Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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gestreift, adj.

gestreift, adj.
part.
1)
zu streif (s. d.). mit streifen versehen, streifig, älter md. gestrîfit rittersp. 670: gestrifft, stragulatus gemma gemm. (Hagenau 1510) A 3ᶜ, ghestrypt (Köln 1495) X 3ᵈ; ain halb gestreift tuech geit 30 dn. (ungelt, zoll). Burk. Zink in Augsb. chr. 2, 7, 8, ein halbs gestriftz tuͦch 1, 31, 17 (15. jh.); gestreifte wollene, leinene und seidene zeuge Jacobsson 2, 74ᵇ; gestreiffter taffet Rädlein 377ᵇ; der schön gestreifte waldesel. Fr. Müller 1, 24; gestreifter stein oder Nanniester, milchfarbiger halbedelstein mit braunröthlichen streifen aus Nanniester in Mähren Jacobsson 3, 127ᵇ; gestreifter stamm, gestreiftes blatt, mit zartvertieften linien gezeichnet 5, 661ᵃ; gestreiffte säule, colonna incanellata Rädlein 377ᵇ.
2)
zum verb. streifen, abgestreift.
a)
eigentlich: gestreiffte bletter von böumen, stricta ex arboribus folia Maaler 177ᵇ; gestraifft, dem das fell abgezogen ist Henisch 1578, ohne die bauchseite aufzuschneiden Jacobsson 2, 74ᵇ, z. b. ein gestreifter hase.
b)
danach in übertragener bedeutung, wie gestrauft, gerieben, schlau, gewandt: gestryfft, auszgestrichner mensch, lautus homo Maaler 197ᵃ; herr Gotfridt Wernher, als ein gestreifter, geschwinder herr. Zimm. chr. 2, 483, 30; ist dann ein gestreifter lei so hart an si gesetzt, helt inen für ein spruch der geschrift. Schade sat. 3, 32, 38.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1895), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4252, Z. 21.

streifen, m.

streifen, m.,
s. o. ⁴streif.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1957), Bd. X,III (1957), Sp. 1260, Z. 17.

streifen1, vb.

¹streifen, vb.,
mit streifen versehen, denominativ zu mhd. strîfe; mhd. strîfen; mnd., mnl. stripen; engl. to stripe, das möglicherweise eine rückbildung aus dem (vielleicht aus dem mnl. oder mnd. entlehnten) part. praet. striped ist, s. Murray s. v.; anorw. stripađr (in strúput salun 'gestreifter stoff aus Châlons') entlehnt aus mnl. oder mnd. strīpet. lexikalisch seit dem 15. jh. bezeugt (s. auch unten 1): stragulatus gestryfft gemma (Straszb. 1508) A 3ᵇ; virgatus gestreifft Calepinus XI ling. (1598) 1549ᵃ; streiffen, streiffe an etwas machen faire des rayes en quelque chose, rigare, far righe Hulsius-Ravellus (1616) 312ᵇ; streifen, streiffen striare, canellare incannellare, accannellare, listare, it. calterire, scalsire Kramer t.-ital. 2 (1702) 1007ᵃ; streifen, ich streife, streifte, ich habe gestreift ... Schwan nouv. dict. (1733) 2, 733ᵃ; vgl. Frisch nouv. dict. (1752) 573; Voigtel 3 (1795) 371ᵃ. mundartl. striepen streifen Block Eilsdorf 95; striepen, striept, striepked Stürenburg ostfries. 268ᵇ; gestrifd Hertel Thür. 238; strihfen Waldbrühl rhingscher klaaf 211; gestrifft Martin-Lienhart 2, 628ᵃ; hosen von g'striffetem zwilch Staub-Tobler 11, 2142. vereinzelt auch stark angesetzt: stripen, stripe, streip, estrepen Fromme Hohenbostel 82 Alpers. wie schon diese lexikalischen belege sehen lassen, lebt das wort fast nur in der form des part. prät. gestreift.
1)
gestreift in allgemeiner bedeutung.
a)
früh von kleidung und stoffen; gestreifftz tuch stragula voc. rer. (Augsburg 1468) Diefenbach nov. gl. 349ᵇ; gestreifft duch stragula Brack voc. rer. (1489) d 3ᵃ; virgata vel virgulata vestis purpurkleyd gestreifft, dass streimen hat Alberus nov. dict. (1540) J 4ᵇ; strypt kleed vestis discolor, lineis variegata Kilian (1623) Oo 2ᵃ; gestreifter zeug drappo vergato, listato Kramer t.-ital. 2 (1702) 1007ᵇ.
α)
zunächst in mittelalterlichen kleiderordnungen, die das tragen gestreifter kleider unter strafe stellten: stripede rocke (1263) lübeck. urkundenb. 1, 258; 263; doyke (kopftücher), de myt golde edder myt groner, roder, blawen syden gestrypet syn (um 1400) urkundenb. d. st. Braunschweig 1, 107, 73; stripet ... rocke (1435) bei Schiller-Lübben 4, 437; zur sache vgl. das verbot gestreifter kleidung (vestes rigatas) für priester durch das concil zu Trier 1310, s. concilia German. 4, 131 Hartzheim; ebda 4, 241; 279; 443. aus späterer zeit: ein gestreiftes ostindisches taschentuch Bode Tristram Schandi (1774) 3, 6; ein frauenzimmerchen mit ziemlich aufgehobenem gestreiften kleide Göthe I 47, 354 W.; durch gestreiften oder geblümten musselin ders., II 1, 26; wenn sie im besten staate ausgehen, so nehmen sie ein tuch, meist ein buntgestreiftes, wie ein bettuch um Laube ges. schr. (1875) 5, 276; dort schritt der oheim Grünebaum heran im blauen rock ... und gestreifter weste W. Raabe d. hungerpastor (1864) 1, 167; der mantel war blau und weisz gestreift, ein fröhlicher mantel Wiechert missa sine nomine (1950) 9. mit besonderer zweckbestimmung: als die gestreifte weste (d. diener) in der tür ... erschien und beide flügel weit öffnete Paul Heyse kinder d. welt (1921) 1, 145. verbreitet als sträflingskleidung: da muszt ich unterschreiben, die zwei affen (uneheliche kinder) seien von mir. und dafür liesz er mich aus den gestreiften hosen schlüpfen Federer berge u. menschen (1911) 561; viele hundert sträflinge standen versammelt, in ihren grotesken, gestreiften kleidern Feuchtwanger geschw. Oppermann (1948) 318; die hohe gebeugte gestalt (des gefangenen), die auch unter dem gestreiften mantel so aussah, als gehöre ihr dies alles E. Wiechert missa sine nomine (1950) 17. vgl. auch die mundartl. verwendung: schweiz. id. 11, 2142.
β)
gestreiftes tuch als handelsübliche bezeichnung des 14. und 15. jhs.: ein steintelsh gestrîft(tûch) vor drî virdunge (aus einer abgabenordnung von 1322) bei F. Bech bischöfl. satzungen 1, 1; 1 halbs gestriftz tuͦch git 30 dn (Augsburg 1373) städtechron. 4, 31; wer ein gestrift duͦch von Meintze oder Kölne köfet oder verköfet, der git von iedem duͦche 6 d. (aus einer kaufhausordnung v. 1401) bei Schmoller Straszb. tucherzunft (1879) 21ᵃ.
b)
im reich der natur: vil lewin die do groz sint ..., dy do vun naturen geverbit sin gestreyft beyde wys und swarcz unde rot der md. Marco Polo 24 Tscharner; die tigerbuschkatze ... ohren grosz, schwarz und weisz gestreift Oken naturgesch. 7, 3 (1838) 1593; dann waren die schnecken mit und ohne häuser, braune und gestreifte, gewölbte und platte Stifter s. w. 1 (1904) 176; eine schön gestreifte eidechse H. Seidel Leberecht Hühnchen (1899) 328. in der botanik: die rohtweissen gestreiften rosen Ph. Zesen helik. rosentahl (1669) 20; blumen ... gestreifte, gesprenkelte, mit bunten rändern A. v. Droste-Hülshoff br. 1, 297 Schulte-K.; zum terminologischen gebrauch von gestreift in der botanik vgl. Röhling Deutschlands flora (1823) 1, 145; 148; Bischoff wb. d. beschr. botanik (1839) 198. in der mineralogie: (rückstände) in kupffer- vnnd messighütten, sol sehen wie ein schneck, etlichs wie ein weintraub, etlichs sol geferbt vnnd gestreifft sein J. Mathesius Sarepta (1571) 109ᵃ; die vierseitigen gestreiften säulen (des kristalls) ..., wobey bemerklich ist, dasz auch diese zuspitzungsflächen deutlich gestreift sind Göthe IV 34, 273 W.; die dodecaëderflächen sind glatt, die prismaflächen gewöhnlich horizontal gestreift, parallel den combinationskanten Oken allgem. naturgesch. 1 (1839) 136. in der anatomie: wegen seiner (des streifenhügels im gehirn) abwechselnden lagen dunkelgrauer, hellgrauer und weiszer substanz hat er ein gestreiftes ansehen in seinem innern und daher seinen namen bekommen E. Bock hdb. d. anatomie d. menschen 1 (⁴1849) 459.
c)
in der architektur: gestreifte säule colonna striata, cannellata Kramer t.-ital. 2 (1702) 1007ᵇ; diese oberbühne dienet zum unterbaue, für acht derjenigen gestreiften oder gerippten säulen ohne füsze, nach alter art anmuth. gelehrsamk. (1751) 9, 263 Gottsched; streifen canneliren Vitruv de architectura (1800) anh. 63 Rode.
d)
zur bezeichnung der symbolhaften streifung in der heraldik, wo form, richtung und farbe der streifen in ihrem verhältnis zu andern figuren einen ganz bestimmten sinn ausdrücken (zur sache vgl. Querfurth [1872] 36):
furit her veld in veldin
gestuckilt adir gestriffit,
alt adil kan ez gemeldin
ab ez zcwo farwe begriffit
(um 1400) Joh. Rothe ritterspiegel v. 670 Neumann;
vgl. ebda v. 593, wo zweifarbigkeit als zeichen alten adels gedeutet wird; ferner die belege beim adjektivum streifig und beim substantivum ⁴streif G 4.
e)
in der tuchweberei tuch mit webfehlern: auch wo unse meyster eyn warff stryfet duch (in der längsrichtung des tuches gestreift) findent, da sullen sie zwene grosse (groschen) zu busze von nemen (gewohnheiten der gewandmacher zu Frankfurt 1355) in: cod. dipl. Moenofrancof. 1 (1836) 636 Boehmer; item wan dat worp (kette, aufzug) strypet ist, dat laken en sal men nicht segelen (mit dem siegel versehen) vnd syn broke (geldbusze wegen eines verstoszes gegen eine qualitätsvorschrift) drey schillynge bei A. Fahne die grafsch. u. freie reichsst. Dortmund (1854) 3, 235; item wey (wer) strypede laken an den ramen (prüfgerät) recket syn brocke drey schillinge vnd nicht segelen ebda.
f)
gestreift (gestreifelt), neben persönlichem träger stehend, kennzeichnet den angehörigen einer klasse, einer gruppe. dieser gebrauch ist landschaftlich begrenzt.
α)
mit deutlich spürbarem sinnlichen hintergrund in der bedeutung 'zweifarbig, nicht nur einer farbe angehörend': (ein Samariter), ein gestriffleter jud, der do was weder jud noch heyd, weder hund noch lötysch (hündin) Keisersberg postill (1522) 3, 77ᵃ; diszer gestrifflet jud, do er den verwundeten brocht in die herren herberg ebda.
β)
der bedeutung und wahrscheinlich auch der herkunft nach hiervon zu scheiden ist ein häufiges gestreift (gestreifelt) des 16. jhs., das die angehörigen der gebildeten oberschicht bezeichnet und ursprünglich wohl nur im alemannischen zu hause war. innerhalb der wortsippe findet sich diese bedeutung am frühesten beim adjektiv streificht:
man fyndt gar manchen narren ouch
der ferbet vsz der gschrifft den gouch
vnd dunckt sich stryffecht und gelert,
so er die buͦcher hat umb kert
vnd hat den psalter gessen schyer
bisz an den versz, beatus vir
(d. h. den beginn des psalters)
Seb. Brant narrenschiff 57 Z.;
in der nd. fassung (Rostock 1539, v. 3940) heiszt es: schriftkloek unde gelerd; offenbar liegt hier das ergebnis einer längeren sprachlichen entwicklung vor, die, wie die belege aus der narrenliteratur vermuten lassen, in einer tieferen sprachschicht vor sich gegangen ist. die unten angegebenen belege geben, obwohl sie den wortsinn zu erklären und zu veranschaulichen sich bemühen, über die herkunft keine aufklärung. die moralisch-symbolische auslegung, die in der lat. fassung der predigten Geilers v. Keisersberg zum narrenschiff (s. u.δ) und in einer flugschrift aus dem jahre 1522 begegnet (s. u. ε), geht von der vorstellung einer verschiedenartigen streifung aus, erweckt damit aber den eindruck der nachträglichen interpretation eines in seinem ursprünglichen sinne nicht mehr verstandenen volkstümlichen wortgebrauchs. eine beziehung zur kleidung — gestreifte kleider als zeichen der wohlhabenden und gebildeten schicht, so Frisch wb. (1741) 2, 346ᵇ — ist unwahrscheinlich.
