Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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gestumpft, part. adj.

gestumpft, part. adj.
zu stumpfen, mit und ohne umlaut: gestümpfft Maaler 177ᵇ, gestumpfte nägel (aus der leidensgeschichte Christi in einem gebetbuche des 15. jh.). cod. germ. Mon. 121 f. 87. Schm. 2, 761: die erste schell der seltzam narren ist, gestumpfete und seltzame bärt ziehen, auff gut spanisch oder italiänisch. narrenschiff des Nic. Höniger (1574) 11ᵇ. gestumpfft, mangelhaft, mutilus Henisch 1580; ein gestümpftes messer, un couteau émoussé Rondeau-Buxtorf 252. Schwan 1, 737; e gestumpfeter besen Schm. 2, 762.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1897), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4266, Z. 50.

stumpfen2, stümpfen, vb.

²stumpfen, stümpfen, vb.,
mutilare, obtundere, hebetare.
verbreitung und form. factitivum zu stumpf, adj. und subst.; auch nl. stompen 'abstumpfen' v. Dale 2, 1719, vgl. Verwijs-Verdam 7, 2202; jedoch schwed. stympa, stumpa, dän. stumpe 'verstümmeln' aus dem mnd., s. Hellquist svensk ordförr. 521; 692. im dtsch. früh mit präfixen: mhd. bestumpfen, verstumpfen, s. Lexer 2, 1267; das simplex zuerst im 12. jh. bezeugt, in jüngerer zeit besonders von abstumpfen und stumpf machen ersetzt; stumpf machen lexikalisch schon im 16. und 17. jh.: stompen, stomp maken, verstompen mutilare thes. theut. ling. (1573) e e 1; stumpffen, stumpff machen ammozzare Hulsius (1618) 243ᵇ; abstumpfen anscheinend erst seit dem 18. jh. geläufig, nicht bei Kramer 2 (1702) 1025, dagegen: stümpfen, abstumpfen, stümmeln Kramer hochnd. (1719) 2, 209ᵇ, s. th. 1, 135; Heyne 1, 44; jedoch schon: stumpft im (dem Malchus) das recht ohr ab bei Schmeller-Fr. 2, 761. trotz der einbuszen ist das simplex im ganzen 18. und 19. jh., und bis ins 20. jh. hinein, als das prägnantere wort, in technischen bedeutungen, z. b. A 1 c β, vor allem aber literarisch und dichterisch durchaus lebendig.in älterer zeit weit verbreitet das part. prät. gestumpft in den concreten bedeutungen von stumpf, adj. (I, II), sogar über den anwendungsbereich des vb. finit. hinausgehend; s. th. 4, 1, 4266, vgl. auch stumpfet. neben stumpfen häufig auch im obd., sowohl alt als mundartlich, stumpen, auf alter doppelheit, s. stumpf, m., sp. 427, oder jüngerer wortmischung beruhend.seit dem 16. jh. bis in die jüngste zeit, durchaus nicht nur im nd., auch umgelautet, jedoch schon wegen der erstrebten gleichheit mit stumpf nie stärker durchdringend und in junger zeit meistens vermieden; von Adelung stümpfen noch als normal verzeichnet 4, 477. — isoliert stumpern: alle bluttreuffer, die ... die menschen gemordert, gestumpertd ... haben Grunau preusz. chron. 2, 721.
A.
transitiv.
1)
'stutzen, beschneiden, der spitze benehmen, verstümmeln', mit stümmeln in bedeutung und anwendung weithin gleich: beschroten, stümpffen, stümlen, abhauen, abschneitzen detruncare Schöpper syn. f 1ᶜ; stumphen retundere (13./14. jh.) Diefenbach 496ᶜ; stümpffen oder abhawen Hulsius-Ravellus (1616) 315ᵃ. im westl. md.: haare, flügel, hecken stumpfen, s. Hönig 178ᵃ; Wegeler Coblenz 74; Crecelius 823; Bauer-Collitz 101ᵃ.
a)
eigentlich, wie stümmeln A.
α)
auf gliedmaszen und körper zielend: Rudolph ... hat ... in der ersten schlacht die hand verloren ... und ... den gestumpften arm allen ... gezeigt Abraham a s. Clara gemisch gemasch (1704) 1, 518; es ist besser, das du also gestümpfft ingeest in das ewig leben, weder mit zweien augen, henden und füssen in die ewige verdamnüsz O. Brunfels evang. anstosz (1524) a 2ᵇ;
es hett im nit gefallen sehr,
wann es von im auszkommen wer,
dasz er etwan würd gestümpfft,
dann mit Nürnberg sich ubel schimpfft
Fischart Eulenspiegel 168,
vgl. Murners Ulenspiegel (1519) 46 L.; s. Fischer schwäb. 3, 567; hierher wohl auch: nun stumpfft, kumpff, rumpff und stumpff Fischart Garg. 359 ndr.; von tieren, meist fachsprachlich: den schwanz (einem hunde oder pferde) stümpfen, s. Kramer 2 (1702) 1025ᵃ; ein pferd, einen hund stümpfen Schwan 2, 741ᵇ; raufen, stumphen alare (obd. voc. d. 15. jh.) Diefenbach nov. gl. 14; ähnlich die leoparden ... die kräll an iren klawen einziehen, wenn sie fortgehen sollen, auf dass sies nicht stumpffen oder abetzen Heyden Plinii schr. (1565) 110;
bewegt von mitleid liesz der löwe zu,
dasz man die königlichen klaun ihm stumpft
Shakespeare Tit. Andr. 2, 3.
