Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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gesund, adj. und adv.

gesund, adj. und adv.
(das gleichlautende substantiv, das in der neueren sprache mehr auf mundartlichen gebrauch eingeschränkt ist, wird getrennt dargestellt, s. d.), adjectivableitung vom substantiv sunt, die auf niederdeutschem boden ihr präfix wieder verloren hat: saxonice adhuc dicimus 'es ist sund' .. compositum usitatius est. Schottel 1428. vgl. sund bei Danneil 216. vgl. Schiller-Lübben 4, 476.
I.
formen.
a)
während die präfixlose form auf oberdeutschem boden nicht zur geltung kommt (das bei Schmid schwäb. wb. 521 angeführte sund steht vereinzelt da, vgl. gasunt, kasunt Graff 6, 259; gesunt mhd. wb. 2, 2, 746. Lexer 1, 936), beherrscht sie die niederdeutschen mundarten insofern, als das simplex dem mündlichen verkehr ganz angehört, das compositum dagegen auf litterarischem wege, vor allem in die rechtsaufzeichnungen, wieder eindringt: let ok jenne dat gud bi sundem live. richtsteig lehnrechts (Homeyer) 30, 4; variante des Jenaer codex by gesundem libe. zum friesischen vgl. Richthofen 1055. ten Doornkaat Koolman 3, 365; Siebs geschichte der englisch-friesischen sprache 1, 179. auf englischem boden ist die zusammengesetzte form in älterer zeit viel belegt, vgl. Wright anglo-saxon. vocabularies 2, 307, während heute das schon bei Chaucer herrschende sound durchgedrungen ist. die holländischen rechtsaufzeichnungen älterer zeit zeigen das compositum (vgl. Slyter 4, 202), das auch in der neueren sprache sich behauptet hat: gezond, adj., gesund, wohl auf, der gesundheit zuträglich. Kramer 1, 157; gesund, gezond. ebenda 2, 132. in den ostgermanischen sprachen ist das wort überhaupt nicht belegt, und wo es später eintritt, lehnwort.
b)
schwankungen des stammvocals. der dem vocal folgende nasal wirkt in oberdeutschen und mitteldeutschen mundarten auf ersteren zurück; in der schrift tritt diesz nur gelegentlich hervor: daz vertreibt den siechtum schier und machet in gesondt. Wiener handschr. des 15. jh. in sitz.-ber. 71, 542. ähnlich in tirol. weisth. 3, 284, 39 (handschrift von Tarsch 17. jahrh.), vgl. auch Spiesz henneberg. idiot. 78.
c)
dagegen schwankt die bezeichnung des schlieszenden dentals. der in mittelhochdeutschen denkmälern nach der stellung im auslaut oder inlaut geregelte wechsel von media und tenuis wird frühzeitig ausgeglichen, immerhin begegnet gesunt noch bei Geiler christl. bilger 210ᶜ und ebenso hält es sich (nach Brandes) auch in der jüngeren glosse zu Reinke de vos. sonst lassen die denkmäler des 15.—17. jahrh. gern die verbindung dt eintreten, so gesundt in der arzneihandschrift des 15. jh. J. Haupt a. a. o. 542. 543; bei Ruprecht von Freysing (Maurer) 163; in der Zimmerschen chronik, nachtrag zu 1419 (litt. verein 94, 414); bei Luther (Dietz 2, 108), in Boners Plutarch 1, 6ᵇ, bei Paracelsus (chirurg. schr. 1, 319 u. a.) und bei Tabernaemontanus neu wasserschatz 171 u. a. gesund tritt zuerst in der Augsburger chronik Senders auf: und so offt ein mensch gesund wird. chroniken 23, 168, 20, ebenso wird es in den wörterbüchern dargeboten, so bei Dasypodius Fb; Maaler z (aber gesundtheit); Steinbach 775 u. a.
d)
die steigerungsformen schwanken zwischen umgelauteter und unumgelauteter form.
1)
die nicht umgelautete form darf als die ältere bezeichnet werden, auch wenn man die ungenauigkeit gerade dieser bezeichnungen in den älteren texten in rechnung zieht: daz wir desto gesunder würden an dem lîbe und an der sêle. Berthold 1, 292, 27 (Pfeiffer); swer dise lere beheldet, der ist immer desto gesunder und wirdet selden siech unde lebet lange. (handschr. 15. jh.) H. Leyser in Aufsesz' anzeiger 2, 242; allen leuten ist roter win gesunder denn wisser. Steinhöwel reg. sanitat. archiv. gesch. med. 3, 324, ebenso 402. 430. dieselbe form bieten Luther 'vom ehlichen leben' (Wittenberg 1522) D 2 b 19. Sebitz feldbau (1580) 17. Henisch 1583. Hohberg 1, 241. Harsdörffer gesprächspiele 8 (1649), 520. Götz ausgabe von Ramler 3, 38.
2)
der umlaut begegnet schon in jüngeren überlieferungen der mhd. litteratur: aller dinge ungesündeste. Berthold 1, 226, 27, scheint aber zuerst bei Hutten durchzubrechen, der freilich auch unumgelautete form daneben bietet: dasz der danach gesünder sei dann von je .. warumb hast du mich denn nicht auch gesunder danach gemacht. werke (Böcking) 4, 34, 19. gesünder bei Paracelsus chirurg. schriften 1, 329 ; wechsel beider formen bei Tabernaemontanus neu wasserschatz 221 (ebenso 239) gegen 307. gesünder Pauli (litt. ver. 85) 260; gesünder, gesündest Stieler 2238. Steinbach 775. gesündeste Lohenstein Armin² 543 u. a. das 18. jahrh. ist bezüglich des umlautes ebenso unsicher und sorglos, so schwankt Gellert zwischen gesundesten (6, 249) und gesündesten (6, 261); gesund werden sie mich finden und gesunder, als ich leider! vermuthen darf, sie zu finden .. nun leben sie von einem tage zum andern immer vergnügter und gesünder. Lessing (an madame König) 12, 425.
3)
innerhalb dieser schwankungen machen sich gegen ende des jahrh. strömungen gegen den umlaut bemerklich: die gesundeste atmosphäre. d. junge Göthe 2, 29; den gesund'sten ort. Göthe 9, 31 (Iphig.); den gesundesten sinn. 29, 274 (ital. reise); aber gesünder. 22, 202 (Meisters wanderjahre); ebenso gesunder in Lenzens pandämonium, neudruck 14. unter den theoretikern verdammt Adelung die steigerung mit umlaut.
4)
trotzdem wird keine consequenz erzielt. die medizinische litteratur schwankt bei Frank (vgl. system einer mediz. polizey 1, 11 und 1, 30) und Zückert (vgl. abhandlung von der luft 1770. 122 und 108) zwischen beiden formen; in Wielands Merkur, der den neigungen Wielands entsprechend 1779 3, 120 gesuͤndesten geschrieben hatte, bietet Campe (1803 2, 197) die form gesundesten; auch Hufeland schlieszt sich dem an makrobiotik 2², 325. dagegen neigen die schriftsteller unter der führung Schillers zur umgelauteten form: vgl. Schiller br. 4, 65 Jonas. 6, 301; ebenso Jean Paul 1, 124; Uhland (verkünder: gesünder vorwort 1815) u. a.
II.
bedeutung.
1)
für die festlegung der grundbedeutung läszt die etymologie im stiche, weil aus formellen gründen die ableitung von mehreren wurzeln versucht werden kann, vgl. Kluge etymolog. wb.⁵ 138. während die ableitung von sinden, sinþon (A. Fick vgl. wb.² 893) mehr zurück tritt, stehen sich heute vor allem das lat. sanus, mit dem das althochd. suona (befriedigung, sättigung) in verbindung gebracht wird (A. Fick vgl. wb.⁴, 557) und der im gothischen svinþs stark, gesund, vorliegende stamm gegenüber (vgl. Froehde in Bezzenbergers beiträgen 14, 110), der freilich im deutschen geschwind, im altsächs. und angelsächs. svîđ schon entsprechungen abgelagert hat. von der bedeutungslehre aus ist es schwer, die frage zu entscheiden. die ältesten belege schon kehren den einfachen gegensatz zu krank, siech hervor, der gern abstracte, verblaszte bedeutung annimmt, oder aber, je nach den formen, in denen einem zeitalter oder einem schriftsteller die krankheit hauptsächlich vorschwebt, neue sonderbedeutungen ausprägt. besondere beachtung verdient deshalb die glosse zu Osea 7, 9 robur ejus comederunt (fremde fressen seine kraft bei Luther), für die bei Graff 6, 259 als einzelnstehende variante sunt angegeben ist; nach Steinmeyer-Sievers 1, 667, 71 treten für sunt auszer dem Regensburger codex (cod. lat. mon. 13002) auch der von Scheiern aus dem 13. jh. (cod. lat. mon. 17403) und der Göttweih. codex 103 ein, auszerdem bringt aus dem 12. jh. der Windberger codex (cod. lat. mon. 22201) die variante sunthe bei. damit ist für das substantiv in der bedeutung von robur ein lebendiger hintergrund gewonnen, der noch durch die präfixlose form nach rückwärts vertieft wird. auch das gegenbild fehlt nicht in den glossen: languidis, egris = weihhûn Steinmeyer-Sievers 2, 425, 12; vgl. 2, 432, 62. ebenso zieht sichfreilich durch lateinisches valere gefördertdurch die bibelübersetzungen ein tauschverkehr zwischen stark und gesund, vgl. Marc. 2, 17: di gesunden habent nit durft des arcztes im codex tepl.; ebenso in der Nürnberger bibel für qui valentes (die starken bei Luther). wie maszgebend die körperstärke als bestimmungsmoment der gesundheit für die volksanschauung ist, zeigt der Sachsenspiegel, der da, wo er die testierfähigkeit an einen bestimmten grad von gesundheit knüpft, bemerkt: alle varende have gift de man ane erven gelof in allen steden, unde let unde liet gut, al de wile he sik so vermach, dat he begort mit eme swerde unde mit eme scilde up en ors komen mach von enem stene oder stocke ener dum elne ho, sunder mannes helpe, deste man ime dat ors unde den stegerep halde. Homeyer I, 1, 2. gesund und stark, die wir weiter unten als beliebte wortgruppe aus der schriftsprache belegen werden, zeigen sich in der österreichischen mundart geradezu identisch; beide worte treffen vor allem in der verwendung für dick zusammen, wie auch 'santé' und 'en bon point' im französischen.
2)
in den althochdeutschen denkmälern läszt der einseitig begrenzte stoffkreis die bedeutungsentwicklung des wortes nicht übersichtlich hervortreten; vor allem sind starke beeinflussungen durch die lateinischen synonymen nachzuweisen.
a)
unmittelbar an die in sunte = robur vorliegende bedeutung knüpft die glosse zu Prudentius psychomachia 11 (obsistat meliore manu) kisuntero henti Steinmeyer-Sievers 2, 462, 66 an, die deshalb den vorrang vor älteren belegen beansprucht; ebenso gehört hieher:
,níster' quadun, ,tháre, ther ío thih so irfáre
gisunten uns, thir dérien, wir wóllen thih in wérien.
Otfrid 4, 13, 54.
weitere entwicklungen knüpfen an das lateinische valere im ganzen umfang seiner verwendungen an: gisunti pirumes bene valemus, glosse zu 2. Macc. 11, 28, Steinmeyer-Sievers 1, 704, 4. vgl. ebenda 1, 451, 20.
b)
die verwendungen, die sich aus valere erklären lassen, können aber auch unmittelbar aus der grundbedeutung selbst erklärt werden, je nachdem der gebrauch der kräfte positiv empfunden oder negativ in gegensatz gestellt wird zu hemmungen, die ihn vorübergehend oder dauernd aufheben.
α)
neben sanus tritt schon in den ältesten glossen salvus und sospis für gesund auf. Steinmeyer-Sievers 1, 244, 13. 249, 21. vgl. 2, 38, 27 und eine weitergehende verschiebung erschlieszt die substantivbildung casuntida prosperitas. ebenda 1, 231, 22. das synonyme heil, das wir heute in diesem zusammenhange vorwiegend gebrauchen, concurriert in der älteren sprache mit unserem worte mehr in anderen verwendungen:
uuántu thaz ist fúntan,   unz wir háben nan gisúntan
thaz lében wir, so ih méinu, mit fréwi joh mit héilu.
Otfrid an Ludwig 79. 80.
β)
nach der negativen seite tritt gesund mit incolumis in beziehung. vgl. Steinmeyer-Sievers 1, 199, 13. 244, 14. 249, 21. doch erweist sich für die althochdeutschen denkmäler der gegensatz zum kranksein weniger fruchtbar als der zum tode selbst. nur im Heliand geben die heilungen Christi zur verwendung von gesund anlasz:
than findis thu gesund at hûs
magoiungan man: môd is imu an luston.
Heliand 2150 Behaghel.
in der Tatianübersetzung, die überhaupt von unserem worte keinen gebrauch macht, und bei Otfrid wird heil hiefür herangezogen, erst Notker bietet beispiele: áber dóh sámint neist nioman sîech unde gesúnde = sanus et eger. Notker kategorien (Hattemer 3) 409ᵇ, 8. ebenso 398ᵃ, 2. viel häufiger dagegen macht sich die neigung geltend, die lebensfunctionen selbst mit der vorstellung von dem gebrauche der kräfte zu identificieren, in ihnen das leben vom tode abzugrenzen, so in der glosse zu genesis 18, 10 (ich will wieder kommen, so ich lebe) gesuntemu vita comite. Steinmeyer-Sievers 1, 299, 33. 312, 56;
thô sie ina fan themu grabe sâhun
sîđon gesunden, thene the êr suht farnam.
Heliand 4111 Behaghel;
fon gót er múazi haben múnt joh wesan lángo gisunt.
Otfrid an Ludwig 32;
tîe béide uuóltôn síh kérno ûzôn. íro geuuáltes. únz sie gesúnde uuâren (so lange sie noch am leben waren). Notker Boethius (Hattemer 3) 114ᵃ 35. und so auch noch später:
dô bat si got vil dike füegen ir den rât,
daʒ si ze gebene hête golt silber unde wât,
sam ê bî ir manne, dô er noch was gesunt.
Nibelungen 1187. 3 Lachmann.
c)
übertragungen der oben entwickelten verwendungen ergeben die bedeutung, die in salvus einerseits und in tuti, kesunti Steinmeyer-Sievers 2, 82, 6; tutela, kisunti ebenda 1, 260, 29 andererseits vorliegt; vgl. die glosse zu Jacobi 2, 16 ite in pace, gisunti 1, 785, 36 (get in frid. codex teplensis):
thaz báz ist, man biwérbe   thaz éin man bi unsih stérbe
joh éiner bi unsih dówe,   ther líut sih thes gifrówe
thaz si gisúnt ther selbo fólk   thuruh thes éinen mannes dólk
thuruh sino éino dóti   thaz thúnkit mih giráti.
Otfrid 3, 25, 27;
ef thu thar fiđis fiftig   ferahtaro manno
liubigaro liodo:   muot thana that land gisunt
uualdand an thinum uuillean   giwerid standan.
altsächs. genesis (zerstör. Sodoms) Braune 204. ebenso 223. 231.
3)
die mittelhochdeutsche dichtung arbeitet vor allem die negativ abgegrenzten bestimmungswerte heraus und es entspricht hier den stoffen, die sie vorwiegend behandelt, dasz bestimmte formen eine reichere entwickluug erlangen.
a)
in der epik ist es der kampf, das turnier in erster linie, das den gegensatz bestimmt, gesund ist hier = unverwundet:
ze heilenne ir wunden ...
des biuten sî daz siechhûs
vil unlange stunt
ê daz si wâren gesunt.