γ)
zunächst in rein sachlich-feststellendem sinne. dieser gebrauch lebt noch bis in den beginn des 17. jhs. nach. gestreift steht vom gebildeten, zunächst von dem theologisch gebildeten, vor allem vom kleriker: so aber die not kumpt, ... schirmend das vatterland vil mannlicher die allerschlechtisten dann die gestryffeten Zwingli bei Staub-Tobler schweiz. id. 9, 54; derselb ammann Sch. were ouch an den president zuo Sant Wolffgang komen und ... mit im gredt, das er Ambrosy nit verstüende, darnach redte der president, er were ein gestriffter man, der gern vil dings hette (1513/15) bei Staub-Tobler 11, 2143; was lyt daran, ist nit eins tubendrecks wärt, dann das man hör, wie (du, Faber) ein gestryffter schmid syest, ein hochberüemter jurist, das ist in tütsch weltpschyszer, ein gelerter heyd, ein subtiler sophist (1523) ebda 2142; (wenn wir nur predigen) alles zue dem end, dasz nur erfüllt werde die stund, wir gehalten werdind für gleert, bredt, gstryfft, dasz man uns gern höre, wir niemand erzürnind Breitinger synodalreden a. d. jahren 1613 -43 ebda 11, 2142. auch die verbindung gestreifter laie (dazu s. δ) steht zunächst in rein sachlichem sinne: ein buch ... spiegel der artzney, darinnen sich dann besichtigen mögend alle krancken menschen, auch die gestreifften leyen, welche sich gar leichtlich on wissenheit vnderwinden die krancken zu artzneyen Laurentius Fries spiegel der artzney (1532) vorr. dazu vgl. die abstufung des gestreiften laien gegenüber dem fachgelehrten auf der einen und dem gemeinen mann auf der anderen seite: ich bin ein wenig ein gestreiffter laye, nemlich ein wenig mehr als ein gemeiner laye. den gestreifften layen musz man mehr auslegens machen, denn denen gelehrten Laurentius Fries spiegel d. artzney 7 bei Frisch wb. (1741) 346ᵇ.
δ)
in der satirischen literatur der zeit erhält die verbindung gestreifter laie, wie schon bei Sebastian Brant spürbar, eine färbung in kritisch abwertendem sinne:
der gestryflet ley (überschrift)
ich hab eins mals ein schulsack fressen,
das ichs latyns nit kan vergessen
und weisz me, dann ein ander christ
(1512) Murner narrenbeschwör. 333 ndr.;
und fragt der narr von hohen sinnen
me, dann viertzig gelerter kinnen
antwurt geben und berichten,
die krummen fragen wider schlichten.
darum stat er am narren reien:
man nennet sy gestryfflet laien.
sy solten vorhin (zuerst) lernen fragen,
dann kundt man in die antwurt sagen
ebda 335;
der from gelert man doctor Sebastian Brant in siner buͦecher ainem, das er das narrenschiff genent hat, duͦt vil meldung von denen gestriflten narren, die vil buͦecher hand, sich derselben ruͦmend und aber nimer oder doch selten darüber gond; dan buͦecher sint nit nutz, man lese dan und bruche dieselben (1532) J. v. Watt dt. hist. schr. 3 (1879) 361 G.; wan das ist die recht weisz vnd masz (lästige fragen durch gegenfragen zu parieren) semliche gestiflete doctores vnd gestreiflette leyen, die etwan semliche hohe seltzame fragen an die gelerten lüt thuͦn ... vnd wöllen in (den gelehrten) versuͦchen was er kün (um 1518) Pauli schimpf und ernst 74 Ö.; die gestreifletten leyen (laici maculati ut pardus, s. Zarncke Brants narrenschiff 476), die hören kein predig vnd also verderben sie ellentlich. Petrus der heuwe (hieb) des bischoffs knecht ein or ab, das ist die priester vnd ir knecht, vnd ander halb gelert, die daz or verloren haben, damit sie predig hören solten Pauli Keisersbergs narrenschiff (1520) Z 2ᵃ.
ε)
während der religiösen kämpfe des 16. jhs. muszte die wendung gestreifter laie verschiedene wege der bedeutungsentwicklung gehen. die alte kirche sah in dem gebildeten laien, der sich unmittelbar den weg zum worte gottes suchte, eine gefahr und erhob ihre warnende stimme: in dem vergangnen jor ... hat sich begeben, das ein predigermünch hat geprediget in der fasten in eim fläcken in dem Schwitzerland und hat aber allwegen in siner predig geruͤrt die gestryfften leyen, die so taͤglich in den teütschen buͤcheren laͤsen, und gesprochen, es sy ein verfuͤrung vyler menschen, dann sy es nit können verston (1522) der gestryfft Schwitzer baur 2 E. Voss; die selben verlasznen hirten weren (wehren) dem frummen leyen zuͦ laͤsen in ... der heiligen geschrifft und sprechen, er soͤll gar nit teütsche buͤcher laͤsen und nemen in ein gestryffter ley ebda 9; ir solt usz dem mundt des priesters (nit der gestryffelten leyen) fragen und suͦchen das gesatz J. Dietenberger obe der gelaub allain selig mache (1524) A 4ᵃ. im munde der reformatoren gewann das wort einen anderen klang: ist dann ein gestreifter ley so hart an sie (priester und mönche) gesetzt, helt inen für ein spruch der geschrift ... so hebt der wolf umb sich zu biszen (um 1520) bei Schade satiren u. pasqu. 3, 32; ich syhe wol, das der gantz pfaffen stand wider heylig geschrifft ist, vnd man vns kein schantz vbersehen will. ... man ist als wol wider münch als wider pfaffen, wir mügen den gestrifften leyen keinen widerstand mehr thuͦn (um 1525) Eberlin v. Günzburg s. schr. 2, 71 ndr. die wendung gestreifter laie wird aufgegriffen, nun aber gegen die vertreter der alten kirche ausgedeutet: nun hat Christus hie eygentlich unsz zu verston geben, wer gestrifft geheissen soll werden, der ley oder die gelerten der goͤttlichen geschryfft. wär woren die gelerten desz gesats, die phariseier und geliszner anders dann gestryfft? ich wolt gern wüssen, was ein glyszner anders wer dann ein gestryffter, der do eim zeigt wisz, do es schwarz ist, und blow, do es gruͤn ist, und braun, do es gaͤl ist (1522) der gestryfft Schwitzer baur 9 Voss. vgl. auch oben ⁴streif F.
g)
gestreift im sinne von 'listig, gewitzt, gewandt' hat seine parallele in gestrauft, s. ob. straufen A 5, sp. 1000: her Gotfridt Wernher, als ein gestreifter geschwinder herr, hat in der erste (der ersten zeit) langsam darzu gethon und rede wol für ohren geen lassen (16. jh.) Zimm. chron. ²2, 443 Barack.
2)
literarische belege mit finiten formen sind selten:
hosen stryffen, spiegel gucken
als ein wyb mit zieren schmucken
Murner dt. schr. 2, 164 Spanier;
der herbst, wo trauben reifen
und äpfel roth sich streifen
A. Tscherning (um 1650) bei Matthisson anthol. (1804) 1, 116;
die schilderhäuser ... werden gestreift ... alle öffentlichen gebäude ... gewürfelt Brentano ges. schr. (1852) 5, 428.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1957), Bd. X,III (1957), Sp. 1260, Z. 18.

streifen2, vb.

²streifen, vb.,
gleitend berühren, mhd. streifen aus german. *straipjan, zu vorgerm. streib-, einer erweiterung der wurzel ster- 'ausbreiten'; dazu auch (mit gutturalerweiterung) streichen (s. ob. sp. 1183) und (mit u-vokal) straufen (s. ob. sp. 997); s. auch oben ⁴streif. früh gabelt sich das wort in die drei bedeutungsrichtungen 'gleitend berühren', 'abstreifen', 'herumschweifen', die das heutige sprachbewusztsein streng trennt. doch lassen die mehrfachen überschneidungen den gemeinsamen ausgangspunkt noch deutlich erkennen. die beiden wurzelverwandten streichen und straufen zeigen eine parallele bedeutungsgabelung. straufen entwickelt die bedeutung 'abstreifen' und 'herumstreifen'. streichen, das wie streifen zunächst 'streifend berühren' ist, entwickelt wie dieses, wenn auch weniger ausgeprägt, auch die bedeutung 'herumstreifen'. darüber hinaus wird es in älterer sprache auch dazu verwendet, um das anlegen bzw. das ablegen der kleidung zu bezeichnen.
I.
gleitend berühren, anwendbar auf jeden in bewegung befindlichen oder ruhenden körper, der einen zweiten berührt bzw. von ihm berührt wird.
A.
in eigentlichem sinne.
1)
bewuszt berühren, (mit der hand) über etwas leicht hinweg-, an etwas entlangfahren; neben transitivem streifen steht seit je auch streifen an etwas. die beiden frühesten belege zeigen zwei verschiedene sichtweisen; als streicheln, zuneigung ausdrückendes berühren:
ain löwen her mit groszer schar,
...
sú laitent sich vor im (Jesus) da nider
als sam dú schaͮff laembli
und buttent sine hendeli
und sthriftent allú sich dar an
schweizer Wernher Marienleben 5395 Päpke;
swenn sie in an diu brüstel twanc,
diu dâ stuonden hôchgedraet, nach harme blanc,
so quamz in zwâre beiden wol ze mâzen,
und er mit der hant ze tal ab gein den hüflîn streifet
so was sie als ein hermelîn
Lohengrin v. 3127 Rückert;
streift ihm mit der hand über das gesicht Stephanie d. j. sämtl. lustsp. (1771) 162;
gleich den winken des mädchens, des eilenden, welche verstohlen
im vorbeigehen nur freundlich mir streifet den arm
Göthe I 1, 326 W.; 25, 1, 231;
nur der vermag wie Titus ausszurufen: ich gewann den tag!
wer einen süszen mund berührt, an einen schönen arm gestreift
Platen w. 1, 129 Hempel;
dabei streiften und berührten ihn ihre blendend weiszen arme, ihre weichen hände zu wiederholten malen H. Laube ges. schr. (1875) 14, 18; einmal meinte er, dasz eine hand ihm über den scheitel streife. war es nur ein traum? H. Mann d. untertan (1949) 195; vom flüchtigen kusz:
jüngling wähnt,
...
dasz ein kusz, gelind und züchtig,
seine lippen streifet flüchtig
Platen w. 1, 350 Hempel;
sie erhob sich rasch und streifte meine stirn mit flüchtigem kusse M. v. Ebner-Eschenbach ges. schr. (1893) 4, 98; vor ihm aber stieg die zierliche gestalt eines böhmischen schätzchens auf, deren lippen er einst gestreift und das er kaum vergessen hatte Storm s. w. (1898) 6, 274.
2)
gleichfalls als bewuszte handlung für gleitendes berühren verschiedener art, jedoch ohne jenen emotionalen beisinn wie im voraufgehenden: Damasius (ein kämpfer) legt sein krantz hin, streifft sein arm, brust und schenkel (symbolische gebärde für das ablegen der hoffart) Hans Sachs 7, 7 lit. ver.;
wie sonst ein edles rosz das kleinod zu erjagen,
zwar von sich selber schon mit weiten schritten läuft;
doch seiner lenden kraft noch strenger pflegt zu wagen,
wenn man es hitzig macht und mit dem sporne streifft
vernünft. tadlerinnen (1735) 1, 404 Gottsched;
das schreiben mit dem finger in die offene hand ..., in welche die buchstaben streifend hineingeschrieben und durch das gefühl aufgefaszt werden ... Avé-Lallemant gaunerth. 2, 55;
manche freilich müssen drunten sterben,
wo die schweren ruder der schiffe streifen,
andre wohnen bei dem steuer droben,
kennen vogelflug und die länder der sterne
Hofmannsthal ged. u. kl. dramen (1911) 16.
