Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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gesunde, gesünde, fem.

gesunde, gesünde, fem.,
althochd. gasunti tutela Steinmeyer 1, 260, 29. mittelhochd. wb. 2, 2, 748ᵃ. Lexer 1, 936. gesuntî in der form gesuntei bei Khull 29 aus der Münchener bearbeitung von Notkers psalmen (an stelle von Notkers 'heil'); gesunde, sanitas. Henisch 1581. vereinzelt auch im mnd. Schiller-Lübben 2, 86. die verwandten sprachen haben ableitungen mit anderem suffix, das sich theilweise wol auch in unseren unumgelauteten formen geltend macht, vgl. gesynto Leo; sunda bei Hettema idiot. frisicum. in den obliquen formen finden mischungen mit dem vorhergehenden femininum statt:
so wirt dir dîn gesunde.
Ebernant v. E. 1758 vgl. hierzu Bechstein;
kere dich zu mer, blinder man
ich enwel hude nicht lan,
mines vatter willen saltu thun,
von mer saltu din gesunde entphan.
Alsfelder pass. 1607;
hei sal uch gesunde verlien
wilt ir in eren unde minnen
unde werden cristen in sime namen.
Hagen (chron. v. Köln) d. städtechron. 12, 37;
so czweyfelt mir nicht, mein gesunde mir pald wider kem. Dekameron 364, 36 Keller; die förenen habend vil gleychnusz mit den salmen .. der gewalt, stercke und geschwindigkeit der sprüngen, liebligkkeit und gesünde in der speisz. Forer fischbuch 173ᵇ;
Annelein, wohl in der zwölften stunde
geh ich im läger wohl auf die runde;
denk hindersich, bitt gott für mich
damit mich gott erhält in der gesunde.
Hoffmann gesellschaftsl.² no. 283 (flieg. bl. anf. 17. jh.).
im mundartlichen gebrauch ist noch heute in Vorarlberg die g'sünde, die durch die analogie mit dümme, gröbe gestützt wird: er waesz net wasz tue vor lauter g'sünde. Frommann 4, 2.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1897), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4317, Z. 78.

gesunden, schw. v.

