Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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gestümmelt, adj.

gestümmelt, adj.
part. zu stümmeln, mutilus, truncus, colurus Dasypodius Q 2 β, estropié, manchot, mutilus Duez 191ᵃ, ebenso Rondeau-Buxtorf 252. Schwan 737; vorzugsweise in den wörterbüchern des 18. jahrh. gebucht.
1)
der ausgangspunkt der verwendung liegt im pflanzenreich: gestümmelter baum, arbre esbranché Duez 191ᵃ u. a.; da ist ain kurtzer dicker gestimleter baum, der stat an mits uff aller haylgen kirchof. Seb. Fischer chronik von Ulm (16. jahrh., neudruck Ulm 1896) 13.
2)
übertragen auf menschen und thiere.
a)
gestümmelter arm, un bras affolé Duez 191ᵃ. Hulsius 2, 164ᵇ; gestümpelt, gestümmelt, der ein glied verloren hat, abgehawen, gekürzt, sylvae vocab. (Leipzig 1617) Bᵇ 2; an einer hand gestümmelt. Rondeau-Buxtorf 252; gestümmelt seyn an seinen gliedern, gestümmelte gliedmassen haben, to be maimed, lamed or curtailed of some members of the body Fritsch teutsch-engl. lex.; ich armes weib, ruffte die wittwe aus, ich gestümmelter leib ohne kopf. Otho 81.
b)
gestümmelte amseln. Rondeau-Buxtorf 252, hauptsächlich in der sprache der heraldik: gestümmelte adler, gestümmelte enten. Querfurth wb. der herald. terminologie 51.
3)
übertragen auf menschliche thätigkeit und deren erzeugnisse.
a)
gebrochen, gestümmelt teutsch, oratio mutila et manca Stieler 2277; gestümmelter spruch, passage tronqué; die schrift gestümmelt anziehen, tronquer un passage de l'écriture Rondeau-Buxtorf 252; gestümmelte worte hervorbringen, to stammer, to faulter in your speech Fritsch.
b)
colurus, ein jedlich gestümlet oder abgeschnitten ding Dasypodius lat. deutsch F 8ᶜ; name ich meinen gestümmleten krueg, und wanderte damit dem wasser zu. Laz. de Tormes (1617) 112;
kommt doch ein unglück selten allein!
kehrst du zurück, und dabei mit gestümmelter sense, vom grasmähn.
Voss idyll. 17, 8.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1897), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4265, Z. 58.

stümmeln, stummeln, vb.

stümmeln, stummeln, vb.
(trans.), truncare, mutilare.
form und verbreitung.
1)
ahd. stumbalon (8. und 9. jh.) ahd. gl. 1, 293; 2, 306; stumiln (11. jh.) 2, 326, 24; seit dem 10. jh. bair. auch eine j-nebenform pistumplen, s. Schatz germanica f. Sievers 367. mnd. stummeln, stommeln; mnl. stommelen Verwijs-Verdam 7, 2200. auszerhalb des deutschen nur das aus afries. stemblinge 'verstümmelung' Richthofen 1047 zu erschlieszende *stembla, und dieses eher unabhängige ableitung von *stembel in stembelithe membra truncata (s. stummel form) als ahd. pistumblen gleichzusetzen. älter schwed. stympla nach Hellquist sv. ordförr. 692 aus mnd. stumpelen, das jedoch vereinzelt (s. 3). mit anderem wurzelauslaut vom gleichen stamme wie stumpf.
2)
der in jüngerer sprache allgemeine umlaut begegnet eindeutig zuerst im 13. jh.; daneben bis ende des 16. jh. häufig ohne umlaut. der umlaut läszt sich sowohl aus dem seit dem 9. jh. (ahd. gl. 2, 777) belegten -stumbilon wie aus dem j-verbum -stumplen (s. o.) herleiten.