über die saiten, die tasten fahren: die Frantzosen ... streiffen auch die accorte (beim lautenspiel) mit denen fingern, als wenn sie krazten Baron instrument d. lauten (1727) 103;
sie hat eine laute in der hand
...
und wenn es dunkelt das taal entlang,
streift sie die saiten sacht
Eichendorff s. w. (1864) 1, 649;
wenn hierbei ihre finger über die tasten gehen, kaum streifend, wie ein kind andrücken würde Stifter s. w. 1 (1904) 109. in der wendung: den fusz streifen 'einen kratzfusz machen', bei zeremonieller verbeugung mit dem linken fusz auskratzen (vgl. teil 5, sp. 2080): einer ruhmet sich weil er ein newe caeremoni erfantasiert, und das fuͦszlein besser straiffen kan Agricola gutes aug (1629) 373; nichts gemeiners als sich freundlich stellen ..., die hände trucken, pathetische wort geben, achsel schütteln, füsse streifen ... sind eben die, so am freundlichsten sich stellen ..., die füsse am tiefsten streifen, die argste ... feinde (1627) bei Fischer schwäb. 5, 1852; dieser küst die hand, jener streifft den fuss, der dritte trägt den hut in der hand Harsdörffer frauenz.-gesprächsp. 2 (1657) 129; und nahme mit abziehung desz huts, von uns von neuem wieder mit närrischem bucken und streiffen abschied frantzös. Simpl. (1683) 117. von der flüchtigen berührung beim tanz: die puppen (des marionettentheaters) brauchen den boden nur, wie die elfen, um ihn zu streifen, und den schwung der glieder, durch die augenblickliche hemmung, neu zu beleben H. v. Kleist w. 4, 137 E. Schmidt. von handwerklich-technischer fertigkeit; als pflügen: aro ... ich zacker, pflüg, streyff Alberus dict. (1540) L 2ᵃ; nämblich, wann man durch ainen acker faren muesz, so soll der, der die durchfart brauchen muesz, am längs (frühling) und herbst gar zu rechter, früher und bequemer zeit prachen, sträffen (pflügen, eggen) und die veste fieren und pauen, damit derjenige, so darfir (davor) hat, auch zu gebirender zeit arbeiten und zuepauen möge (1671) österr. weist. 4, 309; das feld streifen es mit furchen versehen Unger-Khull steir. 583ᵃ. glätten von faszdauben: gerad-eisen, und krummeisen sind schnittmesser derer böttger, wovon jenes gerade aus, dieses aber krumm zu gehet. mit jenem arbeiten, nennen sie streiffen; mit diesem aber das holtz ausziehen Noel Chomel öcon. lex. 4 (1751) 911; alle reifen (werden) ohne ausnahme vom fasse herunter geschlagen und das äuszere desselben nach der länge gestreift, d. h. mit dem streifhobel so lange überarbeitet, bis vollkommene rundung und glätte erfolgt Prechtl technol. encycl. 8 (1837) 603; streifen das abhobeln der äuszeren oberfläche eines fasses Karmarsch-Heeren techn. wb. (1876) 8, 631; sträiffe glätten der auszenseite eines fasses mit dem hobel Bärndütsch 5, 2 (1922) 409. fischen: der volksfischer hat seine reusen liegen und 'streift' fleissig, sobald bei hochwasser die Aisch anschwillt und sich trübt, d. h. er fischt mit dem grossen streifhamen im trüben wasser in: fränk. heimat 10 (1931) 323. falten legen: während des streifens läszt man eine falte nach der andern unter den daumen gleiten Dillmont encycl. d. weibl. handarb. (1893) 13.
3)
in der bewegung, vor allem im gehen: aneinander vorbeistreichen, ohne dasz eine bewuszte absicht, ein zweckhaftes wollen zugrundeliegt: sie ... zog das faltenreiche steppkleid ... zusammen, dasz sie ihn nicht im vorbeigehen streife, und winkte ihm freundlich aber stolz zu Alexis Roland (1840) 1, 86; diamanten und bonmots blitzen ... die seidenen gewänder streifen sich Gutzkow zauberer v. Rom (1858) 8, 49; ihr grüner schleier flatterte im winde und streifte seine wange G. Freytag ges. w. 5 (1857) 61; des mönchs bart streifte stechend seine stirn J. V. v. Scheffel ges. w. (1907) 2, 89; da sie einen dreisten seitenblick warf, streifte er mit dem bart ihren hals H. Mann d. untertan (1949) 137; Franz streifte ein mädchen, das wütend knurrte und den kopf nach ihm drehte A. Seghers d. siebte kreuz (1950) 16. von überhängenden zweigen gestreift werden: die wälder waren auf beiden seiten der bahn so nahe gerückt, dasz die kahlen zweige der bäume den vorüberfliegenden zug fast zu streifen schienen W. Raabe s. w. II 2, 11;
kein schäfer bald, der mir vorüberschreitet,
den nicht ein ast streift
Rückert ges. poet. w. (1867) 3, 105;
wenn ein niedrig hängender zweig (vom schlitten) gestreift wurde, stäubte der schnee in der luft Fontane ges. w. (1905) I 2, 4; indessen näherte sich geräusch dem hause, der hohe garbenwagen schwankte unter den nuszbäumen heran, dasz er die untersten äste streifte G. Keller ges. w. (1889) 1, 178. und mannigfach sonst: (die) felspforte, aus zwei ungeheuren felsen gebildet ... so breit, dasz ein mäszig belastetes packpferd von beiden seiten mit den tragsäcken die felswände streift Ritter erdkde, teil 2 (1832) 981; auch:
er gleitet; modriges gewand,
verwirrtes haar streift seine hand (in der totengruft)
A. v. Droste-Hülshoff ges. schr. (1878) 2, 45.
die akustische seite des vorgangs mit umschlieszend: ein helles krachen, gleichsam wie ein schrei, ging vorher, dann folgte ein kurzes wehen, sausen oder streifen und dann der dumpfe, dröhnende fall, mit dem ein mächtiger stamm auf der erde lag Stifter s. w. 2 (1908) 227.
4)
mit präpositional angeschlossenem objekt: als aber einer (ein Gallier unter Brennus) nahend bei Papirio Martio (einem römischen senator) gestanden, der hertzenhafft ward, dasz er jhm (dem senator) in seinen langen bart sittlich griff, und daran streiffet, hat jm Papirius den kopff also erschmissen, dasz er todt blieben ist Xylander Plutarch (1580) 80ᵇ; der baur streift mit dem besen an den Tiroler und wirft ihm seine sachen herunter Göthe I 16, 17 W.; 2, 191; 10, 41; 25, 107; die (gäste) in lederwerk und eisenblech gehüllt, oft gar unsanft an die seidenen mäntelein und samtenen gewänder streiften W. Hauff w. (1828) 1, 22; wie er an den alten rahmen des blassen pastellgemäldes mit den fingern streifte und den alten staub auf der abgesprungenen vergoldung tilgte Gutzkow ritter v. geiste (1850) 3, 367; eh der maler sich besinnt, streift schon das kleid des rasch vorübergehenden an ihnen hin Mörike ges. schr. 3, 81 Göschen; streift mit dem mörtelschaff an Zwicker, so dasz dessen schwarzer anzug einen kalkfleck bekommt Nestroy ges. w. (1890) 2, 8. mit anderer sicht: wenn sie (die ruder) bald abwerts gehn, bald auf der fläche streiffen Pietsch geb. schr. (1740) 12; auf etwas streifen superficiem alicuius rei in motu tangere Frisch dt.-lat. (1741) 346ᵇ.
5)
von der wirkung des vorganges her kann sich jeweils ein besonderer sinn ergeben.
a)
verletzen, verwunden. ohne nennung des die verletzung bewirkenden gegenstandes: streiffen, ein wenig verletzen distringere, stringere Maaler teutsch spr. (1561) 392ᵈ; der obriste Courville ward vor der stirne gestreiffet und weil er vom blut ... verblendet, unter den feind gerieth, in der flucht gefangen Chemnitz schwed. krieg 1 (1648) 213. für verletzungen durch wirkungen verschiedener waffen:
und von neuem warfen die freier schimmernde lanzen,
wütend; aber die meisten vereitelte Pallas Athene.
...
nur Amfimedon streifte Telemachos hand an dem knöchel
sanft; die obere haut ward kaum von dem erze verwundet
J. H. Voss Odyssee 409 B.;
wenn sie noch auf das letztere turnier
zu Saragossa sich besinnen mögen,
wo unsern könig eine lanze streifte
Schiller 5, 12 G.;
es glückte dem barbaren mir ... eine kleine wunde beyzubringen, indem er mich ... mit seinem wurfspiess streifte Wieland Lucian (1788) 3, 400;
mit dem gift
will ich die spitze meines degens netzen,
so dass es, streif ich ihn nur obenhin,
den tod ihm bringt
Shakespeare 3 (1798) 317;
mit gleichen füszen sprang der reiter zur erde, ein leichter hieb von krummem säbel streifte Moengals arm J. V. v. Scheffel ges. w. (1907) 2, 49. oft von schuszverletzungen:
von allem geschosz aus der port
ein schusz im streift's rosz an d'stirn sein.
nahent wär es dardurch in pein
komm
(1517) Teuerdank 204 G.;
da hatte ich vollends des krieges satt, denn eine musqueten-kugel hatte mich am dicken beine gestreifft Chr. Weise erznarren 41 ndr.;
ein bley, das klüger war, als sein verfluchter schütze,
gieng deine brust vorbey, und streifte nur die hand
Richey bei Weichmann poesie d. Niedersachsen (1721) 3, 245;
es fand sich, dass die kugel ihr nur leicht den rechten arm gestreift Eichendorff s. w. (1864) 3, 297; eine kugel streifte seine schulter, aber er schüttelte sich nur und sagte: pfui teufel! W. Raabe s. w. I 6, 306. durch berührung mit anderen gegenständen:
kaufft mich (die roszhaut) ein kauffman vor in allem
und pand mich uber eynen pallen,
und ward mit stricken so hart bunden,
das mir schir all mein kreft verschwunden.
auch theten mich die reder straiffen.
auch thet man mich im kot umb schlaiffen
Hans Sachs 5, 149 lit. ver.;
das eine pferd ... mich ... auf der linken seite ... unter dem arme mit dem hufeisen ... streifte, dass ich einen streif mit blut unterlaufen davon bekam Leipziger avanturieur (1756) 1, 30; weil es (das mädchen) sich nicht ganz unter das reisig hatte hineinlegen können, so war es von einem eisstücke gestreift und geritzt worden Stifter s. w. 5, 1 (1908) 288. ähnlich:
wie, wenn der blitz ein haus gestreift
Gottsched neueste ged. (1750) 89;
in sturm und wind und regennacht
hab ich (turmhahn) allzeit das dorf bewacht.
manch falber blitz hat mich gestreift
Mörike ges. schr. (1905) 1, 157;
du denkst, 's ist viel, dasz dieser hadersturm
uns streift bis auf die haut
Herder 25, 40 S.
bildlich: ich (Schiller) will — und solte mein Karlos dadurch auch für das theater verloren gehen — einer menschenart, welche der dolch der tragödie bisz jetzt nur gestreift hat, auf die seele stoszen (1783) Schiller br. 1, 116 Jonas; wir müssen das rad dahinrollen lassen und abwarten, wie es uns streift und quetscht, wenn es uns nur nicht gar zerdrückt (1826) Göthe IV 41, 37 W.
b)
bei sachbegriffen ergibt sich die bedeutung 'beschädigen': (sie) seynd schuldig (beim transport) fleisz zu gebrauchen, damit sie bemelte kuffen (salzfässer) in dem umlegen nicht streiffen, und ... zusammen arbeiten, auf dasz sie solche nicht liederlich zerwerfen (1614) Lori slg. bair. bergrechts (1764) 396; man soll (beim freilegen im frühjahr) nicht daran (an das holz der weinrebe) streifen, damit es nicht beschädigt werde allgem. haush.-lex. (1749) 1, 143ᵃ.
c)
der reflexive gebrauch 'sich in der bewegung verletzen' schlieszt nur an a an: der sich in törnhegen verletzt oder streifft Frisius dict. (1556) 174ᵃ; wer sich an einem dornenstab streift, der verwundet die händ Lehmann floril. polit. (1662) 1, 407; ich hab mich ein wenig gestreift io mi sono colterito, scalfito un poco la pelle Kramer t.-ital. 2 (1702) 1007ᵇ. vom gangfehler des pferdes, auch streichen (s. d. sp. 1208) genannt: wann sich ein gaul straifft (an den knöcheln wundreibt) Hörwart v. Hohenburg v. d. ritterl. kunst d. reyterey (1581) 72ᵃ.