β)
von bäumen, selten anderen pflanzen, 'entgipfeln, bis zum stumpfe vernichten, der zweige berauben': den ölbaum der umbreissend plitz stumpfet C. Hedio chron. germ. (1530) 308ᵇ; hat er dieselbe zum theil abgehawen, zum theil also beschnitzen und stümpffen lassen, dass der blutige safft von den stumpfen und stieben gerunnen ist Konr. Dieterich bei Fischer schwäb. 5, 1918; ob einer gaiszen hat und (sie) kommen in einen garten und stumpfeten ihm (dem nachbarn) die baumber österr. weisth. (18. jh.) 7, 314; nicht lang darnach sahe man nichts mehr, dann die abgeschnittenen und gestümpten stopfflen Xylander Plutarch. (1580) 434ᵇ. meist in engerem sinne in der baumwirtschaft: gott hat noch niemals keinen (baum) bis in den himmel lassen wachsen, es must ehe ein einziger mann denselben stümpfen und auswurzeln Lehman flor. pol. 1, 181; zur selben zeit ist das reich wie ein baum an seinen ästen gestümpfft worden 473; halbtechnisch noch modern, s. Hoyer-Kreuter 1, 749: darum werden schwache äste und junge bäume kurz gestumpt Ehrhart pflanz. 1 (1753) 247; auch werden sie (die bäume) stets gelichtet, niemals gestumpft Th. Huber bem. ü. Holland (1811) 109; mundartlich im alem.: stumpen Friedli Bärnd. 6, 169; Stalder 2, 414; Hunziker 264; bauern ..., denen Barthel die weiden fleiszig stumpete Gotthelf ges. schr. 10, 198.
γ)
gelegentlich wie stumpf, adj., I A 1 auf einen weiteren kreis von objecten bezogen, besonders häufig als part. prät. gestumpfet: keyser Augustus hat allzeit seinen bart stumpffen lan Eppendorff Plinius (1543) 39; die (haare) da, wo sie gestümpft werden, eine krümmung nach innen zu annehmen Lichtenberg verm. schr. 4, 446; ich will meinem sohn nicht einen gestumpfften besen überlassen, der nicht mein ist Abraham a s. Clara etwas f. alle 2, 94; schwäb.: kehre vor deiner türe, der besen wird gestumpet genug Fischer 3, 567; auf welche weise die sonnenstralen geschwächet und gleichsam gestumpffet werden E. Francisci eröffn. lusthaus (1676) 809; vierhundert dünne nägel, das halbthail mit flachen köpfen und die andere helffte hohl gestimpfft (v. j. 1690) Reyscher samml. württ. ges. 13, 679;
müzlin gar kurz gestumpet
haben auf ihren rossen gumpet
Birlinger wb. z. volksth. a. Schwaben 37;
unterkleider mit ermeln ... die ... nur bis auf die hälfte des oberarms reichen ... hieszen daher gestumpfte ermel κολόβια Winckelmann w. (1812) 5, 61; ein gestumptes kleid mit auffallend kurzem rock Fischer schwäb. 3, 567; stumpf, m., H entsprechend: nicht vil anderst helt es sich auch mit den kürtzern gestumpeten fässern J. Kepler op. 5, 563; in besonders ungewöhnlicher neubildung vom adj. (I A 4): sie (eine versform) ist in der tat gestumpft aus der vorangehenden runhenda Heusler deutsche versgesch. 1, 301; vereinzelt im sinne von 'in teile zerschneiden': gstumpetes in der pfanne zerstückelte eierkuchen Fischer schwäb. 3, 567.
b)
übertragen im sinne von 'entstellen, beeinträchtigen', wie stümmeln B: die verkerten setzen ain gestumpfft evangeli an die stat des waren Berth. v. Chiemsee teutsche theol. 4 R.; will lieber warten und sie (die genealogie) perfecter haben; den mein aversion seind gestümpffte bücher Elis.-Charl. v. Orleans br. 3, 463 Holland; glaubet nicht die natur zu ehren, wenn ihr sie stümpfet, abschleifet Lavater physiogn. fragm. 2, 270; im sinne von 'gestümpert, stümperhaft', wie stümmeln B 3: und wirst sehen, worauf Theophrasti kunst gewidmet und wie dein flickwerk gestumpffet ist Paracelsus op. (1616) 1, 946 Huser; derwegen ist die artzneikunst one die gestirnenkunst gestumpft und bresthafft M. Pegius geburtsstundenb. (1570) X x 2; vielleicht hierauf beruhend selten stümpen 'stümpern': stümpeln, stümpen moccolare cioe far un mestiere imperitamente Kramer 2 (1702) 1025ᵇ; vgl. Adelung 4, 474.
c)
'kränken, schmähen, beleidigen, beschimpfen', abstrahiert aus der bed. einen durch verstümmelung, s. a., vielleicht auch allgemeiner 'miszhandlung', verunehren, vgl. auch strümpfen 1. in den ältesten zeugnissen die abstractere bedeutung mit der concreteren vereint: darumb stot geschriben, sie werden sehen den, den sie gestumpfft haben Geiler v. Keisersberg ev. m. uszl. (1517) 91ᵃ;
wir wöllen sie in die flucht schlagen
wie die stumffeten hundt heim jagen
H. Sachs ged. (1561) 2, 255ᵃ;
so mundartlich in weiterer specialisierung, oberlaus.: stumpen verweise geben, zurechtweisen Anton 4, 15; jem. unhöflich das wort abschneiden, jem. widerlegen Wegeler Coblenz 74. — daneben auch auf der concreten bedeutung 'stoszen, stechen' beruhend, s. ¹stumpfen 3. seit dem 16. jh. bezeugt, mundartlich im obd. bis heute erhalten, meist im sinne von 'sticheln' und, im gegensatz zu den anderen bedeutungen, in der verschobenen form, s. Schmeller-Fr. 2, 760; Lampert pennsylv. 145; Stalder schweiz. 2, 414; ferstümpfe 'anschwärzen' schweizerd. gramm. 7, 170; in der gaunersprache: 'schelten', 'schimpfen', 'zanken' Kluge rotw. 343; 485; 346; vielleicht hierher stämpfen 'bedrohen', 'fluchen' Wittich jen. spr. in arch. f. krim. anthrop. 63, 380; 385; 64, 162; s. Fischer schwäb. 5, 1629; 1918. literarisch nur selten über das 17. jh. hinaus erhalten, vgl. anstümpfen N. M. Sturm (18. jh.) bei Schmeller-Fr. 2, 760.
α)
ohne ausdruck eines äuszeren objects: deszwegen er dann bochet, boldert, verweiset, stimpffet etc. Moscherosch ges. 2, 359;
ich traw gott mich dran nicht kehr,
ob die neider stümpffen sehr
Voigtländer od. u. lied. (1642) 89;
dasz sie mich ohn mein schuld
mit ihren lügen und stümpffen
bei niemand verunglimpffen
Fischer-Tümpel kirchenl. 2, 53;
der über disz die nasen rimpft,
mit runzlen zieht seine stirne,
der waiszt fürwar nicht, was er stimpft,
warumb er sich erzürne
Balde bei Schmeller-Fr. 2, 760.