3)
neben form mit mb, die obd. bis ins 18. jh. vorkommt, und dem darauf beruhenden nhd. mm steht mp, besonders obd. so mundartlich, schweizerd. gramm. 13, 123; Schmeller-Fr. 2, 760; Unger-Khull 587ᵇ; Schöpf 725; in den wbb. bis ins 18. jh. Frisius 1333ᵃ; Calepinus (1598) 926ᵇ; Steinbach (1734) 2, 758. Luther hat sowohl stümmeln wie stümpeln, so auch Stieler 2226; Wachter 1639; bei Calepinus a. a. o. differenziert: stümmlen truncare, stümplen mutilare. die form mit mp ist der verwechslung und vermischung mit den bedeutungsnahen stümpern u. stümpeln, vb. (intr.), ausgesetzt; wohl wie stumpel 'stummel', s. sp. 399. vereinzeltes nd. stümpeln truncare, s. Schiller-Lübben 4, 449, ganz vereinzelt stümpfeln, wohl unter anlehnung an stumpf, adj., stumpfen, vb., s. Steinbach (1725) 375; Emmelius sylva (1592) L l 7ᵇ.
4)
das simplex im ahd. selten, bestümmeln dagegen häufig bezeugt, s. Graff 6, 685. das simplex herrscht im ganzen mhd. und im nhd. bis anfang des 18. jhs.; seit dem 16. jh., vorher schon im passional, tritt daneben verstümmeln und ersetzt heute stümmeln in der gemeinsprache. poetisch stümmeln bis ins 19. jh., fachsprachlich, s. A 1 d, sogar bis in die gegenwart bewahrt. mundartlich noch im obd. bezeugt, s. 2.
bedeutung und gebrauch.
A.
eigentliche bedeutung: 'beschneiden, abschneiden, von einem körper glieder, von gliedern enden abtrennen'. in den alten glossarien durch mutilare, truncare, amputare, curtare, stümpfen, verhauen, beschroten, abschneiden glossiert.
1)
menschliche und, sehr selten, tierische glieder abschneiden.
a)
mit weiterem object: einen menschen stümmeln, sei es im kampfe, als execution des siegers an den besiegten, oder als rechtmäszig verhängte strafe für gesetzesübertretungen: stumbaloton truncabant (b. d. richter 7, 22) ahd. gl. 1, 293; an gleicher stelle: und sie stimleten sich selbs under ainander mit der schlacht Eck bibel (1537) v 2ᵇ; wolt (jemand) meinem herrn dem brost sein leut stumbln, so hat mein herr zu fragn in hoffschrann da man recht geit österr. weist. 8, 179; der gefangenen feynden wurden 17 mit dem rad gericht, und 18 mit dem schwerdt gestümlet Stumpf Schweizerchron. (1606) 492ᵃ; de koning van Denemarken stumelede al de Dudischen, de in sime lande weren sächs. weltchron. 206 mon. Germ.; sie wurden theils gerädert, teils gestümmelt (1721) in z. f. d. maa., jg. 1909, 44; nur ganz vereinzelt vom vieh: do stummelten si und erstachen daz selb vich (1321) bei Fischer schwäb. 5, 1912. im mhd. häufig in verbindung mit hängen:
swenne in sîne vînde vâhen,
stümbeln unde hâhen
Meier Helmbrecht 1114 P.;
die sie jêmerlîchen viengen
stümmelten, sleiften und ûf hiengen
Hugo v. Trimberg renner 24336 E.;
s. auch mhd. wb. 2, 2, 709; anstatt auf die person auf den rumpf bezogen:
vil kristen er zu tôde irslûg
und stumelte manchin lîb
Nicolaus v. Jeroschin deutschordenschron. 59 Pfeiffer;
der gestümlete übrige strumpf J. Neuhof gesandtschaft (1669) 84ᵇ. ohne nennung des objectes, meist als substantivierter inf.: item dasz in diesem closter ... kain person ... um totschleg, wunden, stumlen, diebstal oder ander schuld, ... kain recht haben soll, sy zu urthailen Knebel chron. v. Kaisheim 147 lit. ver.;
auf dich (Holland) manch reuterschalck nahm sein latein,
zu nehmen, burnen, todten und stumelen gantz
Grunau preusz. chron. 2, 579.
