Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

gestürme, gestürm, n.

gestürme, gestürm, n.,
verbalsubstantiv zu stürmen (s. d.), ahd. gisturmi, mhd. gestürme, md. gesturme, unterscheidet sich von dem verwandten sturm (s. d.) durch den engeren bedeutungsgehalt, es kennzeichnet ursprünglich nicht wie dieses die bewegungen der atmosphäre, sondern ist von anfang an nomen actionis mit übertragung auf menschliche thätigkeit.
1)
die ältesten verwendungen lassen das wort im kampf und kriegsleben entstehen: in wiges gesturma (10.—11. jahrh.) Graff 6, 711; mhd.
mit lanzen und mit gêren
wart ûf in ein gestürme,
als ob vil binenwürme
dâ füeren umbe ein honicvaʒ.
Konr. v. Würzburg troj. kr. 34655. 16645, ebense turnei von Nantes (Bartsch) 38;
trachen und lintwürme
kâmen mit gestürme.
Heinr. v. Neustadt Apoll. 8379.
2)
entwicklungsfähiger ist die allgemeinere bedeutung von tumultus.
a)
mit genetiv des handelnden subjects: in iudon gesturme, in tumultu iudaico Notker ps. 102 (Hattemer 365ᵇ); daʒ si (Maria) gerne alleine was und hilt sich alle wege von deme gesturme der lûte. myst. 1, 110, 25. 149, 34 Pf.; dâ got dem geiste locket ûʒ dem gestürme crêatûrlîcher unruowe in sîne stille einekeit. ebendort 2, 479, 13; fleuch und verbirg dich vor dem gestürme auswendiger werk und inwendiger gedanken, wann si unfride machen. meister Eckhart, myst. 2, 7, 27 Pf.; Jesus vloch daʒ gestürm des volckes. Frankf. stadtb. 2, 30 bei Dief.-Wülcker 617.
b)
mit beziehung auf bestimmte anlässe und formen: so eine gestorme oder offlauf worde fuwers oder ander sachen halp. Mone zeitschr. 16, 328 (Landau, um 1440); und was ufgelöufs und was geschreys und gestürms kumpt, so hand min herrn liut geordnet uf die muren. Aarauer stadtrecht bei Boos urk.-buch der stadt Aarau (1880) 332.
c)
als ergebnis der thätigkeit: als er (Jonas) nu in diesem gesturm glernet hat. Luther der prophet Jona (1526) H 4ᵇ, dafür sturm werke 3, 215ᵃ (Jena).
3)
die neuere entwicklung hält sich in den eben bezeichneten bahnen nur noch mundartlich, in der Schweiz: da pochte es drauszen. 'was braucht der jetzt so spät mit seinem gestürm uns unruhig zu machen.' J. Gotthelf Uli d. p. 334; 's g'stürm, hin und her rennen Seiler Basler mundart 152; in anderen belegen ist die bedeutung durch die besondere entwicklung bedingt, die das verbum stürmen dort erfahren hat (schwatzen, sinnlos darauf los reden): es komme ihr halbers vor, wie es (ein) gstürm. J. Gotthelf schuldenb. 120; du hörst einen ganzen halben tag mein gestürm an. Uli d. p. 195. 264.
4)
der schriftsprache ist gestürm entschwunden, wenn es auch noch von wörterbüchern verzeichnet wird: gestürme, constant stormy Adler (1861) 241, gelegentlich wird es noch von der poetischen sprache festgehalten, wo es den bedürfnissen des reims dient; die bedeutungsunterschiede gegen sturm haben sich verwischt:
ein lautenspiel, aus welchem selbst das scharfe,
verwüstende gestürm noch harmonieen rief.
Tiedge Urania 6, 645;
welch gebirg von schneegestürme
sich mir auch entgegenthürme.
Rückert werke 2, 602.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1897), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4268, Z. 30.

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Zitationshilfe
„gesturme“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gest%C3%BCrme>.

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