β)
durch präposition mit einem object verbunden, besonders in etwas späterer zeit, wohl auf beeinflussung durch das gleichbedeutende und reimende schimpfen beruhend: stümpfen, scalieren und schmähen über einen bei Schmeller-Fr. 2, 760; meistens stümpfen auf, s. Stieler 2224; Aler 2, 1860ᵇ: dasz sie (die prediger) alsdann von den cantzlen auf die leute zu stümpfen gewohnt wären Grimmelshausen 4, 338 Kurz;
must keinen an den ehren schimpffen,
nicht auf ihn hacken oder stümpffen
J. W. Brodtkorb die teutsche wahrh. (1700) 42;
mit seinem bücherschreiben zwar
sticht er und stümpfft fast alle jahr
auf kaiser, könig, fürstn und herrn
jesuiter u. floh (1620) b 4ᵇ;
je dennoch schimpffen und stümpffen die Lutheraner auf die verehrung der bilder
J. Scheffler ecclesiologia 1, 447ᵇ.
2)
vereinzelt, nur jung, und wohl immer gestützt durch das adj., 'runden, die scharfen ecken nehmen', meist gestumpft wie stumpf, adj., I B 2; von den ecken eines bataillons: wenn selbige gebrochen und gestümpfet werden, so dasz das bataillon an statt vier, acht seiten bekömmt Eggers kriegslex. 2, 1046; wenn die spitze sich in einen gestumpften winkel endigt Illiger thier- u. pflanzenr. 34;
zerfällt der lenz, herbst, sommer, abend, morgen,
... stumpft sich der winkel meiner signatur
Immermann 15, 101 Boxb.;
gestumpfter einschnitt oder ausschnitte oder zacken Krünitz 177, 380; die fruchtkörnchen nur an beiden spitzen enden ein wenig gestümpft Hahn bei Sanders erg.-wb. 539ᵃ; die nase gestumpft Droysen Äschylus ³376.
3)
'waffen, werkzeuge usw. unbrauchbar machen', wie stumpf II. der eigentlichen bedeutung 'die spitze benehmen' noch nahe: solle man (die waffen) ... am spitz und schneid stumpffen Guarinonius grewel d. verwüst. 1192;
... mit der schneid entgurgelt das schwert dich,
sei auch die spize gestümpft!
J. H. Voss Ovids metamorph. 12, 484;
(er half) die spitzen stumpfen oder schärfen E. M. Arndt schr. f. u. an s. l. Deutschen 3, 388; meistens aber mit überwiegen der bedeutung 'unbrauchbar machen', gleichviel ob an der spitze oder schneide:
stümpff ihm sein schwerdt, sein spies und kars
W. Bütner epit. histor. (1596) 192ᵇ;
dasz Karl die waffen gegen das kriegerischte aller völker stumpfen möchte grafen Stolberg ges. w. 6, 191; häufig bildlich, besonders neben pfeil und stachel:
ihr sanfftethun stümpfft den verläumdungspfeil
irrgarten d. liebe (1738) 622;
willst du den stachel des verlusts nur stumpfen
Lessing 3, 42 L.-M.;
sie (freimütigkeiten) unnöthig zu benutzen und dadurch ihre spitze selbst zu stumpfen Gervinus gesch. d. dtschen dicht.⁴ 2, 389; anders: weil (die andersgläubigen) sie (die heil. schrift) mehr stümpffen denn schärffen G. Wicelius annotat. (1536) 53ᵃ. von den zähnen, erst in junger zeit, bei Kramer 2 (1702) 1025ᵃ. auf die form bezogen:
zwei wärter frasz er schon in diesen räumen,
doch hat man ihm die zähne nun gestumpft
Grillparzer 2, 171 S.
dagegen wie stumpf, adj., II B 3 b:
... (wenn) die traube berst entzwei,
die ihm die zähne stumpft dabei,
so fühlt er etwas, welches herb,
und das ihm den geschmack verderb
J. Cato w. (1711) 2, 79;
das würde mir die zähne gar nicht stumpfen,
so sehr nichts als gezierte poesie
Shakespeare 6, 100;
ähnlich: ein ... die zunge stumpfender geschmack allg. dtsche bibl. 18, 215. in der reinen bedeutung 'schneideunfähig machen' weit seltener bezeugt: das beil ist gestümfet Stieler 22, 25;
den harten zahn des gestumpfeten
pfluges schmiedet der akkerwirth an
C. G. Bock Virgils lehrged. (1790) 25;
backte ihm einen stein ins brot, so dasz er sich sein messer stumpfte kinder- u. hausmärchen (1812) 2, anh. 8;
und wenn er nicht leere schichten verfuhr,
nicht zwecklos gestümpft das gezähe
Döring sächs. bergr. 1, 264;
des grōs šdemt das gras macht die sense stumpf Hofmann niederhess. 235; wie stumpf II C 3 a: meine opera omnia sollen ... keine druckerschriften stümpfen Musäus physiogn. reisen 3, 112.
4)
menschliche sinnes- und geisteskräfte untauglich machen, in fortschreitender abstraction sich zu der bedeutung 'schwächen' entwickelnd, im ganzen umfang von stumpf III; vereinzelt schon mhd., in ganzer fülle erst im 19. jh.