poetisch:
hast du vergessen, wie er deinen Deiphobus,
des todtgekämpften Paris bruder, unerhört
verstümmelte, der starrsinnig witwe dich erstritt
und glücklich kebste; nas und ohren schnitt er ab
und stümmelte mehr so; greuel war es anzuschaun
Göthe I 15, 1, 202 W.
schon zerschmettern sie, stümmeln mich
Klopstock oden 2, 109.
in späterer zeit vereinzelt neben zerschneiden: stümmeln, zerschneiden Hulsius (1618) 243ᵇ; trunco, in partes scindere stümmeln, in stücke zerschneiden Reyher thesaurus (1668) 3, 2003.
b)
mit engerem object, nennung des von der verstümmelung betroffenen körperteils: (die Macedonier) den tieren die schnebel oder rüssel stümleten Münster cosmographey 1163; man einem (delphin) in der jugent den schwantz gestümmelt Heyden Plinius (1565) 317; stämeln 'die flügel stutzen' Kisch Nösner w. 147. zu dem ist es (das auge) auch ausz solchen stücken componieret und gemacht, welche nachdem sie einmal verletzt und gestümmelt worden, nicht wiederumb können ergänzt und erstattet werden P. Uffenbach Ruini anat. et med. equorum (1603) 2, 92; welcher massen er pflegt seine gäste ... in seinem beth zu lägern, da er denen, so zu lang gewesen, die beine mit einer sensen abgehawen und gestümmelt Garzoni piazza universalis (1641) 743ᵇ;
ihm nun, als er das schwert zu dem linken kniee daherschwang,
stümmelte (Kastor) vorne die hand
J. H. Voss Theokrit (1808) 22, 197.
auf der besonderen häufigkeit des stümmelns der beine beruht die synonymität oder enge verbundenheit von stümmeln und lähmen in den glossaren: stumeln vulgariter verlemen voc. v. 1515 b 4ᵃ Hüpffuff; vgl. gemma gemm. (1508) q 4ᵃ; ich habe (zauberinnen) gesehen, ... welche die menschen gestoͤmmelt und gelembt Nigrinus v. zäuberern (1592) 83; in jüngerer sprache gelegentlich vom beschneiden und kastrieren:
und liesz mit groszem spott und schand,
die vorhaut schneiden von seim glied,
... und also da gestümmelt wird,
an dem glied welches gesündiget
Sandrub hist. u. poet. kurzweil 67 ndr.;
wie er ... unsre weiber entehrt und unsre söhne zu hütern deiner sclavinnen stümmelt? Wieland I 3, 133 akad. ganz vereinzelt in anderer beziehung zum object, wohl auf mangel an continuität mit dem wirklichen sprachbrauch beruhend: dasz sie (die Römer) nur ausgemergeltes und elendes vieh opfern, und vom fetten und gesunden nur den abfall stümmeln, als köpfe und klauen J. H. Voss myth. br. (1794) 2, 326. besonders verbreitet das verstümmeln von zunge und ohren: der oren er gestumelt wart hist. der alden ê 5497 lit. ver.; sind ihm nit die augen ausgestochen, und die zung gestümelt Zach. Müntzer bepstl. gesch. (1566) 147. stümmeln und blenden, das stümmeln wahrscheinlich von der zunge gemeint, häufig verbunden, gelegentlich der formel sich nähernd:
dâ inne lâgen die man,
di Darius hete gevân,
gestummelet unde geblendet
Lamprecht Alexander 3572 Kinzel;
weitere zeugnisse bei Lexer 2, 1265; etliche geblend, gestommelt, etliche krum und hoͤckericht Nigrinus von zäuberern, hexen (1592) 82; archaisierend: der hauptheld wird gestümmelt und geblendet J. Grimm kl. schr. 5, 296. auf dem brauche des zungenstümmelns beruhend: mutilum dicitur diminutive a muto, cui lingua resecta est, unde evadit mutilus et mutus: ita et Germani dicunt stümlen a stumm Dannhauer explicatio term. 13.