Iwein 7780;
ich hâte genomen eine vrist
zwischen Gâwein unde mir
zuo dem tage, unde wir
beide wæren worden gesunt.
aventiure krone (litt. ver.) 12561;
wie sêre er wære wunt
und alsô harte ungesunt.
ebenda 15627;
er schlosz im uf sin guldin helm,
er kust in an sinen munt
'nun musz es got gelobet sin,
wir sin noch beid gesunt'.
jüngeres Hildebrandslied 'denkmäler'³ 2, 29;
die freuten sich des sêre
daz in gesunt ir herre
was von dem kamphe komen.
Ottokar 4276 Seemüller;
daz hab ich nie von im gesehen,
da von chuͦmpt er mir haim gesunt
der nie geviel noch nie wart wunt
pey chainem hoff.
Suchenwirt (klage über den verfall der ritterl. sitten) 28, 163 Primisser.
b)
in der lyrik ist der gegensatz auf ein anderes gebiet übergespielt:
dem wîsen ist daʒ alleʒ kunt
daʒ niemer sêle wirt gesunt,
diu mit der sünden swert ist wunt,
sin habe von grunde heiles funt.
Walther 6, 14 Lachmann;
ich verliuse die sinne,
gnâd, ein küniginne, du tuo mich gesunt.
minnesangs frühling 141, 7.
hier bietet auch die höfische epik belege:
dô hern Îweine wart gegeben
kraft unde gesundeʒ leben,
noch wâren im die sinne
von sîner vrouwen minne
sô manigen wîs ze verhe wunt.
Iwein 7782 vgl. 3413 m. var.;
frouwe wærest du gesunt
daʒ næme ich für Tristandes leben.
Tristan als mönch (Paul) 2517.
4)
die neuhochdeutsche periode hält an den meisten der schon gekennzeichneten verwendungen fest, nur dasz sie diese manigfach neu umprägt, sodann aber tauchen in folge des erweiterten stoffkreisesnamentlich der prosaviele bedeutungen auf, die in der älteren litteratur gar nicht oder nur vereinzelt belegt werden konnten.
a)
der gegensatz zum kranksein wird noch immer mit vorliebe von sichtbaren, offenen leibesschäden aus bestimmt:
α)
wer gern well werden bald gesund
der zoug dem artzet recht die wund
und lyd sich, so man die uffbrech
oder mit meiszlin darin stech.
Seb. Brant narrenschiff 40, 13 Zarncke;
dieweil wir nit wissen mögen, wie tieff das fleisch hinweg zu nemmen ist, darumb soll es am ersten angriffen werden mit der salb .. und damit gebunden so lang, bisz du sichst dasz der schaden gesundt ist worden. Paracelsus (1591) 319.
β)
die zeit der groszen kriege prägt die in 3) a beobachteten verwendungen neu um: welcher eim bild sant Barbara all tag etliche bätlin spräch, der werd gesund ausz dem krieg wider kummen. Eberlin von Günzburg (neudruck) i, 155; was nicht ganz davon in die pfanne gehauen wird, soll wenigstens nicht gesund nach hause kommen. Lessing (antiquar. br. 16) 8, 48.
γ)
frühzeitig treten an die stelle des kampfes, krieges in diesen fügungen die gefahren, die auf einer reise damaliger zeit drohen: erhob sich der edele fürste, landgrave Lodewig, mit seiner lieben wertinne und zogen kein Ungirn .. dar nach quamen sie alle mit glucke unde mit heile gesunt unde frisch .. widder her zu lande. leben des heil. Ludwig von Ködiz (Rückert) 31, 7; und daz ich gesunt und sicher in mein haimedt chom. ital.-deutsches sprachbuch (15. jahrh.) Brenner 58ᵇ; liesz ehr (Theseus) auch durch ein stattknecht offenlich ausruffen, wie ehr frisch und gesundt wider ankommen (nuntiumque incolumitatis suae misit in urbem). Boner Plutarch 1, 6ᵇ; frisch und gsund wider heimkommen. Schaidenreisser Odyssee (1570) 29ᵃ; gesund und frisch ausz dem ellend und groszer gefaar widerumb in sein vatterland kommen, redux incolumis Maaler 197; und derwegen ein gelübd gethan, so bald er gesund zu hausz komme. Zeiller (605 epistel) episteln 2 1058; als derselbe nach glücklich vollbrachter Muskovitischer .. reise über Engeland und Holland gesund wider zurück gelangete. Fleming (Lappenberg) 395.
δ)
auch die formeln, die Agricola 1, 569 als reisewünsche anführt, gehen schon auf mittelhochdeutsche fügungen zurück, sie zeigen anschaulich, wie mit längerem gebrauche die form zusammenschrumpft:
got ruoche dich gesunden sparn
und lâʒe dich alsô gevarn
daʒ dir vrô Sælde lache
und al dîn heil bewache.
K. von Würzburg Silvester 2563;
'gott spar euch gesund' also letzen wir uns mit unsern freunden, und befehlen ire gesundheit gott, der sie erhalten wölle mit gutem gesundt. Agricola (Wittenberg 1582) 567; vgl. gott spar dich gesund deus te salvum atque incolumem servet Bayer 388; nun spar dich gott gesund. Hoffmann gesellschaftslieder des 16. und 17. jahrh.² nr. 29; ebenso gott spar' se gesund noch bei Schütze holstein. idiot. 2, 58. 'gesund sehen wir uns' gott gebe, daz wir einander gesund finden und wider sehen. Agricola 568; 'gesund herwidder' gott helfe dir gesund widerumb zu uns. ebenda 569; helf euch gott gesund zusammen. Fleming 328.
ε)
in der jägersprache behält unser wort die bedeutung unverwundet bis in die neuere zeit: denn wenn er (der schweiszhund) gut ist, so musz er auch das verwundete unter dem gesunden ausmachen können. H. W. Döbel eröffnete jägerpraktika (Leipzig 1785) 1, 355; zu merken ist hiebei, dasz man auf gesundes wild (welches nicht angeschossen) nicht viel arbeite. ebenda 1, 354.
ζ)
in bestimmten attributiven verbindungen (sp. 4302) erhält das adjectiv eine besondere prägung dieser bedeutung durch das substantiv, zu dem es tritt: es ist auch guͦt, das man die gesunde vinger mit den andern (gebrochenen) bindet. Braunschweig chirurgia (1534) 106ᵇ.
b)
reichere entwicklung fördert der allgemeinere gegensatz zum kranksein, der sich mehr auf dem gebiete der inneren medicin bewegt.
α)
in allgemeinster fassung: siech zu arbeit, gesunt zu wollust. ackermann aus Böhmen 44, 19; es ist nichts gesundes an meinem leibe. Luther psalm 38, 4; von der fussolen bis auffs heubt ist nichts gesundes an jm. Jes. 1, 6; welckeren he alse ein erfarner arste von syner swaren kranckheyt gesunt gemaket. jüngere glosse z. Reinke de vos (Brandes) 174; wente wen se vormeinen eyne kranckheyt gesunt tho maken, so vororsaken se vele ander dartho. ebenda 175; heut gesund, morgen kranck, vber den dritten tag todt. Henisch 1583. Bock das buch vom kranken und gesunden menschen.
sie musst herdurch widr ihren dank,
gott geb, sie war gsund oder krank.
Hoffmann gesellschaftsl. d. 16. u. 17. jahrh.² nr. 74;
bald lustig wie ein bräutigam
leb' ich und bin halb krank und halb gesund.
Göthe briefe (Weimar) 1, 170.
β)
bestimmten krankheitsformen gegenüber gestellt:
sô tuo gesunt hie disen lamen.
Konrad v. Würzburg Pantaleon (zsch. d. a. 6, 224) 1098;
swenne deme menschen dehein siehtuom wirret in dem houbet .. wirt aver daʒ houbet gesunt; .. swem wê ist umbe die brust. .. dem hilph alsus ... sô wirt er wol gesunt umbe die brust; .. swer siech wirt in dem bouch .. des wirt er ledich von dirre arzenie; .. swer siech ist in der blater .. der nem fenichel und epich unde retich unde phefer unde petersil unde pastinatam unde siut diu alliu in einem waʒer .. und soufe daz siben tage .. so wirt er gesunt. disiu erzenîe stuont alliu an dem brieve, den Ipokras dem chunege Antiocho sante. swer sich bewaret vor disen vier siechtümen, der ist immer wol gesunt. bair. arzneibuch des 13. jh. (Pfeiffer) Wiener s. ber. 42, 158, 14; swem die ougen wê tuont. des morgens wasch die ougen mit dem waʒer, dâ die rôsen inne gesoten sint, sô werdent din ougen gesunt. ebenda 147, 35. vgl. J. Haupt Wiener sitz.-ber. 71, 474;
strauff die judden zu disser stunt
und mach den armen blinden gesund.
Alsfelder passion 1603;
die erzenîe .. machet den magen gesunt unde den gerne unmächtet, der wirt dâ von gesunt. bair. arzneib. a. a. o. 133, 32, 33; swenne daz wîp den siechtuom hât .. salbe dich dâ mit, al umbe die tougen stat. wellest dû aver schiere gesunt werden, sô nim linse unde beize die mit wîne .. unde neuʒ die erzenîe alle tage. ebenda 132, 21; anno 1381 jar da waren hie zwen beghart und ain paur, ir waren fünff, die teten sich ausz die leut gesund ze machen an dem gicht . die verprannt man, wann sie waren ketzer. Augsburger chronik in d. städtechron. 4, 313, 19 (gicht hier = zuckungen, krämpfe, vgl. do erwand die tobsucht an mannen und an wiben. ebenda 68, 14); wen dise kranckheit (der englische schweisz) hat angestoszen und den luft hat zu im gelaussen und nit warm zuͦ gedeckt ist gewesen, der ist gestorben: in 24 stunden gesund und tod. Sendners chronik, d. städtechron. 23; 248, 4; in pestilentz zeitten sein sie (die blatern) am aller sorglichsten .. so sie aber gleich under den beulen erscheiuen und flucks auff gethon werden und eyteren so wirt die gifftig materi der beulen mit sampt dem gifft der blattern auszgeführt, welchs dann sehr ein gut zeychen ist, dann vil dadurch darvon kommen und gesund werden. Tabernaemontanus gewisse und erfahren practick, wie man sich .. vor der pestilentz hüten und bewaren (1551) 262; so folgt eine andere art der frantzosen hierausz, die nicht zu heilen seind mit den gemeinen particularibus, sondern da müssen universalia arcana seyn, anderst wirdt der krancken keiner gesundt werden. Paracelsus chirurg. schriften (1591) 393. vgl. hiezu schon die notiz der 4. Augsburger chronik (s. u. III 2, a, β sp. 4309).
γ)
eine gruppe für sich bieten die belege, in denen für krankheit und heilung der sitz im verstand oder gemüthe liegt. die für die mittelhochdeutsche lyrik belegte verwendung begegnet hier zwar auch noch in der neuhochdeutschen:
sieh, wie ich so krank bin, so liebekrank,
o mache mich wieder gesund, mein lieb!
H. Leuthold gedichte² 117.
doch meist ist die auffassung eine ernstere geworden, auch da, wo sie an alte litterarische traditionen anknüpft: mein fräulein, lassen Sie mir noch heute meinen gesunden verstand, und beurlauben Sie mich. (Tellheim in Minna von Barnhelm 4, 6) Lessing 1, 579; verständige leute, die kurtz zuvor ire fünff sinne noch gesund bei einander gehabt. Simpl. (neudr.) 82. vgl. gesunder verstand, gesunde vernunft sp. 4306 ff.; wie der wahnsinnige, der seinen nahenden paroxysmus ahnet, alle messer entfernt und sich freiwillig den banden darbietet, um für die verbrechen seines zerstörten gehirnes nicht im gesunden zustand verantwortlich zu sein. Schiller 10, 424, 16;
wo? de sünd jo woll ungesund,
de heww'n jo woll nich ehren schick.
Reuter reis nach Belligen kapitel 20.
δ)
körperliche und geistige eigenschaften werden also auch bei der negativen abgrenzung des begriffes gesund neben einander entwickelt:
wer am leibe nicht gebrechen, im gemüthe lüste fund,
dieser kann sich billig rühmen, dasz er völlig sey gesund.
Logau 3, 7, 66 (litt. ver. 113, 556).
auch auf das moralische gebiet wird dieser begriff übertragen; die zeitungen schrieben 1896 'von dem gesundschieszen eines mannes, der einmal ehrlos handelte'.
ε)
in der neuesten litteratur greift auszerdem folgend einerheute wieder vielfach bestrittenenhypothese der wissenschaft, der negativ abgegrenzte gesundheitsbegriff über das einzelne individuum auf dessen vorfahren zurück, gesund ist frei von erblicher belastung:
Helene. und gesund bin ich ja auch ..
Loth. sag mal, sind deine eltern gesund?
Gerh. Hauptmann vor sonnenaufgang, 4. akt.
ζ)
vom menschen wird dieser so gewonnene begriff auch auf andere lebewesen, auf thiere, pflanzen, gegenstände aller art übertragen: es wer ainem ain vich krump oder krank, so mag derselb so lang unzt es gesont worden. tiroler weisth. 3, 284, 39; ein weise hausmutter .. sollen ir viehe .. kennen .. ob sie milchreich, gesund, äszig, leicht oder übel zu warten. Hohberg 2, 317ᵃ; denn wie die gesunde faser dem übel widerstrebt und bei jedem krankhaften anfalle sich eilig wieder herstellt. Göthe (Winckelmann) 37, 21 u. a. die vielverzweigte bedeutungsentwicklung, die an diesen übertragungen ansetzt, läszt sich am besten beim attributiven gebrauch unseres wortes verfolgen (s. sp. 4302 ff).
c)
der positive bedeutungsgehalt von gesund kommt, obwol er den grundlegenden begriff bildet, erst in der neuhochd. periode zur geltung; doch ist es deutlich, dasz wir es hier mit alten fügungen zu thun haben, die litterarisch bislang nicht belegt waren. bei der bestimmung der positiven bedeutung musz man von fällen absehen, in denen einfach blosz umkehrung der negativen fassung vorliegt, wie z. b. gern in definitionen: gesund ist der mensch, sofern alle seine kräfte in dem zustande sind, dasz sie ihre naturbestimmung erfüllen können. Gruber versuch einer allgemeinen teutschen synonymik (Halle 1827) 3, 193. sehr oft mögen auch die positiven bestimmungsmomente sich erst auf dem boden der negativen abgrenzung weiter entwickelt haben, ähnlich wie es Schiller andeutet in dem satze: unser gefühl für natur gleicht der empfindung des kranken für die gesundheit. 10, 445, 16; hieher gehört wol auch der folgende versuch, den umfang abzugrenzen: gesunder, sanus, heiszet derjenige, dessen leib und seele sich recht und nach dem trieb der natur verhalten. die vornehmsten zeichen der gesundheit sind ein hurtig ingenium, glücklich gedächtnisz, reine unverdorbene rede, scharff gesicht und übrige wohlgeübte sinne, ruhiger schlaff, ordentlicher adpetit, eine gute und rechte dauung. Zedler 10, 1334. in positiven zügen dagegen breitet sich der bedeutungsgehalt von gesund schon in den oben (sp. 4293) erwähnten glossen zum Sachsenspiegel aus, die den für die testierfähigkeit nothwendigen grad der gesundheit weiter bestimmen: dat he begort mit eme sverde unde mit eme scilde up en ors komen mach von eme stene oder stocke ener dum elne ho .. en bur mag it vorgeven als he enen ummeganc plugen mach enis morghen lank, en vrue wen sie tur kerken gan mach, als si darvan ist tvintigh rude. Homeyer I, 1, 2. vgl. dazu eine spätere glosse von 1474. bestimmte anhaltspunkte gewähren hier die verbindungen, die das wort mit synonymen oder verwandten begriffen enger oder loser eingeht, auch lassen sich bedeutungsentwicklungen blosz legen, die zum mindesten über positive bestimmungswerte laufen.