a)
am ältesten auf die ganze aufnahmefähigkeit, besonders die intellectuelle, zielend: stumpfen, stumphin hebetare (15. jh.) Diefenbach 274ᵃ; das gemüt würt gestumpffet Geiler v. Keisersberg sünden d. munds (1518) 8ᵇ;
mit des gewæfene wil ich
noch mit sîner sterke
mînes herzen merke
noch mînes sinnes spitze sehe
mit nâhe merkender spehe
niht stumpfen noch lesten
Gotfrid v. Straszburg Tristan 6507 R.;
die zunge schärfft er zwar, allein er stümpfft die sinne
Logau sinnged. 282 lit. ver.;
möchten ... ihren spitzigen verstand etwas stumpffen Thurneiszer magna alchymia 84; wer seinen verstand gar zu sehr schärfet, der zerbricht oder stumpfet ihn doch Butschky rosenthal (1679) 712; würde ihn (den verstand) mehr stumpfen als wetzen Lessing 13, 432 L.-M.; nach stumpf III 3 hin:
(wer) nicht träge will versumpfen,
den kann und darf das alter
auch bald und ganz nicht stumpfen
K. E. Ebert fromme gedank. (1859) 203.
b)
jünger auf einzelne organe, kräfte und empfindungen zielend: dies leben ... stumpft das auge, noch mehr aber sinn und seele Herder 11, 311 S.; meinen wahrheitssinn durch irgend einen sanften oder rohen modeton stümpfen zu lassen Lavater verm. schr. 2, 230; die südwinde stümpffen das gehör und beschweren das haupt Chr. F. Paullini philos. feierab. (1700) 28; bis in die wurzel tödtet und stumpft sie (die leibeigenschaft) das menschengefühl J. G. Forster s. schr. 7, 303; mir diese empfindlichkeit zu stumpfen H. v. Kleist 5, 272 Schm.; der ausblick ... stumpft den schmerz über den einzelnen fall Anzengruber ges. w. 2, 320.
5)
in reicher ausbildung von einer fülle von abstracten, im sinne von 'mildern', oder gar 'aufheben, beseitigen', auf die jüngere zeit beschränkt: das stumpft gar leicht den allerbesten vorsatz Tieck schr. 1, 59; es schmeichelte, ... das stumpfte die strenge ihres angriffes Dauthendey w. 3 (1930) 500; mit der zeit hatte sich das vibrierende sehnen gestumpft 561; (der müsziggang) schadet der seelen und dem gemüthe, indem er ... lebhaftigkeit stümpfet und ersticket Chomel 6, 1003;
viele wunder stumpfen wohl
der besten feder lauf
allg. dtsche bibl. 83, 437;
so wird deren (der dämpfe) schädlichkeit durch den einflusz der lohausdünstungen auf seinen körper gestümpft und unwürksam gemacht J. Chr. G. Ackermann krankh. d. künstler (1780) 1, 19; der hieb ward ... von dem sammtenen barett gestumpt Fouqué zauberr. 1, 210;
dasz nicht zu üppiger wuchs die empfängnis
stümpfe dem fruchtgefild, unthätige furchen verschlämmend
J. H. Voss P. Virgilius Maro ländl. ged. (1800) 475;
inmitten tausendjährger flammen, die
vergeblich ihre zungen an ihm stumpfen
Grabbe 2, 71 Bl.
B.
selten anders als transitiv.
1)
intransitiv 'stumpf sein, stumpf werden', meistens statt dessen die verbalausdrücke mit stumpf, jedoch schon alt, nur in nicht umgelauteter form, vielleicht auf altes ē-verbum weisend: ein subtil geschliffenes messer viel ender und leichter dann ein stumpffents durchschneydt Guarinonius grewel d. verwüst. 442 (doch vgl. stumpfet 3);
schwerter des adels, wie schnitten sie glatt und gut,
schwerter des adels stumpften im dicken plebejerblut
B. v. Münchhausen balladen u. ritterl. lieder (1908) 42;
des tigers zahn stumpfte an mir
Schubart s. ged. 2, 64;
wie A 4: stumpen hebere (13. jh.) Diefenbach 273ᶜ; stumpen in dem sinne voc. v. 1429 bei Schiller-Lübben 4, 449.
2)
reflexiv sich stumpfen 'stumpf werden':
der arme landmann pflügt des landes mildern theil;
allein die pflugschaar fühlts und stümpfet sich in eil
Gottsched neueste ged. 57;
der liebe jugendstachel hätte, selbst
sich stumpfend, ihn hinaus gejagt ins feld
H. v. Kleist 1, 46 Schm.;
ihre seele stumpft sich, und die langeweile wird herr Göthe 45, 60 W.; im sinne von 'zu ende gehen', wie A 1: jetzund stumpfft sich das spyl Wickram 6, 333.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1933), Bd. X,IV (1942), Sp. 464, Z. 37.

stumpfen1, stumpen, vb.

¹stumpfen, stumpen, vb.,
'stoszen'; in der bedeutung mit ²stumpfen, der ableitung von stumpf, unvereinbar; dagegen, besonders 1 und 2, stampfen entsprechend und vielleicht zu diesem im ablautsverhältnis stehend. zuerst im 15. jh. für das nd. bezeugt: stumpen precipitare Diefenbach 452ᵃ.
1)
nl. und mundartlich besonders in den bedeutungen 'harte früchte zerstampfen, zerstoszen' und 'jem. schlagen': nl. stompen v. Dale 2, 1719; fries. stumpe Mungard sölring spraak 256; im westl. nd. und md., s. Damköhler Nordharz. 182; Hofmann niederhess. 225 (stumpchen); Crecelius 822; Kehrein Nassau 1, 399; Reuting Höchster ma. 44; Schmidt westerwäld. 240; Follmann lothr. 501 s. v. stombax; obd. weniger häufig bezeugt, s. Stalder schweiz. 414; Bacher Lusern 398, auch als stumpen, vgl. ²stumpfen, s. Ruckert unterfrk. 178; Fischer schwäb. 5, 479 s. v. rumpen. — literarisch selten seit dem 17. jh. bezeugt als 'zerstampfen, schroten': das ertz mahlet man in mörsern, darin mans tag und nacht stumpffet J. de Acosta America (1605) 114; die ... grüne haferkern, ... auf der scheelmühle gestumpffet J. D. Geyer müsz. reisestunden (1735) 4, 15; im compos.: stumpftrog in dem das viehfutter für das vieh zerstampfft wird Crecelius 822.
2)
'vollstopfen, pfropfen': stompen Gangler Luxemburg. 435. hierher, wohl ebenfalls frk.: stompevoll ganz voll Schön Saarbrück. 206; obd.: gstumpetig voll 'von einem sacke, einer tasche gesagt' Staub-Tobler 1, 783; ein voller sack ist gestumpet Fischer schwäb. 3, 567; kaum zu ²stumpfen, allerdings stumpen 'sack', s. sp. 437, nahestehend.