6)
wesentliche bedeutungskomponente bleibt die leichte, flüchtige berührung. sie tritt auch in den anwendungskreisen, die sich in jüngerer zeit ausgebildet haben, deutlich in erscheinung.
a)
vom leisen hauch des windes und des atems:
da war's, als fühlt ich einen grabeshauch
die wangen streifen und mein gatte stand
mit bleichen lippen flüsternd hinter mir
M. Beer s. w. (1835) 463;
im schlafzimmer war es manchmal wie das leise athmen eines schlafenden; zuweilen fuhr ich im plötzlichen schreck zusammen, denn es streifte mich ein hauch wie von einer wandelnden gestalt H. Seidel ges. schr. 2 (1907) 24;
einen günstigen wind sandt ihm Pallas Athene.
leise streifte der west das rauschende dunkle gewässer
J. H. Voss Odyssee 33 Bernays;
und frühlingsblüten unterweges streifend,
übersättigt mit wohlgerüchen,
wie süsz bedrängt ihr dies herz
Mörike ges. schr. 1, 49 Göschen; 1, 43; 3, 107;
ein frischer wind ... streifte Reinhards heisse stirn Storm s. w. (1899) 1, 37; oft fuhr er erschreckt zusammen, wenn plötzlich fern der wind sich erhob, über die wipfel fuhr und sie mit dem saum seines gewandes geisterhaft streifte W. Raabe s. w. I 6, 222; über einem moor gab es solche stimmen, in der nacht, versunkene stimmen, und der späte wanderer hielt den schritt an und lauschte, fröstelnd in dem nebelhauch, der seine stirne streifte E. Wiechert missa sine nomine (1950) 44. bildlich: jetzt ging leis, wie ein windeshauch, der gegen wellen streift, ein schauerndes zittern durch diese glieder Kürnberger nov. (1861) 1, 96. übertragen: es war jedoch dem ludus sollemnis dieses mal nicht beschieden, von jenem hauch des wunders gestreift, zu einem besonderen grade von weihe und strahlung zu gedeihen H. Hesse glasperlensp. (1943) 1, 290.
b)
vom entlanghuschenden lichtschein. doch spielt hier auch die vorstellung des schmalen lichtstreifens, der einen teil eines gröszeren ganzen erfaszt und aufhellt, mit hinein: ein gesicht, worauf ein streifendes seitenlicht fällt, wird auf allen erhabenen stellen ... lichter zeigen Sulzer theorie d. schönen künste (1792) 3, 245;
nur ein düsteres halblicht sendet der tag durch die schmalen
fenster herein und streift dort ein vergessenes grab
Mörike ges. schr. 1, 206 Göschen;
sah ich doch vor zeiten gerne
diese häuser oft und viel,
die am wagen die laterne
streift im stummen schattenspiel
ebda 1, 26;
hell hebt sich (bei Lionardos abendmahl) das tischtuch heraus und die vom licht gestreiften köpfe gewinnen vor der dunklen wand eine grosze plastische wirkung Wölfflin d. klass. kunst (1901) 10. übertragen: über die tiefen falten des ausgehungerten ... angesichtes streifte es wie ein schimmer von hoffnung Holtei erz. schr. (1861) 19, 56. vom licht der gestirne:
rosenschimmer streift den osten
und der junge tag wird wach
E. M. Arndt w. 5, 160 R.-M.;
wie sie sasz und die sonne,
schon zur hälfte versenkt dort hinter die türme von Konstanz,
ihr den nacken erhellt und die rosige wange noch streifte
Mörike ges. schr. 1, 266 Göschen;
und es war doch kühl genug im zimmer; die sonne streifte eben erst die fensterstäbe Storm s. w. (1898) 2, 200; nur mit einem langen blauen leinenrocke bekleidet ... gab das kind mit den tieren ein ungewöhnlich anmutiges bild, welches zudem samt dem waldesgrün vom lichte der abendsonne gestreift war G. Keller ges. w. (1889) 6, 33; die sonnenstrahlen streiften in der frischen bergluft mit wohlthuender wärme die wange des reisenden G. Freytag ges. w. 13 (1887) 93; ein ... sonnenstrahl ... streifte den ... schlüssel M. v. Ebner-Eschenbach ges. schr. (1893) 3, 403; der mond streifte soeben durch die vorüberfliegenden wolken den seitenflügel des schlosses Eichendorff s. w. (1864) 3, 315. bildlich: namentlich weist das feine maaszhalten im ausdruck des komischen, das dem innigen gefühl der gekränkten liebe gegenüber wie ein heiterer sonnenblick über eine ernste landschaft streift, auf jene tiefe gemüthliche stimmung zurück O. Jahn Mozart (1856) 3, 127.
c)
vom flüchtigen blick: mit einem düstern, verzagten seitenblicke Heinrich streifend, sagte er Stifter s. w. 2 (1908) 2, 73; ein schelmischer blick Renatens streifte ... Lewin Fontane ges. romane u. nov. (1890) 7, 9; ein scheuer blick Elisabeths streifte Reinhards gesicht Storm s. w. (1899) 1, 27; übrigens war es diesmal Adrian, der sich bereit gefunden hatte, sie (eine Wagnersängerin) zu begleiten, und auch er lächelte, als er sich vom klaviersessel davonmachte und sein blick meine bis zum weinen erschütterte miene streifte Th. Mann Faustus (1948) 440; der mann ... streifte die tasche des mädchens mit einem blick E. Wiechert missa sine nomine (1950) 15. in der wendung das auge streift: sie reichte mir flüchtig die hand, ihr dunkles auge streifte mich; dann ging sie den eintretenden entgegen Storm s. w. (1899) 4, 30; ein glückliches lächeln verklärte seine lippen, während seine augen sinnend den boden streiften A. Zweig einsetzung e. königs (1950) 281; die höhenzüge im osten und westen traten klarer aus der ferne heraus, aber er streifte sie kaum mit den augen E. Wiechert missa sine nomine (1950) 65. gern in verbindung mit adjektiven und in adverbialen wendungen, die die flüchtigkeit der berührung unterstreichen: ein flüchtiger blick des mondes durch eine lücke im leichten gewölk streifte jetzt dienstfertig den steg und die dunkle gestalt, die darauf steht O. Ludwig ges. schr. (1891) 2, 106; Hauke hörte nicht auf diesen zuspruch, denn Elke war in die stube getreten und nahm mit ihrer leichten hand die reste der speisen von dem tisch, ihn mit ihren dunklen augen flüchtig streifend Storm s. w. (1899) 10, 189; Thiel hörte kaum, was sie sagte; seine blicke streiften flüchtig das heulende Tobiäschen G. Hauptmann bahnwärter Thiel (1892) 22; die augen der frauen streiften in flüchtiger prüfung die gestärkten mullvorhänge der beiden fenster Th. Mann Lotte in Weimar (1946) 16.
d)
der flüchtige blick ist oft ausdruck einer mit spannung geladenen situation: könnt ich dir doch diese tödtende kälte, diesen argwohn, menschenhasz und diese bitterkeit beschreiben, die in diesem einzigen streifenden blicke lagen Tieck schr. (1828) 6, 115; eine unheimliche pause trat ein. dann streifte mich ein viertelsblick seines auges, welcher fragte: sind sie fertig? H. Laube ges. schr. (1875) 1, 245; der graf streifte sie mit einem blicke; dann sah er hartnäckig an ihr vorbei ins leere M. v. Ebner-Eschenbach ges. schr. (1893) 6, 45; bei der ankunft waren sie darüber einig, dasz es sich nicht verlohne, in denselben wagen zu steigen. Diederich nahm die trambahn. hände und blicke streiften sich nur H. Mann der untertan (1949) 93. häufig:
verachtend streifte mich sein blick
Kretschmann s. w. (1784) 1, 103;
verächtlich streifte der blick der frau die zusammengedrängten hinter dem schenktisch, spöttisch verzog sie den mund Cl. Viebig die vor d. toren (1949) 240; das mädchen streifte mit einem verächtlichen blick den bunten mantel (des gefangenen) E. Wiechert missa sine nomine (1950) 14.
B.
in übertragenem sinne.
1)
als 'begegnen, vorüberziehend berühren'; konkreter bedeutung noch sehr nahe:
bishero hatte man einander nur gestreifft;
weil der unstete feind stets hin und her geschweifft
Besser schr. (1732) 1, 36;
es ist natürlich, der wechsel in gasthäusern ist zu gross als dass sich zwei fremde mehr als streifen können Börne ges. schr. (1829) 1, 125; die nationen, an die Cook in Amerika streifte, waren von der mittleren grösse bis zu sechs fuss Herder 13, 240 S. in enger berührung mit streifen 'umherschweifen', s. u. III: nicht so unsere kauffahrenden Ionier. klüglich streiften sie die westküsten des Peloponnesus und Akarnaniens bis Scheria, bald rechts, bald links an den inseln landend J. H. Voss antisymb. (1824) 1, 286; zu Homers zeiten hatten die Griechen von den ... küsten ... Italiens ... durch streifenden küstenhandel ... einige kenntnisse erlangt ders., krit. bl. nebst geogr. abh. 2 (1828) 288. die wolken, die sterne streifen als masz höchster leistung: glaube sie nur nicht ..., ehrliche Karschinn, weil sie ... bewundert und gelobt wird, dasz sie deswegen mit stolzem nacken an die lufterfüllte wolke streift in: Gerstenberg briefe üb. merkw. d. literatur 29, 90 lit.-denkm.;
wenn dein oheim (Friedrich II.) an die sterne streifte,
wenn er thaten wie gebirge häufte
Schubart sämtl. ged. (1825) 3, 22.
2)
von vorüberziehenden äuszeren oder inneren erlebnissen und erfahrungen, die das innere nur obenhin berühren: einige vorübergehende liebschaften ... hatten kaum die äussere fibern meines herzens gestreift Pfeffel pros. vers. (1810) 5, 44; sie haben nichts erfahren und nichts geduldet, sie sind nur von den kleinlichsten leidenschaften gestreift (unfähig eines echten gefühls) Tieck schr. (1828) 7, 218; beiden fehlte die erfrischende wanderlust; die reize der landschaftlichen natur streiften nur flüchtig und wirkungslos ihre sinne Ernst Förster Peter v. Cornelius (1874) 1, 95; es war ihnen (den brüdern) allen, als wären die jahre nicht gewesen. als wären sie noch knaben, vom leben kaum gestreift E. Wiechert missa sine nomine (1950) 40; schuldgefühl und reue war etwas, was diesem manne sehr fern lag, nun aber streiften sie auch ihn in einer schwarzen wolke von wut Werfel geschw. v. Neapel (1931) 317. vielleicht umgangssprachl. redensart: kaiser und reich kann umgestürzt werden, uns streift es nur die hutkrempe H. Laube ges. schr. (1875) 14, 128. mit deutlicher bildvorstellung: als das extrablatt mit der todesnachricht (kaiser Friedrichs) eintraf, war ich einen augenblick in der feierlichen stimmung, die den mann durchfährt, wenn ein groszes ereignisz im fluge mit dem fittich an sein haupt streift (1888) G. Freytag br. an s. gattin (1912) 145;
du hast mir, glück, die locken schon gestreift.
ein pfand schon wirfst du, im vorüberschweben,
aus deinem füllhorn lächelnd mir herab
H. v. Kleist w. 3, 44 E. Schmidt.
3)
(in der darstellung oder erörterung) etwas (an etwas) streifen einen andersartigen stoffkreis, ein neues problem berühren, ihm näher kommen. seit dem 18. jh. bis in die gegenwart allgemein üblich: sei doch so gut mir, wenn du (Körner) kannst, einige hexenproszesse und schriften über diesen gegenstand zu verschaffen. ich streife bei meinem neuen stück (Macbeth) an diese materie an und musz einige hauptmotive daraus nehmen (1800) Schiller br. 172 Jonas; die pflicht der fürsten ..., anordnungen nach massgabe des göttlichen wortes zu treffen über das gesammte christliche leben und wesen . ... daran streift auch Luther, indem er an kaiser Constantin erinnert, der bei den arianischen irrungen sich bewogen gefunden, ... einzuschreiten Ranke s. w. (1867) 2, 310; näher streift Lachmann an die forderungen, die ich meine, wenn er von der arbeit spricht, die uns befohlen war W. Scherer kl. schr. (1893) 1, 97; wir streifen hier an das gebiet der praktischen theologie Schleiermacher s. w. (1834) I 12, 537. in der regel transitiv gebraucht: auch die vorgänge in Langendamm wurden gestreift Polenz Grabenhäger (1898) 2, 327; bevor wir nun die positiven charakteristischen religiös-ethischen merkmale hervorheben, sind einige vorfragen zu streifen Deissmann licht. v. osten ⁴329; schon im vorigen haben wir mehrfach die frage gestreift, wie der oberarm und damit der ellenbogen gehalten werden soll Trendelenburg nat. grundl. d. kunst d. streichinstrumentspiels (1925) 168; die absolutheit aber enthält noch ein element, das in ihr nicht mit erwiesen, ja noch garnicht gestreift ist: die seinsweise der werte Nic. Hartmann ethik (²1935) 112; über Wilna hatten sie nicht gesprochen, das schicksal Litauens nicht gestreift A. Zweig einsetzung e. königs (1950) 228; wir streiften die arbeiterfrage ebda 29. die besondere art der nur flüchtigen behandlung wird noch unterstrichen durch verwendung beschränkender adverbien: was ich davon reden könte, ... dazu müszte ich wol einen ganzen tag haben. ich wills aber nur ein wenig streifen Zinzendorf Zeiszer hauptideen (1759) 108; die arbeitslehre des volkswirths ... handelt nicht von der ganzen arbeit, sie streift höchstens geistesarbeit und geistesbesitz, sie hat nicht raum, diesen formen des schaffens ebenso gerecht zu werden wie dem materiellen erwerb Riehl dt. arbeit (1861) 59; ein gebiet ..., das von den vorhandenen handbüchern der numismatik bisher nur gestreift ... wurde Luschin v. Ebengreuth münzkde u. geldgesch. (1904) vorr. 5; eine andere seite in der geschichtlichen stellung des gotischen stils, die wir hier freilich nur ganz eilig streifen können Dehio kunsthist. aufs. (1914) 23.
