ; in Heinrichs gemüth spiegelte sich das märchen des abends. Novalis 2 (1898), 99; wie heiligthümer wird eine weisere nachkommenschaft jede nachricht, die von den begebenheiten der vergangenheit handelt, aufsuchen und selbst das leben eines einzelnen unbedeutenden mannes wird ihr nicht gleichgültig seyn, da gewisz sich das grosze leben seiner zeitgenossenschaft darin mehr oder weniger spiegelt. 110; sie hört sehr gut an und miszversteht selten, und nur in gespaltener rede, wo sich das gesagte in zwei hälften spiegelt. Brentano 8, 213;
des knaben thun und art schau an,
drinn spiegelt sich der künft'ge mann.
Eichendorff 6, 469.
c)
entsprechend spiegel 4, c (sp. 2233) mit dem beisinn des lehrhaften, warnenden, abschreckenden. absolut: sich spiegeln, ad exempla aliorum se revocare, documentum capere. Stieler 2066; ich spiegele mich, exemplum capio. Steinbach 2, 624; descripti mores superbiae in hac dictione, das sich einer selbs spieglet et inflatur ex donis dei. Luther 25, 21, 34 Weim. ausg.;
ihr spröden mädchen spiegelt euch!
Ramler fabellese 3 (1790), 223.
in der festen verbindung sich an etwas oder einem spiegeln: sich spiegeln an andern, exemplum, documentum ex aliis capere, sumere. Dentzler 2, 269ᵃ; sich an einem andern spiegeln, periculum ex aliis facere. Stieler 2067; sich an einem spiegeln, specchiarsi in uno cioè pigliarne esempio. Kramer dict. 2 (1702), 862ᶜ; spiegle dich an andern, exemplum ex aliis cape. Steinbach 2, 624; andere können sich an dir spiegeln, aliis documento eris. ebenda; es kan sich ein ieder an ihm spiegeln, omnibus documentum erit. ebenda; vgl. noch die im Wiener dialect lebende redensart: am Karl kannst di' spiag'ln, des is a braver bursch. Hügel 152ᵇ; und haben sich die Jüden an jrem vetter, dem Juda hie spiegeln sollen. Luther tischreden 300ᵃ; es wachsen aus der christen blut imer andere christen, die an irem glauben, bekentnis Christi, gedult im creutz und bestendigkeit sich spiegeln. 16, 17, 19 Weim. ausg.; es solten sich die Hebreer ... je daran gespigelt und getrostet haben, wie sie gott ... erretten würde. 27, 25; damit andere so jhnen nachkommen möchten, sich an jhnen spieglen, die tugend lieben, die laster meiden und fliehen möchten. Philanders gesichte 1, 577; wann die mutter mit galanen, galianen und buhlern und schulern umgehet, und die tochter spiegelt sich daran. Abr. a S. Clara etwas für alle 2 (1711), 685; wolte gott! die jungen leute spiegelten sich an den alten podagrischen, trieffäugigten, zitterenden herren, welche in städten und dörffern offt verursachen, dasz ein gemeines wesen auff schwachen füszen steht. Weise drei erznarren 152; meine tochter Bianca mag sich an dem exempel spiegeln, dasz sie nicht auch in solch unglücke ... verfallen darf. böse Catharina 5, 12;
also werden die zerbrochen,
die des himmels könig pochen!
mensch! o spiegle dich an mir,
was mich schlug, das dreuet dir.
A. Gryphius 1 (1698), 604;
glückseelig ist derselbe mann,
der sich an andrer unglück spiegeln kan.
gesch. eines göttingischen studenten 1, 144;
wenn du den nechsten siehst in noth und unglück schweben,
so spiegle dich daran, und lerne klüglich leben.
ebenda
(vgl. das sprichwort: der ist glückselig, der sich an der leut unglück spiegelt. Lehmann 85). allein es hilft ihnen und mir nichts, dasz ich ihnen solches weitläuftig klage. nur eins will ich ihnen doch erzählen, weil sich vielleicht andre daran spiegeln können. Möser patr. phant. 1 (1775), 117; gutmüthig vermahnt er sie zuletzt alle, sich an seinem exempel zu spiegeln, und die liebhaberey ja nicht bis zur blindheit zu treiben. Thümmel 2, 254; nicht zur beschönigung, sondern dasz man sich daran spiegle, dient ... Klopstock 12, 46; nun ich hoffe denn doch, dasz sich andre an euerm exempel spiegeln werden. 386; möchte sich Gotthelf doch ein wenig an seinem berühmten und braven vorgänger spiegeln, an Hebel. Keller nachl. 109;
ein rechter kerl sich dran spieglen mag.
unter des herrn groszen thaten allen
hat mir das stückchen besonders gefallen.
Schiller Wallensteins lager 7.
sich in etwas spiegeln: und wir uns alle teglich darin spiegeln sollen, und sonderlich die eheleut in jrem stand sich untereinander darnach halten, wie sie hie s. Paulus vermanet. Luther 6, 353ᵇ; ein jedweder kluger mann sich in der narren narrheit ... spiegeln musz. maulaffe vorr. sich bei etwas spiegeln: endlich aber wachte das bellende hündlein an der lincken brust auff, dasz er nicht wust vor gewissens angst was er thun solte, schriere mit heller stimm, zutretet mich thummes saltz, darbey sich alle wetterhanen und maulchristen wol spiegeln sollen. Hammer histor. roseng. 436. nach der analogie von sich danach richten: sein wahlspruch suum cuique hatte zunächst den sinn, dasz der könig jedem das seine zuzuteilen berufen sei ... man müsse zeigen, dasz man gutes und böses belohnen könne und dadurch den bösen furcht einjagen, damit ein jeder sich danach spiegeln ... könne. Prutz preusz. gesch. 2, 313.
d)
vereinzelte verwendung mit dem nebensinn des prahlenden, groszthuenden u. s. w. vgl. oben sich spiegeln 3, a: sich spieglen und feil buͤten, auff gunst und ruͦm stellen, vendicare. Maaler 380ᵇ, vgl. oben 2, e; sihe solch schendlich ubel kömpt alles daher, ... das wir uns selbs gefallen, spiegeln, und kützeln mit unsern gaben, als seien sie unser eigen, aber an eim andern nichts sehen, denn wo er gebrechlich ist. Luther 5, 430ᵇ; mit weiterer localer bestimmung: aber mit dem schendlichen zusatz, das du dich drein spiegelst, und dir selbs so wol gefellest, verderbstu es gar und machest, das derselb hohe schmuck unfletiger wird. ebenda; tugent ist jhr selbs grosser lon, sie suͤchet keyn lob ehrgeitig, und spieglet sich nit weit hinfür, sondern ist vergnügt dasz das gewissen sie leret. Franck sprichw. (1641) 62ᵇ, vgl. oben 2, a. in groberer scherzhafter rede: sich spiegeln, einem den hinteren besehen. Dähnert 446ᵇ. vgl. spiegel 5, c (sp. 2239).
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 13 (1904), Bd. X,I (1905), Sp. 2257, Z. 43.

