Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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gestachelt, part.

gestachelt, part.
mit einem stachel oder stacheln versehen:
wir, denen so gestachelt hinten ragt der steisz.
Voss Aristoph. wespen 1088;
im gebirg ist segen an dorn und gestachelten ranken.
Theokrit 4, 57;
bildlich: wie ämsig er aus jedem bedornten oder gestachelten tadel ... den honig der besserung saugt. J. Paul uns. loge 1, vorr. xxxvii.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1895), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4175, Z. 42.

stacheln, verb

stacheln, verb,
stimulare. denominativ zu stachel, begegnet vereinzelt schon bei Luther (8, 119ᵇ), ferner bei Ringwaldt und Butschky, häufig aber erst seit der klassischen periode (Bürger, Voss, Schiller u. s. w.). s. die belege. von den wörterbüchern hat es zuerst Hulsius (1618): stacheln, stimolare, instigare. 237ᵃ; ferner: stachelen, verb. stimolare, frugare, stuzzicare, aguzzare, piccare, pongolare, pungettare collo stimolo etc. Kramer dict. 2, 900ᵃ. nach Adelung 'nur im gemeinen leben einiger gegenden üblich', was schon damals nicht mehr zutrifft. aus lebenden mundarten nur vereinzelt bezeugt: bair. stáchln antreiben (und anstechen), daneben mit bezug auf den stachál in den spazierstöcken: wo stáchálst denn àlləwál ummə'? Schm. 2, 726; preusz. stacheln, auch entstellt zu stachêlen, quälen, pisacken; aufhetzen, aufstacheln durch reden. Frischbier 2, 359ᵃ.
1)
eigentlich, mit einem stachel stechen. nicht häufig. besonders ein thier stacheln mit dem treibstachel (s. stachel 2, a): die ochsen etc. stacheln, stimolare, frugare etc. i buoi etc. Kramer dict. 2, 900ᵃ; die ochsen stacheln oder anstacheln. Adelung; hier hatte er sein (maul-)thier so heftig gestachelt, dasz es in erschreckten sprüngen vorwärts setzte. C. F. Meyer Jenatsch 58. dann auch vom sporn des reiters:
wenn mein sporn ihm (dem rosz) stachelt die weichen.
Lenau 2, 74 Koch (Mischka an der Marsch 3).
anderes nur verzeinzelt und dichterisch:
manche nadel bleibt zerbrochen
zwischen zeug und futter sitzen,
die nachher den busen stachelt
und das herz lebendig kitzelt.
W. Müller ged. (1868) 1, 169 (Amor ein schneider).
vgl. auch: einige tausend Engländer und protestanten wurden in ihren häusern verbrannt; andere nackend mit schwertern und spieszen vorwärts in ströme gestachelt. Bürger 406ᵃ.
2)
sehr häufig ist stacheln in bildlicher, unsinnlicher verwendung.
a)
zunächst in dem sinne 'reizen, kränken, höhnen': stachlich und gifftig sind die schlangen, ... denn sie fragen nicht darumb, das sie von uns wolten lernen, ... sondern stackern und stacheln uns mit solchen fragen, zu hohn und spott unsers glaubens. Luther 8, 119ᵇ; im auslande bin ich ... oft mit einem enthusiasmus aufgenommen, der mich in verlegenheit gesetzt, der mich schamroth gemacht, der mich manches mahl gestachelt hat, weil ich ... ihn für grobe persiflage gehalten habe. Bürger briefe 4, 249. gewöhnlich indessen überwiegt die vorstellung des antreibens; in räumlicher beziehung:
auch durch des gewässers fluten
mit der sehnsucht feur'gen gluten
stachelt sie (die liebe) Leanders muth.
Schiller 11, 339.
in der regel zu einem thun u. ähnl. stacheln: dasz sie dadurch unersätlich, und zu vermessenen anschlägen bemittelt und gestachelt worden. Butschky Pathmos s. 25; die heiden (Preuszen) ... saszen in kleine völkerschaften getheilt, ... also oft entzweit und schwer zu gemeinsamer that zu stacheln. Freytag 18, 199 (bilder 2, 1, 6); so auch: das thier arbeitet, wenn ein mangel die triebfeder seiner thätigkeit ist, und es spielt, wenn der reichthum der kraft diese triebfeder ist, wenn das überflüszige leben sich selbst zur thätigkeit stachelt. Schiller 10, 377. ungewöhnlicher: sie, die sonst immer zur heiterkeit stachelte. Gutzkow ritter vom geiste 8, 69.
b)
mit unpersönlichem object, eine empfindung stacheln:
mein reichthum selbst wär eine würze nur,
des habens hunger heftiger zu stacheln.
Schiller 13, 118 (Macb. 4, 6);
und sein helfer, jener schwarze, ...
stachelt tückisch seine kühnheit
bis zu selbstvergeszner wuth.