4)
gleichsinniges streifen an 'grenzen an' steht seit dem 18. jh. auch oft dort, wo die eigenart einer auffassung, eines verhaltens, eines vorgehens durch die berührung mit einem benachbarten oder auch entgegengesetzten begriff charakterisiert werden soll: seine strenge haltung streifte an jungfräuliche verschämtheit Ranke s. w. 15 (1875) 166; in den an dualismus streifenden gegensatz und kampf zwischen licht und finsternisz ... Strausz ges. schr. 4 (1877) 170; wie Münzers religionsphilosophie an den atheismus, so streifte sein politisches programm an den kommunismus Fr. Engels d. dt. bauernkrieg (1946) 47; er (der 'gehülfe der pensionsanstalt' in Goethes wahlverwandtschaften) ... streift an das erhabene einer solchen art von bildung, wie es im Wilhelm Meister einigemal hervortritt Solger nachgel. schr. u. briefw. (1826) 1, 185; welches wol nahe genug an ein schlechthiniges freiheitsgefühl streifen mag Schleiermacher s. w. I 3, 20; der polytheismus ... eine unbestimmte mittelstufe ..., welche sich bald wenig vom götzendienst unterscheidet, bald ... ganz dicht an den monotheismus streifen kann ebda 3, 45; sie trennten sich ... mit einem an zärtlichkeit streifenden gefühle Holtei erz. schr. (1861) 2, 87; es ging wohl die an gewissheit streifende vermuthung hervor, dass Berger mit dem bezeichneten kinde identisch sei Brunner erz. u. schr. (1864) 2, 65; erfaszte ihn eine frohe laune, die oft an ausgelassenheit streifte E. T. A. Hoffmann d. majorat (1800) 56; wie wir denn auch dieszmal von den lustigen einige, ans unsittliche streifende (gedichte) einzuschalten nicht unterlieszen Göthe I 41, 2, 283 W.; unser canonist scheint darin nichts an das burleske streifende zu finden Schleiermacher s. w. (1834) I 5, 655; die einseitigkeit der flöte, die ans charakterlose streifende rundung und weichheit verlangt einen gegensatz Vischer ästhetik (1846) 3, 4, 1025; mit einer deutlichkeit, die an das grotteske und monstrose streift Schopenhauer s. w. 1, 293 Gr.; die bis ans alberne streifende unbedingtheit Mommsen röm. gesch. 1 (1856) 476; nur selten ... streift er ans geschmacklose, alexandrinische Justi Winckelmann (1866) 2, 2, 228; bei aller bis an nachlässigkeit streifenden ungezwungenheit Spielhagen s. w. (1877) 1, 324; die an verschwendung streifende freigebigkeit H. Seidel vorstadtgesch. (1880) 77; das streift ja schon an besessenheit Gerhart Hauptmann Rose Bernd (1904) 15. nur selten in wendungen mit positiven begriffen: an das wunderbare, märchenhafte streifen diese lieder selten J. Grimm kl. schr. (1864) 4, 433. die raumhafte vorstellung wird in wendungen wie an die grenze, an ein gebiet streifen deutlicher sichtbar: eine derbheit, die dicht an die gränze der grobheit streift Schubart leben 1 (1791) 256; die gothische (baukunst) nicht ausgenommen (die doch oft scheinbar an die gränzen des unmöglichen streift) Europa 2, 30 Schlegel; tiefe fast an die gränze der pedanterey streifende gründlichkeit Schubert ästhetik d. tonkunst (1806) 81; nur in gesteigerter höflichkeit, die freilich an die grenzen das hohnes streifte, gab sich ihr zorn zu erkennen Holtei erz. schr. (1861) 5, 55; der mord ... mit grausamkeiten verknüpft, die an die grenze des unmöglichen streifen Ratzel völkerkunde (1885) 2, 226; das ist ... ein beispiel jener närrischen einfälle, ... die freilich bei mir wenigstens an das gebiet der dummen einfälle streifen Spielhagen s. w. (1872) 1, 75. vereinzelt zeigen sich überschneidungen mit streifen III, s. d. C 2, sp. 1281: so wie gegentheils die strafende poesie ... nothwendig auch oft über die grenzen des schönen und wohlgefälligen streifen musste Herder 18, 12 S.;
doch wo er witzig übergreift,
und nur am rand der wahrheit streift:
da halt ich zwar sein herz nicht schlecht,
allein sein urtheil nicht gerecht
ebda 27, 383;
die verfolgung (des 'jungen Deutschland') streifte auch an manches ganz fremde gebiet, wo sie nichts zu suchen hatte Pückler briefw. u. tageb. (1873) 3, 317.
II.
abstreifen, stringere, die oberfläche oder hülle eines gegenstandes abziehen oder abstreifen, entfernen. diese bedeutungsgruppe ist ein sonderfall der voraufgenannten und unterscheidet sich von ihr lediglich dadurch, dasz sie ein zusätzliches bedeutungselement umschlieszt: durch das entlangstreifen wird etwas eng anliegendes, in der regel die umhüllung, entfernt. in den unten angegebenen belegen unter B zeigen sich die übergänge zur gruppe I. vgl. auch das synonyme abstreifen teil 1, sp. 134, das bereits ahd. belegt ist: so suôhchét siu (die natter) einen lócheróhten stein unde slîuffet dâr dureh unde strêifet diê hûd ábo unde jungét síh so (sicque exspoliatur et juvenis fit) (11. jh.) Steinmeyer kl. ahd. sprachdenkm. 131. gegen die annahme, es handle sich bei streifen 'stringere' ausschlieszlich um entrundetes ströufen (s. o. straufen sp. 997) spricht diese frühe bezeugung und das vorkommen auch in sprachlandschaften, die die entrundung nicht kennen.
A.
mit alleinstehenden akkusativobjekt. in den älteren wbb. mit stringere, distringere umschrieben: ich streyff stringo Alberus dict. (1540) Z 1ᵃ; streiffen distringere Maaler teutsch spraach (1561) 392; streiffen stringere Corvinus fons lat. (1646) 840; streiffen stringere Schottel haubtspr. (1663) 1425; streiffen, abstreiffen stringere Dentzler clavis ling. lat. (1716) 279ᵃ.
1)
tieren die haut abziehen; decoriare, excoriare, deripere cutem, euiscerare, glubere, deglubere die haut abziehen, schinden, streyffen Alberus dict. (1540) CC 1ᵇ; streifen, streifeln spogliare, scorticare, levare la pelle Kramer t.-ital. 2 (1702) 1007ᵃ.
a)
im eigentlichen sinne: einen hasen, fuchsz streiffen Hulsius-Ravellus teutsch-frz.-it. (1616) 312; der fuchs wird gestreift, hat ein balg, keine haut, hat klauen, und keine füss Harsdörffer gesprächsp. 3 (1643) 115; denn alle raubthiere, als wölffe, luchse, dachse und dergleichen gestreiffet, und ihre felle ... bälge genennet werden Göchhausen notabilia (1741) 43; den zur niedern jagd gehörigen thieren den balg (die haut) abziehen, auch streifen, ausziehen Kehrein weidmannsspr. (1871) 14. von anderen bezeichnungen wie schinden u. a. unterschieden: der fuchsz wird gestreifft, und nicht geschunden Meichszner handbuchlin d. orth. u. gramm. (1567) 24ᵇ; pellem lepori detrahere den hasen streiffen, nicht schinden Faber thes. (1587) 1000ᵇ; der hass wird gestreifft vnd nicht geschunden Sattler phraseologey (1658) 416; der hase wird gestreifft und nicht zerwirckt Döbel jägerpract. (1754) 1, 31. in der literatur des 14. bis 17. jhs. bezeugt: und fürbaz sol man sie (hasen und eichhorn) gestraift vail haben (1347) bei Auer stadtrecht v. München 163; aygenschafft des häszlins (der gott suchenden seele) ist, man muͦsz es schinden, man muͦsz jm die hautt über die oren abziehen, sprechen ain tail, man muͦsz jn straiffen oder entbästen, als die jäger thuͦnd Keisersberg granatapfel (1510) Cc 3ᵃ; wie ein fuchs gestreyft erst nutzt, also ein solch boshaft weib erst, wann sie stirbt Fischart w. 3, 251 Hauffen; für das ander jagrecht aber moͤchte man wol auch, so man one das etliche hasen gejagt hat, eynen gantzen hasen streyffen, ... vnd also denselbigen gantzen gestreyfften hasen den jaghunden zufressen fürwerffen M. Sebiz feldbau (1579) 596; schicket Cyro einen hasen, darein vernähet er die brieffe, und befahl dem botten nicht anders, dann dasz Cyrus den hasen selbst streiffen solte M. Quad memorabilia mundi (1601) 178; wenn die fuͤchs gliech noch so verschlagen vnd abgefeimt weren, so streifft sie doch der jeger Petri d. Teutschen weiszh. (1605) Bbb 4ᵇ; ein guter hirt soll die schaff bloͤssen (scheren), aber nicht streiffen boni pastoris est tondere pecus, non deglubere Henisch teutsche spr. (1616) 423;
dagegen mag sie nicht zum warmen wasser greiffen,
noch in der küchen stehn und einen hasen streiffen
J. Rachel sat. ged. 35 ndr.
b)
das abstreifen des hasen ist ausgang sinnbildlicher und sprichwörtlicher redeweise: Nathan solte seinen koͤnig vnd herrn straffen, ausz gottes befelh, des ehebruchs, mords, vnnd grosser ergernusz halber, der hase ist gut zu streiffen bisz an kopff, sagt man, vnd zu hofe, wie Aristoteles seinen schuler leret, soll man nur was lieblichs oder sehr kurtze wort reden Mathesius Sarepta (1571) 132ᵇ; hirschhorn schabet man nicht gern, wie man auch den hasen kopff nicht gern streifft Petri d. Teutschen weiszh. (1605) Ji 2ᵃ; der hase ist gut zu streiffen bisz an den kopff ebda (1605) O 1ᵇ; der kopff ist boͤsz zu streiffen ebda (1605) O 4ᵇ; wenn man den hasen straifft bisz an den kopff, so geht es am aller haͤrtesten Sandrub kurzweil 96 ndr. mit verwünschungsformel: diese (juncker) zihe vnd lere ein ander denn ich vnd solchen hasen kopff streiffe der tewfel, denn zu solchem wild gehoret solcher weideman Luther 53, 670 W.; aber wer kan von dem laster oder schaden (unzuverlässigkeit der fürstendiener) gnug reden? die heiden haben seer viel bucher dauon gemacht, sonderlich Plutarchus, aber es heisst streiffe dich der teuffel ebda 53, 675; diabolus te excoriet streyff dich der teuffel Alberus dict. (1540) CC 1ᵇ; streifft man den hasen an schenckeln, so gehets zimlich forth; kompt man an den leib und halsz, so ist hinderung da; gehets aber an den kopff, so streiff jhn der teuffel Petri d. Teutschen weiszheit (1605) Tt 2ᵇ; solche heuchler seyn wie jener, der den hasen streiffte bisz an den kopf, dabey liesz ers bleiben, gieng davon, und sagte: hie streife dich der teufel Feinler der gewissenh. priester (1694) 111.
c)
die wendung den fuchs streifen, als verhüllender ausdruck für 'sich übergeben' (zur erklärung des zustandekommens dieses ausdrucks vgl. teil 4, 1, 1 sp. 334): hei hei das sind kropffstoͤsz: das ist jaͤgerrecht: die fuͤchs nur dapffer gestreifft: wer kaufft disen fuchsbalg Fischart Garg. 149 ndr.; alle morgen sang er die truncken metten, streiffet den fuchs, seins vaters kleine hund vnd katzen asen ausz seiner schuͤssel ebda 201; dan es moͤchte jhme so sehr grauen vnd vnwillen (infinitiv), daz er eyn kalb legte, oder den fuchs streiffte: vnd als dan müszt jr eingnommener herr got den magen raumen ders., binenkorb (1581) 203ᵃ.
d)
in den mundarten begegnet ein gebrauch, der sich vom sinnlichen ausgangspunkt weiter entfernt hat: streepen, streifen ... jemanden brav bezahlen lassen; von herrschaften, die gegen ihre unterthanen hart sind und ungerechte schwere abgaben erpressen, sagt man, sie streepen ihre unterthanen Hennig pr. wb. 266; strepen, streifen hart behandeln, als wolle man die haut abziehen Frischbier pr. wb. 2, 379ᵇ; er hat seine leute gestriffen (ihnen dauernd übermäszig viel arbeit aufgebürdet) Betke die Königsberger ma. 60.
2)
feld- und baumfrüchte, auch gras, laub, rinde u. dgl. abernten (in neuerer sprache meist mit der präfigierten form abstreifen, vgl. teil 1, sp. 134): als nämblichen hei und graiemet aufzufachen ... arbaisz und zisern straifen (Grafenwert i. Niederösterr. 1433) österr. weist. 8, 678; dasselbige (volk) verwüstet meinen weinberg, und streiffet meinen feigenbawm, schelet jn und verwirfft jn Joel 1, 7 (ficum meam decorticavit); wann auch ein manns- oder weibsperson ... die wurzen oder das gras ausrauft oder laub straifen thuet (1580) österr. weist. 3, 174; in den weingärten (soll man im august) reben wipffeln, laub streiffen Hohberg georg. cur. 1 (1682) 129 u. 135;
ein sturmwind oft mit heftigkeit
durch die belaubten wälder fähret;
wie da sein grimm die zweige streift,
und manchen ast vom stamme reiszet
Gottsched ged. (1751) 1, 165;
engel segnet uns das korn,
laszt es golden reifen,
hütet es vor wetterzorn,
bis wir ähren streifen
Brentano ges. schr. (1852) 4, 72.
B.
üblicher ist die erweiterung der objektsangaben durch präpositionale bestimmungen. sie gestattet nicht nur eine genauere darstellung der umstände, die den vorgang begleiten, sondern auch die anwendung auf sachlich sehr verschiedenartige vorgänge. im folgenden ist nur ein überblick über die möglichkeiten dieses gebrauchs gegeben.