c)
neben der construction mit dem einfachen acc. des von der verstümmelung betroffenen objectes ist besonders die wendung stümmeln an häufig:
und hiez in dar nâch sâ zestunt
an henden unde an armen
stümbeln
Konrad v. Würzburg Troj. 48386;
sibentzig künig uberwand
und stimlet die an hend und füsen
H. Sachs 1, 222 K.;
an dem haupt und händen gestümmelt Bodmer Noah 162; vereinzelt stummeln bei:
daz man di lûte stumlet bî den ougen
kaiserchron. 7470 mon. Germ.
in engerer verbindung: Adonisedech ward gestimlet füsz und händ Wickram 5, 92 lit. ver.
d)
das part. perf. hat einen so weiten anwendungsbereich, dasz es den charakter eines selbständigen adj. erlangen kann, s. th. 4, 1, 4265: murcus gestumelter Diefenbach nov. gl. 259ᵃ; abgehauen, stumpf, gestümmelt Alberus 38ᵇ; von gestümmelten läuten koment ungestümelt Konr. v. Megenberg b. d. natur 491 Pfeiffer; lahme, gestutzte und gestimpelte creatur Guarinonius greuel d. verw. 44; schwache, ellende, gestümmelte cörper Mathesius Sarepta 202ᵇ. in der heraldik: gestümmelte wappenthiere denen zunge, schnabel, klauen, schwanz oder füsze abgeschnitten sind, s. Trier einl. z. d. wapenkunst 149; Bernd hdb. d. wappenwiss. 2, 197; zu 2: das gestümmelte ästkreutz Harsdörffer gesprächsp. 4, 313; auch von dem wappen, das solche zeichen zeigt: gestümmelt wapen oder schild Kramer t.-ital. 2, 1253ᵃ.
2)
'entästen', seltener 'entgipfeln', von bäumen zum zwecke der lichtung oder zur gewinnung der äste und zweige; selten 'beschneiden' niederer gewächse. im allgemeinen auf das obd. beschränkt; mundartlich bis heute in verschiedenen forsttechnischen bedeutungen lebendig, s. Fischer schwäb. 5, 1912; Friedli Bärndütsch 2, 186; Stalder 2, 413; Unger-Khull 587; Martin-Lienhart 2, 595; vereinzelt auch md.: Follmann lothr. 499; Hertel Thür. 239.
a)
mit weiterem object; am häufigsten in rechtsbestimmungen: wer felber stimlet auf der gemain und rembt das zaussech nit ab (v. 1480) österr. weist. 7, 92; wann einer findt, dasz sein anrainer mit seinen aufwaxenten paumern an sein acker schaden macht, der musz selbe ... stimblen oder gar abhacken (v. 1737) 6, 395; welcher ein aych stümplet ohne erlaubt, verfellt 3 pfundt pfenning (v. 1549) bei Fischer schwäb. 5, 1912. in der baumpflege: gartenbäwm stümmeln und säubern Sebiz feldbau 61; kan man ohne schaden ein baum nit auszrotten, so soll man ihn beschneyden und stümmeln, dasz der uberflusz nicht zu starck wachse Lehman flor. 1, 99. bildlich: dasz die hässer der löblichen freiheiten keinen theil schonen würden, sondern wo sie heut den baum gestümmelt hetten, morgen ine auff dem stammen abhawen würden Fischart aus Meyland uberschr. ber. 643 Hauffen. neben abhauen, adversativ: das du mich (den baum) abhawon oder stummeln last clag, antwurt (Augsb. 1497, Schönsperger) 31ᵇ; s. Fischer schwäb. 5, 1912; nebengeordnet: den alten und den unsubern wüsten wald ... mit nuwen beyelen ... stümlen und abhawen Hedio chron. germ. 281ᵃ. von niederen gewächsen: wann sie dann grosz werden, so stümmel sie (die lattichpflanzen) mit eym scharpfen messer M. Herr feldbau (1551) 154ᵇ;