3)
'stoszen', alt im sinne von 'stechen', stupfen sehr nahe stehend:
daz ime des nahtes dô geschach,
do man in stunpfete und stach
in der kemenâten
gesamtabenteuer 1, 224 v. d. Hagen,
lesart neben stipfete; besonders 'dem pferde die sporen geben': (als) etlich ... des maulthiers sporn begeren dorften, hube der gut man sein fusz auf ... sprechend, nimm hin einen von meinen füszen, der mein maulthier immer zu stinpfet und stopfet St. Vigilius de rebus memor. (1541) 25ᵇ; im sinne von 'kränken, beleidigen, beschimpfen', wie ²stumpfen A 1 c: findet man etwa pferdt eines so groben verstands, so man ihm zu parieren hilft mit den sporen, und es sich mit denselben befindet gestumpffet, das es ... nicht fort will J. Fayser hippokomike (1623) 89; da ist des stimpfen und verstimpfen, des stupfen und stechen, des schmähen und übelnachreden kein end Selhamer bei Schmeller-Fr. 2, 760. jung, wohl auf mundartlicher grundlage in der bedeutung 'stoszen, schlagen':
und sie dringen die räuber heraus mit gewalt
und stumpen und schlagen sie sehr
A. v. Arnim 13, 323 (wunderhorn);
dasz ... unser herrgott ... däht dich so lang ins genick stumpe, bis der dein schweineschmalz im unnerleib gerunne waar Askenasy Frankf. 153;
da steht gedrückt ein groszer klumpen
von mägd und knechten, die sich stumpen
sie stiesz und stumpfte ihn (den tolpatsch) zurecht Gutzkow ritter v. geiste 4, 268.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1933), Bd. X,IV (1942), Sp. 463, Z. 50.

stümpfen1, stumpen, vb.

¹stümpfen, stumpen, vb.,
hinken, straucheln, ungeschickt gehen. me. stump, stomp Murray 9, 1, 1193ᶜ; dial. norw. dän. schwed. stumpe, stumpa Torp nynorsk et. ordb. 734. im dtsch. sporadisch bezeugt, in von einander unabhängigen bildungen, ähnlich wie ¹stumpeln, stümpern 4, vgl. auch Falk-Torp 1190:
unz daz ich ûf den vûzen stimph
und daz ich sô von alter krimph
bruder Hans 4200 M.;
innere erlebnisse ..., über die sie doch ohne stumpen und stolpern hinweggekommen Röthe br. d. jg. Göthe xxiii; stompa mit kurzen, dicken beinen und füszen gehen Tobler appenzell. 411; vgl. auch das aus dem nd. oder md. entlehnte sorb. štympać 'lahm gehen' Bielfeldt dtsche lehnw. im obersorb. s. v.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1933), Bd. X,IV (1942), Sp. 469, Z. 25.

stumpfen2, stümpfen, vb.

²stumpfen, stümpfen, vb.,
mutilare, obtundere, hebetare.
verbreitung und form. factitivum zu stumpf, adj. und subst.; auch nl. stompen 'abstumpfen' v. Dale 2, 1719, vgl. Verwijs-Verdam 7, 2202; jedoch schwed. stympa, stumpa, dän. stumpe 'verstümmeln' aus dem mnd., s. Hellquist svensk ordförr. 521; 692. im dtsch. früh mit präfixen: mhd. bestumpfen, verstumpfen, s. Lexer 2, 1267; das simplex zuerst im 12. jh. bezeugt, in jüngerer zeit besonders von abstumpfen und stumpf machen ersetzt; stumpf machen lexikalisch schon im 16. und 17. jh.: stompen, stomp maken, verstompen mutilare thes. theut. ling. (1573) e e 1; stumpffen, stumpff machen ammozzare Hulsius (1618) 243ᵇ; abstumpfen anscheinend erst seit dem 18. jh. geläufig, nicht bei Kramer 2 (1702) 1025, dagegen: stümpfen, abstumpfen, stümmeln Kramer hochnd. (1719) 2, 209ᵇ, s. th. 1, 135; Heyne 1, 44; jedoch schon: stumpft im (dem Malchus) das recht ohr ab bei Schmeller-Fr. 2, 761. trotz der einbuszen ist das simplex im ganzen 18. und 19. jh., und bis ins 20. jh. hinein, als das prägnantere wort, in technischen bedeutungen, z. b. A 1 c β, vor allem aber literarisch und dichterisch durchaus lebendig.in älterer zeit weit verbreitet das part. prät. gestumpft in den concreten bedeutungen von stumpf, adj. (I, II), sogar über den anwendungsbereich des vb. finit. hinausgehend; s. th. 4, 1, 4266, vgl. auch stumpfet. neben stumpfen häufig auch im obd., sowohl alt als mundartlich, stumpen, auf alter doppelheit, s. stumpf, m., sp. 427, oder jüngerer wortmischung beruhend.seit dem 16. jh. bis in die jüngste zeit, durchaus nicht nur im nd., auch umgelautet, jedoch schon wegen der erstrebten gleichheit mit stumpf nie stärker durchdringend und in junger zeit meistens vermieden; von Adelung stümpfen noch als normal verzeichnet 4, 477. — isoliert stumpern: alle bluttreuffer, die ... die menschen gemordert, gestumpertd ... haben Grunau preusz. chron. 2, 721.
A.
transitiv.
1)
'stutzen, beschneiden, der spitze benehmen, verstümmeln', mit stümmeln in bedeutung und anwendung weithin gleich: beschroten, stümpffen, stümlen, abhauen, abschneitzen detruncare Schöpper syn. f 1ᶜ; stumphen retundere (13./14. jh.) Diefenbach 496ᶜ; stümpffen oder abhawen Hulsius-Ravellus (1616) 315ᵃ. im westl. md.: haare, flügel, hecken stumpfen, s. Hönig 178ᵃ; Wegeler Coblenz 74; Crecelius 823; Bauer-Collitz 101ᵃ.
a)
eigentlich, wie stümmeln A.