1)
das fell, die haut über die ohren, den kopf streifen: in der prob straifft man die haut dem esel uͤber die ohren Chr. Lehmann floril. polit. (1662) 2, 821; und wo er (der papst) solchs (die geraubten güter) nicht zu bezalen noch zu erstatten hette, das man mit jm und allen cardineln und gantzem hofe des fuchs recht spielete, die haut über die köpffe streiffete, und also mit der haut bezalen lerete Luther 54, 292 W.; die leut geben nichts mit lieb, man streiff jhnen dann die haut uͤber die ohren, dann geben sie mehr als man begehrt Chr. Lehmann floril. polit. (1662) 1, 335; s. u. 3.
2)
(das fell, die haut) streifen von etwas:
gleich wie ein junges reh vnd hindin ist bemuͤhet,
wann zwischen buͤschen sie in einem wald sihet,
dasz jhre mutter gleich ein leopard ergreifft,
und sie zureist, vnd jhr das fell vom leibe streifft
Dietrich v. d. Werder ras. Roland (1636) 12;
was konnt' er anders thun? sein geld war aufgezehrt,
und eine perle nur vom kästchen anzugreifen,
...
eh liesz' er sich den balg vom leibe streifen
Wieland s. w. (1794) 23, 133;
es war durch die tanne, die sie umschnitten, und die dann fiel, nur die haut von dem fusse gestreift worden Stifter s. w. 2 (1908) 314; dann will ich dich fassen, deinen bebenden, mürben leib von deiner seele streifen, wie man dem aale die haut abstreift Klinger w. 3 (1815) 288. streifen von hat den ausgedehnten anwendungsbereich wie abstreifen, auch im übertragenen sinne: dann als ich ... die schlosz aufgeschlagen und die ketten von mir gestraifft het Th. v. Absberg 208 lit. ver.;
Thalia straift ietzund die sokken von den beinen
Rompler v. Löwenhalt erst. gebüsch (1647) 66;
als ein junges füllen, wenn ihm der saum wieder vom halse gestreift, und es wieder frey auf die weide gejagt wird Bode Thomas Jones (1786) 4, 340; und warf auf ihn eine locke ..., die sie durch einen ring zog, den sie von ihrem finger streifte Chamisso w. (1836) 4, 217; sie (Bernadette) tritt aus den pantinen und beginnt den weiszen wollstrumpf vom rechten fusz zu streifen Werfel Bernadette (1948) 52. bildlich: weil er (Arminius) das schwere joch der römischen dienstbarkeit vom halse gestreifft Lohenstein Arminius (1689) 1, b 4, vorbericht; den goldenen thau des schlafes von den augen streifen Büchner nachgel. schr. (1850) 137. übertragen: Lionardo da Vinci aber ... streift alles nebelhafte von sich Herman Grimm Michelangelo (1890) 1, 41. mit anderer vorstellung des vorgangs und so mit streifen I sich überschneidend: in dem er selbes (geldstücke) widerum von dem tisch gestreifft Harsdörffer gesprächsp. 1 (1644) 113;
wie nun mein sohn begunt das eszen zu ergreifen,
und das wasz uͤbrig war vom tisch hinab zu streifen,
schlug das kaninchen ihn auf seinen jungen mund
Reinicke Fuchs (1650) 287.
3)
streifen über (dafür auch überstreifen, s. teil 11, 2 sp. 586): der münch ... von stund an seinen harnasch anlegt, sich nit lang saumet, die kutt über seinen harnasch streiffet, auff zuͦ rosz sasse Wickram w. 1, 166 lit. ver.; ein moͤnchskapp vber den kopff streiffen Fischart binenkorb (1588) 103ᵇ; ein groben grawen filtzmantel mit einer kappen daran, die man uͤber den kopff streyfft Schweigger reyszbeschr. (1619) 96; oben am hals stund eine kappe wie ein moͤnchs gugel, die war mir uͤber den kopff gestreifft Grimmelshausen Simpl. 107 Kögel; wenn der jäger die halse (halsband) unten am hängeseil dem hund unvermerkt über den kopf ... streifet Heppe lehrprinz (1751) 469.
4)
streifen an (den hals): er (der teufel) denen würt die narren kappen an den halsz streiffen Pauli Keisersbergs narrenschiff (1520) 205ᵇ;
(sie) hat gestraifft dem jungen lappen
an seinen hals die narrenkappen
H. Sachs 20, 10 lit. ver.;
und weil er die lange sältzer züpffete kappen an halsz gestreifft Kirchhof wendunmuth 2, 159 Ö. ähnlich:
der müller nahm die stiefel,
streift sie an seine bein
(16. jh. aus: des knaben wunderhorn)
A. v. Arnim s. w. 14 (1846) 414.
5)
streifen durch 'unter widerstand durch eine enge zwängen': manig enger unbekanter weg, da er dur bramen und dorne sich streiffen muͦs Seuse dt. schr. 434 Bihlm.; darnach nimb einen stengel (vom gesottenen kinitzkraut) aus dem kessel und streife ihn durch die finger viehbüchlein (1667) 62; dann persuadirte ich die Empusa, doch diese roggenblüthe durch den mund zu streifen Bettine Brentanos frühlingskr. (1844) 294. vgl. reflexives: da sich das wasser durch die roͤr herauff streifft Albinus meisznische bergkchron. (1590) 103.
6)
streifen auf: diapasma, ein gemengt pulver von gutem geschmack und trockner natur, das man auff den leib streifft, den schweisz zu vertreiben Calepinus undec. ling. (1598) 416ᵇ; anders: inzwischen habe die Maria von Einsiedeln die schüssel an sich genommen und sämtliche lerchen auf ihren und der ihrigen teller gestreift G. Keller ges. w. (1889) 2, 233.
7)
hinder sich streifen 'zurückstreifen'; nur in älterer sprache belegt: stellet er sich ze wer und straiffet syne ermel hinder sich Steinhöwel Äsop 316 Ö.; vnd wann du jn schneiden wilt, so haisz dir einenn die haut hart hind' sich straiffen, vnd bind dann die haut also mit einem heilend, oder laszpendel hart Gersdorff wundarzney (1517) 63ᵃ; so du die vorhaut etwas hindersich gestreifft hast Paracelsus opera (1616) 2, 548; er streifft die ärmel hindersich, greiff darein, unnd asz es also mit öl, essig und salz hinein Fischart Garg. 377 ndr.
8)
streifen aus im sinne von wegstreichend entfernen, ausdrücken: er streifte dem gaul, nachdem er den eimer niedergesetzt, das gebisz aus dem maul H. v. Kleist w. 3, 198 E. Schmidt;
sie streifte die goldnen locken
aus ihrem angesicht,
sie hob, so süsz erschrocken,
ihr blaues augenlicht
Uhland ged. 1, 323 Schmidt-H.;
sie drückten das wasser aus den füszen der höschen, oder sie drängten und streiften es aus falten und läppchen Stifter s. w. 5, 1 (1908) 97; bildlich für verjagen, vertreiben:
so weis ich starker hunden (feinde) vil,
die ich uber dich hetzen wil,
...
die zem Turn (bürger von Turn) sint nit schwach,
könnent dich wol streiffen us den hürsten (burg, versteck)
(um 1484) G. Justinger Berner chronik 66 Studer.
uneigentlich: bistuwitzig, so weistu wol nit was du weist (stelle dich unwissend) ..., mit der meynung (wenn du dich so verhältst) würstu dich dann ausz aller vnruͦw streyffen (hac re evolves te omni turba) Boltz Terenz (1539) 48ᵇ (vgl. Neidhart Terenz [1484] 129: da mit züchstu dich ausz allem kipel [zank]).
III.
umherziehen. diese erst spätmhd. auftauchende und bis zum beginn der nhd. sprachperiode nur selten belegte bedeutungsie fehlt noch in den glossaren des 15. jhs.erscheint in der literatur zu beginn des 16. jhs. bereits mit auffallender häufigkeit. den mundarten ist sie fremd, ebenso den auszerdeutschen german. dialekten. vorstellungen, wie die vom vogel, der über die wasserfläche streift, oder vom schiff, das die ufer entlangfährt, mögen ausgangspunkt dieses aus gruppe I ('in flüchtiger berührung über etwas hinwegfahren') entwickelten bedeutungszweiges sein. diese vermutung findet ihre stütze in der parallelität der entwicklung der beiden sich auch klanglich nahestehenden verben streifen und streichen; s. o. streichen A, sp. 1185ff. streifen 'umherziehen' findet sich zunächst auf militärischem gebiete; vgl. dazu den beleg von Nicolaus v. Jeroschin (s. u. A 1), ferner streifreise (1320), ⁵streife und die zusammensetzungen mit streif (s. o. sp. 1256). damit mag es zusammenhängen, dasz handlungsträger in älterer sprache nur die bewaffnete einheit, nicht der einzelne sein kann (A). streifen im heutigen allgemeineren sinne 'umherstreifen, wandern' ist deutlich jünger (B).
A.
im militärischen sinne.
1)
mit bewaffneter macht im land, vor allem im fremden, feindlichen territorium, umherziehen:
und dô sî quâmen ûf dî vart
der leitsage (wegführer) irre wart,
daz sî dî burc vorgleiftin (verfehlten)
und dô sî wider streiftin
und zu der vestin quâmin,
...
doch sî das huis vorbrantin
(1. hälfte d. 14. jhs.) Nicolaus v. Jeroschin kronike von Pruzinlant 1, 544; 20, 771 Strehlke;
nun wasz herr Georg truchsäsz mit dem puntischen kriegsvolck nit zuesamen komen, sonder straift noch in dem Hegew (1540) Baumann qu. z. gesch. d. bauernkr. in Oberschwaben 534 lit. ver.; e. k. m. zuuor wissen wie gott den h(erzog) H(einrich) zu Brunswig hat gestrafft, das er gefangen ist, das ist, sein zerstrewet heer vberaus erzürnet, streiffen hin und wider yn landen bei Brunswig (1546) Luther br. 11, 261 W.;
der Dürck fach wider on,
verfolgt die cristenheite
mit gfencknus, mort und prant
...
und thuet stet fürpas streiffen
im ganzen land herauff
Hans Sachs 22, 373 lit. ver.;
die enthieltend sich in vesten fluchthüseren im Schwartzwald und streifftend hin und wider in dem zit, als der keiser sin hörzug vor der vesti Kiburg ... ligen hat (vor 1572) Tschudi chron. Helvet. (1734) 1, 11; der (sultan) streiffte hin vnd wider weit vnd breit in Ungern Rätel Curäi chron. (1607) 256; wir stunden aber nicht in geringer fahr wegen der Araber, die in derselben gegend herumb streifften Schweigger reyszbeschr. (1619) 283; dazumahlen haben die Türcken bisz auff Lintz in Ober-Österreich gestraifft (1683) Abr. a s. Clara auff, auff, ihr christen 49 Sauer; nach Paris streiffen printz Eugen troupen nicht Elisabeth Charlotte v. Orleans br. (1705—15) 286 Holland; dasz ... nur ein kleines corps (der russischen armee) bey Landsberg zurückgeblieben wäre, welches in das pommersche streiffe Lessing 18, 407 L.-M.; während dasz Johann von Werth ... tief in Champagne streifte und Paris selbst mit seiner drohenden ankunft erschreckte Schiller 8, 376 G.; er bekriegte gegen westen unaufhörlich den vergötterten priester ... und nach osten streifte er in die benachbarten provinzen von China Haller Usong (1771) 3; wenn Frankreich den Rhein und seine festen stellungen besitzt, ... so liegt ihm das übrige Deutschland ... offen, und es mag ungestraft hineinbrechen und streifen und ziehen, so weit es will E. M. Arndt w. (1892) 1, 181; das folgende jahr verging thatenlos, im zweyten streifte ein anderes ... volk ... ohne erfolg ... in das römische gebiet Niebuhr röm. gesch. 2 (1812) 226; schon streiften die Genter truppen in das wallonische gebiet Ranke s. w. (1867) 38, 65; (die kavalleriedivisionen) streiften bis dicht vor Metz und zu beiden seiten über die Mosel hinaus Moltke ges. schr. u. denkw. (1892) 3, 28; sicherheit gab es noch keineswegs; ringsum streifte der feind Feuchtwanger Simone (1950) 77.