dasz ich die eigenen reben mir stümmele
J. H. Voss Horatius 2, 327.
mit noch stärkerer erweiterung des objectes: wyngarten beschnyden, stumelen gemma gemm. (1508) v 4ᵃ; als er nun ein wald stümmelt und verkauft, und sie begerten, er solle inen holtz umbsonst geben Kirchhof wendunm. (1581) 414ᵇ. ohne den engen terminologischen charakter: wann ein starcker sturmwind sausset, so ist diser aichbaum so stützig, ... destwegen wird er also zerfetzt und gestimmelt Abraham a s. Clara Judas 1, 34.
b)
mit enger umgrenztem objectsausdruck und häufiger beziehung des vb. auf den abgeschnittenen, nicht den stehenbleibenden teil: daz er daz alt holz stümbeln sul ... doch dehainen stam abslahen noch auz reuten (v. 1311) urkdbuch d. stiftes Klosterneuburg 128 Zeibig; seind schon jetzt die äst an dem baum gestümmelt, und was zerhauen, sie können wieder wachsen Weidner weish. 3 (1653) 59;
ich würd den gipfel bescheeren, ihm alle zweige stümmeln
Herder 25, 406 S.;
construiert mit an, wie c: an esten und zweigen gestümblet (17. jh.) bei Fischer schwäb. 5, 1912; besonders von der gewinnung der zweige als streu für den viehstall: wann ainer grossach stimbelt ..., won ainer ain paumb stimblt zu grassach, soll er zustimbln, das er fruchtbar bleibt österr. weist. 1, 116.
c)
modern forstwissenschaftlich neu vom subst. stummel abgeleitet, kaum an das alte vb. angelehnt: wülste des stammes, an welchen die triebe immer wieder hervorkommen ..., kann man einigermaszen durch stummeln vermeiden, welches darin besteht, dasz man die 3-6 jahre alten triebe nicht glatt am stamme abhaut, sondern 6-8 zoll lange stummel stehen lässt Roszmäszler d. wald 391; wenn es sich um stummeln oder entgipfeln handelt Ratzeburg waldverderbnis 2, 136.
3)
occassionelle erweiterung des kreises der objecte führt zur aufgabe der terminologischen begrenztheit des vb.
a)
zunächst 1 und 2 noch ganz nahe:
der wurde schamelîche der locke
und ouch der hâre gestummelt
heil. Elisabeth 7648 Rieger;
je älter einer wird, je mehr er seinen bart stutzen und stimlen lasset Moscherosch ges. (1650) 2, 76;
die strümpf sie an den zähen stümmeln
damit die faule füs nicht schimmeln
Fischart 1, 415 Hauffen;
gestimblet klaid oder mantel colobium Altenstaig voc. b 2ᵃ; aus welchem (runden corpo) nachmals der künstler durch vielfältiges schnitzen, graben, hauen und stümlen die gliedmaszen und theile hervorbringen v. Sandrart academie 1, 29. in jüngerer sprache die eigentliche bedeutung nur noch in speciell technischen anwendungen: seltsam ist der ausdruck ... der stereometrie, ein gestümmelter kegel: war abgestumpfter oder abgekürzter kegel nicht besser? allgem. dtsche bibl., anh. 37-52, 308; gestümmelt (ist der architrav) ..., wenn (er) zwar fortgeht, seine abplattung aber theilweis weggelassen ist Mothes baulex. 1, 154.
b)
übertragen auf abstracte objecte: wolte die ubermässige freche freihait der schlechten stätten und tirannei etlicher herrlin stümmeln und abschaffen T. Dreyfelder hist. des ... hauses Est (1580) 126ᵃ; so mocht dannoch die selbe clage der von Franckfurt dadorch nit gestummelt oder suspendiert werden (v. 1500) bei Diefenbach-Wülcker 869; concreter: stumbalomes spiritali tamen gladio carnalia desideria in mente trucidamus ahd. gl. 2, 306.