α)
auf gliedmaszen und körper zielend: Rudolph ... hat ... in der ersten schlacht die hand verloren ... und ... den gestumpften arm allen ... gezeigt Abraham a s. Clara gemisch gemasch (1704) 1, 518; es ist besser, das du also gestümpfft ingeest in das ewig leben, weder mit zweien augen, henden und füssen in die ewige verdamnüsz O. Brunfels evang. anstosz (1524) a 2ᵇ;
es hett im nit gefallen sehr,
wann es von im auszkommen wer,
dasz er etwan würd gestümpfft,
dann mit Nürnberg sich ubel schimpfft
Fischart Eulenspiegel 168,
vgl. Murners Ulenspiegel (1519) 46 L.; s. Fischer schwäb. 3, 567; hierher wohl auch: nun stumpfft, kumpff, rumpff und stumpff Fischart Garg. 359 ndr.; von tieren, meist fachsprachlich: den schwanz (einem hunde oder pferde) stümpfen, s. Kramer 2 (1702) 1025ᵃ; ein pferd, einen hund stümpfen Schwan 2, 741ᵇ; raufen, stumphen alare (obd. voc. d. 15. jh.) Diefenbach nov. gl. 14; ähnlich die leoparden ... die kräll an iren klawen einziehen, wenn sie fortgehen sollen, auf dass sies nicht stumpffen oder abetzen Heyden Plinii schr. (1565) 110;
bewegt von mitleid liesz der löwe zu,
dasz man die königlichen klaun ihm stumpft
Shakespeare Tit. Andr. 2, 3.
β)
von bäumen, selten anderen pflanzen, 'entgipfeln, bis zum stumpfe vernichten, der zweige berauben': den ölbaum der umbreissend plitz stumpfet C. Hedio chron. germ. (1530) 308ᵇ; hat er dieselbe zum theil abgehawen, zum theil also beschnitzen und stümpffen lassen, dass der blutige safft von den stumpfen und stieben gerunnen ist Konr. Dieterich bei Fischer schwäb. 5, 1918; ob einer gaiszen hat und (sie) kommen in einen garten und stumpfeten ihm (dem nachbarn) die baumber österr. weisth. (18. jh.) 7, 314; nicht lang darnach sahe man nichts mehr, dann die abgeschnittenen und gestümpten stopfflen Xylander Plutarch. (1580) 434ᵇ. meist in engerem sinne in der baumwirtschaft: gott hat noch niemals keinen (baum) bis in den himmel lassen wachsen, es must ehe ein einziger mann denselben stümpfen und auswurzeln Lehman flor. pol. 1, 181; zur selben zeit ist das reich wie ein baum an seinen ästen gestümpfft worden 473; halbtechnisch noch modern, s. Hoyer-Kreuter 1, 749: darum werden schwache äste und junge bäume kurz gestumpt Ehrhart pflanz. 1 (1753) 247; auch werden sie (die bäume) stets gelichtet, niemals gestumpft Th. Huber bem. ü. Holland (1811) 109; mundartlich im alem.: stumpen Friedli Bärnd. 6, 169; Stalder 2, 414; Hunziker 264; bauern ..., denen Barthel die weiden fleiszig stumpete Gotthelf ges. schr. 10, 198.
γ)
gelegentlich wie stumpf, adj., I A 1 auf einen weiteren kreis von objecten bezogen, besonders häufig als part. prät. gestumpfet: keyser Augustus hat allzeit seinen bart stumpffen lan Eppendorff Plinius (1543) 39; die (haare) da, wo sie gestümpft werden, eine krümmung nach innen zu annehmen Lichtenberg verm. schr. 4, 446; ich will meinem sohn nicht einen gestumpfften besen überlassen, der nicht mein ist Abraham a s. Clara etwas f. alle 2, 94; schwäb.: kehre vor deiner türe, der besen wird gestumpet genug Fischer 3, 567; auf welche weise die sonnenstralen geschwächet und gleichsam gestumpffet werden E. Francisci eröffn. lusthaus (1676) 809; vierhundert dünne nägel, das halbthail mit flachen köpfen und die andere helffte hohl gestimpfft (v. j. 1690) Reyscher samml. württ. ges. 13, 679;
müzlin gar kurz gestumpet
haben auf ihren rossen gumpet
Birlinger wb. z. volksth. a. Schwaben 37;
unterkleider mit ermeln ... die ... nur bis auf die hälfte des oberarms reichen ... hieszen daher gestumpfte ermel κολόβια Winckelmann w. (1812) 5, 61; ein gestumptes kleid mit auffallend kurzem rock Fischer schwäb. 3, 567; stumpf, m., H entsprechend: nicht vil anderst helt es sich auch mit den kürtzern gestumpeten fässern J. Kepler op. 5, 563; in besonders ungewöhnlicher neubildung vom adj. (I A 4): sie (eine versform) ist in der tat gestumpft aus der vorangehenden runhenda Heusler deutsche versgesch. 1, 301; vereinzelt im sinne von 'in teile zerschneiden': gstumpetes in der pfanne zerstückelte eierkuchen Fischer schwäb. 3, 567.
b)
übertragen im sinne von 'entstellen, beeinträchtigen', wie stümmeln B: die verkerten setzen ain gestumpfft evangeli an die stat des waren Berth. v. Chiemsee teutsche theol. 4 R.; will lieber warten und sie (die genealogie) perfecter haben; den mein aversion seind gestümpffte bücher Elis.-Charl. v. Orleans br. 3, 463 Holland; glaubet nicht die natur zu ehren, wenn ihr sie stümpfet, abschleifet Lavater physiogn. fragm. 2, 270; im sinne von 'gestümpert, stümperhaft', wie stümmeln B 3: und wirst sehen, worauf Theophrasti kunst gewidmet und wie dein flickwerk gestumpffet ist Paracelsus op. (1616) 1, 946 Huser; derwegen ist die artzneikunst one die gestirnenkunst gestumpft und bresthafft M. Pegius geburtsstundenb. (1570) X x 2; vielleicht hierauf beruhend selten stümpen 'stümpern': stümpeln, stümpen moccolare cioe far un mestiere imperitamente Kramer 2 (1702) 1025ᵇ; vgl. Adelung 4, 474.