2)
mit dieser verwendung des wortes verbindet sich in der regel die vorstellung des beutemachenden und plündernden feindes; populor ich streyff, raub, krieg Alberus dict. (1540) Z 1ᵃ; excursio militum, item excursiones et latrocinia hostium das herausfallen, streiffen, rauben und würgen der feinde Faber thes. (1587) 226ᵃ; streyffen, rauben, beuten; die kriegsleute streyffen gewaltig Hulsius-Ravellus (1616) 312; im lande streifen; die soldaten, die feindlichen trouppen ... streifen Kramer t.-ital. 2 (1702) 1007ᵃ; die feindliche parteyen streiffen in unser gantzes land, plündern und rauben allenthalben Ludwig t.-engl. (1716) 1893; einer riet, man söllt einen starken zug tuon und streipfen, brönnen, roben und schadgen (um 1450) Hans Fründ chron. 188 Kind; wenn der Türck durch die stifft gestreifft hette, (er) die armen leute nicht wol schendlicher hette aussaugen können (1539) Luther 50, 408 W.; so mocht doch Hannibal, als inn eynem frembden land, nit ruͦwen, vnd liesz den reysigen zeüg streyffen, die alle dorffer vnd weiler verheerten vnd verbrannten, damit dasz den Römern nichts zuͦ mocht kommen Carbach Livius (1551) 114ᵃ; doch hetten sie vor grossen schaden der landtschfft vmb Antiochia mit streyffen, brennen vnd rauben zugefügt S. Franck Germ. chron. (1538) 138ᵃ; von solcher regierung, die durch höres kraft, mit streyffen und morden ... zu solcher gewalt und stoltz kompt (1544) Sleidanus reden 39 lit. ver.; streiffen und verhergen der Tartaren Achatius chron. (1557) 306ᵃ; die Türcken, welche ... den christen mit streiffen, plündern und brennen hefftig zusetzeten G. Maier hist. lustgarten (1625) 1, 3; wenn er gestreifft, gestolen vnd geraubet hat (furtum fecerit, fraudes rapinas), so bringt ers seiner geliebten Endtersche bibel (1662) 3, Esra 4, 24; schicket seine Hispanier ausz zu streiffen, das ist so viel als rauben und gab zu, dasz solche rauber, so viel sie nur wolten, von den Indianern ... an statt der thier gebraucheten B. de las Casas beschr. d. indian. ländern (1665) 24; die Römer ... die Chatten wegen ihres unablässigen raubens und streiffens mit einer kriegsmacht ... überzogen hatten A. U. v. Braunschweig Octavia (1677) 1, 712; streiffen und plündern (der Türken) Olearius verm. reisebeschr. (1696) 333; die Lacedämonier streiften hierauf ins megarensische, verheereten das platte land Heilmann pelop. krieg (1760) 125; seine flotte streifte plündernd an der tyrrhenischen küste Niebuhr röm. gesch. (1811) 3, 208; in cometenweise hatte der hunnische sturm über den Don her bis nach Gallien gestreift, länder versengt J. Grimm kl. schr. 8, 97.
3)
festere umrisse gewinnt streifen, wenn es in einschränkung auf das eigentlich militärische, einzelaktionen auf diesem gebiete bezeichnet.
a)
in der festen verbindung halten und streifen, die nur im 15. u. 16. jh. bezeugt wird. zur bedeutung vgl. halten teil 4, 2, sp. 277: und nachdem die bayerischen allenthalben im bund, und den verwandten des bunds vor den schlossen, stetten auff und jn dem jren halten und straiffen (1488) urk. z. gesch. d. schwäb. bundes 1, 48 lit. ver.
b)
auf streifwache gehen, streifdienst tun: wiewol die (reiter) durch streiffen, start vnd wacht halten, hin vnd wider rennen vnd reithen, was mehr zuverrichten, dann die fuszknecht in solchen sachen haben Fronsperger kriegsbuch 1 (1578) 52ᵇ; allso das wir nun füran an vnnsern lanndgrenitzen vnd anndern mer orthen jm lannd, wo es vns für nütz vnd not ansehen wirdet, vnnser hofgesind, diner vnd ambteleüt wöllen auf den strassen hallten vnd straiffen lassen landpot in Ober- u. Nieder-Baiern (1516) 10ᵃ; so schwer es dem hervorragend schneidigen und unternehmungslustigen offizier auch war, er muszte von jetzt an das eigentliche streifen mir allein überlassen und konnte nur an jedem abend die einzuschlagenden wege befehlen Tanera erinn. e. ordonnanzoffiziers (1908) 1, 105.
c)
fahnden auf: der sol och dennoch aͮn (ohne) ains rauts (rats) erlauben in der stat nit straifen (nach einem totschläger suchen), es werd im denn von dem raut erlaubt (1425) oberschwäb. stadtr. 1, 185 in Württ. geschichtsqu. 18 (1914); Mithradates bildete deswegen aus dem kern seiner reiterei ein fliegendes corps, das bestimmt war, zwischen dem Lykos und dem Halys zu streifen und die aus Kappadokien kommenden römischen lebensmitteltransporte aufzufangen Mommsen röm. gesch. 3 (1866) 58; ganz üblich ist in diesem sinne streifen auf: Ulrich von Augspurck hab wir lassen straiffen 4 tag mit 16 pferden ... auf dy Wallenfelser (Nürnberg 1444) städtechron. 2, 83; welcher hertzog einen bevelch het sollen ausgeen lassen, wo die bündischen (reiter des schwäb. bundes) in di art (gebiet) komen und auff benanten marschalk (feind d. bundes) straifften, das man sy aus dem fürstenthumb weisen solte (1529) Thomas v. Absberg 527 lit. ver.; dieselben (reiter) ritten am tritten tag hinweg zu straifen auf die wuderteffer (um 1533) Baumann qu. z. gesch. d. bauernkr. in Oberschwaben 172 lit. ver.; also rittend die im schlosz aber harusz ... uff die von Zürich ze streiffen (vor 1572) Tschudi chron. Helvet. (1734) 1, 171; dasz sie samptlich ... auff solche practicierer und auffwickler ... sonderlich bey den grentzen gegen den landen unserer widersacher straiffen Fronsperger kriegsb. 1 (1578) E 2ᵃ; weyl Machomet täglich auf die christen streifft, zohe k. Matthias widerumb zufeld Stumpf schweizerchron. (1606) 18ᵇ; legte der könig etliche reuterey gegen selbige festung: welche ihnen das auslauffen vnd streiffen auf die königliche schwedische fouragierer ... verwehren solten Chemnitz schwed. krieg 1 (1648) 178; ungewöhnlich: lasst sie erst weit vom fluss absein, ehe ihr mit ganzer macht gegen sie streift Fr. Schlegel s. w. (1846) 7, 70.
B.
'umherziehen, umherschweifen', auszerhalb des militärischen bereichs; vgl. dazu den gleichlaufenden gebrauch von streichen, s. o. sp. 1189ff.
1)
im sinne von wandernd umherscheifen, ohne einem festen ziel zuzustreben. seit ende des 18. jhs. üblich; 'streifen ohne ziel und aufenthalt sich da und dorthin begeben' Kehrein weidmannsspr. (1871) 287:
in raschen jahren gehts wohl an
so um und um frei durch die welt zu streifen
Göthe I 14, 154 W.;
ich streifte gestern abends durch die gassen der stadt, der mondschein und die kühle luft lockten mich heraus Tieck schr. (1828) 7, 250; als knabe streifte ich gern vor einem der thore Berlins, wo sich in endloser weite heidekraut und sandfelder hinzogen Alexis hosen (1846) 1, vorw. 16; und brach dann noch früher auf als sonst, um einsam, in schwüler stimmung durch die straszen der stadt zu streifen Hausrath Klytia (1909) 183; allmorgendlich öffnen die prachtburgen (der hotels) ihre tore und entlassen das reisige volk, auf dasz es durch stadt und land streife Werfel geschw. v. Neapel (1931) 135. suchend umherziehen:
denn sie streiften beständig, vom nagenden hunger gefoltert,
durch die insel, um fische mit krummer angel zu fangen
J. H. Voss Odyssee 66 Bernays;
streif durch den wald behender als der wind,
und suche Helena, das schöne kind
Shakespeare 1 (1797) 233;
auch in der umgegend von Paris habe ich gestreift und puncte aufgesucht, wo ich noch nicht gewesen bin Hebbel br. 3, 140 Werner; die hinausgejagte aber ... streift in den wäldern und sümpfen, lernt die tiersprache, und wenn sie lange gestreift und gewandert ist, findet sie eines tages ein kleines dorf H. Hesse glasperlenspiel (1943) 2, 238; was streifte ich damals durch die strassen (vom Paris), wieviel sah, wieviel suchte ich in meiner ungeduld! Stefan Zweig welt v. gestern (1947) 161. neben jagen, mit dem streifen in der bedeutung sich hier berührt; hierhin schon:
man sach si (Diana) birsende gan
sleht, ruch berge unde tal,
die wilden wüste überal
durhetzen unde durstreifen,
durlöfende umbesweifen
nach hirzen unde nach hinden
Rudolf v. Ems Barlaam u. Josaphat 258 Köpke;
durch das gebüsch streifen und das wild jagen Kramer t.-ital. 2 (1702) 1007ᵃ; bey jagen, streiffen oder hatzzeiten, wo die hunde gebraucht werden Fleming vollk. t. jäger (1719) 128; wenn sie nun hier in den waldreichen und buschreichen revieren ... mit ihren hunden streiften E. M. Arndt w. 1, 36 R.-M.; da nun die knaben grosz wurden, ward Esau ein jäger und streifte auf dem felde (Luther: ward Esau ein jeger vnd ein ackermann, Jacob aber ein from man) 1. Mos. 25, 27. vereinzelt von der schiffahrt:
so wolten sie den weg, wie Salomon, ergreiffen
und bis nach Ophir hin mit ihrer flotte streiffen
Henrici ernst-, scherzh. u. sat. ged. (1727) 1, 547;
auf der see streifen ihre (der Amerikaner) handelsschiffe in allen meeren Görres ges. schr. (1854) 2, 234.
2)
als 'umherstreunen, sich herumtreiben', besonders in älterer bezeugung: mancher priester beschwärt sich und sagt, man rede jhm vbel nach, er aber gedenckt nicht, dasz er villeicht vrsach dar zu gibt: dann was kann man viel von jhm halten, wann er ... die gantze nacht durch die statt streiffet, visitiret verdächtige häuser Albertinus hirnschleiffer (1664) 77; dann stellt es (das gespenst) sich vor den eingang der burg und streift nächtlicherweise durch alle gebüsche und winselt und klagt Tieck schr. (1828) 11, 39; es mochte gestern schon stark nach zehn uhr sein, als ich meinen rothen burschen (eine fremde gestalt) über die wiese streifen sah Gutzkow ritter v. geiste (1850) 2, 292. bettelnd umherziehen: do mit (durch das almosen) stercken ir iren (der mönche) faulen vollen bättel ..., geben sich vff geilen und streiffen (1521) Eberlin v. Günzburg s. schr. 1, 60 ndr.; (unter den landstörzern und hausierern) vil bösser pueben sind, die von der strassen zu den törfern auch auf die perg zu ain (in) heussern straifen (1565) österr. weist. 1, 209.
3)
vom umherziehen der tiere, vgl. dazu auch oben streichen A 1 b: seinen hund Bombo abzurichten, zu holen, den hut abzunemmen, ..., gansatum zu streiffen ('auf gänse zu jagen'), die enten zu stieben Fischart Garg. 270 ndr.; (daher soll man das vieh) an ain ander end, da nit leit oder anders vieh hin komen, straifen und nit umb die strassen und weg ligen lassen (16.-17. jh.) österr. weist. 3, 221;
alszdan die wilde thier ...
stöllen ihr straiffen ein, nemen ihren abzug
dem holtz und löchern zu, und lögen sich dort nider
Weckherlin ged. 1, 371 Fischer;
wie, wenn ein junger löw das lager denn verläst,
und feld und wald zum grauen, durch ganze wüsten streifft
Besser schr. (1732) 1, 30;
siehst du den schwarzen hund durch saat und stoppel streifen?
Göthe I 14, 58 W.;
ein schakal, nachts über das gebiet der stadt Ujjayani streifend J. Grimm vorr. zu Reinhart Fuchs (1834) 273; (das rentier) streifte vormals im westlichen Frankreich Peschel völkerkunde (1874) 39;
drüben vom kornfeld
lockte die streifende wachtel
Voss s. ged. (1802) 1, 70;
vielleicht dem fischer mag ich mich vergleichen,
der sonder nahrung im verschlagnen boot
die möve streifen sieht
A. v. Droste-Hülshoff ges. schr. (1878) 2, 99;
die hammerschläge hallten wieder durch den wald, dass die vögel überrascht aufflogen und erschreckt über den seespiegel streiften G. Keller ges. w. (1889) 2, 80. mit präpositionaler bestimmung: der stoszvogel streifft offt auff ein hünlein und fängts nit Lehmann floril. polit. (1662) 2, 567.
4)
von atmosphärischen erscheinungen:
auf einmal
streift ins tiefe nebelthal
ein erwünschter sonnenstrahl
Göthe I 5, 1, 18 W.;
lange häuserschatten und zwischendurch strahlende abendlichter streiften über den grünen platz A. v. Arnim s. w. 2 (1839) 243; bläuliche irrlichter, die im winde über die wiesen streiften Eichendorff s. w. (1864) 2, 102;
glührothe pfeile zucken auf und nieder
und wecken thaues blitze, wenn im flug
sie streifen durch der heide braunen zug
A. v. Droste-Hülshoff ges. schr. (1878) 1, 81;
die sinkende sonne streifte durch die buchenstämme und traf die blühenden zweige der daphneen G. Keller ges. w. (1889) 3, 213. vom schatten:
ja, jetzt beginnt die luft die finsternisz zu mahlen.
schau, wie doch unvermerkt der leichte schatten streift!
und weiset wie der tag zum untergehen schweift
Harsdörffer gesprächsp. 4 (1644) 63.
von winden: mannichem streiffenden, vnsinnigen, vngehewren, reissenden wind Guarinonius grewel d. verwüstung (1610) 382;
wenn sie kein flügelschlag
fernhin streifender winde trifft
Denis lieder Sineds (1772) 191;
da streift ein sturmwind über wog und land
ein ungewitter schnell herbeizuführen
S. v. Mereau ged. (1800) 2, 127;
indem streifte ein luftzug durch die halle Fouqué zauberring (1812) 1, 37;
die ströme wallen fort ins meer, wo wildempört
der streifende orkan auf wellenrossen fährt
F. Bach ged. (1900) 53.
vom ziehen der wolken: nur leichte glänzende wölkchen streiften langsam durch sein blaues feld Novalis schr. 4, 251 Minor;
wer pflanzte diesen baum? so fragt er dann,
indesz um seine stirne wolken streifen
J. Frey ges. dicht. (1899) 288.
5)
vom blick des auges:
dasz er dem sehnenden aug' in das land zu streifen vergönnte
Bodmer d. Noah (1752) 41;
des dichters aug ... streift von erd zu himmel
von himm'l zu erd!