c)
von concreten objecten mit hervortreten des sinnes 'eine sache durch beschneiden zerstören, ihren eigentlichen wert nehmen': da sie darnach die bildung und seulen des königs abgeworffen und gestümmelt hatten Carbach Livius 209ᵇ; die gestümmelte bildsäule eines Praxiteles ..., den Gothen ..., der sie gestümmelt hätte Wieland s. w. (1794ff.) 6, 84; die gestummelten und zerbrochen schiff (in einer seeschlacht) Carbach Livius 342ᵃ. übertragen von städten, ländern und anderen als organismus aufzufassenden: hat er ... die gantze statt Rom mit mort und todschlag viler namhaffter gestumlet H. Gholtz leb. bilder (1557) a 4; alles was den reichskörper stümmeln würde J. v. Müller s. w. 8, 79.
d)
im sinne von 'vermindern': sein (des arbeiters) gebürlichen und nit wie der zeit beschnittene müntz gestimpleten zinss Guarinonius grewel d. verwüst. 1269; armen arbeitern immerdar etwas von ihrem verdienten lohn abzwacken, und selbigen stimmeln Hohberg georg. cur. 3, 62; ähnlich: sie verlor die frucht ihrer wohlthaten, weil sie mit filziger genauigkeit daran stümmelte Schiller 7, 329 G.
4)
weiter entfernt oberhess. im sinne von 'aufhalten, hindern', s. Vilmar 405, wohl auf der eigentlichen bedeutung 'durch beschädigen, verstümmeln am fahren hindern' beruhend: die wagen seien gestumlet worden (urkdl. a. 1609) bei Vilmar 406; synonymität von stümlen mit hindern bezeugt auch D. v. Stade erläuter. (1711) 80.
B.
in starker verblassung der eigentlichen bed., mit hinzugesellung der bed. 'sinn und gehalt von etwas fälschen'.
1)
auf der vorstellung der verstümmelung eines körpers noch am festesten ruhend: 'form und gestalt von worten ungehörig kürzen und verunstalten': es seyn aber gestümmelte wort, von denen so der lateinischen sprach und worter unerfahren J. Weyer Fuglini de praest. daem. (1586) 322ᵇ; gestümmelt französisch reden Ludwig teutsch-engl. (1716) 1912; man wird ihn (den namen) so lange stümmeln, und wieder ergäntzen, dasz er zu nichts mehr dienen wird Bodmer-Breitinger disc. d. mahlern 3, 21. besonders von dichtern:
... wann ener strenger mund ...
die sprache würgt und kränckt, zermartert, krüpelt, stümmelt
Logau sämtl. sinnged. 284;
er hat ... die ... psalmen ... übertragen, sprachlich herb, gekünstelt und gestümmelt zugleich, oft bis ins possierliche herabsinkend Gervinus gesch. d. dtschen dicht. (1853) 3, 41. weniger stark transitiv, mit stümpern fast synonym: (das gebet) wird vielmehr gestümpelt auf der zungen, und zermalmet mit den zähnen, als aus inbrünstigem geist gantz aufgeopfert Meyfart hellische Sodoma (1640) 1, 41; mehr auf den sinn der rede bezogen: indem er nur ainen halben unvolkommen gestümmelten sentenz erwischt und denselben nach seinem sinn compliert, erfüllt und verteutscht Nas nasenesel (1571) 43ᵃ; wie ein artzt ... der leut reden stümmelt, also verkehrt der neider, was gut und wolgeredt Lehman flor. pol. 2, 564; wenn ihr das wort hinweg nehmet, so ist der sinn der ganzen rede gestümmelt Ludwig teutsch-engl. (1716) 1913. 