spiegeln, verb.

spiegeln, verb.
in süddeutschen mundarten auf dem felde ähren lesen, sammeln, aus mittellat. spigulare, spicas legere Du Cange 7, 554ᵇ, bez. ital. spigolare sich ähren, ähren gewinnen, die ähren nachsammeln, nachlesen, stüpffeln. Kramer ital.-deutsch dict. (1698) 1122ᵃ; spiggeln, nachlese halten Stalder 2, 383: diejenigen, so vergunt werden, sich ungebürlich, es sei mit spigln, zeun abprennen oder in ander weg hielten, dardurch die gemain beschwärt. tirol. weisth. 3, 114, 12; wegen des spieglen auf den feldern ist vorgenommen worden, dass niemant auf unsern feldern soll spiegeln, der nicht in der gemeinde sitzt, bei einer pön, wie sie die dorfmair den saltnern befehlen zu erbieten. 199, 24. 25; nur dem armen volke, welches in der gemeinde sitzt, soll zu spiegeln erlaubt sein, wanns die dorfmair den saltnern befehlen, doch dass auch die nicht untreulich spiegeln, da noch höcker sind, sondern sollen warten, bis sie weggeführt sind. 27. 29; und derweil das traid auf dem veld steet und im wimmat ist, soll das spiglen verpotten sein, bei der peen fünf phund perner. 4, 289, 36. auch von der traubennachlese im weinberge: als wenn man speglet oder retzlet noch dem herbst, ist doben im land gewonheit, das man ein glock lütet, do findt man hin und här alle mol ein trübel. also ouch findet man hyn und här alle mol ein frumen under den regenten. Keisersberg post. (1522) 1, 110ᵃ. vgl. auch noch die zusammensetzung ausspiegeln 'auslichten, einzelne stämme ausziehen aus den geschlossenen waldungen'. Schm.² 2, 660.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 13 (1904), Bd. X,I (1905), Sp. 2263, Z. 76.

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Zitationshilfe
„gespiegelt“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gespiegelt>.

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