Herder 25, 112 S.;
wer kann seine blicke zurückhalten, dasz sie nicht über den Indus hinüber streifen Göthe I 7, 216 W.; ihre augen streiften mit einem unsicheren blick zu mir herüber Storm s. w. (1898) 2, 116; da streifte sein blick scheu auf Cornelia Stifter s. w. 1 (1904) 32;
in holden züchten lasz die augen streifen,
sie können es so wunderbar, die losen!
G. Keller ges. w. (1889) 10, 12;
etwas weitschauendes kam in seinen blick, als streife dieser fern in den abend hinaus E. Zahn Lukas Hochstrassers haus (o. j.) 98.
6)
vereinzelt im sinne 'sich räumlich erstrecken, sich hinziehen': die grosse pulszad(er), so durch das tiech vnd schinbein streifft Guarinonius grewel (1610) 1055; das gebirge ... streift ... gegen den Malischen meerbusen K. O. Müller d. Dorier (1824) 1, 37; der Apennin streift ... zwischen dem ... westlichen und dem ... östlichen busen des Mittelmeers, an welchen letzteren hinantretend er seine höchste ... erhebung ... in den Abruzzen erreicht Mommsen röm. gesch. 1 (1874) 4 (vgl. auch unten streifgebirge).
C.
der übertragene gebrauch.
1)
bildlich: mit verbundenen augen, in eine mönchskutte verhüllt, die fakel in der hand, streifte der fanatismus durch Europa Schiller 4, 101 G.; im andante (der Es-dur-symphonie) streifen zwar einzelne leichte schatten in die ruhige sommerabendliche stimmung Jahn Mozart (1856) 4, 131; es ist Wagners genie der wolkenbildung, sein greifen, schweifen und streifen durch die lüfte ... genau dasselbe, womit sie (die jünglinge) seiner zeit Hegel verführt und verlockt hat Nietzsche w. (1895) 8, 34; um die Silberburg, die scharfrichterei und den luginsland (in der stadt Rothenburg im tal) streift auf eulenflügeln unsere geschichte (1862) W. Raabe s. w. I 5, 542;
woher soll poesie die kühnsten bilder greifen,
durch welches ferne land der dunkeln träume streifen,
um ...
... deinen namen so nach würden auszuschmücken
Tieck schr. (1828) 5, 353.
2)
ohne den bildlich-anschaulichen hintergrund: der politische, weltliche respect (die sucht, sich um die gunst der menschen zu bemühen) ist pestilentzisch, weil sie unter allerley menschenständ allbereit streiffet vnd herumb wühlet Guarinonius grewel (1610) 384. von schweifenden gedanken:
weil in die weite bald sein geist
unruhig streift, bald rückwärts blicket
Gotter ged. (1787) 1, 461;
er suchte ordnung in seine gedanken zu bringen, vergebens! es war ein haltloses streifen und schweifen Gerhart Hauptmann bahnwärter Thiel (1892) 55.
3)
oft in neuerer sprache, um das übergreifen in ein begrifflich oder sachlich benachbartes bzw. gegensätzliches gebiet zu bezeichnen, vgl. dazu das nahestehende ²streifen I B 3 sp. 1271: (Bettina von Arnims) pläne und absichten streifen ins heftige und abenteuerliche, sie übertreibt unser verdienst und unsre fähigkeit (1838) J. Grimm in: briefw. 2, 685 Leitzmann; die, nach einem tiefen zug unserer mythologie, in das übermenschliche streifenden 'klugen' und 'weisen frauen' J. Grimm mythol. ⁴1, 80; wol aber ist zuzugeben, dasz sie (die tierfabel) zuweilen, wo es ihr haft an ort und zeit herbeiführt, in die satire streifen kann ders., Reinhart Fuchs (1834) 11 vorr.; in der rationalen psychologie kann nichts anderes enthalten sein, wenn sie nicht fantastisch werden oder ins empirische streifen soll, als die entwikkelung der idee des wissens und der idee des handelns Schleiermacher s. w. (1834) III 4, 2; in dem Freidank aber streifte die laienmoral schon in die christliche herüber Gervinus dt. dichtg. (1853) 2, 93; (die mystik) als 'säkulare religiosität' ... streift hinüber in die 'weltanschauung' E. Spranger psychol. d. jugendalters (⁵1925) 288. formelhaft in ein gebiet streifen (neben üblicherem an ein gebiet streifen): (die engl. schriftsteller) streifen in fremdes gebiet und verschwelgen den leichterworbenen raub; denn sie folgen Swifts rath nicht, neue wörter zwar aufzunehmen, aber nie wieder zu verstoszen Sturz schr. (1779) 1, 2; der form nach gleicht (die kritik Herders) einem fechtmeister, der in jedem augenblicke in das gebiet des tanzmeisters streift Athenäum (1798) 3, 2, 280; er weisz ganz genau, wo ihr glaube an seine redlichkeit aufhört, und wo ihr argwohn gegen ihn beginnt. mit bewundernswerther vorsicht und zurückhaltung weisz er zu vermeiden, was etwa aus einem gebiete in das andere streifen könnte Holtei erz. schr. (1861) 7, 89; hin und wieder, besonders in den die anmerkungen begleitenden noten, ist flüchtig selbst ins feld der gelehrsamkeit gestreift worden Rückert ges. poet. w. (1867) 11, 215; beide vermieden ... jedes streifen ins gebiet des religiösen B. Auerbach schr. (1892) 7, 138.
4)
das part. präs. streifend nähert sich öfter adjektivischem gebrauch.
a)
im sinne von umherstreunen, den abwertenden sinn des zugehörigen substantivs unterstreichend: dise landleuffer vnd streyffende betler haben jr narung so gewisz vnd gnug S. Franck sprichw. (1541) 2, 79ᵇ; vnd von dem streiffenden vnd zusammen rottirten gesindlein, welche sich des raubens, mordens, sengens vnd brennens (nicht ent)halten (1619) acta publica 2, 219 Palm; (den) in den land hin und wider straifenden ziggeinern (1724) österr. weist. 7, 209; Amalia war dem fliehenden geliebten in den wald nachgeflohen, und wird hier von den streifenden banditen aufgefangen Schiller 2, 351 G.; man (fürchtete) sich noch immer vor streifendem gesindel Stifter s. w. 3 (1911) 172; zwei ... schweiszhunde ... zum schutz gegen streifendes gesindel Storm s. w. (1898) 6, 101.
b)
ohne festen wohnsitz, nomadisierend; gern in verbindung mit stammes- und völkernamen nomadenhaft lebender völker: die streifenden Alanen und Sveven in Spanien Herder 14, 273 S.; (doch) ward es ihm so anschaulich gemacht, dasz er von den streifenden Indianern scalpirt zu werden riskirte J. G. Forster s. schr. (1843) 7, 206;
hier früh entführt, von streifenden Avaren,
ging ich als knecht verkauft von hand zu hand
Brentano ges. schr. (1852) 6, 365;
weiterhin auch: hingegen behält das nahe Arabien seine freyheit, seine streifende lebensart und seine uralte sitten Haller tageb. (1787) 1, 104.
c)
auf militärischem gebiete geht streifend mehrfach feste verbindungen ein (s. u.β) und gewinnt ausgeprägtere bedeutungen. so kann der nebensinn des raubens und plünderns ganz in den vordergrund treten: streiffende noht, teuffel und todt (liesz der könig von Schweden) hinter sich im lande (1628) Hoppe gesch. d. ersten schwed.-poln. krieges 325 Töppen.
α)
wie oben von bewaffneten trupps: von den streiffenden verlornen hauffen (der Türken) Luther tischr. 3, 531 W.; der gewaltig hauf der Unger (sei) ... nit herauf kamen uszerhalben (mit ausnahme) der straifenden pferdt (reiterabteilungen) und vastatori (vor 1560) Zimmer. chron. (²1881) 1, 58 Barack; (er) ist aber vnterwegen von dem Weimarschen streiffenden volck angetroffen, gewundt, geplundert (worden) Zinkgref-Weidner weisheit 3 (1653) 95; seine (des Herodes) wütende rotte oder streiffendes krieges-heer Prätorius saturnalia (1663) 406; die heerführer (d. jüdischen eroberung Kanaans), die die noth erweckte, waren meistens nur streifende sieger Herder 14, 60 S.; so muszte das ganze churfürstenthum (Sachsen) von Banners streifenden horden die schrecklichste behandlung erleiden Schiller 8, 373 G.; schon lernten die bauern den streifenden reitern (Suleimans vor Wien) widerstand zu leisten Ranke s. w. (1867) 3, 149. in jüngerer zeit fehlt der negative nebensinn: das streifende commando (der miliz, um wegelagerer zu verfolgen) fand sich nach und nach zusammen Göthe I 24, 32 W.; da fanden streifende reiter des bischofs Wedekind im wald am strome einen blutrünstigen, halbbewusztlosen, ächzenden menschen W. Raabe s. w. I 6, 199.
β)
in fester verbindung mit rotte und partei im sinne einer meist kleineren, leichtbeweglichen militärischen truppe mit besonderen aufgaben, vielfach heutigem spähtrupp, vorhut u. ä. entsprechend; s. u. streifpartei sp. 1294; streifrotte sp. 1294 u. rotte teil 8, sp. 1315.
αα)
streifende rotte; im 16. jh. allgemein verbreitet: sie tetten auch (zum entsatz einer belagerten burg) ... ein solchen ritt, der vor von kainer straifenden rot, ich geschweig ains ganzen zeugs, zu ros und fues nie erhört (1507) Wilwolt v. Schaumburg 76 lit. ver.; vnnd deszhalben (wir) sonnder straiffend rot (eine besondere truppe) verordnen vnd yeder rote sonnder ordnung, wie sy es mit dem straiffen hallten söllen landpot in Ober- u. Nieder-Baiern (1516) 10ᵃ; herr Philips landtgrafe zu Hessen (hat) ... durch seiner fürstlichkeit streyffende rotth mir einen reisigen diener ... nidter geworffen (1523) Hartmut v. Cronberg schr. 127 ndr.; der abt thet ... seinen amptleuten befelch, wo gemeldter her Reinhardt mit seinem haufen und strayfenden rott wider kem und aber einlasz begeret, solt im sollich glimpflich ... abgeschlagen werden (1531) Knebel chron. v. Kaisheim 435 lit. ver. mit betont üblem nebensinn: die streiffend rotte (der philister) erschracken auch, also das das land erbebet, denn es war ein schrecken von gott 1. Sam. 14, 15;
das land-folck leidet note
pis an das Merher-land
von der straiffenden rote (der Türken),
die alda hat verprant
sibenzig dorffer
Hans Sachs 22, 373 lit. ver.; vgl. ebda 22, 156; 12, 507.
ironisch von den deutschen ritterorden bei Fischart binenkorb (1588) 25ᵇ. lexikalisch noch über das 16. jh. hinaus erwähnt: streifende rotten milites palantes Stieler stammb. (1691) 2205; streifende rotten le partite commandate, staccate per far scorrerie Kramer t.-ital. 2 (1702) 1007ᵃ. in späterer zeit noch in historisierender darstellung: da hat er mich ... mit sieghaften schwerdtesschlägen aus einer streifenden Römerrotte losgehauen Fouqué altsächs. bildersaal (1818) 2, 95; die wenigen bücher, welche der höhnischen zerstörungslust der wilden streifenden rotten entgangen waren W. Raabe s. w. I 6, 209.
ββ)
im gleichen sinne steht im 17. jh. und später die verbindung streifende partei (vgl. teil 7, sp. 1467): ein mittel ... wodurch so wol dem unzulässigen muthwillen der soldatesca oder streifenden partheyen gesteuret, als auch das land in gebührlichen schutz gegen dieselben ... erhalten ... werden möchte (1647) Frauenholz entwicklungsgesch. d. dt. heerwesens 3, 1 (1938) 199; sie vermutheten wol, dass es streiffende partheyen von den Ottonianern und Vitellianern seyn müsten A. U. v. Braunschweig Octavia (1677) 4, 588; die Pohlacken sind eben nicht gar zu gute soldaten, sie schicken sich am besten als streifende partheyen, sie lassen sich nicht so leicht als regulair milice commandiren Fleming teutscher soldat (1726) 41; auf die nachricht von dem barbarischen verfahren der feinde, von welchen einzelne streifende parteyen schon in benachbarte orte eingedrungen waren, wie sie alles mit feuer und schwert verheerten Wieland s. w. 8 (1795) 339; Deutschland ..., den streifenden parteien der republikanischen heere (Frankreichs) ausgesetzt J. G. Forster s. schr. (1843) 6, 407.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8,9 (1957), Bd. X,III (1957), Sp. 1264, Z. 21.

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gestipft getüche
Zitationshilfe
„gestreift“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gestreift>.

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