gesunden, schw. v.;
nach dem mhd. wb. 2, 2, 748. Lexer 1, 936 gehören der älteren sprache transitive und intransitive functionen dieser verbalableitung an, in wirklichkeit tritt jedoch das heute so beliebte intransitiv für die ältere zeit ganz hinter dem jetzt ausgestorbenen transitiv zurück.
1)
gesunden als transitivum hatte an dem reich entwickelten heilen (vgl. theil 4, 2, 823) und der sehr beliebten verbindung gesund machen (s. d.) zu starke hindernisse der entwicklung, als dasz es hätte weit um sich greifen können, es scheint mehr auf den osten beschränkt geblieben und wol von da aus in die ältere bibelübersetzung, die es allerdings völlig beherrscht, eingedrungen zu sein: erbarme dich (miserere) min herro, wande ich unchreftich (infirmus) bin, gesunte (sana) mich herro. Windberger psalm 6, 2. Graff 15 (Notker und ebenso Luther hat heile mich); genau so in der Straszburger bibel (o herre gesund mich), während die Nürnberger von 1483 änderte (mach mich gesundt); ich erslahe unde ich leben tuon. ih triffe unte ih gesunte procutiam et ego sanabo. cantic. Moysi aus der Windberger handschr. von 1178 zschr. d. alt. 8, 135;
er heilet daʒ der winder het verwundet,
er hât mit sîner süezen kraft
der siechen vil gesundet.
Neidhart 17, 18 Haupt;
und er warf aus die geist mit dem wort, und gesunt alle, di heten daz ubel. cod. tepl. Matth. 8, 7 ebenso in der Straszburger bibel gegen die Nürnberger (vgl. oben sp. 4311); genau so Matth. 12 u. a. vgl. das mnd. sunden Schiller-Lübben 4, 469.
2)
der intransitive gebrauch begegnete zwar bei dem synonymen heilen kaum so reicher entwicklung wie der transitive, dagegen wurde er in der umgangsprache durch gesund werden (s. d.), in der schriftsprache durch genesen aufgehalten; das letztere wird von Notker in den psalmen für sanari verwendet (vgl. psalm 102 Hattemer 2, 365ᵇ), auch die von Graff 6, 261 angeführte glosse kesunte, vale, kann kaum für unser verbum angezogen werden. die entwicklung unseres verbalgebrauches fällt in die spätere mittelhochdeutsche zeit und ihr höhepunkt in den anfang des 19. jahrh., vor allem in die alterssprache Göthes.
a)
wande dô der sieche gnas,
dô wart er als er ê was.
alsô tet dirre junge man
dô er gesunden began.
Lamprecht v. Regensburg sante Francisken leben;
gelocke moz sin walten
gesiht den andern imer man gesonden.
jüngerer Titurel 3743.
b)
bei Paracelsus begegnet ganz vereinzelt neben den synonymen auch unser verb: viel werden aber hiemit getödt, unnd verderbt auch, ehe dasz einer gesundt, oder an einem geratt, werden viel dazwischen ungeratten bleiben. chirurg. schrift. 1, 343. auch die spätere medizinische litteratur macht wenig gebrauch, so z. b. nicht Schütz u. a.
c)
alles was dem weisen hier
auf der erde kann gesunden
hab' ich freund durch dich gefunden.
Göckingk 63, 1;
aus deinem süszen munde
lasz saugen süszen tod!
denn herzchen, ich gesunde
sonst nie von meiner noth.
Bürger 38ᵃ;
wohl läszt der pfeil sich aus dem herzen ziehn,
doch nie wird das verletzte mehr gesunden.
Schiller (braut von Mess. IV, 9) 14, 123;
schon verloschen sind die stunden,
hingeschwunden schmerz und glück;
fühl' es vor! du wirst gesunden,
traue neuem tagesblick.
Göthe (Faust 4652) 41, 5;
worauf kommt es überall an,
dasz der mensch gesundet?
jeder höret gern den schall an,
der zum ton sich rundet.
(divan) 5, 21 (zur auffassung des verbums und zum fragezeichen nach diesem vgl. Burdach in 6, 370 [Weimar]);
und geschmückt ist sie ein wunder,
mit erstaunen uns umfangend,
uns erquickend, heilend, segnend,
dasz wir uns gesundet fühlen,
wieder gern erkranken möchten.
da erblicktest du Suleika
und gesundetest erkrankend
und erkranketest gesundend.
(divan) 5, 149;
mir will das kranke zeug nicht munden,
autoren sollten erst gesunden.
(zahme xenien) 3, 250;
weil ein gesundes system des organischen lebens für ein krankes einstehen und ihm zeit lassen kann auch wieder zu gesunden. (dichtung und wahrheit 12) 26, 120. ich kann nicht gesunden, ich kann nicht bleiben und nicht reisen. Tieck (der geheimnisvolle) 14, 325.
andern auch hilft dieser trank,
macht die kranken schnell gesunden,
die gesunden freilich krank.
Grillparzer (traum ein leben) 7⁵, 171;
und er soll gar bald gesunden
an der tochter frommer brust.
(ahnfrau) 4, 91. u. a.;
wenn dieses arme herz gesunden,
das welkende genesen soll.
Uhland 'das thal';
mein geist hat hier jahre lang gesiecht, ich möchte an deinem herzen unter anderm himmel gesunden. G. Freytag Valentine 5; so wird keiner von euch darben und ihr werdet gesunden. R. Wagner (Jesus von Nazareth) nachgel. werke 76. obwol das verbum im allgemeinen der gewählten sprache angehört, scheint es doch auch in der mundart fortzuleben: gᵃsunde gesund sein, werden. Seiler Basler mundart 153.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1897), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4319, Z. 78.

gesunden, gesünden

gesunden, gesünden,
für sündigen, gehört nur der älteren sprache an. Lexer 1, 936.
was ist ruwe? der appet
sprach ruwe der sunde
ist nimmer me gesunden.
veterbuch (litt. ver.) 24, 23;
und meinen, wenn sie gesünden und gefallen, so welten sie mit irem fryen willen wider uff ston von den sünden .. Geiler von Keisersberg bilg. 39ᵇ; vgl. gesondigen bei Verwijs und Verdam 2, 1666.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1897), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4321, Z. 17.

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Zitationshilfe
„gesunden“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gesunden>.

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