α)
verbindungen mit synonymen.
1))
für gesund und stark sind die älteren belege schon zur grundbedeutung herangezogen worden. dazu vgl. gesund und starck firmus. Dasypodius Fb. Maaler 177 u. a.: gesund und starck, en bon point. Hulsius 2, 164ᵇ; das der bapst yhm nit lessit benugenn, das er reytten odder farenn muge, szondern, ob er wol starck und gesund ist, sich von menschen .. tragen lessit. Luther an den adel (neudruek) 40;
den das man kesz acht ungesund
hett bey gesunden keinen grund,
weil bey der milch, bei kesz und quarck
die hirten bleiben gesund und starck.
froschmäuseler v. 947;
und sind vil gesunder und stärker dabei geworden. Harsdörffer gesprächspiele 8 (1649) 524, vgl. auch 6 (1646) 168; von gesunden und starcken leuten. Hohberg I, 2, cap. 103; jüngling und sey stark und gesund und werde alt mit gutem gewissen vor gott und den menschen. Gellert (moral. vorlesungen) 6², 286; der krüppel ist doch noch ziemlich ganz und gerade; scheinet doch noch ziemlich gesund und stark. Lessing (Minna v. B. 4, 6) werke³ 2, 238; vier buben gesund und stark wie ihr. Felder Nümmamüllers 213;
der den ohm, so stark und gesund
liesz henken, den kühnen di Vesta.
A. v. Droste gedichte ('die vendetta') 181.
2))
gesund und frisch. unter frisch (s. theil 4, 1, 207) wurde schon die nahe verwandtschaft beider worte betont:
ja, einem jeden gast, der nur der wahrheit glaubet,
er sei reich oder arm, krank oder frisch,
wird zu des herren dienst und tisch
zu kommen gern erlaubet.
zu den dort beigebrachten belegen vgl. noch:
für welcher krankheit ich nicht wündsche
frisch zu sein.
Fleming 528.
in nordischen aufzeichnungen deutscher rechtsdenkmäler tritt frisch ganz als ersatzwort für gesund ein: do se gesünd weren — daͦ de vara friska. Wisby sjörätt cap. 21 Slyter 4, 202; he si sek oder ghesund — han vara sjuk eller frisk. Slyter 4, 1, 23. die verbindung beider worte ist unter frisch aus deutschen denkmälern, vor allem aus Luther, reichlich belegt, hier einige ergänzungen: so lang nun das marck in dem bawm frisch und gesundt bleibt. Geiler narrenschiff 88; gesund und frisch sein, bene habere. Dasypodius F b;
dasz jhr in acht und viertzig stund
könd wider werden frisch und gsund.
Ayrer podagra (litt. ver. 79) 41ᶜ;
der uns von mutterleibe an
frisch und gesund erhält
und wo kein mensch mehr helfen kann
sich selbst zum helfen stellt.
Paul Gerhardt 'nun danket all und bringet ehr' 3;
mein kleiner sohn ist frisch und gesund, und macht die freude meines lebens aus. Schiller an Körner 4, 92 Jonas; dasz ich meine .. reise zu euch und nach Berlin, wo ich gesund und frisch seyn möchte, auf eine bessere zeit verschiebe. ebenda 6, 293;
das gesicht meines liebchens ist frisch und gesund,
die stirne so rein, die blauaugen so wonnig.
die zähne milchweisz und zum küssen ihr mund
Leuthold gedichte² 291.
3))
nahe verwandt mit diesen sind andere variationen: wenn man frei und gesund athmen will. Thümmel werke (1853) 3, 144;
her lauft, gail und gsund
still, ihr lieben hund.
Wolkenstein 43, 43 Weber;
weil er noch gesund, wol auff ist. Schönsleder; das Kaspale schrieb, dass es gesund und wohlauf sei. Felder 213; ey guten abend, liebs alt mütterchen! noch gesund und wohl? maler Müller 1, 286; hier hab' ich nun alle unsere freunde gesund und wohl angetroffen. Göthe 29, 17;
ach gott du wollst mir geben
in diesem maien grün
ein fröhlichs gsundes leben.
Hoffmann gesellsch. lieder² no. 165;
leben sie recht wohl, und der himmel bring sie gesund und heiter zurück. Schiller an Göthe (Jonas 4, 215); das alte ist nicht klassisch, weil es alt, sondern weil es starck, frisch, froh und gesund ist. Göthe bei Eckermann 2, 63; leben sie gesund und glücklich mit den ihrigen. Schiller an Cotta (Jonas 6, 237);
hier habt ihr ihn! hier ist er ganz und gar!
nun seht euch satt an ihm und schreit und jubelt!
.. freund, siehst du? er ist da! gesund und rüstig!
Grillparzer (argonauten ⅠⅠ) werke⁵ 5, 68;
der naturmensch dagegen ist ein zwar beschränkter, aber gesunder und tüchtiger mann auf der erde.
Herder (ideen 2, 246) 13, 372;
beide sind gesund und tüchtig.
Göthe bei Eckermann 2, 63.
auch zwischen gesund und glatt finden sich beziehungen, in der gaunersprachc haben beide dieselbe entsprechung, vergl. Chochemer loschen 182. 183. die verbindungslinien führen hier über glatt = schön, frisch, jung und glatt = listig, klug, da ja auch nach der letzteren seite gesund sich entwickelt hat vgl. γ) 2)) sp. 4300.
β)
veranschaulichung des bedeutungsgehaltes durch bilder:
1))
in der form der zusammensetzung. für das thüringische sind von Brückner beobachtet: kerngesund, eichelgesund, kerneichelgesund, womit zu vergleichen sind: eichelfrisch, kernfrisch. Frommann 1, 234, vgl. auch Spiesz Henneberger idiotic. 78; dazu lassen sich auch aus anderen mundarten bestätigungen und ergänzungen beibringen, vgl. Tobler bei Frommann 5, 191.
2))
in der form des vergleiches: in fischgesund, hechtgesund Frommann 5, 191 treten compositionen auf, die unserer litteratur sonst mehr nur in der form des eigentlichen vergleichs bekannt sind: sanior pisce hat aus Horaz und Juvenal vor allem in die sprichwörterlitteratur des 16. und 17. jahrh. übergegriffen, doch finden wir schon:
im (Jason) wâren alliu sîniu lider
gar lîhte worden unde vrisch,
er wart gesunt reht als ein visch
der vert in einem wâge.
Konrad v. Würzburg troj. krieg 10808.
gesund wie ein rheinegle = pisce sanior Denzler 116 geht wol auf Gessner zurück: gesund wie (gesünder dann) ein rheinegle perca rhenana sanior aut salubrior. Gessner historiae animalium 4, 824. jedenfalls hat sich der vergleich allgemein eingebürgert (vgl. theil 3, 1679) und wird in den wörterbüchern festgehalten: gesund und frisch als ein fisch whole. Fritsch deutsch-engl. wb. (1716) 765 u. a. besonders zahlreich sind die mundartlichen belege: gesund wie ein fisch im teiche. Spiesz Henneberg. idiotic. 78; hä es so gesund as en fisk im water für die grafschaft Mark Frommann 5, 59, 66; ebenda 6, 167, 93 für Franken. diesem volksthümlichen vergleiche gegenüber bleiben andere vereinzelt und ohne nachwirkung: gesund bin ich wie eine sonne, aber mein ganzes haus war über zwey monate krank. Zelter an Göthe briefwechsel 1, 424.
γ)
bedeutungsentwicklungen. wie die negative abgrenzung des bedeutungsgehaltes eine bestimmte entwicklung fördert und eigene übertragungen ansetzt, so lassen sich auch verwendungen blosz legen, deren nächster ausgangspunkt die positive fassung bildet:
1))
in sinnlicher grundbedeutung: gesund am leib, vegetus Dasypodius Fb; die alten Lacedämonier warfen ihre schwachen kinder weg, weil sie auf eben so schwache seelen schlossen, so wie allemal der kranke kleinmüthig, und der groszmüthige auch in seinem tode gesund ist. Herder 1, 47.
2))
übertragen: für die studentensprache führt Kluge 92 die bedeutungen klug, tapfer, bei kasse an; jedesmal liegt die anwendung des grundbegriffes auf eine andere einzelne lebensäuszerung vor. ähnlich verhält sich die Berliner redensart 'das ist ein gesunder junge', die in ihrer norddeutschen sonderprägung sich nahe mit österreichischen wendungen berührt: du bist a g'sunds ban, ein leichtfertiger mensch. Hügel 74.
d)
eine bedeutsame erweiterung des umfanges bahnt sich zu ende der mittelhochdeutschen zeit an, indem gesund auszer den eigenschaften, die der begriff entwickelt, auch wirkungen zum ausdruck bringt; das wort wird activ, erhält die bedeutung gesundheit fördernd, zuträglich, nützlich. die glossen ziehen für diese verwendungen zusammensetzungen mit heil heran: sanus, gisunt, salubris heilanlich. Steinmeyer 1, 244, 12 und noch die vocabularien halten ausschlieszlich an diesen fest: heilsam wurtz ald kraut. Wackernagel vocab. optim. 49 u. a. die älteren arzneibücher lieben es mehr, die wirkung persönlich zu fassen: der dises lûtirtranches spulgit, der wirt vil gesunt. Pfeiffer a. a. o 124, 28; oder sie verwenden andere mittel: daz lûtirtranc ist vil guot unde heilit unde gehaltet. Pfeiffer 124. vgl. auch die recepte in Mones anzeiger (1838) 608—11. erst in einem elsässischen arzneibuch des 14. jh. begegnet: und duͦt oͮch nieman we und ist oͮch zuͦ mole gesunt (die salbe ist guͦt für den grint). Birlinger Germania 10, 220; ebenso aus dem 15. jh.: und auch herterr air und herter kaes und praten und sweineins fleisch daz ist nicht gesund ze ezzen. J. Haupt Wiener sitz.-ber. 71, 507. zur erklärung bieten sich zwei arten von fügungen dar, die erst neben einander hergehen, dann aber in einander übergreifen und sich beeinflussen:
α)
ein stat wart in beiden
über ein waʒʒer beschaiden
dâ der luft gesunt was.
krone 12508;
die gesunde lufft ist leichtlich zu erkennen, wenn sie rein ohne wolcken, klar ohne dünste, und hell ohne nebel ist. Hohberg i, 2 cap. 88 (s. 241); ein gutes gesundes wasser soll hell, durchsichtig .. seyn. ebenda 2, 524; daz wazzer laet chaynen weyn faulen, der iz gewzet dar zu in ayn vaz, so behallt ez in pey seyner sterich und macht in lawtter und gut und auch gesundt. J. Haupt a. a. o. 543; wenn die reb fast wainet, das ist ain zaichen, das siu gsunden rainen win wil bringen. schwäb. arzneibuch des 15. jh. Germania 30, 101 (H. Fischer); die mezger und fleischhacker guet gesundes fleisch um billichen preisz .. auszhauen. tirol. weisth. (Kufstein) 1, 46, 45. in diesen beispielen ist es die eigenart des trägers der bedeutung, die eine passive und eine active fassung in sich vereinigt und diese letztere in bestimmte wirkungen auslöst.
β)
die wirkung tritt in den vordergrund in: dieser wind ist gesunder dan alle andere. Seb. Fischer Ulmer chronik 80; zur rechten seitten Chorum nordwest der schneit und hagelt, der linck Boreas genant nordost, trucknet mitt kelte, seind allzuͦmal gesund, verstellen die fluͤsz, macht starck krefftig und harte stuͦlgeng. S. Frank weltb. 3ᵇ (1534); dasz wetter ist, glaube ich, nicht gesundt. Elisabeth Charlotte (litt. ver. 107) 221; wie eine jede trockene luft von gemäszigter temperatur dem menschen allemal sehr heilsam ist, so ist ihm auch eine gelinde kalte trockene luft ungemein gesund. Zückert einflusz der luft und witterung auf die gesundheit 120. — flieszunt wasser ist gesunt und geleicht dem brunnwasser = l'aqua chorente e sana. deutsch - ital. sprachbuch (Brenner 29ᵇ); sant Gallen bron oder der wallig bron. das wasser soll nit allein zu drinken hailsam und gsundt sein .. wavern aber der bronnen sich betruept, so ist wenig hoffnung seiner gesundheit mer gewest. Zimmersche chronik (litterar. ver. 94, 414) nachtrag zum jahr 1419; gersten macht gsund wasser. für bittere wasser sind gestoszen corallen gut oder gestoszen gersten in ein tüchlin geknipft und ins wasser gehengt. Sebitz feldb. (1580) 16. vgl. gesundbrunnen, gesundwasser;
alle waren geletzt und lobten das herrliche wasser;
säuerlich war's und erquicklich, gesund zu trinken den menschen,
Göthe (Hermann und Doroth.) 40, 312;
wan alsô ungesundiu spîse tempert die natûre ze siehtuome und gesundiu spîse ze gesunde. David v. Augsburg in Pfeiffers mystiker 1, 359, 33; de ys gelick eynem krancken, de wol erkent welcke spyse em gesunt edder schedelick ys. jüngere glosse zum Reinke de vos (Brandes 228) 4, 12; sambt vischen und krebsen, wie auch allerhand guetem gesundem gekraüt und gekürn. Griesbacher badeordnung von 1617 zeitschr. gesch. Oberrh. 28, 454; und soll ihm kost geben, die da gut und gesund sey .. das niemand darvon schwach oder ungesund werde. weisth. 4, 576 (Lindscheid 17. jh.). die hauptsächlichsten übertragungen ergeben sich aus dem attributiven gebrauche des adjectivs. vgl. 4302 ff.
γ)
in verbindung mit dem verbum substantivum berührt sich diese verwendung von gesund enge mit solchen von gut; eine parallele die ihrerseits wieder einflusz auf unser wort ausübt. auch das ist gut erhält active bedeutung, wenn ein persönlicher dativ dazutritt (das ist mir gut): der essig betrachtung ewiger verdammnusz ist nit einem ieglichen guͦt noch gesunt zuͦ bruchen. Geiler christl. bilger 210ᶜ; hât er den guot, daʒ ist im gesunt. Boner 42, 4; mein kind, prüfe was deinem leibe gesund ist, und sihe, was jm ungesund ist, das gib jm nicht. Luther Sirach 37, 30; vgl. sprüche Salom. 4, 22. 3, 8 u. a.;
ich isz nur eytel ringe speisz,
sie schmeckt mir für mandel und reisz,
so ist mir die arbeit gesund,
macht mich lustig und rund.
Hans Sachs litt. ver. 106, 28.
1))
in vielen fällen tritt bei dieser fügung der persönliche dativ als durch den zusammenhang gegeben, zurück, vgl. grüne varb ist alle zeit .. gesund den augen. Steinhöwel regimen sanitatis (archiv f. gesch. medicin 4, 209); hüner und lampflaisch und guter win und ajer die sind gesund sunder in diser zyt. ebenda 125; etlich halten das gesund sie ains oder zwaimal das monat truncken werden, doch beschaidenlich. regimen pestil. archiv. 3, 404. es ist nicht allweg gesund, was gehet in magen durch den mund. Henisch 1583; wermuth ist nicht immer gesund. froschmäuseler (1618) C 4 b; ich finde keine thorheit im lustig machen, den dasz ist gesund. Elisabeth Charlotte (litt. ver. 88) 447; ob gesund und vorträglich seye sich spat niderlegen und frü aufstehen. Harsdörffer gesprächspiele 8 (1649), 519; gesund sanus, salubris. Schottel 1325. gesund, vide heilsam. Emmel 625.
