Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

gestüte, gestüt, n.

gestüte, gestüt, n.,
coll. zu mhd. stuot (herde von zuchtpferden), ahd. stuota. die collectivbildung gehört erst der neuhochdeutschen sprache an und brachte zunächst die noch heute hervorstechende bedeutung zum ausdruck: gestüte nennt man in der regel diejenigen anstalten, in welchen hengste und stuten gehalten und fohlen gezüchtet und aufgezogen werden. Thiel landw. conv.-lex. 4, 401. erst in späterer entwicklung gieng die dem simplex eigene bedeutung auch auf das compositum über wie umgekehrt (vgl. unter 1): hin und wieder bezeichnet man auch die hengst- und beschäler-depots des staates oder reicher privatpersonen als gestüte. Thiel 4, 402.
1)
die anstalt für pferdezucht: Marx Fucker in seim buch vom gestud klaget, dasz seidher man auff die gutschen gefallen, man kein rechte reutpferd mehr in Teutschland ziehe. Garg. 178ᵃ (neudruck 280); wie und wo man ein gestüt von guten edlen kriegsrossen auffrichten, unterhalten .. soll, von M. Fugger, Frankf. 1584; auf diesem buche beruht auch die spätere darstellung des stoffes, so bei Hohberg 2, 134.
a)
in wörterbüchern wird gestüt seit anfang des 18. jh. gebucht, sowol in fachwissenschaftlichen als fremdsprachlichen: gestüt, villa equaria Weismann lex. bipart. Rondeau-Buxtorf 252. Schwan 1, 737 u. a., gestütte Zinck öcon. lex. 935, gestüte Trichter reitlex. (1742) 928. in derselben bedeutung erscheint oberd. das simplex die stut Adelung, studt Frisch 2, 354ᵇ.
b)
verbindungen des wortes.
α)
mit substantiven. in erster linie kennzeichnet sich hier die technische gliederung: die hauptgestüte grenzen sich von den gestütsstationen ab, zu denen sie ihre zuchthengste entsenden; im genetiv wird meist der besitzer und veranstalter benannt: staatsgestüte gegen privatgestüte; landesgestüte in den kleineren staaten, in Preuszen als veranstaltungen der einzelnen provinz: grosze gebäude eines ehmaligen gestütes der herzoge von Lothringen (bei Bockenheim). Göthe 25, 322. seltener ist der qualitative genetiv:
der von Abydos kam, vom gestüt leichtrennender gaule.
Voss Ilias 4, 500.
β)
mit dem adjectiv werden in erster linie unterschiede in der führung gekennzeichnet, wilde und zahme gestüte: von den Hungarischen füllen, die aus den wilden gestütten ausgefangen und wildfang genennet werden. Hohberg 2, 139; dem gegenüber sind zahme gestüte diejenigen, in denen die eigentliche gestütszucht (s. d.) durchgeführt erscheint. in den halbwilden gestüten wechselt nach Falke thierarzn. 1, 338ᵃ mit der regellosen sommerhaltung die einbringung in der winterszeit; Thiel 4, 402 will für die halbwilden gestüte, als deren deutscher vertreter früher das gestüt auf der Senne in Lippe-Detmold galt, das unterscheidende kennzeichen in einer gewissen sorgfalt erblicken, die der paarung zugewendet wird. andere adjectiva enthalten werturtheile: also auch billich unser allergnädigster kayser und landesfürst, auf die gestütereyen nicht wenig ausgibt, und zu Pardubitz in Böheim und im Karst schöne und nutzbare gestütte hat. Hohberg 2, 134.
γ)
mit verbis. die gebräuchlichste verbindung ist ein gestüt halten, equas ad genus faciendum alere Weissmann, nourrir un haras Rondeau-Buxtorf 252, entretenir un haras Schwan 1, 737, vgl. Krämer 554ᵃ:
auf seinen schlössern wird es nun lebendig,
dort wird er jagen, baun, gestütte halten.
Schiller 12, 230 (Wallenst. tod 1, 7).
c)
im sprichwort bekundet unser wort die sinnfällige wirkung, die die ganze einrichtung auf anschauung und denkweise des volkes ausüben muszte. ein und dasselbe sprichwort läuft in mehreren fassungen um und ist verschiedentlich bezeugt: man sagt gemainlich und ist auch war, wann ain gestud zergeen will, so beiszt es ime selbs den schwanz ab. also ist in diesem geschlecht auch beschehen. Zimmer. chron. 1, 433, 26, wo eine annäherung an die unter 3 belegte bedeutung zu bemerken ist; dagegen: wenn ein gestüt zu grunde gehen soll, so beiszt ein pferd dem andern den schwanz ab. Blum deutsch. sprichwörterbuch (1780—82) 663, vgl. Simrock 3554.
2)
die im gestüt befindlichen pferde, die herde der zuchtstuten: bei wenigem gestüte, dergleichen ein mittelmäsziger landmann, seinem stand und vermögen nach, halten kan. Zinck öcon. lex. 2854;
so wie zur heerde der stier, zum holden gestüt der beschäler (wandert).
Voss Horaz sat. 2, 7, 49.
3)
die abstammungsmerkmale, die rasseneigenthümlichkeit der pferde:
im pfisterland findet man pferd,
sein langschiffig, schwarz wie kol,
deren gestüd herkommen sol
von uhralten schimleten brod.
Fuchs mückenkrieg 912 Genthe.
4)
übertragen auf andere thiere, die zuchtanstalt überhaupt: ein löwengestüte (in einem zoologischen garten), vergl. die loͤwin stuͦdt, löwin. S. Brant narrensch. (Zarncke) nr. 64, 47.
5)
in obscönem sinne auf menschen übertragen der puff Vollmann burschikoses wörterb. 203.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1897), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4269, Z. 63.

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Zitationshilfe
„gestut“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gest%C3%BCt>.

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