c)
'kränken, schmähen, beleidigen, beschimpfen', abstrahiert aus der bed. einen durch verstümmelung, s. a., vielleicht auch allgemeiner 'miszhandlung', verunehren, vgl. auch strümpfen 1. in den ältesten zeugnissen die abstractere bedeutung mit der concreteren vereint: darumb stot geschriben, sie werden sehen den, den sie gestumpfft haben Geiler v. Keisersberg ev. m. uszl. (1517) 91ᵃ;
wir wöllen sie in die flucht schlagen
wie die stumffeten hundt heim jagen
H. Sachs ged. (1561) 2, 255ᵃ;
so mundartlich in weiterer specialisierung, oberlaus.: stumpen verweise geben, zurechtweisen Anton 4, 15; jem. unhöflich das wort abschneiden, jem. widerlegen Wegeler Coblenz 74. — daneben auch auf der concreten bedeutung 'stoszen, stechen' beruhend, s. ¹stumpfen 3. seit dem 16. jh. bezeugt, mundartlich im obd. bis heute erhalten, meist im sinne von 'sticheln' und, im gegensatz zu den anderen bedeutungen, in der verschobenen form, s. Schmeller-Fr. 2, 760; Lampert pennsylv. 145; Stalder schweiz. 2, 414; ferstümpfe 'anschwärzen' schweizerd. gramm. 7, 170; in der gaunersprache: 'schelten', 'schimpfen', 'zanken' Kluge rotw. 343; 485; 346; vielleicht hierher stämpfen 'bedrohen', 'fluchen' Wittich jen. spr. in arch. f. krim. anthrop. 63, 380; 385; 64, 162; s. Fischer schwäb. 5, 1629; 1918. literarisch nur selten über das 17. jh. hinaus erhalten, vgl. anstümpfen N. M. Sturm (18. jh.) bei Schmeller-Fr. 2, 760.
α)
ohne ausdruck eines äuszeren objects: deszwegen er dann bochet, boldert, verweiset, stimpffet etc. Moscherosch ges. 2, 359;
ich traw gott mich dran nicht kehr,
ob die neider stümpffen sehr
Voigtländer od. u. lied. (1642) 89;
dasz sie mich ohn mein schuld
mit ihren lügen und stümpffen
bei niemand verunglimpffen
Fischer-Tümpel kirchenl. 2, 53;
der über disz die nasen rimpft,
mit runzlen zieht seine stirne,
der waiszt fürwar nicht, was er stimpft,
warumb er sich erzürne
Balde bei Schmeller-Fr. 2, 760.
β)
durch präposition mit einem object verbunden, besonders in etwas späterer zeit, wohl auf beeinflussung durch das gleichbedeutende und reimende schimpfen beruhend: stümpfen, scalieren und schmähen über einen bei Schmeller-Fr. 2, 760; meistens stümpfen auf, s. Stieler 2224; Aler 2, 1860ᵇ: dasz sie (die prediger) alsdann von den cantzlen auf die leute zu stümpfen gewohnt wären Grimmelshausen 4, 338 Kurz;
must keinen an den ehren schimpffen,
nicht auf ihn hacken oder stümpffen
J. W. Brodtkorb die teutsche wahrh. (1700) 42;
mit seinem bücherschreiben zwar
sticht er und stümpfft fast alle jahr
auf kaiser, könig, fürstn und herrn
jesuiter u. floh (1620) b 4ᵇ;
je dennoch schimpffen und stümpffen die Lutheraner auf die verehrung der bilder
J. Scheffler ecclesiologia 1, 447ᵇ.
2)
vereinzelt, nur jung, und wohl immer gestützt durch das adj., 'runden, die scharfen ecken nehmen', meist gestumpft wie stumpf, adj., I B 2; von den ecken eines bataillons: wenn selbige gebrochen und gestümpfet werden, so dasz das bataillon an statt vier, acht seiten bekömmt Eggers kriegslex. 2, 1046; wenn die spitze sich in einen gestumpften winkel endigt Illiger thier- u. pflanzenr. 34;
zerfällt der lenz, herbst, sommer, abend, morgen,
... stumpft sich der winkel meiner signatur
Immermann 15, 101 Boxb.;
gestumpfter einschnitt oder ausschnitte oder zacken Krünitz 177, 380; die fruchtkörnchen nur an beiden spitzen enden ein wenig gestümpft Hahn bei Sanders erg.-wb. 539ᵃ; die nase gestumpft Droysen Äschylus ³376.
3)
'waffen, werkzeuge usw. unbrauchbar machen', wie stumpf II. der eigentlichen bedeutung 'die spitze benehmen' noch nahe: solle man (die waffen) ... am spitz und schneid stumpffen Guarinonius grewel d. verwüst. 1192;
... mit der schneid entgurgelt das schwert dich,
sei auch die spize gestümpft!
J. H. Voss Ovids metamorph. 12, 484;
(er half) die spitzen stumpfen oder schärfen E. M. Arndt schr. f. u. an s. l. Deutschen 3, 388; meistens aber mit überwiegen der bedeutung 'unbrauchbar machen', gleichviel ob an der spitze oder schneide:
stümpff ihm sein schwerdt, sein spies und kars
W. Bütner epit. histor. (1596) 192ᵇ;
dasz Karl die waffen gegen das kriegerischte aller völker stumpfen möchte grafen Stolberg ges. w. 6, 191; häufig bildlich, besonders neben pfeil und stachel:
ihr sanfftethun stümpfft den verläumdungspfeil
irrgarten d. liebe (1738) 622;
willst du den stachel des verlusts nur stumpfen
Lessing 3, 42 L.-M.;
sie (freimütigkeiten) unnöthig zu benutzen und dadurch ihre spitze selbst zu stumpfen Gervinus gesch. d. dtschen dicht.⁴ 2, 389; anders: weil (die andersgläubigen) sie (die heil. schrift) mehr stümpffen denn schärffen G. Wicelius annotat. (1536) 53ᵃ. von den zähnen, erst in junger zeit, bei Kramer 2 (1702) 1025ᵃ. auf die form bezogen:
zwei wärter frasz er schon in diesen räumen,
doch hat man ihm die zähne nun gestumpft
Grillparzer 2, 171 S.
dagegen wie stumpf, adj., II B 3 b:
... (wenn) die traube berst entzwei,
die ihm die zähne stumpft dabei,
so fühlt er etwas, welches herb,
und das ihm den geschmack verderb
J. Cato w. (1711) 2, 79;
das würde mir die zähne gar nicht stumpfen,
so sehr nichts als gezierte poesie
Shakespeare 6, 100;
ähnlich: ein ... die zunge stumpfender geschmack allg. dtsche bibl. 18, 215. in der reinen bedeutung 'schneideunfähig machen' weit seltener bezeugt: das beil ist gestümfet Stieler 22, 25;
den harten zahn des gestumpfeten
pfluges schmiedet der akkerwirth an
C. G. Bock Virgils lehrged. (1790) 25;
backte ihm einen stein ins brot, so dasz er sich sein messer stumpfte kinder- u. hausmärchen (1812) 2, anh. 8;
und wenn er nicht leere schichten verfuhr,
nicht zwecklos gestümpft das gezähe
Döring sächs. bergr. 1, 264;
des grōs šdemt das gras macht die sense stumpf Hofmann niederhess. 235; wie stumpf II C 3 a: meine opera omnia sollen ... keine druckerschriften stümpfen Musäus physiogn. reisen 3, 112.