'aus büchern teile des textes auslassen, beseitigen', im gleichen sinn auch verstrümpfen, s. th. 12, 1, 1808: den text stückeln und stumpeln, eines herauszwacken, und das ander stehen lassen Luther 16. cap. Johannis (1538) C c 2; weil ... das gedruckte exemplar, aus versehung des druckers, gestümlet und manck, waren etliche puncten in dem ihm (dem bischof) zugefertigtem beygeflicket Chemnitz schwed. krieg 2, 805; damit es nicht scheinen möchte, als ob wir (herausgeber) des authoris arbeit gestümmlet vorber. der verleger zu Olearius reisebeschreib. (1696); dasz niemandt die hailig götlich schrift ... soll ändern, stümlen, nichts darzuͦ noch darvon thuͦn C. Franck cath. namen u. wesen (1581) 24ᵇ; er citiert alle schrift gestümmelt oder felschlich Nigrinus widerlegung (1573) α 3ᵃ; mit anderem verhältnis zum beziehungswort: grund und fundament (der traditiones ecclesiae) ... geschöpft ... zum theil auch aus den gestümmelten blumen der alten väter Fischart binenkorb 59ᵇ; neben gleichbedeutendem radebrechen, s. th. 8, 45: stümlet und radbrechet die schrift stuckweis was yhm dienet Seb. Franck weltb. (1534) 118ᵇ; s. Fischer 5, 1912.
2)
'ethische inhalte und werte beeinträchtigen', 'in ihrem wert mindern, verderben', besonders kirchlich: das umb der lügen willen die warheit auch sol gestümmelt werden Dryander vorr. zu H. v. Stade warh. hist. a 4; du must aber die sprüche und lere von wercken nicht so ansehen, das du den glauben davon sonderst, wie sie unser blinden lerer stümpeln, sondern allzeit in den glauben ziehen Luther 32, 353 W.; darnach kam ich auch auf die verstümmelung des heil. abendmahls, da sie unverantwortlicher weise das testament Christi ... gestümmlet und den kelch ... denen läien entzogen hätten J. W. Petersen leben (1717) 34; dasz ihr das testament des sons gottes ... geendert, gestümmlet K. Platz cathol. inquisit. (1577) 27; neben schmälern: wann wir ihm (gott) seinen tag, daran er ihm wil gedienet haben, umb so liederlichen ursach willen schmälern und stümpeln Schupp schr. (1663) 192; nicht eine allgemeine kirch: eine gestümmelte gemeinschaft der heiligen Dannhawer catechismusmilch 4, 136. o des gestimmelten nüchtern trosts! Cellius bei Fischer schwäb. 5, 1913; seltener mit persönlichem object: wie sehr er (der papst) auch geschwecht und gestümmelt ist, und in seinem gottlosen wesen offenbaret Luther tischr. (1576) 242ᵃ.
3)
mit beziehung auf einen weiteren, auszerkirchlichen kreis von objecten; in neuerer zeit besonders von Herder gepflogen: dies historische aber vorausgesetzt, wer will in der anwendung einschränken? stümmeln? 9, 10 S.; wo man sich sinne und gliedmassen stümmelt, um die natur nicht zu fühlen 8, 342; würden wir harmonien stümmeln? 7, 431; anders 547; ohne ausdrückliche objectsbezeichnung: wie die truncken der fürgenten ding gedechtig seiend, und in den gegenwürtigen stumeln und stutzen H. Neidhart Terentii Eunuchus 131 F.; vgl. stumpeln 'stolpern'. das part. perf. pass., s. auch sp. 406, im sinne von 'unvollkommen' schlechthin: aller physicorum und medicorum wissenschaft, ... ist ... ein unvollkommene, gestückelte oder gestummelte wissenschaft Irenäus spiegel d. ew. lebens (1589) Q q 4ᵇ; stehen auch solche artzet hie, die gestümelt sind, das ist, das niemandts gesund machen Paracelsus chir. (1618) 309 Huser. der eigentlichen bedeutung 'verstümmelt' näher: die (pferde) einen pasz oder halben pasz gehen, oder andere gestümmelte gänge an sich haben Hohberg georg. cur. 3, 164ᵇ; nach dem fall (sündenfall) ist in uns nichts ganz oder vollkommen, sondern alles gestümlet, mangelhaftig und zerrissen Comenius janua iv ling. (1643) 99.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1933), Bd. X,IV (1942), Sp. 403, Z. 66.

