Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

gethierz, n.

gethierz, n.,
mundartliche collectivbildung zu thier mit dem suffix eze, die im niederdeutschen sprachgebiete das viel verwendete gediart, gethierte zur seite hat (vgl. Wilmanns deutsche grammatik 2 § 274, 4); ghedierte, animal, pecus Kilian i 3; gethiert neben gethier bei Henisch 1586; mittelniederl. gedierte Verwijs u. Verdam 2, 1060; gedierte, thierreich; al het gedierte des velds, alle thiere des feldes Kramer 1, 135; gediart, gethier Johansen nordfriesische sprache 130.
1)
die form gethierz gehört dem mitteldeutschen sprachgebiete an und zwar dem westlichen theil desselben. sie erscheint um 1479 zum ersten mal als variante der Heidelberger handschrift von U. v. Türlins krone:
das getiertze dem maul die ere
dorch seiner frauwen willen erzeigt.
pal. germ. 374, 108ᵇ.
ebenso ist sie in weisthümern aus dem ende des 15. jahrh. belegt (vgl. 3). sie tritt aber immer nur gelegentlich an die oberfläche des litterarischen lebens: ich wyse ere lichname den fögeln und gedyrtz in der lufft zu vertzeren. bei Wigand beiträge 2, 201. vgl. Bech Germania 10, 398. 22, 292; dahero kommts, dasz die vögel im feld so lieblich singen, das gethierts so frölich ist und die raben durch ihre aufgesperrte keelen ihren gesang schreyen (et laetae pecudes). J. Valentin übersetzung des Virgil 1705 (georgicon 1, 423) 72; und die ostwinde hielten mit kaltem blasen und wehen ein: sobald das gethiers ist ans liecht kommen, cum primae lucem pecudes hausere (georgicon 2, 340) 95. von hier aus hat das wort auch die aufmerksamkeit des Heynatz erregt, der die stellen in seinem antibarbarus 2, 49 anmerkt.
2)
in unserem jahrhundert ist dem worte von der mundartenforschung viel beachtung geschenkt worden, es zeigen sich hier für gethierz alle die bedeutungen, die oben an gethier entwickelt worden waren, nur das collective moment tritt zurück: gedêrze, gedîrze, selten gedêrte, das gethier .. im gewöhnlichen sinne, häufiger aber mit dem nebensinne des auffallenden, wunderbaren, widernatürlichen etc. Schambach 60ᵇ; gethierz, thier; besonders ein fremdländisches, noch nie gesehenes thier: was ist das für ein närrisches gethierz! Spiesz beiträge zu einem Hennebergischen idioticon 78, vgl. Frommann 6, 514; getier, gedērz Hertel Salzunger wb. 16; gethierze n. animal brutum, die beinahe ausschlieszlich herschende bezeichnung; fast niemals heiszt ein animal brutum thier. Vilmar idioticon von Kurhessen 412.
3)
pluralbildung ist schon früh versucht worden: die kyrchen gifft und alle zehenden klein und groisz im felde, acker, wiesen, garten .. von allen biesten und gedierzehen, weisen sey (sie) dem gotteshausz. weisthum von Udelhoven (1481) weisthümer 2, 533. neuere bildung ist getierzer vgl. Frommann 6, 514.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1897), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 4381, Z. 16.

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Zitationshilfe
„gethierz“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gethierz>.

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