4)
menschliche sinnes- und geisteskräfte untauglich machen, in fortschreitender abstraction sich zu der bedeutung 'schwächen' entwickelnd, im ganzen umfang von stumpf III; vereinzelt schon mhd., in ganzer fülle erst im 19. jh.
a)
am ältesten auf die ganze aufnahmefähigkeit, besonders die intellectuelle, zielend: stumpfen, stumphin hebetare (15. jh.) Diefenbach 274ᵃ; das gemüt würt gestumpffet Geiler v. Keisersberg sünden d. munds (1518) 8ᵇ;
mit des gewæfene wil ich
noch mit sîner sterke
mînes herzen merke
noch mînes sinnes spitze sehe
mit nâhe merkender spehe
niht stumpfen noch lesten
Gotfrid v. Straszburg Tristan 6507 R.;
die zunge schärfft er zwar, allein er stümpfft die sinne
Logau sinnged. 282 lit. ver.;
möchten ... ihren spitzigen verstand etwas stumpffen Thurneiszer magna alchymia 84; wer seinen verstand gar zu sehr schärfet, der zerbricht oder stumpfet ihn doch Butschky rosenthal (1679) 712; würde ihn (den verstand) mehr stumpfen als wetzen Lessing 13, 432 L.-M.; nach stumpf III 3 hin:
(wer) nicht träge will versumpfen,
den kann und darf das alter
auch bald und ganz nicht stumpfen
K. E. Ebert fromme gedank. (1859) 203.
b)
jünger auf einzelne organe, kräfte und empfindungen zielend: dies leben ... stumpft das auge, noch mehr aber sinn und seele Herder 11, 311 S.; meinen wahrheitssinn durch irgend einen sanften oder rohen modeton stümpfen zu lassen Lavater verm. schr. 2, 230; die südwinde stümpffen das gehör und beschweren das haupt Chr. F. Paullini philos. feierab. (1700) 28; bis in die wurzel tödtet und stumpft sie (die leibeigenschaft) das menschengefühl J. G. Forster s. schr. 7, 303; mir diese empfindlichkeit zu stumpfen H. v. Kleist 5, 272 Schm.; der ausblick ... stumpft den schmerz über den einzelnen fall Anzengruber ges. w. 2, 320.
5)
in reicher ausbildung von einer fülle von abstracten, im sinne von 'mildern', oder gar 'aufheben, beseitigen', auf die jüngere zeit beschränkt: das stumpft gar leicht den allerbesten vorsatz Tieck schr. 1, 59; es schmeichelte, ... das stumpfte die strenge ihres angriffes Dauthendey w. 3 (1930) 500; mit der zeit hatte sich das vibrierende sehnen gestumpft 561; (der müsziggang) schadet der seelen und dem gemüthe, indem er ... lebhaftigkeit stümpfet und ersticket Chomel 6, 1003;
viele wunder stumpfen wohl
der besten feder lauf
allg. dtsche bibl. 83, 437;
so wird deren (der dämpfe) schädlichkeit durch den einflusz der lohausdünstungen auf seinen körper gestümpft und unwürksam gemacht J. Chr. G. Ackermann krankh. d. künstler (1780) 1, 19; der hieb ward ... von dem sammtenen barett gestumpt Fouqué zauberr. 1, 210;
dasz nicht zu üppiger wuchs die empfängnis
stümpfe dem fruchtgefild, unthätige furchen verschlämmend
J. H. Voss P. Virgilius Maro ländl. ged. (1800) 475;
inmitten tausendjährger flammen, die
vergeblich ihre zungen an ihm stumpfen
Grabbe 2, 71 Bl.
B.
selten anders als transitiv.
1)
intransitiv 'stumpf sein, stumpf werden', meistens statt dessen die verbalausdrücke mit stumpf, jedoch schon alt, nur in nicht umgelauteter form, vielleicht auf altes ē-verbum weisend: ein subtil geschliffenes messer viel ender und leichter dann ein stumpffents durchschneydt Guarinonius grewel d. verwüst. 442 (doch vgl. stumpfet 3);
schwerter des adels, wie schnitten sie glatt und gut,
schwerter des adels stumpften im dicken plebejerblut
B. v. Münchhausen balladen u. ritterl. lieder (1908) 42;
des tigers zahn stumpfte an mir
Schubart s. ged. 2, 64;
wie A 4: stumpen hebere (13. jh.) Diefenbach 273ᶜ; stumpen in dem sinne voc. v. 1429 bei Schiller-Lübben 4, 449.
2)
reflexiv sich stumpfen 'stumpf werden':
der arme landmann pflügt des landes mildern theil;
allein die pflugschaar fühlts und stümpfet sich in eil
Gottsched neueste ged. 57;
der liebe jugendstachel hätte, selbst
sich stumpfend, ihn hinaus gejagt ins feld
H. v. Kleist 1, 46 Schm.;
ihre seele stumpft sich, und die langeweile wird herr Göthe 45, 60 W.; im sinne von 'zu ende gehen', wie A 1: jetzund stumpfft sich das spyl Wickram 6, 333.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1933), Bd. X,IV (1942), Sp. 464, Z. 37.

stümpfen2, vb.

²stümpfen, vb.,
'mit einer prägung, einem stempel versehen', neben stempfen: 'dem tuche das ellenzeichen aufstempeln' bei Birlinger schwäb.-augsb. 415ᵃ; ein rot läder mit goldt gestümpfft eingebunden (1589) bei Fischer schwäb. 5, 1629.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1933), Bd. X,IV (1942), Sp. 469, Z. 40.

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s t u v w x y z -
gestipft getüche
Zitationshilfe
„gestumpft“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gestumpft>.

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