2))
die übertragenen verwendungen halten dagegen kräftiger an dem persönlichen dativ zur angabe der zielrichtung fest:
so gedenkt der jurist aber ainen fund
der dem arm man nit ist gesund,
und zücht im die sach gen Mentz oder gen Rom.
teufels netz 3673 ff. (litt. ver. 70);
das sie jhm (dem herzog von Braunschweig) damit stewren und wehren seiner tyranney gotteslesterung und böse thaten, das er muss auffhören und ablassen, solchs ist jhm selber gesund und gut. Luther (Jena) 8, 251ᵇ;
's cha sy, sie freut di nit,
's cha sy, sie haut der 's vüdeli wund,
doch witt nit anderst, sen isch's der gsund,
's muesz nit sy, wenn d' nit witt.
Hebel die mutter am christabend.
e)
im sprichwort und in entsprechenden redensarten treten einige charakteristische auffassungen und umdeutungen des begriffes hervor.
α)
drei ding sindt gesundt:
wenig esz dein mundt,
üb dich alle stund,
lauf nicht wie ein hund.
S. Frank sprichw. (1541) 1, 45ᵇ.
β)
aber wenn du gesunt pist, so pistu reich. deutsch-italien. sprachbuch (Brenner 58ᵇ); ein gesunder baur ist ein grosser herr, sagt kayser Friedrich der III. Lehmann 302; gesund und arbeitsam verzehrt das seine nimmermehr. Körte 2021. Simrock 3561. weitere belege vgl. Wander 1, 1633 ff. vgl. auch III, 1, a, α.
γ)
es ist nicht allweg gesund
was gehet in magen durch den mund.
Henisch 1583.
wenn d' gesund willst bleib'n
und lang willst leb'n,
oft muasst de' milch a wasse' geb'n.
Frommann 6, 32, 2 (aus Alpach im Unterinnthal);
dasz zu gar gesund sei ungesund, dasz niemand des edlen schatzes der gesundheit weniger achte als eben die allergesundesten. Opel u. Cohn (aus 'neue zeitungen' von 1621) 392.
δ)
es ist besser kurz gesund, als lange ungesund leben. Beyer predigten über sprichwörter (Erfurt 1800) 78.
ε)
so seye ich nicht gesund, oder komme mich alles unglück an ne valeam Dasypodius E b; ich will nicht gesund hinweggehen, ne salvus sim. Bayer 288; ich will nicht gesund dastehen! Spiesz Henneberg idiot. 78.
III.
gebrauch. bei der bedeutungsentwicklung hatten die einzelnen verschiebungen des wortgehaltes den gliederungspunkt gegeben und nur gelegentlich war zum ausdruck gekommen, wie weit der gebrauch des wortes im satzgefüge sich hier geltend macht; es ist aber nöthig, auch diesen nach seinen einzelnen formen heranzuziehen, weil die feineren bedeutungsunterschiede erst hiedurch eigentlich zur kenntnis kommen und ihre erklärung finden.
1)
im attributiven gebrauch hält.
a)
die verbindung mit concreten nominibus am sichersten an der grundbedeutung des wortes fest, der menschliche hörper mit seinen einzelnen organen, die auszenwelt mit ihrem greifbaren inhalt bilden die träger des grundbegriffes.
α)
1))
ziu gesundên lîchamôn sumên sûoze sumên eiuer geualle, cur sanis corporibus his quidem dulcia, illis vero amaria conveniant. Notker Boethius (Hattemer 3, 199ᵇ); o du grosser mann, was rümest du dich lang deines gesunden leibs, weist du nicht, dass der heut gesundt ist, morgen todt kranck ligt. Geiler z. narrenschiff 92; da doctor Martinus Luther die rothe ruhr hatte, und auch vom stein geplaget ward, sprach er: 'ach lieber herr gott, welch ein kleinod ist ein gesunder leib'. Luthers tischreden 5 (Erlanger ausgabe 61), 407;
nach grossem reichtuͤm ich nit ficht
die weil ich hab gesuͦnten leib,
so ner ich mich mit kind und weib
mit meiner hantarbeit all teg.
H. Sachs 'vom zutrinken' neudruck 110, s. 423;
gesunden leib und lank leben, gesunden leib und frischen muͦt wünschen neujahrsgrüsze des 16. jahrh. Mone anzeiger 7, 92 und 94; vylerley köch und mancherley speisz machen nit gesunden lyb. Eberlin von Günzburg neudrucke 139, 47; gsunder und wohlmügender leyb, salubre corpus. Maaler 197ᵃ; dieweil nun die malafrantzosen von andern kranckheiten entspringen, und nit von gesundem leib kranck leit machen. Paracelsus chirurg. schriften (1591) 374; darzu auch geben einen gesunden leib. Tabernaemontanus neu wasserschatz (Frankfurt 1593) vorrede;
wer ungelehrte ertzte sucht,
speisz, die zwey mal sein gekocht,
und hauszhelt mit eim bösen weyb,
hat nimer ein gesunden leib.
Kirchhof wendunmuth (litt. ver. 95) 147;
ein gesunder und brauchbarer körper. Gellert 5², 71; ein gesunder leib ist wie ein musikalisch instrument, so die saiten verletzt werden, hat man lang dran zu stimmen, bisz sie wieder zur harmoni kommen. Lehmann 304; einmal sind gute und feste zähne immer ein hauptkennzeichen eines gesunden festen körpers und guter säfte. Hufeland kunst, das menschl. leben zu verlängern 1², 272.
2))
im rechtsleben spielt die verbindung ihre besondere rolle bei der testamentsabfassung: letzt ouch iener das gut uff by gesundem libe. codex jen. im richtsteig lehnrechts (Homeyer) 30 § 4; als mich myn geselle Petir vormals zeu syme gute mit offinbaren schrifften und instrumenten offinbar bestetigit hatte by syme gesunde leibe. Magdeburger fragen (Behrend) I, 6, 5; er mag auch by synem lebendigen gesunden leib syn varend hab gäben, wem er will. weisthümer 4, 414 (Thurgau 1403).
3))
in den erwähnten formeln tritt der leib mit seiner sinnlichen grundbedeutung gerne in gegensatz zu den geistigen functionen des menschen: gesund mit bedachtem mute (Magdeburger fragen II, 2, 10), während in dem obenerwähnten beispiel aus demselbem denkmal für cum bona sue mentis deliberacione et sana corporis valetudine (Behrend 239) der leib als träger aller functionen erschienen war: ich Dyethier von Venigen .. duͦn kunt .. vor mich und alle myne erben, daz ich mit gesamenter hant, mit gesundem libe und mit wolberadem muͦde und guter wyszen myner sinne und mit einmütigkeit Annen myner elichen husfrauwen .. geben han. zschr. gesch. Oberrheins 12, 180 (anno 1388); du sprichst, was sol ich aber wünschen, das wünsch, das Juvenal sagt, das ein gesunt gemüt sy in einem gesunden leib. Geiler v. Keisersberg narrenschiff 68ᵃ;
gesunden leib gib mir, und dasz in solchem leib
ein unverletzte seel und rein gewissen bleib.
gesunder leib, ein böses weib. die gesundheit wird mit einem bösen weib verglichen. weil selbe mehrmals, wider die seele, als ihrem ehegatten streitet. Harsdörffer gesprächspiele 6, 270. auch das antike sanum corpus et sana mens taucht in der humanistisch beeinfluszten sprüchwörterlitteratur auf (Lehmann 302) und erhält mit dem neu erwachenden sinne für leibesübungen und körperpflege seine neue prägung mens sana in corpore sano: wir wünschen einen gesunden geist in einem gesunden körper. Göthe (farbenlehre) 53, 130.
β)
gesund in bezug auf die einzelnen organe des körpers. diese heben entweder die einzelne stelle aus, an der der gegensatz von krankheit und gesundheit (II, d, 2) ansetzt, oder sie sind factoren bestimmter bedeutungsentwicklung.
1))
in der glosse zu Prudentius psychomachia 11 tritt der gegensatz nur als bild für unsinnliche vorstellungen auf: obsistat meliore manu kisuntero henti Steinmeyer 2, 462, 66; die eigentlichen verwendungen lassen sich erst aus späterer zeit belegen, wo die medizinische erfahrung mehr in einzelheiten sich vertieft: der patient werde das band uff die gesunde seytten geruckt haben. Krafft reisen (litt. ver. 61) 23; wie flammula ein gesunde haut cauterisiert. Paracelsus chirurg. schr. 349; auch das gesunde auge wurde in den kreis der entzündung, der schmerzen gezogen. wie das eine auge erst unrettbar verloren gegangen war, zitterte der kranke für das gesunde. archiv für med. erfahrung II (1821) 245 (Matthäi) u. a.; eine gesunde lunge gründet man am besten durch eine reine freye luft, und in der folge durch sprechen, singen, laufen. ein gesunder magen durch gesunde, gute verdauliche .. kost. eine gesunde haut durch reinlichkeit, waschen, baden .. die kraft des herzens und der gefäsze durch alle die obigen mittel, besonders gesunde nahrung. Hufeland kunst das menschl. leben zu verlängern 2², 165.
2))
rotzige leut stecken in gesunder schöner haut. Lehmann 303; es seien zwei miserable ziegen, welche noch dazu kein gesundes haar am leibe hätten. J. Gotthelf Uli der pächter cap. 22; des gesunden harn. Steinhöwel regim. pestil. (Ehrle) 395; im wahn sein scharfes und veraltetes geblüt durch ihr süszes und gesundes zu verjüngen. Klinger Faust 4, 3 (Sauer 244).
3))
wir sculun unser houbit den heiligen christ ze diu biscirmen, daz wir von ime in dem iungisten zîte mit gesunteme houbete zuͦ ewiger guizi geladet werden. althochd. physiolog. Diutiska 3, 30; dafür soll's ein jeder mensch halten, so er gesunde augen, ohren, hände, fusse und andere gliedmasz hat, dass es nicht ein natürlich, ungefährlich gewächs sey, wie es die welt ansiehet, sondern es sind lauter gaben gottes. Luther (Erlangen) 5, 38; man musz die mythologie von der seite ansehen, auf die jedes gesunde auge natürlich und zuerst fällt. Herder 1, 439; gesundes auge, heisset man in der optick dasjenige, welches sowohl in der ferne als in der nähe gut sehen kan. Hübner math. lexicon (1734) 1, 556. — ist also liederlich umb seine gesunde gliedmassen kommen. Schoch komödie vom studentenleben 79, 14 Fabricius; wie die junge bursch gemeiniglich thut, und bringen sich umb ihre gesunde glieder, umb leib und seel. Schupp ('gedenck dran Hamburg' 1656). Wackernagel lesebuch III¹, 709, 32; wenn sie auf den verlust ihrer gesunden gliedmaaszen betteln zu gehen denken. Lessing (Minna v. B. 4, 6) werke³ 2, 238; obschon ich zwei gesunde arme habe, so wagte ich doch nicht frei herauszusagen, dasz mich ihr zu liebe diese schon nähren würden. Musäus schatzgräber 3, 160.
γ)
alle gesunden menschen haben die überzeugung ihres daseyns und eines daseyenden um sie her. Göthe 49 (maximen und reflexionen 4) 90; vgl. 45; ein gesunder und reinlicher mensch hat von der natur ein starkes recht uns zu gefallen. Möser phantasien (1778) 1, 48; so ein gesund mann der vernunfft, die vernunfft verleurt. Paracelsus opera (1616) 1, 550; er (evangelist Matthäus) erzählt als ein planer gesunder mann, dessen erzählung wohl unrichtig sein kann, aber ungereimt doch wahrlich nicht ist. Lessing (eine duplik) 10, 117; dasz gesunde kinder von euch geboren werden. Luther Tob. 6, 22 (suͦn werden geboren von euch in gesuntheyt. in der Straszburger bibel von Eggestein); gesunde und starke kinder. Harsdörffer gesprächspiele 6 (1646), 168; möge alles glücklich überstanden seyn .. und du mit deinem lieben mann dich eines gesunden und geliebten kindes erfreuen. Schiller an seine schwester Luise (Jonas 6, 421); so lautet noch heute die übliche geburtsanzeige: die glückliche geburt eines gesunden knaben (mädchens) beehren sich anzuzeigen etc. — den sah ich auf einmal, jammernd wie einen kranken poeten, melancholisch wie ein gesundes mädchen. Göthe (Götz) 8, 73; ein gesunder êhalt, eine rüstige hübsche magd, Münchener redensart, Schmeller² 2, 307; gesunde gebirgsbauern. Vischer 'auch einer' 2, 139; ein gesunder junge (sp. 4300).
δ)
andere lebewesen, gegenstände der naturreiche. passive und active bedeutung treten sich hier je nach dem träger des wortinhaltes entgegen, bei manchen substantiven gehen auch beide bedeutungen in einander über.
1))
gesunde schwein die nicht pfinnig sein porci sinceri Dasypodius F b; dasz in allwege das gute gesunde holtz ohne verkaufft und ohne gehauen bleibe. Würtemberg. jagd- und forstordn. v. 1614 bei Fritsch corpus jur. venator 3, 162ᵇ; gesund holz, grün oder gesund holz, bois sain et net heiszt alles holz, so noch frisch ist und keine gebrechen hat. Eggers kriegslexikon. Stieler 2338. Rondeau-Buxtorff 252; gesundes stroh im gegensatze zum faulen; gesunde äpfel. — gesunder kiesz derber kies. das neu eröffnet bergwerk (Hamburg 1704) 176. Hertwig bergbuch (1734) 178; aber die frantzosen werden gepflanzt auff ein gesunden baum, unnd wirdt ein böser baum darausz. Paracelsus chirurg. schrift. 387; die personen, welche Wilhelm kannte, standen wie verklärt vor seiner seele, das einsichtige wohlwollen der unschätzbaren frau hatte die schale losgelös't und den gesunden kern veredelt und belebt. Göthe (W. Meisters wanderjahre 1, 10) 21, 176.
2))
von der passiven bedeutung zur activen übergehend: gesunde kräuter, herbe sane, salubri, salutari, salutiferi. Castelli (1730);
gibt einen ruch von sich, wie die gesunden nelken.
hie steht riechender lavendel
da gesunde saturei.
ebendort 301;
gesunder pflanzen balsamduft
erfüllt die schweigsam stille luft.
Göthe (Faust 5886) 41, 57.
3))
gibt er uns ein edlen, gesunden, temperirten lufft. Tabernaemontanus new. wasserschatz (Frankf. 1593) vorrede 5ᵇ; gesunde lufft aere sano. Hulsius (1618) 135. dictionnaire du voyageur (1703). Corvinus 332. Weissmann 155 u. a.;
um dich her soll ewig spielen
die gesunde maienluft.
Fleming 278;
wenn tugend unter eben dem himmel gleich einem heilsamen amulet die gesundeste atmosphäre um uns erhält d. j. Göthe (Mahomet) 2, 29;
der gesunde regen fällt.
Fleming 232;
wie prangt sie mit der saat, wenn mit gesundem reife
die fromme Cynthia bei nachte sie musz taüfen.
ebendort 59 und öfters;
es fiel ein sanfter schnee und ein gesunder frost.
ebendort 157
die gekühlte luft schleicht aus
und haucht auf die trocknen matten
tauende gesunde schatten.
ebendort 290;
solche gesunde wasser liefern die gebürge des Oberhartzes reichlich. Zückert 215; ob und wo mangel an gesundem trinkwasser für menschen und vieh wäre. Schütz a. a. o. 358 ff.; unsere gesunde Donau. Lohenstein Armin (I. 5. 99) 2. aufl. 1, 544.