Grillparzer⁴ 6, 195 (traum ein leb. 4);
um meine wuth zu stacheln
und sie von neuem anzufrischen, will ich
die schändliche geschichte dir erzählen!
Grabbe 1, 34 Grisebach (herzog Theodor 1, 3).
c)
häufiger steht die empfindung als subject: unwille und neugier stachelten den jungen Zürcher. C. F. Meyer Jenatsch s. 28; er kam, wie gestachelt durch einen geheimen groll, von neuem auf seine vaterstadt zu sprechen. 134; von beständiger unruhe gestachelt, eilt das elende weib aus ihrem verödeten stadtpalast auf ihr landgut. novellen 2, 74;
sie selbst, zur furie entstellt
vom gräszlichen entschlusz, der ihren busen schwellt,
mit bluterhitztem aug, gestachelt von verlangen.
Schiller 6, 416 (Didos tod 116);
so stachelte uns sehnsucht nach der heimath.
Grabbe 3, 122 Grisebach (Friedr. Barb. 1, 1).
auch sonst mit unpersönlichem subject: das immerwiederdurchnehmen der beleidigung, die bemühung, immer noch etwas neues darin zu finden, was durch den reiz der neuheit schärfer stachle, ist reflexion. Ludwig 5, 266; auch der lasterhafte Germane war selten ein verworfener mann. die leidenschaft stachelte ihn, übermächtige versuchung, die noth seines bedrängten lebens und die ordnungslose welt. Freytag 17 (bilder 1), 201;
Boie, mich stachelte heut im ängstlichen traum mein gelübde.
Voss 108 Sauer (das ständchen 1).
d)
absolut: der gegensatz reizt, die ungleichartigkeit der naturen stachelt. Gutzkow ritter vom geiste 6, 363; wenn ich etwa darüber, dasz wir nicht zugezogen wurden, getobt habe, so ist das nur geschehen, um zu stacheln und hervorzuheben, wie schlecht man uns behandelt. Bismarck briefw. mit Gerlach 221 (6. jan. 1855). so im particip: dagegen erfüllten ihn stachelnde neugier und verhängnisvolle wut, sein schicksal zu kennen bis zum rande. Ric. Huch von den königen 274;
und auch der hat sich wohl gebettet, ...
der die stachelnde sucht der ehren
von sich warf und die eitle lust.
Schiller 14, 117 (braut v. Mess. 4, 7).
adverbial, im comparativ: dasz sie beisammen sein können, wo er sie nicht sieht, ... das erregt ihn weit stachelnder, als sie zu sehen. Ludwig 2, 125.
3)
die ältere und landschaftliche sprache gebraucht stacheln auch absolut in dem sinne 'einem spitze, höhnische worte geben', offenbar als ablaut zu sticheln empfunden und gern damit gepaart, vgl. das.: auf einen stacheln etc. v. sticheln. Kramer dict. 2, 900ᵃ; 'in andern gegenden braucht man es auch figürlich für sticheln.' Adelung; Campe kennt es nur aus letzterem. belege:
gar mancher wenn er trincken sitzt, ...
so uberkömpt er manche finn,
und wird gar klug in seinem sinn ...
sitzt stachlen als ein neydisch hund.
Ringwaldt lauter warh. (1597) 73;
es ward auf schöngeisterei gestichelt, auch wol gestachelt. Voss antisymbolik 2, 18; mit andrer wendung: dennoch .. stichelte und stachelte das grundböse weib ohne unterlasz in mein böses fleisch, dasz ich schier voraussah, ich würde mich ihrer nicht erwehren können. Spindler vogelhändler (1876) 1, 191. folgende stelle läszt sich auch zu 2 beziehen: 'zeig's zuerst beim vater. bei mir brauchst nicht anzufangen', stachelte Fränz. Auerbach dorfgesch. 4, 136.
4)
das part. gestachelt ferner in dem sinne 'mit einem stachel oder stacheln versehen', s. Campe (2) und th. 4, 1, 4175. von wespen (Voss Aristof. 1, 393), s. ebenda.bildlich: Viktor wunderte sich über die allgemeine freimüthigkeit von einer so gestachelten schmeisz-mouche wie Mathieu war. J. Paul Hesp. 3, 162. — 'in der pflanzenlehre heiszt die mütze einer büchse gestachelt (mucronatum), wenn der deckel ganz glatt ist, oben in der mitte aber eine borstenartige spitze hat.' Campe.von anderm, bildlich: weil das knochenwerk als floszrechen und gestachelter herisson die pforte versperrte. J. Paul Katzenb. 2, 10; der ganze künftige lebens-kreuzgang seiner freundin lag gestachelt und gedornet vor ihm. Qu. Fixlein 132.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1906), Bd. X,II,I (1919), Sp. 396, Z. 35.

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„gestachelt“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gestachelt>.

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