stumpeln1, stummeln, vb.

¹stumpeln, stummeln, vb.,
mühselig gehen, stolpern, gegen etwas anstoszen. mnl. stommelen stoszen; rütteln; stompelen sich gebrechlich fortbewegen Verwijs-Verdam 7, 2200; nl. stommelen poltern; stumpelen sich mühsam fortbewegen nl. wb. 16, 381; me. stumlen (˃ stumblen, s. Holthausen et. wb.² 179), stumren (beide vielleicht aus dem nord. entlehnt s. Björkman scandin. leanwords 255), an. stumra, norw. stumla, schwed. dial. stumla, stumra, dän. dial. stumle stolpern, s. Hellquist svensk et. ordb. 889; Falk-Torp 1190. mit stammeln und stumm zusammen zu einer wurzel mit der bedeutung 'stoszen, anstoszen, gehemmt werden'; auszerhalb des germ. entspricht lit. stùmti stoszen, schieben, s. Walde-Pokorny 2, 626. jedoch stellt sich deutsch stumpeln 'mühselig gehen' zu stump(f) truncus wie die gleichbedeutenden stubbern zu stubbe, s. ten Doornkaat-Koolman 3, 348, strumpelen zu strump, s. th. 10, 4, 110, strunkeln zu strunk, s. th. 10, 4, 132, stolpern zu an. stolpi 'säule, pfahl'; s. auch nl. wb. 16, 381; vgl. ¹stümpfen und stümpern 4. es scheinen wortmischungen stattgefunden zu haben. nur mundartlich, und auf das nordwestl. nd. beschränkt: die hynne stompelt als die blynde palpo v. d. Schueren Teuth. 380 Verdam; stommelen fland. i. spertelen ... palpitare Kilian (1605) 533; hê stummeld de strate langs stolpert ten Doornkaat-Koolman 3, 353; hê stummeld dr tegen an stöszt, mit den füszen, dagegen an ebda; de wagen stummeld so, dat t hâst gên minsk ûtholden kan 'schüttelt, stöszt' ebda; s. ter Laan Groning. 979; Möller Sylt 256; Schütze holst. id. 4, 218; Campe 4, 731. — geographisch getrennt davon in ähnlicher bedeutung alem.: stümpelen, stümperlen mit kleinen schritten gehen, trippeln, besonders von kindern, s. Stalder 2, 412; schweizerd. gramm. 13, 123; Tobler appenzell. 411.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1933), Bd. X,IV (1942), Sp. 417, Z. 73.

stummeln1, vb.

¹stummeln, vb.,
s. stumpeln.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1933), Bd. X,IV (1942), Sp. 403, Z. 55.

stummeln2, vb.

²stummeln, vb.,
stummel sammeln Waldbrühl rhingscher klaaf 211; ableitung von ²stummel.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1933), Bd. X,IV (1942), Sp. 403, Z. 56.

stummeln3, vb.

³stummeln, vb.,
stammeln, murmeln; ganz vereinzelt: mutire stummiln Diefenbach nov. gl. 260ᵇ (voc. v. 1420), im gleichen voc. balbutire stammuln; stumlend reden, da einer mit im selbs redt, mutire voc. v. 1515 b 4ᵃ Hüpffuff. vielleicht auf mischung von stammeln mit stumm, s. I A, beruhend; vgl. s. v. stummen und stummern. kaum direkte entsprechung von norw. stumla, an. stumra stolpern; vgl. ¹stumpeln.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1933), Bd. X,IV (1942), Sp. 403, Z. 58.

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Zitationshilfe
„gestümmelt“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gest%C3%BCmmelt>.

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