4))
gesunde reede, die reede, wo beim überwinde auch gute ankergründe zu finden. Jacobson 3, 377; vgl. gesunde küste.
ε)
gebrauchsgegenstände aller art, menschliche erzeugnisse;
1))
mit activer bedeutung.
α))
gesunde speise. Weissmann 155; wann gesunde speisz; das wer krut. Murner Ulenspiegel 21; dann vom neuen maltz gefällt auch nicht sonderlich gut und gesund bier. Coler 22ᵇ; durch reine und gesunde lebensnahrung. Hufeland a. a. o. I², 312; und wenn er (Voltaire) als geschichtsschreiber auftischen läszt, fehlts an gesundem unverfälschtem weine. gebacknes die menge. Hippel lebensläufe 1, 80; dan er (Plato) gab gesunden philosophischen essen on überflusz, daran man sich nit über asz, und jederman zuͦ morgen fertig und gesund war. S. Franck chron. 1, 131ᵇ; geographie ist ein gesundes voressen der kindlichen seele. J. Paul unsichtbare loge 1, 123; derhalven ys better de bitterheit der wormoͤde de by syck hefft eine gesunde soͤticheit, alse de soͤticheit des honniges, de eine lanckwarende bitterheit hinder syck hefft. jüngere glosse zum Reinke de vos (Brandes 32 z. 41).
β))
ist er .. gen Mayland in Italiam kommen, welches jn ein gesunde wohnung dauchte. volksbuch vom doktor Faust neudrucke 7, 60; die zimmer, deren wände erst neu mit frischem kalke übertünchet worden, und die neuerbauten gebäude, sind keine gesunde wohnungen für die menschen. Zückert a. a. o. 200; ein gesundt lager. Luther 'ob man für dem sterben fliehen müge' (1527) B III jᵇ.
2))
mit passiver bedeutung:
dennoch wirt unrecht wol bekant
als ein kopper penning an der hant,
swen ime uzblicket sin rote schin,
mit pfenningen di gesunt sein.
Sachsenspiegel vorrede 252 (Görlitzer handschr. für mang penningen die gebe sin);
sie aszen das confect und tranken den burgunder
von dem geschenk der hundert thaler aus,
doch nahm's die heuer mächtig wunder,
denn seinen beutel hielt nicht einer für gesunder
als in der that der hecticus auch war.
Gögkingk 3, 218;
gewöhnlich fehlt es in den dörfern an geschickten maurern die nicht einmal im stande sind, einen gesunden schornstein zu bauen. Schütz 264; um dieselbe zeit fingen die bardendichter an, einen guten gesunden vers zu setzen. J. Paul aus des teufels papieren 2, 74.
b)
neben den eigentlich concreten gegenständen sind es vor allem functionen des äuszeren und inneren menschen, die den wortinhalt als attribut anziehen und beeinflussen.
α)
die sinnliche grundbedeutung hält sich zunächst in der erstgenannten gruppe: nachdem er .. einen leichten gesunden stuhlgang gehabt. Wieland 8, 99;
wenn der gesunde schlaf mir nur wenige stunden genügte.
Göthe (Hermann und Dorothea) 40, 273;
das nenne ich ein gesundes schnarchen, als ob ein blasebalg in einem eisenhammer bläst. Arnim novellen 2, 348. durch kräftiges, helles, gesundes husten. Vischer 'auch einer' 1, 207.
β)
die functionen des inneren menschen führen zu übertragungen weiter.
1))
und nun eben diesem gesunden sinne an der wahrheit, diesem simplen und starken nerven und triebe der menschheit, was ist, zu sehen, wie es ist, .. diesem gottähnlichen organ hält der verfasser seine herrliche standrede. Herder (Frankfurter gelehrte anzeigen) 5, 458; der mensch an sich selbst, insofern er sich seiner gesunden sinne bedient, ist der gröszte und der genaueste physikalische apparat, den es geben kann. Göthe (betrachtungen zur naturwissenschaft) 50, 138; von gesunden sinnen und freude am sinnlichen ist bei ihnen keine spur. Göthe bei Eckermann 3, 172 ff. (über junge gelehrte aus Norddeutschland) Biedermann 6, 297; so vermag der jenen eigene gesunde sinn sich gegen inneren und äuszeren einfall geschwind und leicht wieder herzustellen. Göthe (Winckelmann) 37, 22;
Isabeau: was musz ich hören feldherrn! haltet ein!
was für ein hirnverrückender planet
verwirrt euch also die gesunden sinne?
Schiller (jungfrau 2, 2) 13, 229.
2))
die frauwe liebet den jüngling der bey uns ist nicht mit leidenlicher, gesunder, noch bräuchlicher liebe. buch der liebe 212, c; in der liebe haben der Deutsche und der Engländer einen ziemlich guten magen, etwas fein von empfindung, mehr aber von gesundem und derbem geschmack. Kant 7, 432; ein derber, aber gesunder humor. erinnerungen eines Schwaben (Günthert) 14; nichts von der leichtigkeit, welche die gesellin der gesunden schnellkraft ist. Stolberg 8, 10; noch fand sich das gefühl, die betrachtung nicht zerstückelt, noch war jene kaum heilbare trennung in der gesunden menschenkraft nicht vorgegangen. Göthe (Winckelmann) 37, 21; Pope, der grosze philosophische und critische poet vergiszt sich allhier, er redet von dem gesunden witze, den gott einem menschen zum segen ertheilet. Drollinger gedichte (1745) 195.
3))
gesunde vernunfft, sanitas mentis, mens sana Henisch 1581: nachdem ich die freyheit genommen, in meinen monatlichen gedancken von denen neuen autoribus ohne ansehen der personen offenhertzig zu judicieren, würde ich die gesunde vernunfft beleydigen, wenn ich andern nicht dergleichen freyheit gegen mit gönnen wolte. Thomasius vernunftlehre 1699 2, vorrede; dasz sie sowohl rasenden die gesunde vernunft als auch gewissen fallsüchtigen ihre vorige gesundheit wiedergegeben haben. Frank 1, 120; seltzame und in der natur und gesunden vernunfft ungegründete mittel. Hohberg 2, 315ᵃ; gesunde vernunfft mens sana, recta Kirsch corn. (1764) 178ᵇ; Stieler 2238 u. a.; der miszbrauch des schnupffstabacks streitet wider die gesunde vernunfft. Cohausen satyrische gedanken von der pikanasi (1720); wo wird das publikum jetzt eine wichtige wahrnehmung nach dem eigensinn eines augenblicks bestimmen? wo wird es den zauberkünsten eines rednerischen charlatans seine gesunde und kalte vernunft aufopfern? Herder (haben wir noch jetzt das publicum der alten?) 1, 19; wir werden .. auch urteile der gesunden vernunft und aussprüche der heiligen schrift aufbringen, die diesem stande grosze würde und gerechtigkeit wiederfahren lassen. Herder (antrittspredigt in Riga 1767) 31, 19; um ein objekt der neigung werden zu können, musz der gehorsam gegen die vernunft einen grund des vergnügens abgeben, denn nur durch lust und schmerz wird der trieb in bewegung gesetzt. in der gewöhnlichen erfahrung ist es zwar umgekehrt, und das vergnügen ist der grund, warum man vernünftig handelt. dasz die moral endlich aufgehört hat, diese sprache zu reden, hat man dem unsterblichen verfasser der kritik zu verdanken, dem der ruhm gebührt, die gesunde vernunft aus der philosophierenden wieder hergestellt zu haben. Schiller 10, 98; unser verfasser ist einer der baumstarken leute, bei denen gesunde vernunft alles ist: mit der sich auch selbst der 'verstand' (den wir Deutschen, und das hätte der übersetzer bemerken sollen! eben im gegensatz des verstandes, des common sense, lieber vernunft nennen) auch nicht einmal zu messen habe. Herder (Frankfurter gelehrte anzeigen) 5, 456.
4))
niemand der gesundes verstandts und hirns ist, wirdt in abrede sein, dasz die historien seyen gleichsam ein spiegel und tafel des gantzen menschlichen lebens. reisbuch des heil. landes (1609) vorrede; gesunder verstand, urteil, esprit sain. Rondeau-Buxtorff 252; a sound judgement, solid reason. Fritsch deutsch-engl. wb. (1716) 765; gesunder verstand sanus et valens sensus. Steinbach 775;
dasz ich wende dem buhlen durch kraft des magischen zaubers
seinen gesunden verstand (sanos sensus)
Voss Virgils bucol. eklog. 8, 67;
durch die philosophische terminologie hat die verbindung 'der gesunde verstand' neue entwicklung erfahren, die wiederum in die litteratur zurückwirkte. anknüpfend an den sensus communis der antiken philosophie hatten sich bon sens und common sense bei französischen und englischen schriftstellern herausgebildet, die sich in deutschen fügungen vereinigten: der mensch ist nicht zum metaphysiciren da, und trennet er einmal vernunft von gesundem verstande, speculation von gefühl und erfahrung — der Dädalus und Jcarus hat den festen boden der mutter erde verlassen. Herder (Frankfurter gelehrte anzeigen) 5, 457; er ist durchgängig ein philosoph des gesunden verstandes, den er auch für den nationalcharakter der Deutschen hält; wir stimmen ihm hierin bey .. vortreflich also, dasz Abbt sagt: solte ich noch etwas in dieser art schreiben, nichts als gesunden verstand! Herder (über Abbts 'vom verdienst'); 1, 79 und 80; der richtige verstand, welcher für begriffe der gemeinen erkentnisz zulangt, heiszt der gesunde fürs haus hinreichende verstand. Kant 10, 208; Reinhold 'verhandlungen über die grundbegriffe und grundsätze der moralität aus dem gesichtspunkte des gemeinen und gesunden verstandes'. Leipzig 1798 (büchertitel); bei diesen gilt .. ein guter, gesunder haus- und küchenverstand statt aller schönheit des geistes. Herder (die schönheit des körpers 1766) 1, 51; haben sie aber für den guten gesunden verstand des lebens (ich will den bloszen haus- und küchenverstand nicht einmal nennen) geschrieben seyn sollen? Herder (über die neuere deutsche litteratur) 1, 394 (die eingeklammerte stelle fehlt in den ausgaben); aber so viel gesunden verstandes .. in schuster Thomas hirnkasten gehet, ist mehr werth. Wielands Merkur 1782 1, 82 (philos. schuster); den gesunden richtigen verstand können alle menschen durch unterricht, umgang und übung erhalten; er ist die gangbare münze der welt; der feine und schöne verstand ist ein juwel, wenn er allgemein getragen würde, verlöre er sein ansehen. Gellert 7², 10. besonders beliebt ist die attributive verbindung mit der zusammensetzung menschenverstand vgl. theil 6, 2072/3. auch dieses wort ist von der englischen litteratur her beeinfluszt, vgl. common sentiments of mankind. Hume essays 2, 12 (1752): der menschenverstand wird mit dem gesunden menschen rein geboren. Göthe (maximen und reflexionen) 49, 79; in allen hat tragikomische tugend, grosmuth und zärtlichkeit so viel zu schwatzen, dasz der gesunde menschenverstand und die natur nicht zum wort kommen können. Frankfurter gelehrte anzeigen, (litteraturdenkmale) 205, 13. vgl. Göthe 33, 47; das was dem gesunden menschenverstand einen so bösen leumund bei den neuesten liebhabern der weltweisheit gemacht hat, ist der schlimme einfall einiger trägen köpfe und faulen bäuche, die .. wenn ihnen in ihrer ruhe eine feine und tiefe untersuchung den angstschweisz drohte, hinterm ofen hervorriefen, das gienge gegen den gesunden menschenverstand. L - g. in Wielands Merkur 1791 2, 423 (über popularität und gesunden menschenverstand); die philosophie ist nur dadurch philosophie, dasz sie dem verstande und damit noch mehr dem gesunden menschenverstande, worunter man die lokale und temporare beschränktheit eines geschlechtes der menschen versteht, gerade entgegengesetzt ist. Schelling kritisches journal der philosophie I. 1. einl. 18; so wäre es denn doch so nichts, wenn einer aus liebe zu seiner wissenschaft dem gesunden menschenverstande den abschied geben sollte, oder wenn gar die philosophie sich mit dem gesunden menschenverstand nicht vertrüge. Wielands Merkur 1791, II, 422; freue dich deines gesunden menschenverstandes; gieb dich aber, so viel möglich nicht damit zufrieden, dasz du ihn hast, sondern suche immer mehr zu erfahren, was du daran habest. ebendort 429; es giebt auch einen hochverrath gegen den gesunden menschenverstand. Dahlmann stenogr. bericht über die Frankfurter nationalversammlung 1, 523.
γ)
nomina actionis.
1))
das belehrende buch ersetzt ihnen den lehrer nicht, das belustigende das gesündere spielen nicht. J. Paul (unsichtbare loge) 1, 124; gesund wandel, weise handel. Henisch 1581.
2))
man musz tüchtig geboren seyn, um ohne kränklichkeit auf sein inneres zurückzugehen. gesundes hineinblicken in sich selbst, ohne sich zu untergraben; nicht mit wahn und fabeley, sondern mit reinem schauen in die unerforschte tiefe sich wagen, ist eine seltene gabe. Göthe 50, 27 (zur naturwissenschaft im allgemeinen); bei diesem gesunden verfahren entdeckte die künstlerin gewisz sogleich, dasz der vermeintliche jambe eine illusion des dichters war. R. Wagner (oper und drama) werke² 4, 106.
3))
gesunde ordnung im denken, lebhafter witz, kenntnisz der welt, ein empfindliches herze, leichtigkeit des ausdrucks sind dinge, die den Deutschen weniger fehlen würden, wenn man sie in schulen lernen könnte. Lessing (Berlinische zeit. 1751) 3, 159; die gesunde maͤssigkeit. Albertinus de conviviis 91ᵃ;
so ein gesunder wunsch von kranken kommen kann.
Fleming 138;
sun ich gib dir gesunten rat.
fastnachtsp. 602, 5;
ist dieses der gesunde rat
ohn' den ich kunte nicht genesen.
Fleming 402;
wenn die teuren männer fallen
die uns das gesunde wort nach dem himmel lieszen schallen.
ebenda 270;
beliebt es euch, mir eine gesunde antwort zu geben, so will ich den befehl eurer mutter ausrichten (a wholesome answer). Schlegel Hamlet III, 2; denn allein der gesund frische glaube. Luther (Weimar 8, 233, 9); Rotmann, restitution rechter und gesunder christlicher lehre, Münster 1534 (neudruck 77); und schilt sie teuffels lehrer und abgefallene von der gesunden lehr. Fischart bienenkorb (I, 3) 35ᵇ; gesunde und heilsame lehre führen, to keep to the wholesome doctrine, to be orthodox. Fritsch (1716) 765 vgl. Rondeau-Buxtorff 252; welcker durch ere gesunde lere unnd gude levent den andern ein vorbilde syn schoͤlen. j. glosse zu Reinke de vos 135 (z. 213); ein kräftiges und durch gesunde lehre gereinigtes valet. Gundling satir. schriften 8; die regierung zu Bamberg verdient wirklich ein schönes compliment von uns, weil sie so gesunde und billige grundsätze den nachdruck betreffend an den tag legt. Schiller an Körner 6, 236 (Jonas); nirgends sieht man besser welchen gesunden einflusz die bibel und die lutherische sprache auf diese männer übte, denn während Francke im kirchenlied die alte edle einfalt aushebt, ist er in seinem weltlichen Helikon ganz Opitzianer. Gervinus³ 3, 267.
c)
übertragungen auf grund der eben beobachteten verwendungen,
α)
die nomina agentis erhalten das attribut, so fern dieses mit dem entsprechenden nomen actionis sich verbindet: haben auff diese zeit (osterzeit) gesunde lehrer und seelsorger diese articul in schönen historien ihren kirchen fein artig vorgehalten. J. B. Schupp schriften f. 841 (fabelh.); dem pachter hielt er sogleich als gesunder moralist die bosheit vor, auf einmal ihn, das land und den fürsten zu betrügen. J. Paul (unsichtbare loge) 2, 19.
β)
personificationen ziehen dasselbe attribut an, das der persönlichkeit zukommt:
1))
wol denn die gesunde sucht
bringt die frucht.
Fleming 318;
der angenäme reif
macht bei gesunder nacht die schwachen gräser steif.
ebendort 37.
2))
o vater alles wahres sinns
und des gesunden lebens,
du geber köstlichen gewinns,
du fördrer treuen strebens.
Göthe 3, 201 Hempel;
dasz sich deîn zauber, deine grause schärfe
sogleich auf diesz gesunde leben werfe.
Schlegel Hamlet III, 2 (wholesome life);
dann sollte man auch persönlich umherblickend und handelnd, die gesunde natur selbst kennen lernen, eben als wenn sie zum ersten mal beachtet und behandelt würde. Göthe (dichtung u. wahrheit III, 15) 26, 342; alles was innerhalb der gesunden natur davon geurtheilt werden kann, fordern wir von ihm, und erlassen ihm schlechterdings nur das, was eine entfernung von der natur .. voraussetzt. Schiller 10, 434, 7; so ist diese handlung naiv; denn die gesunde natur handelte aus dem kinde, und in einer welt, wo die gesunde natur herrschte, würde es vollkommen recht gehabt haben, so zu verfahren. ebendort z. 14; es (das genie) verfährt nicht nach erkannten principien sondern nach einfällen und gefühlen; aber seine einfälle sind eingebungen eines gottes, alles was die gesunde natur thut, ist göttlich. 437, 30. auf neuere verwendungen der verbindung leitet über: wenn die gesunde natur des menschen als ein ganzes wirkt. Göthe (Winckelmann) 37, 20;
wie herrlich der geschmack gesunder dichtkunst sei.
je mehr eine gesunde grammatik in die sprachen haushaltung eingeführt. Herder (urspr. d. spr.) werke 5, 88; was haben sie damit aber gethan, als den grund alles denkens, das daseyn aufgehoben? und wie ist nun ferner eíne gesunde philosophie möglich? Herder ('gott' in der ersten ausgabe, später ist gesund getilgt) 16, 521; neue verborgene kräfte auszudenken ... ist ein wagestück, das eine gesunde naturwissenschaft nicht leichtlich einräumt. Kant 9, 122; jede gesunde sprache ist bildlich. W. Grimm verhandl. der Frankf. germanistenvers. 120 ff.
γ)
verhältnisse des lebens und zustände in der natur erhalten dasselbe attribut mit dem die gegenstände ausgezeichnet wurden: aus diesem grunde haben auch diejenigen städte keine gesunde lage, die um und um von wäldern umgeben sind. Zückert 122; gesunden und brauchbaren zustand der organe. Hufeland 1², 312; von der gesunden bauart der klostergebäude. Ehrhart med. phys. polizei. gesetzb. 3, 3; gleichwohl, bei gesundem stande des geldmarkts würde er den schlag ohne gefahr aushalten. Freytag verlorene handschrift 3, 14. (IV, 5).
δ)
bei zeitbestimmungen gleitet das adjectiv vom träger des attributes auf die zeitgrenze über, innerhalb deren es wirksam ist: ob es auch ain gesunde zeyt wäre. Steinhöwel regimen pestil. archiv 3, 409; die vornehmste ursach eines langwührigen und gesunden alters. Hohberg I, 250; gesundes jahr. Stieler 2238;
wenn ich ein gesundes jahr wünsche, weisz mir jeder danck,
nur der doctor wîl nicht dran, andrer frisch, das ist sein kranck.
Logau 2, 2, 88;
deren gebuͤtlein etlich brauchen umb rychtumb .. etlich umb gesund tag, etlich umb ein krefftig alter. Eberlin von Günzburg (neudruck 139) 155; ander freie willige gaben, bei gesunden lebetagen, und testament am todtbette .. bescheen. Luther 12, 19, 29 Weim.; wer also in seinen gesunden tagen nachlässig und unordentlich gewandelt. Gellert 5², 74; mit seiner gesundheit ist dieser mensch ohnerachtet sie nicht die beste ist, doch noch immer so ziemlich zufrieden gewesen, und er hat die gabe sich gesunde tage zu nutze zu machen. Lichtenberg 1, 4; in welchem schon vorher und in gesunden tagen die lebensweise so einfach ist. Schleiermacher 286; er kennt und beobachtet uns auch in gesunden tagen. Hufeland II², 388.
gut leben und gesunde tag
stehn nimmer in einem hag.
Henisch 1581.
2)
als prädicat tritt das adjectiv in verbindung mit verbis. aufmerksamkeit verdienen hier vor allem die fügungen, mit denen unsere sprache einzelne verba fremder sprachen wiedergibt oder die sie in concurrenz stellt mit verbalableitungen von unserm stamme.
a)
als prädicat des subjectes finden wir das adjectiv am häufigsten:
α)
beim verbum substantivum. die hierher gehörigen fälle haben jedoch ihre erledigung meist schon gefunden. hauptunterschied besteht hier zwischen passiver und activer fassung des prädicats:
das haupt ist frisch, der magen ist gesund,
die beine aber wollen nicht mehr tragen.
Schiller (Piccolomini 4, 6) 12, 172;
aber doch gib achtung auff die speise, welche gesund oder nicht gesund seynd. Coler 52ᵇ. in der ersten bedeutung concurriert das adjectiv mit dem synonymen adverb 'wohl': wir helfen uns auch nur so mit noth durch diese harte jahreszeit hindurch, zwischen wohlsein und kranksein. Schiller br. 7, 25 Jonas; dasz auch das gesundsein gelernt werden müsse. archiv gesch. med. 4, 452. lateinische verba umschreibt die fügung mit passivem sinn: gesund sein oder werden sanare, sanari. vocabul. incip. teut g. 8ᵇ; man wünscht lieber gesund als reich zu sein valere ut malis quam dives esse. Garve (Cicero de offic. II, 25) 169. die neueren sprachen haben hier ebenfalls nur zusammengesetzte formen: gesund sein star sano, star bene. Hulsius (1618) 135; se porter bien. dictionaire du voyageur (1703) 144.
β)
gesund werden steht in concurrenz mit dem gewählteren genesen (sp. 3388), mit dem intransitiven gesunden (s. d.) und in gewissen verwendungen auch mit dem intransitiven gebrauch von heilen (theil IV, 2, 825). in der mittelhochdeutschen dichtung begegnet es selten, meist im reim:
fride unde reht sint sêre wunt,
diu driu enhabent geleites niht, diu zwei enwerden ê gesunt.
Walther 8, 27 (Lachmann);
daz duͤ in einer livzzelen stunt
an dineme libe wirdis gesunt.
Trierer Sylvester (Kraus) 153;
Johanni sollet er widder sagen
was geschit în disen tagen:
die sichen werden nu gesunt,
die stummen offen nu iren mondt.
Alsfelderpass. 854.
um so häufiger begegnet es in der älteren prosa: wan er deu wurzen unde kriutern unde sâmen und edelm gesteine und worten die kraft hât gegeben, dâ wir von gesunt werden sullen. Berthold v. Regensburg 1, 153 (Pfeiffer). ebenso 226, 12 u. a. unter den arzneihandschriften, die J. Haupt in sitzungsber. der Wiener akademie 71 besprochen, wird unsere fügung von den einen begünstigt, von den andern durch synonyma abgelöst: handschr. 2531 k. k. hofb. (14. jahrh.) liebt so wirst du gesund (476); vgl. und trouph daz mit einem wîzzen tuoch in daz auge sô wirt iz licht und gesunt. (474) u. a., während handschr. 13647 (15. jahrh.) hier genesen vorzieht vgl. J. Haupt a. a. o. 498 ff. ähnliche neigungen bethätigt letztere handschrift in vielen fällen auch anderen handschriften gegenüber, vgl. J. Haupt 539. und thuͦ das offt so würst du gesund von dem gicht. Ortolf von Bayerland 24ᵃ. auch in der älteren bibelübersetzung tritt unsere fügung früh auf (für lateinische verba der vulgata): wan spreche allein dein wort, und mein kind wirt gesunt. Matth. 8, 8 (cod. tepl., ebenso Luther) aber für Jesaia 38, 9 (da er kranck gewesen, und von der kranckheit gesund worden war bei Luther) hat die Straszburger bibel: do er .. was genesen von sein siechtum, genau so in der Nürnberger bibel von 1483. in volkstümlicher prosa ist die verbindung beliebt: so soll einer sein gewundtz viech behalten vnntz es gesundt wird. Ruprecht von Freysing stadtbuch cap. 141 (Maurer 163); er hat gebauen 2 häuser für die armen, kranken menschen an den frantzosen, den gibt man essen und trincken um gotteswillen, auch alle ertznei .. und so offt ain mensch gesund wirdt, schencken sie ihm gelt darzu. Augsburger chron. 4, 168, 20. in den wörterbüchern wird gesund werden überall gebucht, bald in verbindung mit gesund sein, bald im gegensatz zu diesem; aus den fremdsprachlichen parallelen geht hervor, dasz in der deutschen fügung ein moment unausgedrückt bleibt, das die verwandten sprachen bieten und das nur bei Richelius ebenfalls ausdruck gewinnt in wiederumb gesund werden, vgl. risanarsi Hulsius 135; recouvrir la santé. dictionaire du voyageur 144; aegritudinem exuere, sanescere, revalescere. Weissmann 155; vielleicht zeigt sich auch hierin, wie lebhaft unserm sprachgefühl in der verbindung mit werden die negative abgrenzung des gesundheitsbegriffes zum bewusztsein kommt. für die beliebtheit der fügung in der zwangloseren sprache unserer zeit bedarf es keiner belege, in der litteratur tritt sie gegen genesen zurück:
allerleî farben zieren sein (des panthers) fell, und süsze gerüche
breiten sich aus, wohin es sich wendet, darum auch die thiere
seine fährte so gern auf allen wegen verfolgen;
denn sie werden gesund von diesem geruche, das fühlen
und bekennen sie alle.
Göthe (Reineke fuchs) 40, 170.
γ)
andere verbindungen sind mehr gelegentlicher natur oder wieder abgestorben, wie z. b.: her greve, nu geit hermit gesunt (lebt wohl) reimchronik von Gotfrid Hagen (2840) d. städtechroniken 12, 404; heimit geingen si gesunt. ebendort 4319. am weitesten verbreitet ist gesund bleiben: wie er sich vor siechtuom hüeten schölt und wie er gesund peleiben möcht. J. Haupt a. a. o. 506 (15. jahrh.); so lange als ich mit gotz gnaden lebendich und gesont pliben. buch Weinsberg 1, 11; wer will gesund bleiben, soll nie essen, es hungere ihn dann. Hohberg 1, 257; wenn ich gesund bleibe, auch nur leidlich, so werde ich gewisz in den ersten wochen des märz fertig (mit dem Tell). Schiller br. 7, 98 Jonas; weil alle drei kinder und auch meine frau an einer art von keichhusten mit fieber darniederlagen; ich allein blieb gesund, und hab mich tapfer gehalten. 7, 136; un nu a adjüs! und bliw gesund. F. Reuter Hanne Nüte 12;
in der welt gehts immer so zu, dem glücklichen sagt man:
bleibet lange gesund.
Göthe (Reineke fuchs) 40, 222 (in der glosse zu Reinke de vos, wes lange ghesunt);
leben sie recht wohl, bleiben sie gesund und heiter. Schiller (an Göthe) br. 7, 103 Jonas und öfters.
b)
zum object des verbums wird das adjectiv herangezogen:
α)
in erster linie in der verbindung gesund machen; diese verbindung ist noch enger als die unter a, α u. β gekennzeichneten, sie entwickelt sich gelegentlich bis zur composition. sie tritt in concurrenz mit heilen, gegen das sie sich namentlich in der biblischen litteratur abgrenzt, dort löst sie bei den übersetzern der neuhochdeutschen periode ein älteres gesunden ab.
1))
nu hânt frœlîchen muot,
ich mache iuch schiere gesunt.
armer Heinrich 1179 vgl. 1369;
wand ich weiz wol daʒ ir
und iuwer leu sît starke wunt,
lât mich iuch machen gesunt.
Iwein 5464;
op sîn kampf ist sô gedigen
daʒ er niht ist ze verhe wunt,
ich mache in schiere wol gesunt.
Parzival 578, 26;
ne mache ich ivch nicht gesunt odir heilen
so lazet mich antwedir hahen odir steinen.
Trierer Sytvester 63;
unde hât uns die erzenîe bereitet, wie er uns gesunt sol machen. Berthold v. Regensrurg 1, 508 (Pfeiffer); in den älteren arzneihandschriften haben auch diejenigen, die gesund werden vermeiden, für unsere fügung belege: willdu machen eyn gut suzzes electuarium daz wol säubert dy prust und auch rayn und gesundt macht. J. Haupt a. a. o. 505. vgl. auch Pfeiffer a. a. o. 133, 32. für die biblische litteratur ist schon oben. (II, 2, b, β sp. 4294) das verhalten der ältesten denkmäler gekennzeichnet worden; für das 14. jahrh. zeugt Beheims Matth. 12, 10: ob iz zimet des sunâbindes gesunt zu machene, ebenso die Nürnberger bibel von 1483; der codex teplensis gleichwie wie die Straszburger bibel haben hier gesunden (s. d.), während beide für Matth. 9, 21 aufweisen: und daz weip wart gemacht gesunt. Luther verwendet Matth. 12, 10 das synonyme heilen, liebt aber sonst unsere verbindung (Dietz 108): und sie brachten zu ihm allerlei kranke, mit mancherlei seuchen und qual behaftet ... und er machte sie alle gesund. Matth. 4, 24. (und er gesundet sie cod. tepl.); ich wil sie heilen und gesund machen. Jerem. 33, 6 (Luther, während die vorlutherische bibel heilen aufweist) u. a. aus der älteren prosa liegen ebenfalls beispiele vor: ir waren fünff, die teten sich ausz die leut gesund ze machen an dem gicht. d. städtechroniken 4, 313.
2))
in der neuhochdeutschen periode nehmen vocabulare und wörterbücher notiz von unserer verbindung: salvare, das in der Straszburger gemma (1508) mit seligmachen, heylen gegeben wird, erhält in dem Antwerpener exemplar von 1511 die entsprechung behoeden eft gesont maken; doch war schon im Straszburger voc. ex quo von 1487 verzeichnet: salvare, behalten oder gesundt machen; ebenso: gesund machen einen heylen, sanum facere aliquem. Dasypodius F b. vgl. noch Weissmann 155; gesund machen sanare, guarir Hulsius 135; guérir. dictionaire du voyageur 144 u. a.
3))
in der aufblühenden medizinischen litteratur des 16. jahrh. erhält die fügung, die auf niederdeutschem boden mehr nur in übertragenem sinne und als compositum weiter lebt (s. d.), neue verwendung: gesundt machen ist ein werck, und zeigt sein meister an. Paracelsus werke 1, 258/9; so die artzet sie woͤllen gesundt machen vor der zeit. Paracelsus chirurg. schriften 1, 318; und under fünfftzigen machen sie nit einen gesundt. ebendas. 1, 398 u. a. die spätere wissenschaft bevorzugt hier das synonyme heilen, wenn auch gelegentlich die sprache des täglichen lebens auch hier zu gunsten unserer fügung sich geltend macht; so mit activem sinne: durch austrocknung der sümpfe hat man schon manche länder gesund und wohnbar gemacht. Zückert 111.
4))
vereinzelt tritt die krankheit selbst als object zu unserem prädicate, das sonst nur an personen oder teile des menschlichen körpers sich anschlieszt: daz vertreibt den siechtum schier und machet in gesondt. arzneihandschr. des 15. jahrh. J. Haupt a. a. o. 542; wente wenn se vormeinen eyne kranckheyt gesund tho maken, so vororsacken se vele ander dar tho. jüngere glosse z. Reinke de vos (Brandes 175); alle krankheiten machte er gesund. Gottsched Reineke Fuchs 241;
schau wie der scorpion sein wund
durch sich selbst wieder macht gesund.
Hoffmann gesellschaftsl.² no. 79.
β)
wie gesund bleiben neben gesund werden, so steht gesund erhalten neben gesund machen; die ältere sprache hatte hier gesund sparn, vgl. gott spar euch gesund (oben II, 4, a, δ), doch finden wir schon: das sibent capittel sagt, wann der falck jetzo zu der paisz berait und willig ist und auch gesunt, wie man in gesunt behalten sol. Mynsinger 2, 21 vgl. 2, 29. in den wörterbüchern des 17. jahrh. wird es unter sospitare gebucht. vgl. Schönsleder, Weissmann u. a.; wenn man eine puppe gesund erhalten will, darf dieselbe nicht viel beunruhigt werden. Roesel insektenbelust. 1, 8; das sie uns alles gesund erhalten. Felder Nümmamüllers 68;
ällas will ih schöan geschtalta,
ällas will ih g'sund erhalta,
Seb. Sailer (Peter als gott vater) 219.
γ)
gelegentliche verbindungen: ihre hand, mein fürst, ich schaffe sie gesund. Arnim novellen 2, 328.
δ)
reflexivconstructionen: so lang ein mensch sich gesund fühlt, hat er auch recht, sich für gesund zu halten; und ohne sich zu bekümmern, ob jemand was einzuwenden habe, lebt er geradezu als ein gesunder. Wielands Merkur 1778 2, 29; weil ich wuszte, dasz es bald vorübergehen würde, und weil ich mich gesunder als jemals fühlte. Göthe (W. Meister lehrj. 6) 19, 309; und ich fühle mich so gesund, als ich nur seyn kann. Schiller br. 6, 410 Jonas;
du fühlst dich wohl, fühlst wieder dich gesund.
Grillparzer (meeres und der liebe wellen) 7⁵, 31.
während in den letzten verwendungen vielleicht mehr das adverb als das adjectiv vorliegt (vgl. theil IV 1: 1, 413), ist das letztere unzweifelhaft in: thun wie des Callimach aff, der .. lieff hin und nam dem todtschwachen Callimach die schlafhaub vom kopff, unnd das doctorhäublin darüber, des must wol der kranck lachen, hat sich auch also gesund gelacht. Gargantua neudr. 100. gegenstück zu sich krank lachen (theil 5, 2025).
3)
das adverbium wird
a)
durch die analogie der eben behandelten verba begünstigt; neben sich gesund fühlen kommt auch die zuerst erwähnte gruppe in betracht:
lebt lange, lebt gesund, lebt selig, wie ihr lebt.
Fleming 149;
lebt gesund, die götter geben euch glück .. und ir mutter lebt ihr auch gesund. Schoch komödie vom studentenleben 20, 27 ff. Fabricius; vgl. auch das synonyme wohl.
b)
es ist eigentliches adverb:
und freuet
euch des lebendigen säuglings, der schon so gesund euch anblickt.
Göthe (Hermann und Dorothea) 40, 313;
hätte nicht schnell Aphrodite, die tochter Zeus es gemerket,
und den riemen gesprengt vom gesund geschlachteten farren.
Bürger Ilias 3, 375;
und sink' ich dann ermattet nieder,
so öffne leise deinen grund
und nimm mich auf und schliesz ihn wieder
und grüne fröhlich und gesund.
Uhland das thal;
um ferner gesund und ruhig zu schlafen. Hufeland 2, 246; der .. im verdachte stand, von den fröschen der Latona nicht so gesund zu denken, wie man in Abdera davon denken muszte. Wieland 19, 183; hat doch nichts desto minder seine lehre, da sie sonst gesundt erschallet, ein würdig ansehen behalten, Kirchhof wendunmut. 440ᵃ; an den kunstwerken lernen wir fühlen, dasz auch in den dunkeln tiefen eines gesund und harmonisch entfalteten menschlichen geistes .. der keim zu einer vernünftigen und reicher entwicklung fähigen ordnung schlummert. Helmholtz lehre von den tonempfind. (Braunschweig 1862) 554.
c)
eine weiterentwicklung, wie sie speziell innerhalb der gruppe der adverbien begünstigt wird, hat nur mundartlich stattgefunden. gesund = à propos:
no so thu'es. thu'es gsund dem noiä göden,
P. M. Lindermayr dichtungen in ob der ennsischen mundart (1822) 97
4)
die steigerungsformen haben auf die bedeutungsentwicklung wenig einflusz: sie schwächen wohlnamentlich im comparativdie intensität des wortlautes: Goethen habe ich wohl aussehend und gesünder als vor der reise gefunden. Schiller br. 6, 301 Jonas; es ist auch ferner viel gesunder, wann man beschehener erster deuung (deutung geschr.) zu bette geht. Harsdoerffer gesprächspiele 8 (1649), 520; so kann ich gesunder davon urtheilen als ihr. Lenz pandämonium (I, 3) 14.
5)
die substantivierung des adjectivs. sie hält sich grösztenteils in den schranken der einfachen ellipse, so dasz das zugehörige substantiv leicht aus dem zusammenhange zu ergänzen ist. nur in einigen ansätzen bildet sich die eigentliche substantivierung heraus:
a)
im persönlichen plural:
man bringet der gesunden   fünf hundert oder baʒ
und der verchwunden   (wizzet frouwe daʒ)
wol ahzec rôte bâre   her in unser lant.
Nibelungen 238, 1 (Lachmann) u. a.;
die gesunden haben nit durft des arcztes, wan di do sint siech. Marc. 2, 17 codex tepl. (ebenso Nürnberger bibel). ebenso Math. 9, 13. Luther bietet hier starken, dagegen in Luk. 5, 31 die gesunden dürffen des arztes nicht, sondern die krancken;
sag wie vil gsundter sich entleyben.
H. Sachs kampfgespräche zwischen gesundheit und krankheit (litt. ver. 105) 432;
dasz sie wie die aussetzigen, von den gesunden gescheiden werden, damit die gesunden von ihnen nicht befleckt wurden. Paracelsus chirurg. schr. 339; derwegen er auch beyde von gesunden und krancken täglich getrunken wirdt. Tabernaemontanus neu wasserschatz 443; die gesunden und krancken haben ungleiche gedanken. Henisch 1583, 8;
andern anch hilft dieser trank,
macht die kranken schnell gesunden,
die gesunden freilich krank.
Grillparzer (traum ein leben) 7⁵, 171;
so könnten alle gesunden dasselbe von mir verlangen. Schleiermacher 281;
fast gefährlich scheint dein wahnsinn,
er steckt auch gesunde an.
Grillparzer (ahnfrau) 4⁵, 32.
es ist eine weitgehende poetische freiheit, wenn bei so deutlicher loslösung aus der gruppe der adjectiva die function eines solchen beibehalten wird:
der nun gesunden trost, ihr, hoffnung aller kranken.
Fleming 119.
b)
wo mit beziehung auf personen der singular verwendet wird, dient er doch nicht eigentlich der vereinzelung des begriffes, sondern ist vielmehr nur eine form für dieselbe verallgemeinerung, wie wir sie in a) beobachtet habendie fälle der eigentlichen ellipse ausgeschlossen. vgl. dagegen der kranke, die kranke als bezeichnung des einzelnen patienten.
α)
mit dem demonstrativpronomen in volkstümlicher rede:
der gsund lebt in grossem hochmut.
H. Sachs a. a. o. 432.
β)
mit dem indefinitum:
ein gesunder ist geschickt zu wandlen,
ein weiser zu handlen,
ein senfftmutiger zu uberkomen.
Agricola nr. 261. Henisch 1583 u. a.;
ein gesunder kewet jhm auss eim stuck rindfleisch ein hasenbrätlein, einem krancken schmeckt alles wie haferstroh. Henisch 1583; so kann man so tugendhaft seyn, als ein gesunder. Gellert 5², 71; ein gesunder konnte den weg in weniger als einer viertelstunde vollenden. Tieck (Phantasus) 5, 439;
zumal, wenn er die nahrung von sich weist,
ein ganz gesunder stirbt, entbehrt er diese.
Grillparzer (treuer diener) 6⁵, 199.
c)
das neutrum als beliebte form für die verallgemeinerung namentlich auch der übertragenen bedeutung.
α)
wer vil gesundes hat
dem wird selten ruhens rath.
Henisch 1583;
dasz mein buch, sagt mir mein muth,
noch ganz böse, noch ganz gut.
kommen drüber arge fliegen
bleibt gewisz gesundes liegen,
und das faule findet man.
Logau 1, 1;
den unausheilbaren schaden
müsse der stahl abschneiden, dasz nicht mitkranke gesundes.
Voss Ovid 1, 17 (Lykaon: ne pars sincera trahatur);
wer möchte noch das alte bette finden
des schwefelstroms, der glühend sich ergosz?
des unterirdschen feuers schreckliche
geburt ist alles, eine lavarinde
liegt aufgeschichtet über dem gesunden.
Schiller (braut v. Mess. 1, 4) 14, 30;
von meinen schaafen lernt' ich das gesunde
vom gift'gen unterscheiden.
Schiller (jungfrau V, 4) 13, 314;
das classische nenne ich das gesunde und das romantische das kranke. und da sind die Nibelungen klassisch wie Homer. denn beide sind gesund und tüchtig ... das alte ist nicht klassisch, weil es alt, sondern weil es stark, frisch, froh und gesund ist. Göthe bei Eckermann 2, 63.
β)
es ist nichts gesundes an meynem leibe. Luther psalm 38, 4 (in der verbesserten bearbeitung von 1526; in den buszpsalmen von 1517 zeigt auch Luther das von der älteren psalmenübersetzung beliebte substantiv: es ist keyn gesundheit yn all meym fleisch);
es musz
ich weisz nicht welche wollust für sie seyn
einander nichts gesundes vorzuschwatzen.
Schiller (Phönicierinnen 1, 2 μηδὲν ὑγιὲς, nihil sani) 6, 130;
über die erzeugung des menschen hat man noch gar nichts gesundes vorgebracht und mir, dem teufel, die einzige richtige erklärung überlassen.
J. Paul (unparteiische beleuchtung) 65, 103.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1897), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4292, Z. 48.

gesund, m.

gesund, m.,
in der älteren sprache in der form gesunt reich belegt, greift in die neuere sprache mundartlich und durch einige reste älterer verwendungen ein, frühzeitig ist es durch gesundheit verdrängt worden, das in Luthers sprache allein üblich ist.
I.
der ausgangspunkt aller formen für den substantivbegriff liegt in der glosse sunt, robur Steinmeyer-Sievers 1, 667, 11 (vgl. oben sp. 4294); dieser form steht auf mittel- und niederdeutschem boden das femininum sunt gegenüber (vgl. gesund f.), das in einzelnen flexionsformen mit dem masc. sich berührt und vermischt. von diesem substantiv ist das heutige adj. mittels des präfixes abgeleitet. auf oberdeutschem boden bietet jedoch die litteratur von anfang an auch für das substantiv präfigierte formen, so das ältest belegte subst. kasunti, das noch im heutigen mundartlichen gesünde (s. d.) weiterlebt, und als jüngeren sprosz des masc. gesunt, für das Graff 6, 260 sanitas, salus, incolumitas verzeichnet. die belege gehören der übergangszeit zur mittelhochdeutschen periode an: so chumet sanitas carnis (kesunt des lichamin). Notker (psalm 37), Hattemer 2, 133ᵃ; êra rîhtuom den gesúnt des lîchamen. ebenda (psalm 35) 122ᵇ. vgl. Diutiska 3, 326. für die mittelhochdeutsche zeit bringen das mhd. wb. 2, 2, 747 und Lexer 1, 937 zahlreiche belege bei, die jedoch weniger der blütezeit als der älteren geistlichen dichtung angehören; hiezu lassen sich anderehauptsächlich aus der übergangszeit zum neuhochdeutschenfügen; der verwendungskreis ist ein sehr ausgedehnter und zwar herrscht die übertragene bedeutung und die formelhafte ausprägung gerade in den älteren beispielen vor, während von der sinnlichen grundbedeutung manche in verhältnismäszig spätere zeit trifft.
II.
die bedeutungsentwicklung; sie ist schwierig darzustellen, weil der zusammenhang mit den nebenformen, deren geschicke auch unser wort beeinfluszt haben, nicht genügend zum ausdruck kommen kann. zudem engt sich bei unserer form, im gegensatz zu jüngeren formen, die fülle des bedeutungsgehaltes immer mehr ein; die ältere sprache kannte noch übertragungen, wie die von der körperbeschaffenheit auf die daseinsbedingungen überhaupt gesund wohlstand:
Jacob sprach, daz er ne wolte
noch scaffen ne scolte.
ime ware wole chunt.
er hête ime uerdienot den gesunt.
Diut. 3, 80.
doch schon in der mittelhochdeutschen dichtung schränkt sich der umfang auf die grundbedeutung wieder ein, und in die nhd. zeit tritt auch diese nur in einzelnen ausbildungen über: für diese liegt der ausgangspunkt in den eigenschaften, die das wort als substantiv entwickelt, je nachdem es ergänzungsbedürftig erscheint oder nicht, also in erster linie in syntaktischen factoren.
1)
der absolute gebrauch ist der weniger entwickelte, er hält noch mehr an der sinnlichen grundbedeutung fest.
a)
dô si in vant sô erblichen,
daʒ solte noch got erbarn,
an tugenden rîch gesundes arm,
den herzogen si vant.
Ottokars reimchronik 68522 Seemüller;
von dem gesund ist blatt 57 der arzneihandschr. C überschrieben vgl. Haupt a. a. o.; daz ist von dem gesund blatt 54ᵈ in A; wan alsô ungesundiu spîse tempert die natûre ze siehtuome und gesundiu spîse ze gesunde. David v. Augsburg (bei Pfeiffer myst. I) 359, 33;
ich kan dir nit vil geuden vom gesunt,
mein krankheit meert sich zu aller stunt.
fastnachtspiele 685, 19;
wenn ich eim die erznei gib inn munt
so gibt sie im ainn solchen gesunt,
das ..
ebendort 768, 8;
hyrausz woln wir lernen, das alle die gebethe, die do von den tzeitlichen guttern, ehr, reichtumb, gesunth und der gleichen gescheen .. stehen tzu der lincken. Luthers auslegung des vaterunsers nach J. Schneider (Agricola) werke 9, 135, 3 Weimar;
gesund und müssigang so viel man täglich schaut
wohnt und verträgt sich nie gar gern in einer haut.
Logau 3, 3, 100;
fürwahr wer seele soll und soll gesund verkauffen
dem ist kein silber nicht genug und auch kein gold.
1, 212, 85 (Rammler und Lessing setzen körper für die beiden fremdgewordene form);
verleich uns den ewigen gesunt des leibs und des muts. gebetbuch aus 1475 bei Schmeller² 2, 307; der lieb gsund oberpfälzisch die gesundheit. Zaupser nachlese 46; der gesunt in der bair.-österr. mundart vgl. Schmeller a. a. o. Frommann 3, 111. übern g'sund geht halt nix. steiermärkisches sprichwort nach V. Fossel volksmedizin und med. aberglaube in Steiermark 32. gesaͦnjd m. gesundheit. Haltrich 30.
b)
charakteristische verwendungen knüpfen an präpositionalverbindungen an:
α)
alt und junge
varen mit gesunde.
exodus 155, 36 Diemer;
mit sige und mit gesunde.
Wigalois 4457;
ob ieman wolde hernach jehen
sie lebten noch mit gesunt,
iu daʒ si danne kunt
daʒ si sîn erstorben.
Ottokars reimchronik 3289 Seemüller;
fürwar kein sorg trag ich darumb,
sonder vertrau dem waren gott,
der würd jhn schützen vor dem todt
und mit gsund wider bringen her.
J. Ayrer (Wolf Dietr.) litt. ver. 77, 1163;
das der wär sein helfer und in mit gesundt her wider schicket. Tristrant und Isalde 14, 1 (Augsb. druck von 1498, der jüngere Wormser druck hat gesundheit) Pfaff 228; der sie erhalten wölle mit gutem gesundt. Agricola (Wittenberg 1582) 567; vgl. Christus der herr sal es mät fräschem gesond afwiecken amen (siebenbürgisch-sächsische mundart). Frommann 6, 502, 3.
β)
dasz sie nicht wissen, in was gesund ihr herr sey. Kr. Lhdl. III 194, 238 zu 1447 Schm.; sölliche erkantnusz hat er gehabt von got, das er mit der göttlichen kunst der ertzney muͦg in gesunth behalten die menschen. A. v. Eyb 'ob einem manne' 49ᵃ (Hermann 1, 85, 7); wollten uns gesandten vorgedachte .. landräthe zu solcher vnserer abreise .. das beste an gesund und anderm gedeulichen wolstandt hertzlichen gegünnet und gewüntschet haben. verhandl. schles. stände von 1619 Palm 217.
γ)
das bezeuget uns der prophet Jonas
und sprichet uch juden al zu gesunt.
Alsfelder pass. 4923;
das fasten .. dient .. besonders dem leib zuͦ groszem gesundt. Geiler v. Keisersberg (vom anheb. menschen) granatapfel B 2ᵈ;
heil erfolgte durch die wunde,
krankheit diente zum gesunde.
Logau 1, 73, 96.
c)
in manchem der erwähnten belege, noch mehr aber in volkstümlichen redensarten liegt die vermutung nahe, dasz der absolute gebrauch erst durch verwitterung einer ganzen wortgruppe entstanden ist, indem eine naheliegende beziehung und ergänzung unausgedrückt blieb: soll yetzund der vberflüszige bracht der warmen bädern verfuͤgt werden .. ich glaub darumb dasz die selbige sach (als der Celsus bezeuget) gut were den gesund zuͦ behalten. Vergilius deutsch von Alpinus 89ᵇ; zwei gulden den dirnen so den gesunt schmecken oder püschel geben. rechnungen des archivs zu Wolfsberg 1598, Lexer kärnth. wb. 246; den g'sunt trinken. ebendort (vgl. gesundheit III, 3, c); mit wünschung langwierigen gesunds. Schmelzel Saul bl. 5ᵃ (1555).
2)
fruchtbarer ist der relative gebrauch.
a)
er stellt sich im satzgefüge leicht ein, auch ohne dasz er bestimmte ausdrucksformen erzeugt:
α)
her bat sinir genadin
daz her den gesunt imi vîrgâbi.
Annolied 846;
welliche purgatz nit ausz nit geschicht, sonder allein, den gesund einem pferdt zu erhalten. Seuter rossarznei (1599) 88.
β)
wand er muos im ze suone gebn
beide gesunt und sîn lebn.
Hartmann Iwein 5632 (variante sinen gesunt);
der wehalt den gesunt und langes leben. Wiener handschr. von 1408 J. Haupt 512;
füllerei, damit man den gesunt swecht.
Zingerle hexenprozesse 81.
γ)
behalten unserm lieben bruder hertzog Wilhalmen sein recht ob der beleib und bei gesunt bleiben solt. monum. Wittelsb. 353 (1367).
b)
das possessivpronomen neben dem substantiv, das den bedeutungsgehalt durch bezugnahme auf den einzelfall enger abgrenzt und greifbarer ausgestaltet, begünstigt die positive ausbildung des begriffes. ebenso liegt diese verbindung von substantiv und pronomen der volkstümlichen sprache nahe, sie hat daher grosze entwicklungsfähigkeit und greift in die oben besprochenen gruppen über:
ich gan im seines gesundes wol.
fastnachtspiele 421, 23;
ich bin gebesen ein reicher kunig,
meines gesundes pin nun arm.
lied vom könig Lassla 1457, Mone anzeiger 1839, sp. 70;
ee das mir ainer gäb sein nar
und solt mich domit reichen
zuͦ meim gesunt ân mailes pein,
ich muͤst von im ee als der snee ergân.
α)
das substantiv wird in das satzgefüge nur locker einbezogen.
1))
in sinnlicher grundbedeutung:
daz si nieman schadeten an sîme gesunde.
exodus 145, 27 Diemer;
er wânde sînes lîbes kraft
were immer werhaft,
ze sîme gesunde er sich versach.
warnung 593;
hye hebt der meyster Ortolffus wider an vnnd leret vnsz am ersten wie sich der mensche in den zwelff moneten des jares regieren sol das er bey seinem gesund beleib. Ortolf v. Baierland 54ᵇ; der cardinal Luna hett ihm eingebildt, das salz wäre seinem gesund zuwider. Bebel facetiä 137. cap. (1568) 58ᵃ; was ihr hertzog Ludwig gegeben hätte bei seinem gesund. Schmeller 2², 307.
2))
übertragen (das geschlecht ist freilich in diesen beispielen nicht immer ersichtlich):
an dîner ougen gesunt
und swa du bist mit leide wunt
dar an wirt mit nicht vreude kunt
unz so hin zu der stunt.
passional 216, 89 Köpke;
diz soldestu bewenden
nutzlich zu arbeiten
und din gesunt leiten
in gewerb durch dinen vrumen
so dorftestu nicht beteln kumen.
648, 48 Köpke:
so ist dem vierden zaller vrist
guot, ob er wol gesunt ist
wan er kêret sînn gesunt
ze guoten dingen zaller stunt.
Thomasin welscher gast 5063.
β)
das substantiv geht engere verbindung mit bestimmten verben ein, die eine bewahrung, eine gefährdung oder den neuerwerb des gutes der gesundheit zum ausdruck bringen.
1))
den sînen gesunt behalten.
genesis 91, 35 Diemer;
wiewol wen im got sein gesund und leben lenger erstrecket het, so het er seine gedicht vil edler, pesser und artlicher an tag pracht. H. Sachs (über Niclas Praun) litt. ver. 207, 4, 14;
disem gott sein gesundt und leben frist,
der vatter und muͦter gehorsam ist.
kaiser Maxmilians lehr (1532) 46ᵃ.
2))
ich klag den tag und alle stund
daz mein auszbundt
nit hat sein gsund,
Georg Forster auszug guter liedlein (1539) 1, 33. Ambraser liederbuch no. 189, 2;
zum neundten wer sitzt bey dem wein
tag unde nacht, stet vol wil sein,
und wirtschafft halten nach dem besten
gar köstlich aufftragen den gesten.
der komt umb sein gsund, gut und hab,
H. Sachs litt. ver. 193, 507, 26, 'die neun lasterl. stück';
ein mensch lebt nicht drum, dasz er fresz
und sein gesundt stell in vergesz.
Kirchhof wendunmut 121ᵃ (in der ausgabe von 1573 ist gesundheit dafür eingesetzt);
darumb kan ja der mensch nun nicht
gott lieben, wie er ist verpflîcht
er hat verloren sein gesund
sein hertz ist in den tod verwundt.
M. F. Dedekind der christl. ritter (1590) 1, 5;
en g'sund verliern. Lindermayr 34; (die geister) schleichendt auch liederlich in der menschen cörpel, verderbetend einem sein gesund. Vergilius deutsch von Alpinus 1ᵇ.
3))
alsô gewegete seint Anno disim man
daz her sînin gesunt gewan.
Annolied 872 (bei Roth nach 846, Opitz hat sini gesunt vgl. die oberdeutschen spuren im Annoliede) monum. germ.;
herre wil du dînen gesunt wider hân
sô solt dû mir volgen:
gebiut dînen haimlîchen holden,
si gewinnen mir diu kindelîn
die in zwain jâren geborn sîn.
in ir bluote muoz ich dîch paden,
sô solt dû dînen gesunt wider haben.
kaiserchronik 7819 Schröder;
so iszt er (der hund) grasz, dardurch er von jm auszwirfft und seinen gesund wider gehaben mag. Geiler v. Keisersberg granatapfel B 3 δ; gleichweise wie gesundte menschen jr narung aus dem acker oder erdtrich, also mügen die kranken jren gesundt in der artznei haben. Celsus deutsch von J. Khüffner (1531) 7ᵃ;
getrûwent ir mînem herren
sînen gesunt wider geben,
Hartmann armer Heinrich 1153, ebenso 1495;
da wil got von himelrich
dir dinen gesunt wider geben (dem Constantin).
Jansen Enenkels weltchron. 25310 mon. germ. vern. 3, 1;
bitten die sie zu compellirn
iren gsund zu restituirn.
J. Ayrer (könig podagra) litt. ver. 77, 43;
Augerioner hat in der kunst der heylsamen ertzney manchem seinen gesundt widergeben. A. von Eyb (ob einem manne etc.) 39ᵇ (Hermann 1, 70, 3); viel ir mt. (Karl V. 1544) in ain schwäre grosze kranckhait dasz man sich seines lebens verwegen hett .. aber got half ihm widerumb zu seinem gesundt. Kirchmair denkwürdigk. 524; darzwischen hab ich mich noch immerzuo ettwas ibel auf befunden, zu erholung meines gesund offt ettwas gebrauchen mieszen. Krafft reisen 335; ein stier, der do grasz isset, der isset ihm sein gifft und sein gesundt. Paracelsus op. (1589) 1, 24.
3)
die verbindung begünstigt formelhafte ausprägungen.
α)
bî des chuniges gesunte
ir ne chomet uz deme lante
ê iur bruder der min ist.
Genesis fundgr. 63, 11, 17, Diemer 90, 11, 17;
der kunich Gallîênus
der antwurte im sus:
sam mir min gesunt,
dû trinchest eʒ ûʒ an den grunt.
kaiserchronik 7510 Schröder.
β)
daz obiz daz ich dir verbot
bî dînem gesunde.
genesis 19, 4 Diemer, ebenso genesis fundgr. 37, 32;
sinen gesunt verwurchen, das leben verwirken. Schwabensp. nach Schmeller; die üblichere verwendung ist diejenige, die gesunt in gegensatz zu lif als leibesstrafe gegenüber der todesstrafe stellt, wie in: ob in deu chlage an ir leib, oder an ir gesunt gat. Ficker spieg. deutscher leute 88; ebenso in den nordd. rechten, wo das fem. (s. d.) in den niederd., das masc. in den obersächs. texten auftritt: darmede he sine sunt eder liep vorwerken muchte (obersächs. var. synen gesunt). richtsteig 35, 2; tum ersten pineget it so, dat it deme brochaften nimpt sin lif. tum andern nimpt it sin gesunt (obers. var. synen gesunt). richtsteig 28, 2 u. a.; do vor wyrket nymant synen lyp noch syne gesunt domete. kulm. recht Lehmann 5, 15. von hier aus ist unserem worte in den rechtswörterbüchern besondere beachtung geschenkt worden: gesund verwirken, einer leibesstrafe sich schuldig machen. Westenrieder; gesund des mannes bedeutet seine haut und haar und alle seine glieder. Zedler 10, 1306.
γ)
da es lendlich und sittlich ist, einem gesandten von seines gesunds wegen einen starcken trunck zu bringen. Mathesius diluv. 401ᶜ (Nürnberg 1587); so hätten die alten, zu ehren der jhrigen, nicht aber auff deren gesund, getrunken. Zeiller episteln (33) 96.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1897), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4313, Z. 63.

gesund, f.

gesund, f.
mit den flexionsformen der i-declination, niederdeutsch und mitteldeutsch in nom. u. acc. in der form gesunt belegt, im gen. u. dat. von den formen der bildung gesunde nicht zu trennen (s. d.). mhd. wb. 2, 2, 748. Lexer 1, 936. es tritt in derselben verwendung auf, wie das vielbelegte einfache sunt (s. d.) vgl. Schiller-Lübben 2, 86, brem. wb. 4, 1097. angels. vgl. mit gesunde, cum tuto Wright anglos. voc. 2, 307, daneben gesynto vgl. unter gesunde; aus dem sprachgebiet, dem das wort entstammt, ergiebt sich auch, dasz es in der dichtung weniger belegt ist, als in prosadenkmälern.
1)
a)
suzzer ruch und suzzer smag
gerouch si ein sicher man;
sine gesunt er wider nam
ob er ioch were tot gewunt.
des wart Hector gesunt.
Herbort troj. krieg 9349;
des kuneges gesunde
wârens alle harte frô.
Ebernant von Erfurt Heinrich u. Kunig. 1818 Bechstein
vgl. gesunde;
god gaf om sin gesunt wedder. Magdeburger schöppenchronik, d. städtechroniken 7, 35, 14.
b)
deine gesund meine freude,
du mein einiger trost,
du mein einiges blut,
von dir wend ich nit meine treu,
la dich schöns lieb nicht gerewen.
Ambraser liederbuch (1582) litt. ver. 12. no. 68, 1;
was andern schädlich ist kommt ihnen (den bettlern) zur gesunde.
Schupp sch. 696 (kunst reich zu werden).
2)
a)
unde he wolde dar nicht aff, se mosten ome toseggen vor lyff unde vor gesunt. Braunschweiger schichtbuch von 1514 d. städtechroniken 16, 313, 8.
b)
over de vorsten lif unde ire gesunt ne mut neman richter sin, wan die koning. Sachsenspiegel III 55 § 1 (Homeyer); dat lif odder de ere odder de gesunt (obers. variante unde den gesunt). richtsteig landrechtes (Homeyer) 41, 10. in andern fällen läszt sich das genus nicht so deutlich nachweisen: svar man aver egen gift oder sat, oder enem manne tügen wil an sin recht oder an sin lif oder an sin gesunt, dat de man vor gerichte verlovet hebbe, oder ime verdelt si, des mut di richter selve sevede sogedaner lüde de eme ordel vinden getüch sin. Sachsenspiegel I 8 § 1 (Homeyer). ebenso richtsteig landrechtes 2, 4; 28, 2.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1897), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4317, Z. 35.

gesunderen

gesunderen,
verbalableitung zum obigen: wie man mag gesunderen den smac des weynes. mitteld. weinbuch. J. Haupt sitz. ber. d. Wiener akademie 71. vgl. Lexer 1, 936.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1897), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4321, Z. 30.

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Zitationshilfe
„gesunderen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gesunderen>.

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